• Die meisten der Beiträge hier befassen sich mit dem Thema, wie man aus seinen Aktien- und sonstigen Anlagen ein paar Prozentpunkte zusätzlicher Rendite herauskitzeln kann. Um nicht mißverstanden zu werden: Für uns als Anleger, und für antizyklische Anleger insbesondere, ist das ein völlig repektables und notwendiges Thema.

    Ein unbedarfter Außerirdischer, der in diesem Forum mitlesen könnte, würde sich aber vermutlich an den Kopf (oder was auch immer Außerirdische statt dessen haben) fassen und sich fragen, aus welchem Grund wir so viel Energie in dieses Thema investieren.

    Ich schätze mal, dass ein Gutteil der hier Aktiven antworten würden, dass sie finanziell unabhängig sein wollen - ich nenne das mal: Privatisieren. Dass sie also deshalb antizyklisch investieren, um diesem Ziel näher zu kommen oder um es beizubehalten.

    Warum also keinen thread, um das ultimative Ziel als solches zu diskutieren? Für jeden Privatier in Praxis oder in Planung gibt es tausend Themen jenseits der Anlage-Rendite, bis hin zum Sinn des Lebens nach der Arbeit (no joke). Wäre schön, wenn man einiges davon hier besprechen könnte.

    Ich eröffne den Reigen mal mit einem link, das das Thema "finanzielle Unabhängigkeit" völlig jenseits der Renditefrage beleuchtet. Nämlich von der Kostenseite her. Man kann ja bekanntlich nur auf zwei Arten reich werden: Indem man möglichst viel verdient, oder indem man möglichst wenig ausgibt. Bei diesem link geht es um Letzteres, und zwar auf radikale und intelligente Weise.

    Bitte anschnallen, klicken und rechts unten das "30 day makeover" lesen:

    http://earlyretirementextreme.com/about-the-blog

    "Spending money to make you happy is hard if you’re already happy." Quelle

  • Ich hab das Ganze auch mal von der Kostenseite her betrachtet und mache dazu folgende zwei Rechnungen auf:

    Bottom up:
    ==========
    - Leben in Dritte Welt Land
    - 1000 Euro je Monat / 12.000 Euro pro Jahr (Netto)
    - 5% Rendite zu erwirtschaften traue ich mir zu
    -> benötigtes Kapital: 240.000 Euro

    Top down:
    ==========
    - Leben in Erste Welt Land, vergleichbar Gutverdiener
    - 100.000 Euro pro Jahr (Brutto, d.h. vor Steuern)
    - 5% Rendite zu erwirtschaften traue ich mir zu
    -> benötigtes Kapital: 2.000.000 Euro

    First focus on risk, before focus on return! (Seth Klarman)

    Einmal editiert, zuletzt von Achtsamkeit (18. Januar 2010 um 01:17)

  • Ein schönes Thema. Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen. Die Renditeerwägung ist für mich kurzfristig nebensächlich. Der Anreiz ist in der Tat die Möglichkeit in einem vorhersehbaren Zeitraum finanziell unabhängig zu werden. Als wichtigste Grundvoraussetzung sehe ich dabei jedoch einen gewissen festen Standpunkt in Bezug auf seine eigenen Konsumwünsche. Man sollte schon wissen, mit welchem Luxus man auskommt. In der Regel wachsen die Ansprüche ja mit wachsendem Einkommen. Der Partner spielt da ja auch eine ganz wichtige Rolle.
    Ich verfolge die Strategie, möglichst viele Einkommensunabhängige Geldströme zu generieren. Im Augenblick sind das insbesonder Dividendenzahlungen. Irgendwann werden es vielleicht auch Mieteinnahmen. Wobei Mieten ja auch nicht grundsätzlich Einkommensunabhängig sind. Mit der Vermietung habe ich ja auch Arbeit, welche mir zumindestens nicht unangenehm sein sollte.

    Die Möglichkeit einem Land der zweiten oder dritten Welt billig zu leben ist natürlich ein unglaubliches Privileg für uns Bewohner des starken Eurolandes. Da gibt es ja auch Mischformen, d.h. z.B. im Winterhalbjahr in Indonesien leben und den Rest in zu Hause.

