Market-Timing

  • ExxonMobile. RoyalDutch Shell bringt es gerade auf die Hälfte. Wenn man nicht damit rechnet, daß der Ölpreis wieder deutlich fällt, sind die auch nicht deutlich überbewertet (nebenbei sind die Reserven von Exxon nur 14 Jahre laut Wikipedia).


    Richtig shorten kann man offenbar nur bei IB, oder bei anderen, noch spezielleren Brokern, die sich nur für Vieltrader eignen. Der Leerverkauf bringt zwar zunächst Liquidität, allerdings braucht man noch mehr davon zur Absicherung, als das, was es einbringt - wovon sollte man sonst ggf. einen "Stop-Buy" durchführen? Die für mich einzig infrage kommende Alternative wären Derivate - immerhin sind die gehebelt, der maximale Verlust ist von vorneherein auf den Kapitaleinsatz begrenzt, und wenn man erst dann short geht, wenn der Abwärtstrend bereits im Gang ist, dann ist es ohnehin eher eine kurzfristige Sache. Es gibt auch Derivate mit Hebel ohne Zeitwertverlust.

    „Wir haben die gesamte Führung fast aller Berliner Sicherheitsbehörden ausgetauscht und dort ziemlich gute Leute reingebracht." – Benedikt Lux, Grüne Berlin

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  • Short-Knockout-Zertifikate haben häufig sogar einen Zeitwertgewinn. Das hängt allerdings davon ab, wie das Zertifikat konstruiert ist. Wenn es durch den Verkauf von Futures erreicht wird, wird die Verkaufssumme verzinst; ein Teil davon kommt dem Käufer des Zertifikats zugute (durch eine Anpassung des Basiswerts).


    Umgekehrt kommt es bei Long-Knockout-Zertifikaten häufig zu einem Zeitwertverlust durch Anhebung des Basiswerts (so finanziert der Emittent den Kauf des Futures).

    "The only function of economic forecasting is to make astrology look respectable." - John Kenneth Galbraith

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  • Eigentlich gehört die Diskussion schon wieder in einen Spin-Off, aber egal:


    Wahrscheinlich wäre ich der geborene Shortseller - es scheint einfach viel öfter bzw. eindeutig überteuerte Aktien zu geben als umgekehrt günstige (oder bin ich da noch vom Jahrtausendboom geprägt?). Jedenfalls, die Beispiele von Nonsens-Unternehmungen an der Börse, die dann tatsächlich abgestürzt sind, sind Legion. Und es macht ja auch Spaß, zu gewinnen, während die anderen verlieren! Aber vielleicht ist das auch eine schiefe Sicht der Dinge, denn auch wenn es sich à la longue fast immer erfüllte, so gingen die Kurse doch manchmal zwischendurch in die falsche Richtung. Und da liegt der Hase im Pfeffer: aussitzen is' nich', im Gegensatz zur Value-Strategie, weil man sich damit potentiell ruinieren kann, der Verlust ist nicht begrenzt. Daß man dagegen mit einer Palette Value-Aktien den Großteil des Vermögens in den Sand setzt, ist nicht zu erwarten, wenn man bloß genügend Zeit mitbringt (höchstens dümpeln sie nach zehn Jahren immer noch vor sich hin). Selbst wenn man eiserne Nerven hat und erst recht short bleibt, wenn die Aktie (unbegründet) weiter steigt - was schon wesentlich ungemütlicher als bei der Value-Strategie und sicherlich mental nicht zu unterschätzen ist -, so läuft man dennoch die Gefahr, immer weiter in Bedrängnis zu geraten und ausgerechnet im ungünstigsten Moment doch die Reißleine ziehen zu müssen und dann einen hohen Verlust realisieren zu müssen. Oder man läuft eben Gefahr, daß die Verluste das ganze Depot auffressen, wenn man z.B. die Aktie erwischt mit dem lächerlichen Nerd als Vorstand, die sich erst später als Microsoft entpuppt, obwohl doch jeder, der was von IT versteht, weiß, daß Unix das einzig Wahre ist, und IBM sich sowieso nicht die Butter vom Brot nehmen lassen wird.


    Das ist genau der Grund, warum ich klassische Leerverkäufe für mich von vorneherein ausgeschlossen habe. So relativiert sich die vermeintlich größere Chance der überteuerten Aktien wohl. Es ist ein anderes Risiko, eines, das sich zum Schwarzen Schwan auswachsen kann. Ich habe es noch gut genug in Erinnerung: die allermeisten Tech-Aktien stehen heute weit niedriger als zu ihrem IPO Ende der 90er Jahre. Das hätte einem damals aber nicht geholfen.
    Es bliebe nur die Möglichkeit, konsequent zu sein und sich von vorneherein einen engen "Stop-Buy" zu setzen (und zu hoffen, daß die Aktie nicht von heute auf morgen einen Sprung nach oben macht). Dann aber wiederum kann man doch gleich zu einem entsprechenden Derivat greifen, nicht notwendigerweise KO-Zertifikate. Da es dann meistens eh eine "entweder-oder"-Sache ist, da von überhitzten Aktien auch kaum eine stabile Seitwärtsentwicklung zu erwarten ist, sondern entweder eine Fortsetzung des Trends oder ein Kippen desselben, würde auch nichts gegen nur kurzfristig einsetzbare Instrumente wie Optionsscheine sprechen.
    Wobei der Nachteil wiederum ist, daß es solche Derivate nur auf die größten Firmen gibt, nicht auf obskure Klitschen, die kein sinnvolles operatives Geschäft haben.


    Die Derivate haben den Vorteil, das gilt selbst noch für KO-Zertifikate gegenüber direkten Leerverkäufen: Der Verlust ist maximal auf den Einsatz begrenzt, egal was passiert, so gesehen stellt das einen Puffer dar (was das Emittentenrisko ausgleicht). Bei einem Stop-Buy ist nicht die Ausführung zu einem bestimmten Preis garantiert. Man hängt auch nicht davon ab, daß die Depotbank nicht zwischenzeitlich ihre Politik ändert, d.i. die nötigen Sicherheiten.
    Lediglich wird Kapital gebunden. Aber das sollte kein Problem sein, wenn man nur dann short spekuliert, wenn die Märkte insgesamt überteuert sind und man ohnehin nicht mehr voll investiert ist - nur dann ist für die teuren Aktien auch wirklich eine absolut negative Entwicklung zu erwarten. Und darum geht es ja in punkto Market-Timing. Die Kapitalbindung hat man aber bei normalen Shorts bei gleichem Risiko (siehe oben) gleichermaßen. Wenn man dagegen kein Cash vorhält, ist das Risiko wieder ein anderes. Man könnte doppelt getroffen werden, wenn sich Long- und Shortposition auseinanderentwickeln.

