Das Thema wird uns wohl noch einige Zeit begleiten.
Mir geht es in diesem Faden weniger um die Frage der gesundheitlichen Relevanz und ob wir alle werden sterben müssen (die Antwort darauf lautet bekanntlich ja. Aber wahrscheinlich nicht jetzt und wahrscheinlich nicht an Corona).
Ich will auch nicht Trübsal blasen oder Panik schüren. Börse ist Börse, und Leben ist Leben.
Das Leben und der Fortschritt der Menschheit werden weitergehen, und sehr wahrscheinlich wird alles auch sehr gut weitergehen, da bin ich bekanntlich notorisch optimistisch!
Aber wie siehts mit diesem verrückten kleinen Teilaspekt des Lebens aus, der sich Börse nennt?
Welche Auswirkungen wird die Pandemie direkt und indirekt auf diese haben?
Ein paar Fakten vorab, was mir die aktuell einhellige Meinung der Experten scheint (bitte gerne korrigieren / ergänzen):
- Es handelt sich um eine Pandemie
- Sie wird sich nicht nicht mehr unter Kontrolle bringen lassen, es geht nun nur noch darum Zeit zu gewinnen
- Der Zeitgewinn hilft den Ansturm auf das Gesundheitssystem zeitlich zu strecken und somit die Behandlungsmöglichkeiten zu machen. Gelingt dieses Zeitgewinnen nicht, wird es (noch) chaotischer werden, als wenn sie gelingt
- Das Virus ist "here to stay". Im Sommer wird es wohl abklingen, und teils in Vergessenheit geraten, im Winter aber dann mit voller Wucht wieder kommen
- Die Mortalität ist zwar keine Vollkatastrophe, aber doch sehr "unschön". Sagen wir irgendwo bei 0,3%. Experten rechnen damit dass mittelfristig ca. 60% der dt. Bevölkerung infiziert werden, das wären dann 144.000 Tote allein in DE (über welchen Zeitraum?). Weltweit entsprechend zig Millionen. Puh. Vielleicht gibts ja ne Impfung dann werden das noch etwas weniger. Aber ein Pappenstil ists nun auch nicht grade
Aber zur Börse.
Je länger ich darüber nachdenke, desto unerfreulicher wird das Ergebnis muss ich sagen.
Psychologie / Marktverfassung
- Corona stellt den perfekten schwarzen Schwan dar. Wer im Dezember derlei auf dem Radar hatte und entsprechend vorbereitet hat, trete bitte vor
- Der Zeitpunkt ist gesellschaftlich einerseits günstig (die Wirtschaft brummt, es herrscht Vollbeschäftigung, die Gesellschaft hält diese Zusatzbelastung also besser aus, als wenn grade 2009 wäre und alles eh in Trümmern)
- Für die Börsenentwicklung / Vulnerabilität dagegen ist der Zeitpunkt maximal ungünstig. Wir haben seit 10 Jahren Hausse, den längsten Aufschwung seit Ewigkeiten, seit einiger Zeit Party like its 1999 mit extrem niedriger Vola und einem ATH nach dem anderen. Viele neue Teilnehmer kennen vermutlich nur gute Zeiten und so kleine Kindergartenkorrekturen wie den "Weihnachtscrash 2018"
- Sehr viele Teilnehmer habe seit geraumer Zeit das mindset "Ich traue dem Anstieg zwar nicht, nehme ihn aber weiter mit, und wenns runter geht steige ich eben schnell aus". Da dürfte der ein oder andere aktuell ziemlich ungläubig auf die Kurse gucken dieser Tage
- Es gibt mehr Algotrading denn je. Aber Algos werden in einem Crash m.E. glorios versagen und höchstens zu noch mehr Vola beitragen
- ETF trading ist auf einem Hochpunkt. Welche Auswirkungen das hat? K.a. Ob das befeuert oder auch dämpft? Unklar
- Wo mir Infos fehlen: Wie hoch ist die Verschuldung bei den Investoren?
Fundamentales
- (angeblich?) sind etliche Firmen hoch verschuldet und halten sich nur wegen der niedrigen Zinsen (Zombifirmen). Wie viele von denen fallen über die Klippe, sollten mal einige Rechnungen nicht bezahlt werden, der Krankenstand steigen, die Nachfrage ausbleiben?
- Die globalen Lieferketten scheinen sehr anfällig zu sein. Dass z.B. die Herstellung von Medikamenten bereits jetzt stocken könnte ist keine tolle Nachricht in so einer Situation. Schutzanzüge und dgl. sind ja jetzt schon knapp, dabei ist ja quasi noch nix los
- Meine Einschätzung wäre dass die Lieferketten ein veriables Chaos produzieren werden. Schon jetzt scheinen sich in den Häfen weltweit zigtausende Container zu stapeln. Irgendwann sind aber die Lagerflächen dort voll. Mir ist unklar was dann passiert, aber ich kann mir vorstellen dass das "Wiederanfahren" mehr als nur hakelig werden könnte. Wenn jemand Experte auf dem Gebiet ist, mehr Infos dazu fände ich spannend
- Wie geschrieben, eine Kosodidierung der Börsen und der Konjunktur sind eh überfällig. Die Wahrscheinlichkeit einer handfesten, und vorallem parallel in allen Weltregionen und (fast?) allen Branchen stattfindenden Rezession steigt grade massiv. SEHR unschöne Kombi!
- Die Zinsen sind nahe Null, richtig viel Feuerkraft sehe ich bei den Notenbanken nicht. Zudem kann man das Virus nicht einfach mit Geld verjagen
- Das Bankensystem selber scheint mir auch nicht grade in toller Verfassung. Ich bin kein Experte auf diesem Gebiet, aber gibt es nicht seit einigen Wochen immer wieder Ärger auf den Repo-Märkten?
Zur Vollständigkeit aber auch ein paar positivere Sichtweisen:
- Das Virus könnte sich langsam ausbreiten und der Sommer das Problem für uns erledigen
- Sobald sich dann alles beruhigt hat, wird der Konsum nachgeholt und alles geht weiter wie zuvor
- Der Staat kann sich günstig refinanzieren und somit Konjunkturpakete finanzieren
- Die Inflation ist niedrig, die Arbeitslosigkeit und Zinsen auch (s.o.). Hier ist also "Puffer" da
- Die ZBs können sich aufgrund der niedrigen Inflation Massnahmen wie "Helikoptergeld" leisten
Hm, ich will echt nicht die Kassandra spielen, aber ich persönlich tue mir grade schwer an ein Übergewicht der positiven Sichtweisen zu glauben.
Aber das kann auch mit meiner Börsensozialisierung in den spätern 90er und Nullerjahren liegen, wo mal halt dauernd den Sturm um die Ohren hatte.
Daher würden mich eure - gerne detailierten - Sichtweisen und Analysen interessieren.
Woodpecker