    2 Mal editiert, zuletzt von shanmu (18. Januar 2010 um 08:38)

  • Spannendes Thema.

    Zu Witchdreams Eingangsposting:

    Ein unbedarfter Außerirdischer, der in diesem Forum mitlesen könnte, würde sich aber vermutlich an den Kopf (oder was auch immer Außerirdische statt dessen haben) fassen und sich fragen, aus welchem Grund wir so viel Energie in dieses Thema investieren.

    Tja, noch überraschter wäre der Ausserirdische, wenn er unseren Hattrick Thread lesen würde ;-). Spass beiseite, mir persönlich geht es nur zum Teil ums Geld, für mich ist das auch eine Art Hobby, d.h. die Beschäftigung mit den Finanzmärkten an sich finde ich schon interessant und den Zeitaufwand rechtfertigend. Evtl. Erfolgserlebnisse durch gute Performance sind dann das Sahnehäubchen.

    Zu shanmus Rechnung:

    Im Auge behalten sollte man noch folgende Faktoren:

    - Steuern: Bei 25% Abschlagsteuer musst Du das erforderliche Kapital schon mal mit 1,33 multiplizieren um auf die Zielrendite zu kommen, d.h. Du brauchst entweder 320 Tsd. oder 3 Mio um Deine 5% zu bekommen

    - Kapitalerhalt: In Deinem Beispiel legst Du nichts für Inflation zurück, d.h. Dein Kapital wird jedes Jahr um die Inflation reduziert. Gerade in Entwicklungsländern kann bei günstiger Entwicklung das Preisniveau sehr schnell steigen. Rechnet man z.B. in einem Land wie Thailand mit einer um 5% höheren Inflation als in Deutschland, musst Du entweder riskanter anlegen oder das Kapital für den Fall verdoppeln. D.h. also mit Steuern und 5% Inflationsdifferenz bräuchtest Du ungefähr 640 Tsd um kaufkraftstabile 1000 EUR im Monat zu erhalten.

    MMI

  • Zitat

    Original von memyselfandi007...
    - Steuern: Bei 25% Abschlagsteuer musst Du das erforderliche Kapital schon mal mit 1,33 multiplizieren um auf die Zielrendite zu kommen, d.h. Du brauchst entweder 320 Tsd. oder 3 Mio um Deine 5% zu bekommen...

    Du meinst 1,3582, oder? ;) (Soli gibts oben drauf)

    3.) Gib nie mehr für einen Erwerb aus, als absolut nötig
    16.) Geschäft ist Geschäft (... bis sich ein besseres anbietet)
    218.) Kauf nie ohne zu wissen, was Du kaufst

  • @MMI
    Die "Top down" Rechnung war so gedacht, dass sie bereits die Abgeltungssteuer berücksichtigt. Wenn man heute als Gutverdiener 100.000 Euro Bruttogehalt hat (haben vermutlich nur wenige in Deutschland, insofern soll es als Top dienen) gehen davon zwischen 30-40% Einkommenssteuer weg. Vom Nettogehalt muss man dann leben. Wenn man hingegen 100.000 Euro aus Dividenden generiert, dann gehen davon derzeit nur 26-28% Abgeltungssteuer + Soli + Kirchensteuer ab. Insofern bleibt sogar mehr, als bei vergleichbarem Bruttogehalt.

    Die "Bottom up" Rechnung hingegen geht davon aus, dass Du in einem Dritten Welt Land lebst, wo Du keiner Steuerbelastung unterliegst.

    Die Inflation bzw. der Kaufkraftverlust stellt in der Tat ein Problem dar. Hier gehe ich davon aus, dass man in Unternehmen investiert, welche eine gewisse Preissetzungsmacht haben und wo der Kurs über die Jahrzehnte mitinflationiert (siehe z.B. BASF Langfrist-Chart). Ab einem gewissen Alter, sagen wir mal 80 Jahre, könnte man auch an Kapitalverzehr denken.

