Thessaloniki Wasserwerk (ISIN GRS428003008) – viel Zaster & Liquiditätsprobleme

  • Ist mir während eines Screenings im Dezember ins Netz gegangen. Suchkriterien waren: europöisches Unternehmen, stabile Ebitmarge >20%, stabile Umsätze, stetige Dividenden FCF-gedeckt, Market cap <100 Mio €, 52-Wochen-Tief, kein/kaum Write-Up/Coverage in deutschen oder englischen Foren.


    Das Thessaloniki Wasserwerk/Klärwerk (EYATH) sollte als Konsequenz von EU&IMF Auflagen 2011 an Investoren versilbert werden. Veolia und Suez (u.A.) haben damals Gebote eingereicht. Das hat den Thessalonikiern nicht gepasst, daher ist der Privatisierungsprozess vorerst auf Eis gelegt. Der staatliche Fonds TAIPED hält daher weiterhin seine 74%, Suez 5%, der Rest im free float.Die Firmenwebsite ist überhaupt nicht IR-freundlich, Berichte gibts nur auf griechisch.


    Aktuelle Kennzahlen (TTM bzw Q3 2014)

    MarketCap 95 M €
    Umsatz
    74 M €
    EBIT-Marge (10yrs avg)
    25,31%
    KBV 0,65
    KGV 5,91
    KGV10 6,77
    EV/EBITDA 1,81
    ROE 11,03%
    ROA / ROIC 8,44% / 17,76%
    Dividendenrendite 2014 11,09% (8% reguläre Div + 3,09% Bonusdiv.)


    Marketcap hat schon mal bessere Tage gesehen, der aktuelle Kurs kriecht irgendwo in der Region des 10-jares-Tiefs herum:


    Das Unternehmen ist seit 2013 schuldenfrei und hatte Q3 2014 ca. 100 M € kurzfristiges Vermögen (46 M € cash, 53 M € A/R) bei 18 M € kurzfr. Verbindlichkeiten und 27 M € sonstigen Verbindlichkeiten. D.h. ca. die Hälfte der aktuellen Marktkapitalisierung ist Cash. In den letzten Jahren schwankte das A/R recht stark, aber dennoch konnte das Unternehmen mittelfristig seine A/Rs zu Geld machen – auch während Krisenzeiten, in Griechenland. Das aktuelle DOS mit 264d ist echt monströs, aber trotzdem niedriger als 2010-2012 (>300d) – cash conversion ratio fluktuiert sehr stark zwischen 20-150%. Sieht dann so aus:


    A/R Abschreibungen sind ind den letzten Jahren gesunken. Ich vermute, der Großteil der derzeitigen Forderungen besteht gegenüber Einrichtungen der öffentlichen Hand.Dividenden wurden in den letzten 10 Jahren kontinuierlich gezahlt (10% Quellensteuer in GRE), Payout-Ratio 35% vom NI, 6% NI wachstum jährlich. Sollte das Unternehmen weiterhin die Linie fahren, dass mittelfristig der überschüssige Cash in Form von steigenden Dividenden und Sonderdividenden ausgezahlt wird, dann kauft man (Cash sowie Zinserträge rausgerechnet) quasi Folgendes:
    Marketcap 49 M €
    NI 14,68 M €
    KGV 3,32
    KBV 0,49
    FCF zwischen 6,2 M € und 9,5 M € (duschschn. FCF-Marge der letzten 10 bzw 5 Jahre)
    ...was dann für den Ivestor ein FCFROI von 13-19% bedeuten würde.


    Derzeit liegen die Wasserpreise in Thessaloniki unter dem Durchschnitt vergleichbar großer Städte in der EU, EYTAP investiert 7 M € pro Jahr in PP&E (Durchschnitt 10 Jahre). Seit 2001 wurden viele Angestellte rausgekickt, von 560 auf 240 – es kann natürlich sein, dass die Zahl der Mitabeiter stets konstant blieb, nur die Zahl der „Angestellten“ wurde zurückgefahren.Der Vergleich zu anderen öffentlich gelisteten Wasserwerken kann sich durchaus sehen lassen, wobei operativ vom Tallinner Wasserwerk noch einiges abgekupfert werden könnte.

    EYATH Tallinna Vesi Athens Water
    EV/EBITDA 1,8 10,6 6,2
    EBIT % 28% 46% 14%
    KGV 5,9 14,4 12,8
    Div% 11,1% 6,9% 6,2%


    Pro

    • Langweiliges Unternehmen mit soliden Margen
    • seit IPO 2001 nie Verlust, zahlt fortlaufend seine 30% Steuern & Dividenden
    • keine Aktienoptionen, Wandelanleihen oder ähnlicher Schabernack
    • Stabile Nachfrage, niedrige Preiselastizität für Leitungswasser

    Con

    • Oben beschriebenes Liquiditätsproblem
    • Keine Preissetzungsmacht, stark reguliertes Umfeld (Preisgestaltung, vorgeschriebenes Qualitätsniveau)
    • Kunden: Einwohnerzahl Thessaloniki stagniert, Gewerbezahl rückläufig, generell zahlungsunwilllige/-unfähige Verbraucher, GRE Makro Umfeld
    • Wachstum nur durch evtl Zukäufe
    • In D sehr illiquider Handel (Berlin und Stuttgart), Spread dementsprechend


    Fazit:Auf Watchlist. Der große Haufen Forderungen aus LuL muss „geklärt“ werden, im wahrsten Sinne des Wortes. Ich werde zudem erst einmal abwarten, ob weiterhin damit zu rechnen ist, dass überschüssige Barmittel an Aktionäre ausgezahlt werden.


