The world is full of kings and queens...
Wenn es die einzelne Kennzahl gibt, die am meisten wiegt, dann ist das für mich die folgende:
KPV = Kurs / (Umsatz * mittlere Marge der letzten n Jahre); n = 10
Joe und ich, wir nennen diese Kennzahl das KPV bzw. KPV10: Kurs-zu-Potential(marge)-Verhältnis. Oder als Kehrbruch: PKV.
Das ist eine Berechnung analog des herkömmlichen KGV10s, hat aber gravierende Vorteile gegenüber diesem:
- Sowohl Wachstum als auch Schrumpfung werden adäquat berücksichtigt, denn statt die logischerweise niedrigeren Gewinne einer Firma heranzuziehen, die vor Jahren z.B. noch einen halb, drittel oder viertel so hohen Umsatz machte, wird nur der aktuelle Umsatz genommen, der damit als nachhaltig unterstellt wird. Das dürfte bei starken Zyklikern auch nicht ganz hinkommen - ich habe mit Joe deshalb darüber diskutiert, ob man auch noch den Umsatz noch über die letzten drei Jahre oder so normalisieren sollte, wir haben aber doch dann davon Abstand genommen, da man das eben ggf. "manuell" berücksichtigen muß. Die eigentliche Ertragsstärke bemißt sich viel besser anhand der Umsatzmarge als an den absoluten Gewinnen. Noch besser wäre eigentlich die EBIT-Marge (abzüglich aktueller Zinslast und normalisierter Steuerquote), da sich meiner Meinung nur daran die Rückkehr zum Mittelwert festmacht, d.h. operativ und unabhängig von der Finanzierung, und da sich über längere Zeiträume schließlich die Finanzierung verändern kann. Aus praktischen Gründen kann man zum Screenen aber bei der Nettomarge bleiben.
- Die bisherige Königin der Value-Kennzahlen, das KUV, wird damit abgelöst. Diese funktionierte meiner Meinung nach vor allem deshalb so gut, weil sie in sich schon die Normalisierung der Gewinnmarge unterstellt. Bei gleicher unterstellter zukünftiger Marge kauft man mit dem günstigeren KUV auch das günstigere KGV. Allerdings ist sie mit einem gravierenden Mangel behaftet: Es gibt meiner festen Überzeugung nach eine Rückkehr zum Mittelwert innerhalb eines Geschäfts, d.h. auch innerhalb einer Branche (auch hier wiederum: theoretisch genauer wäre EV/Umsatz), aber nicht zwischen verschiedenen Geschäften! Ein Großhändler wird niemals die gleiche Marge erzielen wie eine Pharma- oder Technologiefirma. Der Grund hierfür liegt darin, daß die primäre Normalisierung in einer Marktwirtschaft durch den Wettbewerb auf Ebene der Kapitalrendite erfolgt (genauer: der Gesamtkapitalrendite). Das ist das, wonach das Kapital strebt, und fast unvermeidlich wird jede Überrendite hierin auf Dauer rasiert, eben weil (und wenn) der Wettbewerb funktioniert; Umsatzrenditen hingegen interessieren eigentlich niemanden. Das wäre vom falschen Ende her gedacht. Eine Technologie- oder Pharmafirma muß wesentlich mehr Kapital im Vorfeld investieren und benötigt deswegen selbstverständlich höhere Gewinnmargen, wohingegen der Großhändler angesichts des relativ zu seinen Investitionen hohen Außenumsatzes schon mit sehr kleiner Umsatzrendite auskömmlich leben kann. Trotz alledem funktionierte aber das KUV im Mittel dennoch hervorragend als mechanische Kennzahl, obwohl vermutlich vor allem generell (oder aber nur aktuell zyklisch?) margenschwache Branchen selektiert wurden - und ein paar stark antizyklische andere Aktien dazu; im Mittel aber doch innerhalb verschiedener Branchen die jeweils günstigsten (mit vermutlich aktuell unterdurchschnittlichen Gewinnen).
Das KPV macht das KUV insofern überflüssig, als daß es dessen Aussage bereits beinhaltet. Die mittlere Marge, zu der langfristig die Rückkehr erfolgen sollte, wird aus der eigenen Historie ermittelt, und diese sollte valider sein als die Annahme einer gedachten mittleren Marge über alle Geschäfte hinweg; zumal das KPV direkt verglichen werden kann mit dem bekannten KGV und damit eine vertraute absolute Aussage über die Preiswürdigkeit einer Aktie macht. Eine Firma mit historisch stets hoher Marge darf dementsprechend ein höheres KUV haben eine mit einer niedrigeren - genau das bildet das KPV ab. Die zusätzliche Betrachtung des KUVs wäre somit doppelt gemoppelt oder nur insofern sinnvoll, als daß die letzten zehn Jahre vielleicht nicht den "eigentlichen" langfristigen Mittelwert darstellen, sondern selbst nur ein Artefakt sind. (Z.B. wenn es innerhalb einer Branche noch unterschiedliche historische Gewinnmargen gab und man unterstellen möchte, daß sie sich künftig auch zwischen den Geschäften angleicht; u.U. ist das aber nicht gewünscht, weil es eben doch nachhaltige Unterschiede gibt, sei es nur wegen Wettbewerbsvorteilen einer Firma, dann genügt das KPV)
- Das KGV10 wird selbstredend auch obsolet gemacht. Bei Firmen ohne großes Wachstum oder Schrumpfung kann aber der Einfachheit halber weiterhin das herkömmliche KGV10 berechnet werden. Jedoch berücksichtigt das KGV10 z.B. nicht die Inflation. Die betrifft natürlich alle Aktien innerhalb eines Marktes und ist somit für den Vergleich neutral, aber die absolute Aussage bzw. der Vergleich über die Zeit hinweg ("ist KGV10 = 15 nun billig oder nicht?") kann gerade bei hoher Inflation doch erheblich verzerrt werden. Sofern sich die Inflation im Umsatz niederschlägt, ist das KPV davon nicht betroffen.
Max Otte ist wohl unabhängig auf die gleiche Kennzahl gekommen. Er schrieb einmal, daß er den fairen Wert ebenfalls berechnet, indem er die Umsatzmarge über einen kompletten Konjunkturzyklus normalisiert.
Die gleiche Vorgehensweise wende ich auf den Cashflow an. Dort ist die Betrachtung eines einzelnen Jahres aufgrund der üblichen Schwankungen sowieso komplett sinnfrei, also das KCV - diese (TTM-)Kennzahl wird auch gleich mit überflüssig gemacht.