    First focus on risk, before focus on return! (Seth Klarman)

  • Zitat

    Original von memyselfandi007
    Spass beiseite, mir persönlich geht es nur zum Teil ums Geld, für mich ist das auch eine Art Hobby, d.h. die Beschäftigung mit den Finanzmärkten an sich finde ich schon interessant und den Zeitaufwand rechtfertigend. Evtl. Erfolgserlebnisse durch gute Performance sind dann das Sahnehäubchen.

    Aktienanlage war für mich ursprünglich auch ein reines Hobby. In Bezug auf das Privatisieren ist das Geniale an diesem Hobby, dass man damit Geld verdient (wenn's klappt). Das ist sogar noch effektiver als die Empfehlung von Jacob (dem Autor des oben zitierten Blogs), man solle sich möglichst kostenlose Hobbies zulegen (siehe Day 5).

    Wenn man die Idee konsequent zu Ende denkt, findet vermutlich jeder ein paar Hobbies, die einem nicht nur Spaß machen, sondern mit denen sich auch noch Geld verdienen ließe. Hundesitting, Fahrräder oder Autos reparieren, eigene "Kunstwerke" über e-Bay verticken usw. Wenn ich jemals wieder einen Zuverdienst bräuchte, würde ich es wahrscheinlich auf diesem weg versuchen, statt wieder in ein Angestelltenverhältnis zurückzukehren.

    Auf der Kostenseite funktioniert das im Prinzip genauso - mit passenden Hobbies läßt sich ne Menge Geld sparen. In meinem Fall dürfte da Kochen an erster Stelle rangieren - das erspart einem ne Menge an Restaurantbesuchen und überteuerte Fertigprodukte. Allerdings hatte ich beim Kochen bisher nie den "Hintergedanken", dass ich damit Geld sparen will.

    "Spending money to make you happy is hard if you’re already happy." Quelle

  • Bei der Steuer stimmt's nicht ganz, denn bei niedrigem Einkommen zahlt man keine 25% Abgeltungssteuer, sondern man kann die Veranlagung zur ESt optionieren. Bei 12000¤ brutto beträgt der Gesamtsteuersatz 5,88% oder 705¤ für 2010.

    Daneben braucht es aber die Krankenversicherung - im Gegensatz zum Arbeitnehmer muß man die hier separat berücksichtigen, um auf das gleiche "Nettoeinkommen" zu kommen. Es besteht in D allgemeine Versicherungspflicht. Der Versicherungsbeitrag bemißt sich nach dem Einkommen, aktuell 14,9% oder monatlich mind. 121,79¤ plus 16,61¤ oder 18,74¤ Pflegeversicherung. Bei 12.000¤ brutto sind das z.B. jährlich 1788¤ alleine für Krankenversicherung.

    Dann der wichtigste Punkt überhaupt, ein grundsätzliches Problem im Gegensatz zu den vorgenannten: Mit dem Mindesteinkommen zu rechnen, das man braucht, ist sehr riskant. Grund: Es ist nicht sicher, daß man dieses Einkommen jedes Jahr erzielt. Daß es im 30jährigen Durchschnitt klappt (siehe Japan), nützt nichts, wenn 10 Jahre lang die Rendite null ist. Danach hätte man 120.000 Euro verbraucht und die Basis ist entsprechend geringer. Sprich, es muß ausreichend Luft sein, daß man zwischendurch nicht pleite macht.
    Solange das nicht gesichert ist, finde ich ein regelmäßiges Erwerbseinkommen als Basis beruhigend (z.B. durch Teilzeitarbeit). Es ist sicher auch eine Frage der Risikobereitschaft, wie bei der Selbständigkeit. Immerhin: Es braucht wohl nicht gar so viel Kapital, daß schon inflationsindexierte Anleihen ausreichen, falls es damit überhaupt möglich wäre.

    Beispielrechnung: Die Strategie/der Markt liefert nach 20 Jahren (geometrisch) 5%. Wenn in der ersten Dekade nur 0% erreicht wird, dann muß die zweite Dekade genau 10,25% bringen. Wenn man aber konstant 5% des Ausgangskapitals entnimmt, ist man am Ende der ersten Dekade bei 50%. Die Rendite von 10,25% genügt dann gerade, um weiterhin die Auszahlung zu ermöglichen ohne Kapitalverlust. Wenn es nach Ende der zweiten Dekade wieder mit 5% weitergeht, genügt das nicht für den Kapitalerhalt.