    Ich wäre sehr dankbar für Eure Meinung & Kritik.

  • Interessantes Unternehmen, in EUR sieht die Bewertung natürlich günstig aus.


    Da sie ihre Umsätze nur in Griechenland generieren, ist das eine pure Wette darauf, dass GR im Euroraum verbleibt.
    Sollte Tsipras / Die Linken die Wahl gewinnen, besteht außerdem ein erhöhtes Rückverstaatlichungsrisiko.

    "I am not buying anything right now. I am mainly looking out the window." (Jim Rogers, Feb. 2012)

  • Sollte Tsipras / Die Linken die Wahl gewinnen, besteht außerdem ein erhöhtes Rückverstaatlichungsrisiko


    das auch, aber ich sehe die Wahrscheinlichkeit dessen höher, dass Wasserversorgung (mittel Hilfe des regierungsgeführten Regulierers) als "non-profit" deklariert wird und damit wär's dann gelaufen. Dann spart man sich auch den vorzeitigen Rückkauf von 26% des Unternehmens...


    @benny_m
    Netz gehört auch denen (einer Tochtergesellschaft). Wenn ich das in den Berichten richtig verstanden habe, dann wurden seit dem IPO die Anlagen auf westlichen STandard umgerüstet. Wobei z.B. ein "Klärschlamm-Extraktor" noch im Bau ist. Ein Wasserversorger hat zweierlei Netze: Wasserzuleitung (Frischwasser aus Quellen & Recervoirs) und Abwassernetz. Die Instandhaltung vo ersterem ist kritisch, da es dort zahlreiche Auflagen gibt. Wenn ich mich recht erinnere schreiben die das Netz über 60 Jahre ab - ich vermute mal das ist ein Proxy für das Netz-Capex. Der Großteil der Kosten&Capex liegt beim Abwasser&Klärwerk. In den letzten Jahren war Capex zwischen 3-11 Mio € pro Jahr. Ich schätze maintenance-Capex auf 5-6 Mio (wie beim Tallinner Wasserwerk), der Rest wäre dann für Modernieseirung der Anlagen. Ist aber alles geschätzt/getippt/vermutlich, da ich mich mit Wasserwerk-Economics nicht auskenne.

  • das auch, aber ich sehe die Wahrscheinlichkeit dessen höher, dass Wasserversorgung (mittel Hilfe des regierungsgeführten Regulierers) als "non-profit" deklariert wird und damit wär's dann gelaufen. Dann spart man sich auch den vorzeitigen Rückkauf von 26% des Unternehmens...


    Klingt naheliegend. Würde passen zum Bürgerprotest der Thessaloniker gegen Privatisierung wie auch zum linken Profil von Syriza.
    Bei einem natürlichen Monopol sehe ich eh nicht den Nutzen eines privatwirtschaftlichen, gewinnorientierten Betriebs.

  • Bei einem natürlichen Monopol sehe ich eh nicht den Nutzen eines privatwirtschaftlichen, gewinnorientierten Betriebs


    Ich sehe dabei den Vorteil, dass das jeweilige Unternehmen dadurch:
    a) durchsichtiger ist - mehr Reports und Einsehbarkeit
    b) mehr hingeschaut wird, was da abläuft - hält auf "Trab"


    Das bringt m.E. nach Vorteile, wenn das Unternehmen in einer Region ist, wo kulturell bedingt die Wahrscheinlichkeit hoch ist das die Öffentlichkeit verkasepert wird, wenn wenig/keine Rechenschaft abgelegt werden muss.
    Z.B würde ich davon ausgehen, dass in Dänemark ein staatliches Unternehmen im Sinne der Öffentlichkeit geführt wird und nicht allzu stark dem Nepotismus zuläuft. In Griechenland: naja...
    Höhere Erträge/Margen (resultierend aus profitorientierter Führung) sollten aber in jedem Fall und im größten teil an Kunden mittels niedrigeren Wasserpreis weitergereicht werden. Das diktiert der Anstand.


    In Thessaloniki hat die Bürgerbewegung den Vorschlag unterbreitet, das Wasserwerk für 136€ pro Kunde (Anschluss) zu kaufen. Also 510.00 x 136 € = 69,4 Mio. Seitdem sind 20 Mio€ mehr cash bei dem Unternehmen, damit wäre der citizen-buyout Preis in etw der Höhe des derzeitigen Kurses.