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  • Schöner Beitrag!


    Ich würde Shorts aus oben genannten Gründen praktisch nur über Optionen (Long Put) verwirklichen. Die Gefahr, dass die Herde einen überrennt ist einfach übergroß! Und selbst bei richtiger Analyse kann man nicht sicher sein, dass man auch Profit daraus schlägt.


    Von daher für Put's --> Charttechnik Charttechnik Charttechnik. Wenn die 200 Tage Linie oder irgendein dummer Kanal bricht, werden schonmal die Hälfte aller Tradingprogramme und Charties aussteigen. Danach ist immer die Chance, dass die Realisten das Steuer an sich reißen ;-9


    Daher ist Aixtron für mich im Moment auch noch kein wirklicher Short

    Value investing is at its core the marriage of a contrarian streak and a calculator - Seth Klarman

  • Man koennte u.U. schon "manchmal" sich absichern. Indem man (wenn es ihn gibt) einen Call kauft, weit oberhalb. Der duerfte recht billig und wertlos sein, wenn er weit weg oberhalb vom aktuellen Kurs liegt. Sollte es tatsaechlich passieren, dass man als shortie gegrillt wird, dann hat man seinen Call - die Option auf Lieferung der Aktien, die man dann ausuebt. Damit sichert man sich gegen den Fall ab, dass es keine Aktien mehr gibt, wie vermutlich im Falle von Volkswagen geschehen.


    Zitat


    Lediglich wird Kapital gebunden. Aber das sollte kein Problem sein, wenn man nur dann short spekuliert, wenn die Märkte insgesamt überteuert sind und man ohnehin nicht mehr voll investiert ist - nur dann ist für die teuren Aktien auch wirklich eine absolut negative Entwicklung zu erwarten. Und darum geht es ja in punkto Market-Timing.


    Genau. Das gute beim Shorten ist, dass Du das Liquiditaets-Problem verringert hast wenn es dann Crasht.
    Wohin auch sonst mit dem Cash? Wenn es immer weniger gute Anlagemoeglichkeiten gibt, dann kann man es so machen wie ich und ein Klumpenrisiko in die einzige gute Anleihe eingehen die man noch gefunden hat. Auch das ist ein enormes Risiko, wenn es auch sehr unwahrscheinlich ist, das etwas todsicheres ausfaellt, so kann es dennoch vorkommen.
    15% in Shorts, das stelle ich mir vor. 15% in Longpositionen (realistisch gesehen kann man nie so knallhart sein alle seine Lieblinge zu verkaufen, auch wenn die Erfahrung lehrt, dass man selbst die besser verkauft haette).
    Den Rest in Dinge die nur kurzfristig gebunden sind, oder hoffentlich wenig mit den Aktienmaerkten im Crashfalle korrelieren.


    Wenn die Zeit gekommen ist, werde ich aller Warnungen zum Trotz meine Todeskandidaten ausgewaehlt haben die ich dann shorten werde. Da wir schon in leicht teurem Fahrwasser sind, ist es nicht zu frueh, schon heute nach Aixtron und Co. Ausschau zu halten und nicht erst im Abschwung viel Zeit aufwenden zu muessen etwas zum verkaufen zu finden.


    Market-Timing ist komplizierter als Buy & Hold. Meiner Einschaetzung nach fuehrt kein Weg daran vorbei, aber man muss natuerlich kein Leerverkaeufe taetigen um Market-Timing zu betreiben. imho genuegt es natuerlich, im entscheidenden Augenblick nicht investiert zu sein. Sogar jetzt koennte man aussteigen und der Boerse den Ruecken kehren. So viel wuerde man bestimmt nicht verpassen. Aber wer so denkt, der waere ja nicht mehr hier. Wir spielen alle mit dem Feuer - und sind suechtig nach diesem "Spiel". (oder man ist komplett ahnungslos und sieht gar nichts bzw. glaubt noch an 7% p.a. in den naechsten 10 Jahren).


    Gruss,
    Joe

    “It’s the little things that matter. It’s one thing to tell someone they look like the first day of spring. It’s another thing to tell them they look like the last day of a long, hard winter.” - Zig Ziglar

  • Man muß hier etwas aufpassen, denn es ist mitnichten so, daß Shortverkäufe lukrativer sind, weil es eher Aktien gibt, die um den Faktor 10 überbewertet sind als solche, die nur ein Zehntel des fairen Wertes kosten. Das oben von mir genannte stimmt zwar, aber ich wäre dennoch beinahe selbst darauf hereingefallen. Die Erklärung ist noch eine andere.


    Man könnte nun denken:
    "Das ist ein tenbagger im Leerverkauf!"
    Schauen wir uns z.B. eine Aktie Neonosino an. Fällt auf den fairen Wert von 5 Euro. Ob ich sie nun bei 50 oder 100 Euro verkaufe, spielt aber kaum eine Rolle, denn im ersten Fall mache ich bei 1000 Euro Leerverkaufs-Volumen 900 Euro Gewinn, im zweiten Fall 950 Euro. Wenn sie zuerst noch auf 1000 Euro gestiegen wäre, dann wäre mein Gewinn 995 Euro. Mehr als 1000 Euro kann ich von vorneherein nicht gewinnen, denn keine Aktie kann auf weniger als 0 Euro fallen.
    Der fallende Kurs führt also nur zu einer Annäherung an diesen Grenzwert, nicht zu einem proportional steigenden Gewinn!


    Jetzt könnte man rückwärts rechnen und sagen: Der eigentliche "Einsatz" bestimmt sich beim Leerverkauf erst am Ende, nämlich hier die 5 Euro. Für ein bestimmtes Rückkaufvolumen darf ich also immer mehr Volumen leerverkaufen, je höher der Kurs steht. Die Stückzahl ist immer gleich und bestimmt sich durch den Zielkurs.
    Aber was passiert denn dann, wenn die Aktie auch nur ein bißchen in die falsche Richtung läuft? Man läuft wieder in das oben dargestellte Szenario hinein! Man muß sich unbedingt ein Limit setzen. Bei zehnfach höherem Leerverkaufsvolumen gegenüber dem geplanten Rückkaufwert kostet jeder Kursanstieg natürlich auch das Zehnfache im Depot.