    In "unserer Demokratie" werden keine Minderheiten unterdrückt oder zum Schweigen gebracht (Boris Pistorius). Sondern die Mehrheit.
    "Unsere" Demokratie verhält sich zur Demokratie wie Transfrauen zu Frauen.

  • @ Winter:

    Ob man in einer jahrelangen Baissephase die Substanz des Aktiendepots verkonsumieren muss oder nicht, hängt ganz entscheidend vom Cashflow und von der Depotstruktur ab.

    Bei entsprechender Aktienauswahl fließen schon mal Dividenden, egal wo der Kurs steht. Die meisten (ich nicht) werden vermutlich auch noch einen Teil des Depots in Anleihen anlegen. Und die meisten werden einen Teil (fünf bis zehn Prozent?) des Depots in Cash halten, und sei es nur als Cashreserve für besondere Gelegenheiten.

    Im oben verlinkten Blog wird als Daumenregel genannt: Man kann jährlich 4% des Depots verfrühstücken, um jahrzehntelang vom Depot zu leben. Um Kapitalerhalt zu gewährleisten, ist man mit einer Entnahme von 3% auf der sicheren Seite. (Vier Prozent gilt in den gängigen retirement-Studien als "safe withdrawal-rate" und ist sogar noch konservativ gerechnet, je nach Depotstruktur.)

    Andersrum formuliert: Wenn dein Depot beim Jobausstieg verläßliche drei Prozent Dividende oder Zinsen abwirft und dir das zum Privatisieren genügt, dann können dir die Aktien- und Anleihekurse in den nachfolgenden Jahren völlig egal sein. Dein Cashflow ist gesichert, und der Inflationsausgleich erfolgt halt nach der Baisse.

    Bei wem die Dividenden oder Zinsen nicht die vollen Kosten decken, der kann sich trotzdem jahrelang von den Aktienkursen abkoppeln, indem er Cash aus der Cashreserve zuschießt.

    PS: Der Hinweis von Winter auf die individuelle Steuerveranlagung ist ein guter Punkt. Als privatisierendes Ehepaar fährt man bis zu versteuernden Kapitaleinnahmen von 92.000 ¤ mit der individuellen Veranlagung besser als mit der Abgeltungssteuer. Beispiel: Wenn man 50.000 ¤ versteuert, fallen "nur" 9.000 ¤ bzw. 18% Steuern an.

    "Spending money to make you happy is hard if you’re already happy." Quelle

    Einmal editiert, zuletzt von witchdream (18. Januar 2010 um 14:32)

  • Winter

    Die "Bottom Up" Rechnung war nicht für Deutschland gedacht und unter der Annahme, dass keine Steuer zu zahlen ist.

    Ich halte es für sehr schwierig in D. mit 1000 Euro netto im Monat auszukommen (350 Euro Krankenkasse, 350 Euro Warmmiete, 300 Euro Essen, d.h. pro Tag 10 Euro -> dann ist das Geld schon weg), auch wenn die Durchschnittsrenten und die Einkommen von Geringverdienern in diesem Bereich +/-20% liegen.

    Da die meisten Menschen in Dritte Welt Ländern keine Krankenversicherung besitzen und man sich bei der "Bottom Up" Rechnung deren Lebensstandard angleichen würde, steht auch eine Krankenversicherung zur Disposition. Vermutlich wird man sich diese nicht leisten und die Arztrechnungen selbst bezahlen. Ich habe mir sagen lassen, falls dann eine schwere Krankheit oder ein Unfall kommt werden die Geräte recht schnell abgeschaltet, sobald das Geld aufgebraucht ist.

    Ein Knackpunkt liegt in der Tat darin, die 5% Rendite auch wirklich kontinuierlich zu erwirtschaften und dass die zugrundeliegende Kapitalbasis entsprechend der (Warenkorb-)inflation steigt. Das entschärft sich je weiter man an die "Top Down" Rechnung heranrückt oder diese überschreitet.