  • Ich hab mir mal Spasseshalber den Q3 Bericht angeschaut.


    Interessanterweise addieren sich da z.B. die Eigenkapitalbestandteile per 30.09.2014 nicht wirklich auf die Gesamtsumme. Da sind irgendwo 48 Mio verloren gegangen.


    Auch die Short term Liabilities addieren sich auf Gruppenebene nicht wirklich. Die Short term Tax liabilities in der Bilanz (die anscheinend ohne entsprechende Aufwandsbuchung) von 4,7 mio auf 17,7 Mio gestiegen sind), werden in den Notes wieder mit 7,5 Mio angegeben, statt den 17,7 in der Bilanz


    Entweder war der Buchhalter blau oder die würfeln die Zahlen aus. Oder beides.

  • Was die Eigenkapitalbestände betrifft, dürfte es sich um einen Zahlendreher in der Position "profit carried forward" handeln.
    72.627 statt 27.627. Stimmt trotzdem noch nicht ganz. Jedenfalls passen die 72 Mio. besser zu den Vergleichswerten im Vorjahr bzw. auf "Company"-Ebene.

    "I am not buying anything right now. I am mainly looking out the window." (Jim Rogers, Feb. 2012)

  • Interessanterweise addieren sich da z.B. die Eigenkapitalbestandteile per 30.09.2014 nicht wirklich auf die Gesamtsumme. Da sind irgendwo 48 Mio verloren gegangen.


    Auch die Short term Liabilities addieren sich auf Gruppenebene nicht wirklich. Die Short term Tax liabilities in der Bilanz (die anscheinend ohne entsprechende Aufwandsbuchung) von 4,7 mio auf 17,7 Mio gestiegen sind), werden in den Notes wieder mit 7,5 Mio angegeben, statt den 17,7 in der Bilanz


    Was die Eigenkapitalbestände betrifft, dürfte es sich um einen Zahlendreher in der Position "profit carried forward" handeln.
    72.627 statt 27.627. Stimmt trotzdem noch nicht ganz. Jedenfalls passen die 72 Mio. besser zu den Vergleichswerten im Vorjahr bzw. auf "Company"-Ebene.


    Nee, müsste schon alles einigermaßen passen. So offensichtlich kreativ in der Buchung sind die El Greccos dann doch nicht. Laut meinen Daten, also den griechischen (nicht übersetzten) Berichten (!!!):


    Share capital 40.656
    Difference from issuance of shares above par 2.830
    Reserves 26.219
    Retained earnings 75.627
    Equity also bei: 145.332 was auch mit Statement of changes in equity übereinstimmt. Da geht also nix ab.


    Current tax liabilities kaum verändert bei 7.527 bzw 7.523 (Q3 2014 bzw Q3 2013). Im B/S sind current tax liab + A/P etc summiert im "Total current liabilities" ausgewiesen, also 17.794 bzw 21.492 T€ (was jeweils 10.267 bzw 13.969 trade&other liabs enthält)


    Haut alles hin, soweit ich das beurteilen kann. Aber vielen dank an Euch für das genaue Hinsehen!
    Ich tippe mal der Übersetzer hat beim Formatiern ein paar Mal zu oft Ctrl+V gedrückt und ist um ein paar Zeilen verrutscht ("sind ja nur Zahlen"). & hat ca. 5 verschiedene Schrifttypen verwendet ^^

  • Zitat

    Mein unprofessioneller OT-Tipp: Die griechische Vorlage wurde mit Xerox eingescannt.


    Faszinierend! Ich wollte gestern Abend eigentlich schlafen gehen, konnte aber nicht aufhören das video zu gucken. Danach hatte ich auch Schwierigkeiten einzuschlafen.
    Das Prinzip von pattern recognition + substitution dürfte nicht nur beim scannen zum Einsatz kommen. Ganz gut merkt man die Fehleranfälligkeit (noch) z.B. bei CC transcripts, die ganz bestimmt nicht von Menschen erstellt werden, bei Suchmaschinenvorschlägen oder Internet-Werbung.
    Mir erscheint das als der ultimative "butterfly effect" - ein paar digitale bits Abweichung können zu extrem vielen makroskopischen Ersetzungen führen die komplett falsch sind und entsprechend Konsequenzen haben können.

  • Ich fands auch unterhaltsam.


    Die Fehler traten hauptsächlich bei "6" und "8" auf, die verwechselt man bei den meisten Fonts ja schon unkopiert gerne, zumindest jenseits der 50.


    Man sollte also zukünftig nur noch in Flugzeuge steigen, die älter als acht Jahre sind ..., das war bei meinem Langstreckenflug nach Brasilien zum Glück der Fall. Jetzt hat die Lufthansa aber neue 747 gekauft ...

    Auch unsere Gedanken sind wircksame Factoren des Universums. Novalis


    Everything will be allright!