    Denn: Wenn ich für 1000 Euro leerverkaufe und mir 100% Spielraum lasse, d.h. die Aktie darf sich verdoppeln, bevor ich die Reißleine ziehe, d.h. auf einen Wert von 2000 Euro. Dann muß ich auch genau so viel vorhalten. 1000 Euro generiert der Leerverkauf selbst, 1000 weitere muß ich selbst vorhalten. Der maximale Gewinn von 1000 Euro ergibt folglich 100% Gewinn aufs "eingesetzte Kapital". Bei 50% Limit ist 200% Gewinn möglich usw.


    50% scheint immer noch verlockend, aber nicht vergessen das Beispiel VW - dort könnte man sich erträumen:
    Selbst wenn man schon bei 600 Euro eingestiegen waere, waere das jetzt ein 5-Bagger.
    Bei 50% Limit wäre man bei 900 Euro ausgeknockt geworden!


    Beides zusammen relativiert die vermeintlich höhere Attraktivität des Leerverkaufens: Der Gewinn ist beschränkt und ließe sich nur durch Hebelung erhöhen, und genau das erhöht auch das Risiko des Knock-Outs. Ohne Hebelung hat man ein noch horrenderes Risiko, siehe oben. (Von der Siegel'schen Konstante und der Tatsache, daß es bei O'S kaum Strategien gibt, die langfristig absolut verlieren, will ich gar nicht reden, denn erstens ist das für das Thema Market-Timing irrelevant und zweitens wären das für mich auch nur weitere Punkte für eine Erörterung, aber nicht die wirklich zählenden Argumente).


    Consors ermöglicht übrigens auch Leerverkäufe. Warum weist denn keiner darauf hin? Die nötige Wertpapierleihe kostet 0,35% und es fallen sonst die normalen Handelssebühren an. Die Margin unterscheidet sich wohl je nach Papier.
    Hier ist die Liste der leer verkaufbaren Aktien:
    https://www.cortalconsors.de/euroWebDe/-?$part=financeinfosHome.Desks.shortSellingPDF.content.shortSelling&$event=generateShortSellingPDF&timespan=overnight
    Man kann neue darauf setzen lassen. Daran sieht man also, was alles schon angefragt wurde zum Leerverkauf.

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  • Abkoppelnd vom Lagethread bringe ich mal den theoretischen Hintergrund, weil der nicht jedem bekannt ist:
    Diese oder andere Analysen dieser Art kann man zur 300-Tagelinie finden:
    http://falkenblog.blogspot.com…using-moving-average.html


    Die spannende Frage ist natuerlich ob eine Market-timing-value-Strategie auch eine value-Strategie schlaegt?
    Die Market-timing Gedanken sollen nicht nur einfach den allgemeinen Markt schlagen, sondern Ziel muss es sein, die bisherigen Valuestrategien zu schlagen.
    Ob das moeglich ist weiss kein Mensch solange es dazu keine Analysen gibt.
    Die Schwierigkeit ist dabei, dass man ja nicht z.B. eine reine KBV-value-Strategie versus eine reine Market-timing KBV-value-Strategie faehrt. Eine solche gibt es glaube ich z.B. von Smithers. Der wird sich schon nicht umsonst mit der Frage beschaeftigen ob der Markt absolut teuer ist nach Tobins q oder nicht.

    Kein Value-Anleger faehrt jedoch eine reine 1-Faktoren-Strategie.
    Es sind immer Multifaktorenstrategien. Man kann immer an irgendeiner Stellschraube drehen und hoffen, dass diese oder jene Einstellung noch besser ist. Bevor man eine solche "hochgeruestete" value Strategie verlaesst zugunsten einer Market-timing-value-Strategie haette man gerne Beweise. Diese Beweise gibt es jedoch nicht.


    Es gibt zwar die Regel: "kaufe guenstig - und kaufe nicht teuer" aber woher soll man wissen, ob damit gemeint ist "kaufe absolut guenstig - und kaufe nicht absolut teuer", oder ob der relative Vergleich genuegt? Und dann kommt erschwerend hinzu, dass wir nur eine grobe Vorstellung davon haben, was absolut guenstig ueberhaupt ist?
    Und selbst wenn man das weiss - wohin mit dem Cash waehrend man draussen ist?
    Es wird gerade beim Market-timing nie eine eindeutige Antwort darauf geben ausser folgender: "es kommt darauf an: Man investiert immer dort, wo die Chance einer hoeheren Rendite besser ist."
    Ob das normale Unternehmesanleihen sind, Staatsanleihen, Genussscheine, Wandelanleihen, Immobilien, Rohstoffe, Short-Strategien, Bargeld, Cashkonto, eigenes Geschaeft gruenden, Land, Ausbildung, oder mangels Alternativen das beste wohl waere, das Geld auf den Kopf zu hauen, zu verjuxen oder seine eigene Huette und/oder Lebensqualitaet auf irgendeine Art und Weise zu verbessern - das kommt halt immer darauf an.


    Meistens lautet die Antwort: "Am besten ist man in Aktien investiert."
    Ein Market-timing* Gedanke widerspricht jedoch der Aussage: "Aktien sind IMMER das beste" - und stellt die Alternativen jedesmal erneut auf den Pruefstand.
    Beim Wort "IMMER" werden selbst Buy & Hold Anhaenger natuerlich nicht mitmachen. In der Praxis widerspricht Market-timing dann eben auch der Aussage: "Aktien sind zu ueber 90% Wahrscheinlichkeit immer das beste". Je nach Ansicht kann man an der Prozentzahl rumschrauben. Ich persoenlich wuerde mich trauen die "90%" in diesem Satz mit "80%" zu ersetzen.


    *"Market-timing" ist ein Dehnbarer Begriff. Hier meine ich das umschichten vom Asset "Aktie" in andere Assets.
    Market-timing im weiteren Sinne gibt es auch, und wird z.B. von norbert betrieben. Der Priamos Fond ist immer dort investiert, wo die Aktien-Marktbewertung guenstiger ist als anderswo.
    Im noch weiteren Sinne ist jeder Value-Investor ein Market-timer, der die Variable Kurs in seinen Stellschrauben beruecksichtigt: Eine Aktie wird immer erst dann gekauft, wenn sie sehr guenstig ist. Die meiste Zeit also nicht.



