Net Operating Assets - Gewinn vs. Freier Cashflow

  • Ich arbeite gerade die 4. Auflage von O'Shaughnessy durch und stecke in Kapital 14, p. 278, bei "Percentage Change in Net Operating Assets".


    O'S zitiert


    Hirshleifer, David A., Hou, Kewei, Teoh, Siew Hong and Zhang, Yinglei, Do Investors Overvalue Firms With Bloated Balance Sheets? (February 2004). EFA 2004 Maastricht Meetings Paper No. 3233; Dice Center Working Paper No. 2004-18. Available at SSRN: http://ssrn.com/abstract=404120 or http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.404120


    Sie schreiben, dass eine Diskrepanz zwischen "net operating income (accounting value-added)" und "free cash flow (cash value-added)" zukuenftig niedrigere Gewinne anzeigt.


    Die Autoren untersuchen "Net Operating Assets" (also Umlaufvermoegen minus Lieferantenverbindlichkeiten - richtig?), pro "Total Assets" am Periodenanfang (also Bilanzsumme), um diese Diskrepanz zu messen.


    1. Hirshleifer et al schreiben, dass "Net Operating Assets" die Summe des aufgelaufenen "Net Operating Income" minus die Summe des aufgelaufenen "Free Cash Flow" ist. Das ist wohl nicht richtig, ausser die Bilanz faengt wirklich bei allen Positionen mit null an. Aber sie meinen wohl, dass eine Aenderung der "Net Operating Assets" durch eine Differenz von "Net Operating Income" minus "Free Cash Flow" zustandekommt. Frage: Wieso ist das so? Kann mir das jemand in der Bilanz erklaeren?


    Was ich verstehe, sind die zwei Beispiele auf p. 5 im Paper:


    a) Eine Firma verkauft etwas und bucht es in die Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, ohne jedoch das Geld zu erhalten (zu lange oder wachsende Zahlunsziele z.B.). Dann entsteht Gewinn, aber kein freier Kapitalfluss.


    b) Eine Firma bucht laufende Kosten als Investition (z.B. erstellen sie Software und aktivieren das). In diesem Fall fehlt eine Minderung des Gewinns (Kosten), aber der freie Cashflow ist natuerlich wegen der Investition niedrig und zeigt die Kosten korrekt an.


    2. O'S untersucht in Chap 14 die Veraenderung von "Net Operating Assets pro Total Assets" und beruft sich dabei auf das paper von Hirshleifer et al.


    Hirshleifer et al. schreiben aber auf p. 7, dass


    [1] Richardson, Sloan, Soliman, Tuna (2003)
    [2] Fairfield, Whisenant, Yohn (2003)


    die Veraenderungen studiert haben, dass aber der Stand der "Net Operating Assets" langfristig aussagekraeftiger als die Veraenderung im vergangenen Jahr ist.


    Laut Hirshleifer ist der Spread zwischen Dezil 1 und 10 bei "Net Operating Assets/Total Assets" 1.6% pro Monat (!). Das waere in der Tat mehr als das Resultat von O'S von 12.03% versus 3.5% pro Jahr.


    Balkenchart

  • mir scheint das der Versuch zu sein, Fundamenatlanalye "light" zu betreiben.


    Bei einer Fundamentalanalyse ist einer der wichtigsten Punkte, den "cash conversion cycle", also den Vorgang vom Bestellen der RHB, Produktion, Lager unfertige/fertige Erzeugnisse, Verkauf, Rechnungsstellung bis schliesslich Geldzufluss zu analysieren.


    Die Kennzahlen die hier verwendet werden, verbessern vmtl. die ursprüngliche Kennzahlenanalyse deutlich,weil man so relativ leicht z.B. Betrugsfirmen wie Thielert rausfiltern kann.


    Ähnliches galt ja für viele Solarfirmen.


    Einen Effekt den man hier z.B. nicht erkennt, ist wenn eine Firma einfach ihre eigenen Rechnungen nur noch sehr schleppend zahlt. Das reduziert zwar kurzfristig das NWC, ist aber meistens ein Indikator für größere Probleme.


    Ohne Fundamentalanalyse kann man auch schlecht Sondereffekte wie Factoring oder Forderungsverkauf erkennen.


    Wie gesagt, besser als eine KBV/KGV/KUV Analyse dürfte das Ergebnis aber schon sein.