    First focus on risk, before focus on return! (Seth Klarman)

  • Wenn es eine Klammer meiner vielen Aktivitäten gibt, dann ist das sicher der Begriff Autarkie.
    Darunter lassen sich sowohl meine Finanzmarktaktivitäten als auch andere Hobbies wie Pilze suchen, Wildkräuter sammeln, Brennholz von Hand sägen oder stromfrei kochen subsummieren.
    Bloß der Tango fällt nicht da drunter.
    So stapeln sich im Keller neben den Klassikern wie Bärlauchpesto so skurille Dinge wie milchsauer vergorene gelbgegürtelte Schleimköpfe (wie ich diesen Name liebe, damit kann man alle erschrecken - ist ein mittelgroßer fester wunderschöner Pilz) oder Marmelade von rotem Bergholunder, getrockneter Bärwurz, draußen steht mein Kamado in dem mein erster Versuch startet, Salzheringe kalt zu räuchern und ein marokkanisches Holzkohlenstövchen für die Tajine und oft komme ich mit einem Sack voll Holz aus dem Wald zurück. Der richtige Finanzmeltdown kann also kommen ;)
    und ich bin einmal sogar 15 km in den Schwarzwald geradelt, um einen Brief meiner Frau zuzustellen, 55 Cent gespart und eine Radtour wollt ich eh machen.

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    Das Drehbuch für den Untergang steht fest - es geht nur noch um den Preis für die beste Maske (H. v. Buttlar)

  • Ich hab den Blog nur mal angelesen. Dürfte aber in die gleiche Kerbe schlagen wie dieses kürzlich von mir gelesene Buch:

    http://www.amazon.de/Geld-oder-Lebe…63835088&sr=8-3

    Für mich hat das Buch jetzt keine neuen Erkenntnisse gebracht, weil ich das so ähnlich schon seit Jahren praktiziere ohne vorher gross was darüber gelesen zu haben.
    Nur, dass ich an eine FU in 5 Jahren, wie sie in dem Buch mal beiläufig erwähnt wurde, nicht glaube. Der Weg ist da doch schon etwas länger. Es sei denn, man wird auf dem Weg zur FU zu einer Art Asket.

    Gruß
    Guerillainvestor

  • Zitat

    Original von witchdream

    Bei entsprechender Aktienauswahl fließen schon mal Dividenden, egal wo der Kurs steht. Die meisten (ich nicht) werden vermutlich auch noch einen Teil des Depots in Anleihen anlegen. Und die meisten werden einen Teil (fünf bis zehn Prozent?) des Depots in Cash halten, und sei es nur als Cashreserve für besondere Gelegenheiten.

    Genau so mache ich das bzw. habe ich es vor zu machen. Allerdings habe ich auch keine Anleihen im Depot.Mit den Dividenden soll der Lebensunterhalt bestritten werden. Da die Firmen meist nicht den ganzen Gewinn als Dividende ausschütten ist der nicht ausgeschüttete Teil der, der die Inflation abdecken soll.
    Dazu kommt noch eine Sicherheitsmarge von 20 %, falls die Dividenden mal nicht so üppig ausfallen plus einen Cashbestand in der von Dir angegebenen Prozentzahl. Bei mir sind das 5 % vom Depot, jedoch nicht für besondere Gelegenheiten, sondern um noch herbere Dividendenabschläge ausgleichen zu können.
    Falls das auch nicht langen sollte müsste man sich auf dem Arbeitsmarkt wieder anbiedern.

    Gruß
    Guerillainvestor

  • Gut, die Dividenden werden ja auch bei der Performanceberechnung mitberücksichtigt. 5% Dividende von 100 ist halt was anderes als 5% Dividende bei Kurs 30. Meine Rechnung gilt also dennoch, sofern die Projektion auf die (übrigens reale) Rendite zutrifft und nicht bloß auf die Kursstände. Wenn es sich um den Gesamtmarkt handelt, kommt die (schwankende) Überrendite noch dazu.
    Immerhin: Selbst in meiner Rechnung würde es 35 Jahre dauern, bis man bei null aufschlägt. Daß man dann fast schon das Rentenalter erreicht hat, nützt aber nichts, weil man ja keine Ansprüche erworben hat in der Zeit.
    Wenn es dagegen umgekehrt läuft wie oben, würde der Depotwert wegen des Zinseszinseffektes sogar höher stehen als am Anfang. Wesentlich drastischer wird es aber, wenn die Kurse zwischenzeitlich sogar sinken und nicht bloß auf der Stelle treten - das ist so eine Art umgekehrter Cost-Average-Effekt. Wenn die Kurse niedrig stehen, schmerzt jede Auszahlung besonders, weil die Basis überproportional erodiert. Je größer die Schwankung in der falschen Richtung (erst runter, dann rauf), und je länger sie andauert, desto negativer.