    Und nun noch was spezielles: Markettiming soll nur 1% p.a. mehr bringen als der Markt, hingegen valuestrategien 6% p.a. mehr.
    Das ist ein Irrtum, denn:
    Der Markettimer ist nicht zu 100% der Zeit draussen.


    1.) In der Zeit wo er draussen ist generiert er nach meiner Durchsicht der Shillerdaten ein deutliches Plus gegenueber dem Markt (waehrend er DRAUSSEN ist).


    2.) in der Zeit, wo der Market-timer drinnen ist, performt er (oh wunder) Marktkonform!


    aus 1.)+2.) ergibt sich eine durchschnittliche Outperformance, die (natuerlich) gebremst wird von der Zeit in dem man IM Markt investiert ist.


    Und nun wird klar: Waehrend man IM Markt ist, kann man genauso wie der Dauer-Buy&Holder'er ebenfalls Valuestrategien fahren, die natuerlich dann ihre 6% p.a. Outperformance bringen.*


    Richtig waere es, lediglich die Zeitraeume zu vergleichen in denen der Market-Timer DRAUSSEN ist.
    Der Markettimer gewinnt gegenueber dem allgemeinen Markt alleine dadurch, dass er keine Kursverluste erleidet. Wenn er es auch noch schafft eine Rendite nach Inflation zu bekommen, wird der Vorsprung enorm.
    Dann gibt es noch den Verdacht (Winter hatte immerhin einen guten Indizienbeweis mit den O'S Daten gegeben), dass valuestrategien ihre Outperformance besonders in Bullenmaerkten erreichen, hingegen in Baerenmaerkten die outperformance unter den Erwartungen bleibt.


    *Man darf ruhig von 6% p.a. im Baerenmarkt traeumen - sie dann tatsaechlich zu bekommen ist steht auf einem anderen Blatt. Hingegen im Bullenmarkt ist der Markettimer selbstverstaendlich ebenso investiert, und in dieser Zeit gibt es evtl. sogar mehr als 6% p.a. mit Valuestrategien.


    Ich habe das jetzt doppelt und dreifach erklaert, egal, ich denke ich habe den Gedankengang rueberbringen koennen.
    Ist ja kein Artikel fuer die FTD.

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    Einmal editiert, zuletzt von Joe ()

  • Ein prima Beitrag, und nicht unnötig redundant - genauso hätte ich das auch geschrieben ;)


    Kurzgefaßt in einer Formel, es hängt davon ab was größer ist:
    Markt + 6% - x, oder:
    0% + y


    Wobei:
    Markt < 0%, und zwar im entscheidenden Zeitraum betragsmäßig mehr als nur die -1%, die Balkenchart erwähnte über den gesamten Zeitraum.
    x = mögliche rel. "Value-Unterrendite" in Bärenmärkten, was insbesondere der Fall sein wird, wenn die RS im Spiel ist
    y = Anlagealternative, meist kurzfristig, aber theoretisch auch längerfristig denkbar bei entsprechender Renditeaussicht


    Es ist mMn nicht zu beantworten, da das von zu vielen Faktoren abhängt und in Zukunft wieder anders sein kann. Hier genügt nicht eine tendenzielle Aussage wie beim Nachweis der Value-Überrendite, sondern man müßte es sinnvoll quantifizieren können. Zumal das Verlustrisiko noch dazu kommt, und zwar das absolute, nicht relativ! Und das steigt erfahrungsgemäß, je teurer der Markt wird (und desto geringer sind die weiteren Renditeaussichten). Das sollte schon kompensiert werden von einer höheren Rendite, sonst empfiehlt sich wenigstens der teilweise Ausstieg. Der Schluß für mich ist: Je teurer der Markt, desto eher lohnt sich "Market-Timing", und zwar wegen des Risikos, nicht wegen der Formel oben (auch wenn der Verlust dann nur mittelfristig ist und es sich langfristig wieder erholt, das ist ärgerlich genug).


    Nur die verlinkte Studie finde ich hier nicht hilfreich, da sie nicht die Value-Kriterien nimmt. Die genügen aber, wenn man sie sinnvoll einstellt (z.B. Wiedereinstieg bereits bei KGV=15). Alles andere würde ich nicht befolgen wollen/können.


    Viel hilfreicher wären in diesem Zusammenhang die Diagramme, welche die Renditeaussicht für die nächsten Jahre in Abhängigkeit von der aktuellen Bewertung modellieren. Ab ca. KGV10=20 ist glaube ich laut Norbert die Rendite fürs nächste Jahr schon negativ. Aber das müßte man nochmals untersuchen.


    Mist, jetzt hab ich's auch nicht mehr in 'nem Dreizeiler geschafft ...


    Zu den obigen Beiträgen noch ein Nachtrag: Die Wertpapierleihe bei Consors kostet nicht bloß 0,35%, sondern mindestens 40 Euro.

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  • Hallo,


    ich verstehe immer noch nicht, was Ihr eigentlich wollt. Wenn ich Timing im S&P500 z.B. nach KGV10 oder Tobin-q machen wuerde, mit was weiss ich fuer welchen Parametern, dann waere ich von ca 1995 oder 1997 bis Ende 2008 nicht in Aktien investiert gewesen, haette also die Bullenjahre 1995-1999,2003-2007 verpasst. Insgesamt je nach Ausstiegsjahr 1995-1997 sind das 8-10 Jahre mit Kursgewinnen und nur 4 Jahre (2000,2001,2002,2008) mit Kursverlusten.


    Wenn ich jetzt in den Jahren mit Kursgewinnen eine Outperformance von 5% p.a. habe und in den Jahren mit Kursverlusten eine durchschnittliche Performance, dann habe ich seit 1996 (als Beispiel) eine Ueberrendite gegenueber dem Markt von 55% in 13 Jahren. Das duerftet Ihr mit Timing nur schwer einholen.