  • MMI,


    klar, die kennzahlbasierten Strategien sind alle "Fundamentalanalyse light". Aber der Vorteil ist natuerlich, dass Du nur Sachen verwendest, fuer die Du keine Schaetzungen brauchst (geht naemlich schief) und die Du quer ueber alle Firmen vergleichen kannst.


    provinzler,


    danke erstmal. Ich muss noch nachdenken....


    Balkenchart

  • Das Problem wird wohl sein, daß jeder unter diesen Bilanzgrößen etwas anderes versteht (oder etwas anderes als das, was man gewöhnlich sinnvollerweise darunter versteht) - jedenfalls ist es oft so. Ohne genaue Definition anhand von atomaren Standardpositionen kann man sich nie sicher sein.


    Von dem, was mit den accruals sinngemäß gemessen wird, hätte ich das so schon erwartet, wenn die Gewinne nicht durch den Cashflow bestätigt werden. Was die konkrete Messung angeht:
    Ohne die Artikel gelesen zu haben, glaube ich, daß nicht das Netto-Umlaufvermögen gemessen wurde, weil vermutlich - wie Du selbst schon geschrieben hast - die Änderung des Netto-Anlagekapitals (minus langfristige Verbindlichkeiten) unberücksichtigt blieb, die ja auch immer sowohl im Gewinn als auch im Cashflow enthalten ist. Das ist nämlich mechanisch oft gar nicht eindeutig zu trennen, da m.W. keine Standardisierung dafür existiert.


    Was die praktische Umsetzung angeht: Sehr einfach machbar wäre doch, einfach darauf zu achten, daß sowohl KGV als auch KCV (FCF) gut sind.

    „Lasst uns doch die Quadratur des Kreises probieren.“Robert Habeck über sein Politikverständnis

  • Winter,


    was ich bemerkenswert finde, ist nicht so sehr, dass eine Diskrepanz zwischen Gewinn und freiem Cashflow ein Warnsignal ist, zumindest ueber 2-3 Jahre gemittelt.


    Erstaunlich ist, dass der Stand des Netto-Umlaufvermoegens als Kriterium funktioniert, und zwar noch besser. Der STand beruecksichtigt ja alle aufgelaufenen Diskrepanzen zwischen Gewinn und FCF, egal wie lange sie zurueck liegen.


    Balkenchart

  • Ich bin gerade in die Lektüre von Quantitative Value von Gray & Carlisle eingestiegen (Besprechung folgt). Sie nennen eine einfache Alternative zur Methode von Hirshleifer et al, um Bilanzmanipulationen zu entdecken, nämlich die sog. Scaled Total Accruals (STA).


    In einer einfachen Variante von STA setzt man einfach die Differenz von Jahresüberschuss und operativem Cashflow in Relation zur gesamten Bilanzsumme. Also:


    STA = (Net Income - Cash Flow from Operations) / Total Assets.


    Erfreulicherweise bietet die B:0-Datenbank alle erforderlichen Zahlen. Die Probe aufs Exempel habe ich mit den in Deutschland gelisteteten China-Aktien gemacht, die als arge Bilanzkünstler gelten. Und siehe da: Bei einem STA-Ranking liegen die 14 China-Aktien vom Median her im obersten Fünftel, und fünf von ihnen sind sogar im obersten Dezil platziert.


    Anders ausgedrückt: Könnte sein, dass ich hier auf eine simple Methode gestossen bin, mit der selbst Bilanz-Dummies wie ich fragwürdige Bilanzierungstechniken aufspüren können.


    Meinungen?

  • Plausibilität in eine Formel gepackt. China-Frauds hatten bisher meist immer hohe STAs. Mit hohen STAs konnten die China-Frauds bisher leicht an der Börse platziert werden, und die nachfolgenden China-Frauds haben einfach das Modell ihrer erfolgreichen Vorgänger kopiert. Sollte die Börse aber auf einmal nur gegen hohe STAs bei China-IPOs misstrauisch werden, dann ist es für die Betrüger ein Leichtes, niedrige STAs aufs Papier zu zaubern. Ein niedriges, d.h. negatives STA ist nicht folgerichtig kein Betrug.

  • M.E. ein guter Ansatz um "aggresive" Bilanzierer schnell rauszufiltern.


    Auch Sondereffekte wie niedriges P/E durch gewinnwirksamen Verkauf von Unternehmensteilen oder Hochbewerten ala Arques fallen hier raus.


    Evtl. könnte Anlagebauer ungerechtfertigt schlecht aussehen, aber damit kann man leben.


    Bei Unternhemen mit hohen Abschreibungen könnte es evtl. auch komische Effekte geben.


    mmi