    Der Effekt kann kaum unterschätzt werden. Ich habe das mal simuliert, anbei in der Excel-Tabelle. Wohlgemerkt: Praktisch hatten wir nicht einen zweimaligen Rückgang um 30% in zehn Jahren, sondern um mehr als die Hälfte, bis 2/3 im DAX! Zumal bei mir der Index ab heute linear ansteigt statt exponentiell, was auch vorteilhafter ist (weil schneller). Trotz 5% Rendite und 5% Entnahme steht das Depot 2020 bei 16% des Ausgangswertes (und das, obwohl es 2010 noch bei 31% steht und der Index von 80 auf 265 steigt bis 2020). Deswegen vermute ich auch, daß viele, die das ab dem Jahr 2000 versucht haben (Daytrader), heute Pleite sind.
    Wandelt das mal ab mit einem Absturz auf 50% beim ersten Crash - ich bezweifle, daß es voll investierten Value-Investoren im letzten Crash besser erging -, dann führt das bereits zu einer vorzeitigen Pleite.
    Rechnet es auch mal für die große Depression oder für Japan durch - da dürfte es kaum Überlebende gegeben haben.

    Ich wäre also vorsichtig. 5% müßte nach witchdream noch nicht riskant in der Art eines Hasardeurs sein, wenn 4% konservativ sind (die hoffentlich nominal und nicht real gemeint sind). Nebenbei bemerkt, je schwankungsanfälliger das Depot, desto weniger darf man von der Zielrendite entnehmen (hier also ergibt es tatsächlich objektiv Sinn, die Renditen risikobereinigt zu betrachten, d.h. die Volatilität). Und daß sich der DAX mehr als verdreifacht in den nächsten zehn Jahren, ist auch ziemlich optimistisch (11-12% p.a.).
    Es kommt halt entscheidend darauf an, wie der Markt bewertet ist, wenn man sowas wagt. Für einen Ami ist jetzt definitiv keine gute Zeit, um so was zu wagen. Natürlich hängt es auch von der Fähigkeit zum Market-Timing ab u.a. Denn die Rendite mit Anleihen festzururren, ist schwierig: Ich hätte zwar mein Depot für 10% verzinslich anlegen können, aber eine dauerhaft sichere Bank wäre das auch nicht gewesen, eine Inflationssicherung sowieso nicht.

    Dateien

    In "unserer Demokratie" werden keine Minderheiten unterdrückt oder zum Schweigen gebracht (Boris Pistorius). Sondern die Mehrheit.
    "Unsere" Demokratie verhält sich zur Demokratie wie Transfrauen zu Frauen.

    2 Mal editiert, zuletzt von Winter (18. Januar 2010 um 20:25)

  • Hallo @all,

    Auf wallstreet:online gibt es ja seit 10 Jahren diesen 50er Club derer, die das Ziel haben, mit 50 FU zu werden.

    Ich hab das immer mal beobachtet und den Eindruck gewonnen, dass dieses Szenarien rechnen eher kontraproduktiv ist.

    Der sicherste Weg scheint mir zur sein, Börse aus Leidenschaft zu betreiben (wie wie mmi). Dann kommen auch im schlechtesten Börenjahrzehnt seit langem zweistellige Renditen per annum heraus. Man braucht viel weniger Kapital und hat die erforderliche Summe schneller erreicht.

    Um ohne Internet, Kurse und Wirtschaftsnachrichten sich anderen Dingen voll widmen zu können, braucht man natürlich ein deutlich höheres Ausgangskapital. Entsprechend länger muss man einer Erwerbstätigkeit nachgehen und deshalb wahrscheinich auch niedrigere Rendite in Kauf nehmen müssen.