    Und tatsaechlich, wenn Ihr Timing nach KGV10 macht, bekommt Ihr ueber 100 Jahre ca 0.5 bis 1.5% p.a. Outperformance gegenueber buy and hold mit dem Index. Und Eure Sharpe-Ratio (real) wird dabei nicht besser, denn Ihr seid in vielen Jahren mit steigender Inflationserwartung nicht in Aktien, sondern in Anleihen oder Cash gewesen.


    Balkenchart

  • Zitat

    Original von Joe
    Richtig waere es, lediglich die Zeitraeume zu vergleichen in denen der Market-Timer DRAUSSEN ist.
    Der Markettimer gewinnt gegenueber dem allgemeinen Markt alleine dadurch, dass er keine Kursverluste erleidet.


    Zitat

    Original von Winter
    Wobei:
    Markt < 0%, und zwar im entscheidenden Zeitraum betragsmäßig mehr als nur die -1%, die Balkenchart erwähnte über den gesamten Zeitraum.
    x = mögliche rel. "Value-Unterrendite" in Bärenmärkten


    Beides ist - mit Verlaub - Humbug. Denn beide Zitate implizieren, man könnte mit market-timing rechtzeitig vor Beginn einer Baisse aussteigen, und am Ende einer Baisse steigt man pünktlich wieder in den Markt ein. Schönes Märchen.


    Market-timing wird ja nicht post-hoc durch den Chartverlauf eines Aktienindex gesteuert, sondern a priori anhand von objektiven Kennzahlen, welche die Ein- und Ausstiegssignale in die Assettklasse Aktien generieren.


    Welche Signale hierbei funktionieren, ist die entscheidende Frage. Die Signale von Börsenpfarrer Uwe Lang *) z.B. funktionieren definitiv nicht, sondern produzieren Unmengen an Fehlsignalen. Fehlsignal heißt hier: Man ist in Aktien investiert, während die Indexstände sinken, oder man steht mit leerem Depot an der Seitenlinie, während der Aktienmarkt steigt.


    Das gleiche Risiko von Fehlsignalen existiert für x-beliebige andere Signalgeber, also auch das hier diskutierte KGV10 beim S&P500. Wobei Balkenchart schon empirisch gezeigt hat, dass mechanisches market-timing mit dem Signalgeber KGV10 keine befriedigende outperformance erbracht hätte.


    Nach meinem Kenntnisstand ist market-timing nichts als ein schöner Traum, dass man Baissephasen systematisch vermeiden kann und in Haussephasen voll dabei ist. Ich wäre aber der erste, der eine funktionierende Methode konsequent anwenden würde. Fehlt nur noch die funktionierende Methode...



    *) Die Signale von Lang: neue Höchst- oder Tiefststände bei Nasdaq, Dow Utility, den 10-jährigen US-Bonds, der deutschen Umlaufrendite, dem Ölpreis, sowie dem Eurokurs. Hinzu kommt ein saisonales Signal. Die positiven und negativen Signale werden aufsummiert und miteinander verrechnet.

  • Nochmals anders formuliert: 1% p.a. insgesamt, aber in der Zeit, die den Unterschied ausmacht, nämlich wenn man draußen ist, ist es folglich mehr als 1%. Und dann hängt es davon ab, ob in dieser Zeit


    Seit 1997 bis 2009 hätte man auf den Markt bezogen in der Tat nichts verpaßt ... der DAX hat in dieser Zeit null Performance geschafft (2003 hätte man allerdings einsteigen müssen, nur wußte ich das damals nicht, wie günstig der dt. Aktienmarkt wirklich war)! Die Value-Überrendite hätte man verpaßt, aber dafür hätte man mit gemischten Anleihen vielleicht 5% pro Jahr geschafft. Das ergibt (brutto) +80%. Damit schlage ich Dich klar und fast arbeitslos.
    Die Anzahl der Jahre, naja, ob das eine Rolle spielt ...


    Die Daten für das Timingmodell kann ich Dir liefern. Wobei das Problem natürlich immer ist, daß ich die Werte so herauspicke, daß es gerade paßt (Datamining), und daß man das im voraus nicht gewußt hätte. Allerdings hätte ich auch nicht gar nichts gewußt, denn einen Anhaltspunkt habe ich ja nun. Vielleicht ganz geschickt, daß ich die Daten gerade nicht vorliegen habe: 22 Ausstieg (oder 20 oder 25 müßte auch funktionieren), 15-16 Wiedereinstieg beim KGV10. Etliche dicke Verlustphasen hätte man vermieden, verpaßt hätte man letztlich nie wirklich was.


    Edit: doch ins nächste Posting.

    „Wir haben die gesamte Führung fast aller Berliner Sicherheitsbehörden ausgetauscht und dort ziemlich gute Leute reingebracht." – Benedikt Lux, Grüne Berlin

    2 Mal editiert, zuletzt von Winter ()

  • Ich gebe zu, auch die Gegenseite hat gute Argumente, es ist keine klare Sache (wie bei der Frage: Value-Strategie fahren oder besser Markt-EFT). Es hängt wie gesagt davon ab, ob die Alternativanlage besser ist als die absolute Rendite von Value-Aktien in der Baisse (=negative Basisentwicklung + Überrendite). Z.B. 2007 war der Aktienmarkt zwar nicht so drastisch teuer wie 2000, aber es gab schlichtweg keine Value-Aktien mehr, sondern die hatten zuvor zu den großen Gewinnern gehört und verloren folglich sogar noch überproportional (= deutlich negative Rendite). 2000 waren Value-Aktien total zurückgeblieben, aber der Aktienmarkt war einfach insgesamt viel zu teuer.
    Ich spiele kein Schach, aber vielleicht könnte man sich auf ein Patt einigen? ;)


    witchdream : Das ist kein Märchen, sondern genau so ist es. Glaube ich jedenfalls. Gut, vielleicht bin ich auch nur einer der berühmten Affen, der zufällig auf der Schreibmaschine ein Gedicht von Ernst Jandl getippt hat, wer weiß.
    Jedenfalls bin ich nicht der Börsenpfarrer, das weiß ich sicher, und Balkenchart hat im Gegenteil sogar gezeigt, daß es funktioniert. Natürlich wurden nicht alle Verlustphasen erkannt, aber alle Signale waren richtig. Wenn man auf Nummer sicher gehen will, dann reagiert man erst auf die sehr eindeutigen Signale - die "Outperformance" wird dann kleiner, aber dafür sicherer. Damit gilt weiterhin die obige Formel.