    Wir sind der Markt!

  • naja das geht aber davon aus, dass man mit "mehr Information" mehr Rendite erwirtschaften kann. --> Da bin ich mir sehr unsicher. So glaube ich z.B. nicht, dass 50% aller Daytrader mit großem Einsatz an "Zeit" seit 2001 langfristig erfolgreicher als bspw. Witchdream waren (um ein praktisches Beispiel seit 2001 zu nennen).

    Zum Verdienst kann ich nur sagen: Wer noch relativ am Anfang seines Berufslebens steht (ich z.B ;D) sollte darauf achten, dass er Spaß dabei hat. Es hat keinen Sinn für ein paar Tausen Euros einen Job zu machen den man nicht gerne macht.
    Nur zuliebe der Unabhängigkeit nicht nichtselbstständig zu arbeiten halte ich aber auch für falsch.

    Value investing is at its core the marriage of a contrarian streak and a calculator - Seth Klarman

    Einmal editiert, zuletzt von Matze (18. Januar 2010 um 23:33)

  • Hallo Matze,

    ist mir nicht ganz klar, ob das eine Antwort auf meinen Beitrag ist.
    Falls ja, möchte ich erläutern, dass einerseits Daytrader eine ganz andere Strategie mit anderen Erfolgsaussichten fahren, und andererseits mir nicht die von den Membern hier tatsächlich erwirtschaftete Rednite, sondern die in den Szenarien unterstellte ( 5%) viel zu niedrig erscheint.
    Was nutzt es für die Lebensplanung, wenn ich zwar 15% erwirtschafte, aber nur mit 5% kalkuliere.

    Es gibt natürlich Berufe, in denen zu arbeiten attraktiver ist, als seine Zeit mit dem verrückten Treiben an den Finanzmärkten zu vergeuden.

    Wir sind der Markt!

  • Zitat

    Original von pantarhei
    Ich hab das immer mal beobachtet und den Eindruck gewonnen, dass dieses Szenarien rechnen eher kontraproduktiv ist.

    Klar, ein guter Szenarien-Rechner muss noch lange kein guter Börsianer sein ;o)

    Ein gutes Szenario hilft aber ungemein, eine falsche Lebensplanung zu verhindern. Im Jahr 2000 wurde jeder verlacht, der mit einer einstelligen langfristigen Rendite kalkulierte. Die hier erwähnten daytrader, die damals langfristig mit 25% p.a. kalkulierten, dürften zu 99% aus dem Markt sein. Die beste Studie zu einer realistischen Planung, die ich kenne, ist diese hier von Guyton & Klinger 2006. Ich hab sie schon mal erwähnt, aber hier im thread hat sie einen Ehrenplatz verdient, auch als Replik auf Winter, wie man eine beschissene Börsenphase (im Artikel: "perfect storm") übersteht.

    Nochmal @ pantharei: Leidenschaft für die Börse - schön & gut - das ist sicher hilfreich für die Rendite, falls man börsenmäßig begabt ist. Wir sprechen hier aber über Zeiträume von mehreren Jahrzehnten. Was ist, wenn man mit 75 Jahren an leichter Demenz leidet, oder mit 45 die midlife-crisis bekommt, oder mit 60 einen zweiten Frühling? Da hängt einem dann vielleicht die Börse irgendwann zum Hals raus. Soll heißen: Die Lebensplanung sollte auch dann noch funktionieren, wenn die Leidenschaft für das Hobby "Börse" mal abkühlt. Ich finde es beruhigend, dass man in dem Fall als Mechaniker dann einfach auf Autopilot umschalten kann und basiere darauf meine Planung.