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  • Zitat

    Original von Winter
    Nochmals anders formuliert: 1% p.a. insgesamt, aber in der Zeit, die den Unterschied ausmacht, nämlich wenn man draußen ist, ist es folglich mehr als 1%.


    Auch nochmals: Falls der Aktienmarkt steigt, während du wegen einer timing-Methode draußen bist, dann hast du ratz-fatz eine saftige underperformance.


    Zitat

    Original von Winter
    Seit 1997 bis 2009 hätte man auf den Markt bezogen in der Tat nichts verpaßt ... der DAX hat in dieser Zeit null Performance geschafft [...]. Die Value-Überrendite hätte man verpaßt, aber dafür hätte man mit gemischten Anleihen vielleicht 5% pro Jahr geschafft. Das ergibt (brutto) +80%. Damit schlage ich Dich klar und fast arbeitslos.


    Es geht ja nicht darum, wer hier den längeren hat. Nebenbei bemerkt ergeben meine Jahresrenditen seit Ende 1998 einen Zugewinn von +110% (+7,1% p.a.). Zum Vergleich der CDAX: +15% (+1,3% p.a.).


    Zitat

    Die Daten für das Timingmodell kann ich Dir liefern. [....] 22 Ausstieg (oder 20 oder 25 müßte auch funktionieren), 15-16 Wiedereinstieg beim KGV10.


    Diverse Kombinationen dieser Art hat Balkenchart in diesem thread vorgestellt. Konkret lagen die präsentierten Ein- und Ausstiegssignale bei KGV10 von 9/22 und 15/20 und 10/22 und 14/21.


    Bereits am 05.11.08 schrieb Balkenchart: "Mein Fazit bisher ist, dass ein Timing nach KGV10 gar keinen Sinn macht. Die Outperformance ueber Buy-and-Hold liegt bei weniger als drei Prozentpunkten und man waere seit 16 (!) Jahren nicht mehr an der Boerse."
    Später dann, am 15.06.09: "Bisher ist mir keine Methode bekannt, deren Erfolg ich anhand der Daten von Shiller haette bestaetigen koennen und die einigermassen robust ist (d.h. auch bei kleinen Aenderungen der Parameter noch funktioniert)."


    Nachdem selbst die besten KGV10-Kombinationen nur eine mickrige outperformance brachten, und diese auch erst nach massivem data-mining, würde ich sein Fazit voll unterschreiben.


    Bessere Untersuchungen als die von Balkenchart kenne ich übrigens nicht.

  • Zu Balkencharts Fazit: 16 Jahre draussen zu sein ist nicht schlimm, wenn man dafuer umso guenstiger wieder reinvestiert. Der Zyklus ist nicht abgeschlossen, erst wenn der Wiedereinstiegszeitpunkt gekommen ist, darf man die Jahre seit den 90er Jahren mit in Betracht ziehen.


    KGV10 > 21 sind im historischen sehr selten gewesen. Ein und Ausstiegspunkte gibt es daher sehr wenige.
    Angenommen, ich wuerde feststellen, dass wir aktuell ein KGV10 = 100 haetten: Waere dann ein Ausstieg deshalb fragwuerdig, nur weil ich keine historisch vergleichbar teuren Werte habe und ich Dataminig betreibe wenn ich sage "Ausstieg bei KGV10 > 43" haette sich gelohnt?
    Mir dann vorzuhalten, dass das ja nur ein einziges mal der Fall war und ich deshalb mich nicht darauf verlassen koennte, kaeme mir seltsam vor. Es waere klar teuer - und ich soll nicht aussteigen, weil es zu wenig historisch vergleichbare Ausstiegspunkte gegeben hatte?!


    Moeglicherweise darf man bei einem KGV10 = 20 noch nicht das Handtuch werfen, doch je teurer desto besser die Chancen dass das Market-timing erfolgreich laufen muesste.
    Das kann ich selbstverstaendlich nicht statistisch beweisen, aber es entbehrt nicht jeder Logik.
    Schliesslich ist die zu erwartende durchschnittliche Rendite ca. 1/KGV10. Als es mal KGV10 = 40 stand, bedeutet dass, das die zu erwartende durchschnittliche Rendite nur 1/40 = 2.5% p.a zu diesem Zeitpunkt war. Und das beruecksichtigt noch nicht einmal den Kursverlust, den ich bei so einer Bewertung fuer sehr wahrscheinlich halten wuerde. Denn die 2.5% p.a. gibt es nur, wenn man viele Jahre spaeter auch zu einem Zeitpunkt aussteigt wo das KGV10 dann (vermutlich) aehnliche Hoehen hat wie zum einstiegszeitpunkt, naemlich KGV10 ~ 40.
    Das Gewinnwachstum ueber die kommenden 10 Jahre kann man dabei sowieso ruhig vernachlaessigen, denn je hoeher die Bewertungen, desto geringer sollte es sein.


    Ich habe selbst manchmal Zweifel, ob ein KGV10 = 20 schon teuer genug ist. Hier kaeme es auf die Alternativen an ("wohin mit dem Cash nach dem Ausstieg?").
    Wenn es stimmt (was ich selbst vor nicht allzulanger Zeit mit Entsetzen festgestellt habe), dass die Siegel-Konstante eher um die 5% sein sollte, dann waere KGV10 = 20 (und damit 1/20 = 5% p.a.) vermutlich die Mitte. Das waere dann tatsaechlich der faire Wert der Maerkte. In den USA war es ueber ca. 200 Jahre einfach nur super gelaufen und der Markt war im Durchschnitt nicht zu seinem Mittelwert gelaufen. Es kann also sein, dass KGV10 = 20 gar nicht teuer ist.
    Ganz klar aber fuer mich ist, dass es ab dem KGV10-Bereich ueber 20 anfaengt teuer zu werden. Je weiter es darueber hinauslaeuft, desto ueberbewerteter wird es.
    (Zur aktuellen Lage: Derzeit sind die Signale noch nicht deutlich genug um mit Sicherheit "teuer" signalisiert zu bekommen. Bei S&P 500 haben wir derzeit KGV10 = 20).

    “It’s the little things that matter. It’s one thing to tell someone they look like the first day of spring. It’s another thing to tell them they look like the last day of a long, hard winter.” - Zig Ziglar

  • Diese Diskussion dreht sich schon seit einiger Zeit im Kreis!