    Konkret rechne ich mit einer nominalen Rendite von 7% (= langjähriger DAX-Durchschnitt), mit 3% Inflation (= langjähriger Durchschnitt in DE), und mit 25% Steuer auf die gesamte Rendite (= konservativ, da ich auf Jahre hinaus nur die Dividenden mit dem persönlichen Steuersatz versteuern muss). Ab 65 kommt eine Lebensversicherung dazu und mit 67 eine kleine gesetzliche Rente. Bei diesem Modell kann ich zu heutigen Preisen etwa 3% des Depotwertes entnehmen (und in Zukunft die Inflation ausgleichen), ohne die Kaufkraft des Depots zu schmälern. Das ist eine konservative Planung, mit der ich sehr gut schlafen kann. Ich weiß natürlich, dass es in Zukunft wilde Abweichungen nach oben und unten geben wird, aber das Szenario ist robust. Ohne so eine Planung hätte ich wahrscheinlich massive Existenzängste bzw. hätte es nie gewagt, auszusteigen.

    Kurz gesagt: Daumen hoch für eine Finanzplanung, der man vertraut und mit der man sich wohl fühlt.

    Das eigentliche Abenteuer beginnt sowieso erst, wenn man auf einmal Unmengen an Zeit hat und sein Leben neu organisieren darf. Ich sag nur: "Papa ante portas!" ;o)

    "Spending money to make you happy is hard if you’re already happy." Quelle

  • Hallo witchdream,

    offenbar hast du einen guten Finanzplan, der funktioniert, und mit dem du dich wohl fühlst. Das erscheint mir nachahmenswert.
    Ich möchte aber diejenigen, die in weniger gut planbaren Verhältnissen leben, ermutigen, sich als Börsianer auch mit einem geringeren Startkapital durchzuschlagen.

    Die midlife crisis trifft einen im Job nach meinen Beobachtungen härter, als als Privatier. Und wenn ich jetzt schon keine Lust habe, jeden morgen um 7 Uhr in einem überfüllten Zug nach Frankfurt zu sitzen, nehme ich das Risiko gerne in Kauf, in ein paar Jahren keine Lust mehr zu haben, im Internet, von wo auch immer, auf Börsenkurse und -nachrichten zu schauen.

    Die erforderliche Rendite für den Lebensunterhalt sinkt relativ schnell. Allerdings habe ich in der Familie das leuchtendes Beispiel eines leidenschaftlichen Börsianers , der noch mit 92 Jahren geistig top fit ist, und an der Börse im letzten Jahr 7stellige Erträge erzielt hat.

    Wir sind der Markt!

  • @MMI

    Dividendenauszahlungen passen sich ja im Allgemeinen einer Inflation an (so diese sich im moderaten Rahmen bewegt). Ich glaube, dass z.B. Mieten nicht so einfach anzupassen sind, wobei es dafür ja auch schon Klauseln im Mietvertrag gibt.
    Auf ein steifes Szenario würde ich mich auch auch nicht festlegen wollen. Der Gedanke, es mit 50 geschafft zu haben, ist ganz nett. Doch sollte man sich schon vorher darüber im Klaren sein, was man dann mit den restlichen 30 Jahren bis zur Kiste noch anfangen will. Gerade Männer in dem Alter haben öfter einen größeren Horror vor dem Gesicht der frustierten Ehefrau also vor dem täglichen Gang ins Büro. Ein Umsatteln schlägt dann in der Regel mächtig ins Kontor. Ich erfreue mich an den kleinen Zwischenschritten und sehe zu, dass ich mir beruflich so lange wie möglich Optionen offen halte. Ich kann mich noch an meine Facharbeiterlehre zu DDR-Zeiten erinnern. Da saßen beim Frühstück 50-jährige graue Männer und haben immer wieder hochgerechnet, wielange sie denn noch schaffen müssten. Und das waren echte Scheissjobs. Das hat sich bei mir ganz tief eingeprägt und zum Glück hat die Wende mir ja dann die Chance gegeben so einem Schicksal möglichst zu entgehen.
    Der schönste Moment wäre doch erreicht, wenn man den Punkt erreicht wo man sagen kann: Ich kann zwar noch arbeiten, muss es aber nicht mehr. Auf dem Weg dahin kann man einige schöne Zwischenziele abhaken. So ist es derzeit mein Ziel, die Zinszahlungen für meine Wohnung durch die Zahl der Dividendenströme auszugleichen, d.h. sagen zu können: ab jetzt ist die Bude abbezahlt.