    Niemand, aber auch gar niemand bestreitet, dass es eine bescheuerte Idee wäre, in teuere Aktien zu investieren. Und wenn man den Begriff "teuer" denn unbedingt am KGV10 festmachen will, dann nehme man dann halt einfach z.B. das obere Quartil des KGV10 und definiere dieses Quartil als "teuer". Die Lektion wäre dann: Finger weg von Aktien, die nach dieser Definition teuer sind.


    Dummerweise meinen market-timer aber, Ein- und Ausstiegs-Signale über den "Gesamt-Markt" definieren zu müssen. Was ist der "Gesamt-Markt"? Einfachheitshalber (weil die Daten von Shiller verfügbar sind) ist der "Gesamt-Markt" der S&P500. Klingt cool, immerhin repräsentiert der S&P500 den Großteil der US-Marktkapitalisierung.


    Auf DE übertragen wäre das in etwa der CDAX-Kurs-Index. Blöderweise aber wird der CDAX von DAX-Aktien dominiert (weil er cap-gewichtet ist), und der DAX wiederum wird von 5 oder 6 Super-Blue-Chips dominiert. Beim S&P500 ist es ebenso.


    Im Klartext: Der Indexstand des DAX oder des S&P500 hat nicht die geringste Aussagekraft über "den Gesamtmarkt", sobald man allen Aktien im "Gesamt-Markt" gleiches Gewicht zuteilt. Ein gleichgewichteter Index kommt eher den Interessen eines Anlegers entgegen, der wissen möchte, ob es "da draußen" günstige Anlagemöglichkeiten gibt oder nur überteuerte Aktien. Allein von daher ist das Gefleddere an S&P500-Daten ziemlicher Mumpitz.


    Es kann durchaus sein, dass market-timing sich rentiert, wenn das KGV10 eines ungewichteten Gesamtmarktes kritische Grenzen durchbricht. Der Nachweis hierzu fehlt bisher, in Ermangelung eines entsprechenden Datensatzes. Und weil das so ist, poste ich gerne nochmal den Artikel, der diverse market-timing-Ansätze analysiert und zu einem verheerenden Ergebnis kommt:


    http://pages.stern.nyu.edu/~ad…/pdfiles/invphil/ch12.pdf


    Gruß, witchdream



    edit: Ich muss richtig stellen, dass der S&P500 ein Kurs-Index ist, und nicht ein Performance-Index. NB: Das verschärft die Unbrauchbarkeit des S&P500 als Marktbarometer noch...

    "Spending money to make you happy is hard if you’re already happy." Quelle

    Einmal editiert, zuletzt von witchdream ()

  • Zitat

    Original von Winter
    Seit 1997 bis 2009 hätte man auf den Markt bezogen in der Tat nichts verpaßt ... der DAX hat in dieser Zeit null Performance geschafft (2003 hätte man allerdings einsteigen müssen, nur wußte ich das damals nicht, wie günstig der dt. Aktienmarkt wirklich war)! Die Value-Überrendite hätte man verpaßt, aber dafür hätte man mit gemischten Anleihen vielleicht 5% pro Jahr geschafft. Das ergibt (brutto) +80%. Damit schlage ich Dich klar und fast arbeitslos.
    Die Anzahl der Jahre, naja, ob das eine Rolle spielt ...


    Um mit Anleihen zwischen 1997 und 2008 etwa 5% p.a. zu erzielen, haettest Du schon sehr langlaufende Anleihen unter AAA oder AA nehmen muessen.


    In dieser Runde haette das tatsaechlich einigermassen funktioniert. Z.B. haben 10-jaehrige Staatsanleihen durchschnittliche Aktien geschlagen (Ob sie auch value-Aktien geschlagen haben, kann ich nicht sagen, wahrscheinlich nicht ganz). Unternehmensanleihen zwischen A, BBB, BB und B koennten value-Aktien in der Tat erreicht oder geschlagen haben.


    Aber in frueheren Phasen mit steigenden Inflationserwartungen und steigenden Risikopraemien waere die Strategie, einfach in langlaufende Anleihen umzuschichten, extrem schlecht gewesen.


    Da ich das mittelfirstige Zinsniveau und die Risikopraemie nicht vorhersehen kann, finde ich das zu riskant.


    Balkenchart

  • @Witch:
    Ich habe mir die 40 groesseren Laender rausgepickt und nenne diese 40 Laender "die Welt". Natuerlich fehlt Cypern, Kenia, Elfenbeinkueste etc...
    Ich nehme an, dass das den Braten allerdings auch nicht mehr fett macht, wenn man diese hinzuzaehlen wuerde.
    Diese 40 Laender haben nach Wisi ca. 30.000 Aktien incl. Nanocaps wie der Eifelhoehen-Klinik oder J.F. Behrens.
    Nun die Verhaeltnisse wie das Geld der Welt in diese Aktien investiert ist (Stand 06.11.2009).:
    Die 7500 groessten Aktien = ~ 25000 Mrd Euro.
    (die 7500te Aktie, also die kleinste davon hat MCap = 253 mio Euro)


    Die 1500 groessten Aktien (nach MCap) = ~19650 Mrd Euro
    Der Grossteil der 25K mrd Euro stecken also in der Minderheit der grossen Blue Chips.
    Von diesen 1500 groessten Aktien sind 444 Aktien davon amerikanische Aktien.
    Diese 444 Aktien haben ein Gewicht von ca. ~ 6750 mrd Euro.
    Nach "Daumen mal Pi" ist jede Dritte Aktien eine US-Aktie.
    6750/19650 = 34.4% --> auch das ist grob ein Drittel.


    Der S&P 500 stellt ca. ~ 500 groessten amerikanischen Aktien dar (stimmt nicht ganz, der Freefloat entscheidet glaube ich). Die 500 groessten haben eine MCap von 6900 mrd Euro. Anteilig von der "Welt" also gerade mal schlappe 6900/25000 = 27.6%
    Wenn ich zu der Welt nochmehr Aktien hinzurechne und nicht bei der MCap-Grenze von 250 mio stopp mache, macht es nicht mehr viel Unterschied. Die Herrschaaren von Micro und Nanocaps addieren Anzahlenmaessig einiges hinzu, jedoch tragen sie kaum zur Gesamtsummer ueber 25000 Mrd Euro bei.
    Alle Aktien die ich gesammelt hatte, brachten im Oktober keine 28000 Mrd Euro zusammen. Ich denke man kann den "Rest" also getrost vernachlaessigen, wenn man sich fragt wo denn das gesamte Geld, welches in Aktien investiert ist, denn nun steckt.


    "Im S&P 500 steckt ca. ein drittel des gesamten Geldes drin" kann man sich als Faustformel merken. Als der Dollar noch nicht so billig war, war es in Euro gesehen etwas mehr, und jetzt ist es aktuell etwas weniger. (oder wenn man sich auf die 1500 groessten Aktien beschraenkt, dann sind aktuell 444 US-Aktien davon eben etwas mehr als ein Drittel - Trotz schwachem Dollar).
    Nun erklaert sich, warum der Dax scheinbar so willenlos ist. Und warum alle Welt immer und immer nach Amerika blickt.


    Die naechstgroessere Volkswirtschaft ist Japan.
    Japans Anteil unter den 1500 groessten Aktien bringt immerhin noch ca. ~1430 mrd Euro auf die Waage (163 Aktien).
    Das sind zwar nur noch 7.3%, doch danach kommt erst recht lange nichts mehr.


    Wenn man sich diese Dimensionen vor Augen haelt, dann ist der S&P 500 der wichtigste Index von allen. Da er immerhin ein Drittel des "Aktiengeldes" auf sich vereint, ist er ein vielbeachteter Proxy. Wenn nun Oesterreich ein KGV10 = 20 haette, waere es mir egal. Obwohl es das Nachbarland ist, und zudem soll man dort ja eine deutschaehnliche Sprache sprechen.


    Der Kursindex ist der Richtige Index, wenn man nicht die Performance messen will, sondern die Kurshoehe.
    Die Momentanaufnahme zur Aktien Bewertung sollte immer der Kursindex sein. Die Performance bis heute ist egal. Wichtig ist nur wie teuer die Aktien heute sind, und nicht wieviel sie mir bisher gebracht haben. Wenn man letzteres Wissen will, dann ist der Performanceindex der richtige Index.


    Ich finde uebrigens dennoch, dass auch eine gleichgewichtete Betrachtung interessant ist. Es sollte nicht so sein, dass der teure "Irrsinn" sich nur auf ein paar wenige Aktien konzentriert. Vielleicht ist das der Grund, warum ein KGV10 > 40 ueberhaupt moeglich war.
    Es sollte auch meiner Meinung nach ueberall teuer aussehen.
    Sowohl gleichgewichtet als auch MCap gewichtet.
    Der MCap gewichtung kommt wohl etwas mehr Bedeutung zu ("wo haben die meisten Anleger investiert?"), aber das ist nur meine Vermutung.


    Nach meinen letzten Analysen sieht es uebrigens durchaus teuer aus. Ich habe dabei die grossen Aktien ausgesucht, aber (als Kompromiss) innerhalb der Blue Chips immer gleichgewichtet betrachtet. Bis jetzt kann ich sagen, dass ich es eher teuer zugeht wenn man das KGV10 als Massstab nimmt.
    Ich habe meine Analysen (leider) noch nicht abgeschlossen. Meine Zielgroesse sind alle Aktien mit einzubeziehen, die groesser als 1,5 mrd Euro gross sind. (ca. die 2500 groessten Aktien mit einem Gesamtgewicht von 22000 mrd Euro.)


    Balkenchart : Eine Sache die ich immer wieder ungehoert zu wiederholen scheine ist folgende: Warum nimmt man immer (?) die Auflage "Wenn Du Dich von Aktien verabschiedest - dann MUSST Du Staatsanleihen kaufen".
    Dabei gibt es eine naheliegendere Alternative: Unternehmensanleihen. Ich sage nicht, dass Unternehmensanleihen IMMER besser sind als Staatsanleihen. Jedoch traue ich mich zu sagen, dass es meistens der Fall ist.
    Aktien haben einen Inflationsschutz, den die meisten Anleihen nicht haben. Das Risiko Kursverluste zu erleiden ist uebrigens auch nicht zu verachten.


    Und nun ein neuer denkanstoss zum Thema Market-timing.
    Den Ausstieg aufgrund einer Ueberbewertung finde ich viel leichter als den Einstieg. Je teurer der Markt ist, desto mehr Zeit hat man an der Seitenlinie zu stehen. Hingegen ist es kniffelig zu wissen, wann man nun wieder einsteigen soll? Je guenstiger es wird, desto "teurer" wird das draussenbleiben.


    Das einzige was mir hierzu einfaellt, ist den V-Irgendwas als Wiedereinstiegshilfe zu nehmen. Man wartet auf den Crash. Wenn er dann kommt muss man investieren. Das ist m.E. wichtiger als eine fest Zahl des KGV10 zu nennen: 15? 12? 10? 9?
    Man muss sich vom V-Irgendwas leiten lassen.
    Wenn ich nun KGV10 = 11 als Zielmarke nehme, die Vola jedoch nicht mehr weiter ansteigt sondern nach unten dreht, dann kann man davon ausgehen, dass tiefere Kurse nicht mehr so bald erreicht werden.
    So habe ich es letztes Jahr im Oktober gehalten. Ich habe das Tief nicht erwischt, und im Nachhinein ist man immer schlauer. Dennoch war damals das Risiko einer Trendwende nicht von der Hand zu weisen. Deshalb wuerde ich es das naechste mal genau wieder so machen. Dann kaufen wenn alle anderen Angst haben war selten eine schlechte Idee.

    “It’s the little things that matter. It’s one thing to tell someone they look like the first day of spring. It’s another thing to tell them they look like the last day of a long, hard winter.” - Zig Ziglar

  • Joe,


    wenn ich irgendwoher fuer die vergangenen 100 Jahre die Kurse, Coupons und Restlaufzeiten von einer vernuenftigen Auswahl von Unternehmensanleihen bekomme, werde ich eine Rechnung machen. Versprochen. Aber bis dahin ist die Sache mit den Unternehmensanleihen eine (moeglicherweise gute) Idee, die noch der Ueberpruefung harrt.


    Leider muss man bis mindestens in die 1960er zureuckgehen, weil man sonst garantiert einen Bias wegen des sinkenden Zinsniveaus in der Analyse hat.


    Balkenchart