AssetValue, EarningsPowerValue, GrowthReturn und Kapitalkosten

  • Da es schon ein paar Diskussionen zu dem Thema gegeben hat, hab ich mir gedacht ich mache mal einen neuen Thread auf und fasse zusammen wie dieser Bewertungsansatz funktioniert.


    Grob gesagt gibt es 3 Bereiche:

    • AssetValue (Entweder LiquidationValue oder ReproduktionValue) - es werden die Assets bewertet
    • EarningsPowerValue - es wird der nachhaltige Gewinn bewertet
    • Growth - es wird das Wachstum bewertet


    Nehmen wir BIC als Beispiel.


    • AssetValue

    Zuerst muss man schauen ob das Unternehmen in einer Branche unterwegs ist die es in Zukuft noch geben wird. Falls man das mit "nein" beantwortet, dann muss man die Firma nach dem LiquidationValue bewerten. Falls "ja", dann nach dem ReproduktionValue.


    Bei ersterem muss man sich fragen, wie viel bekomme ich für die Firma wenn ich sie in den nächsten 1-3 Jahre verkaufe? Beim zweiten muss ich mich fragen wie viel ein Konkurrent zahlen müsste um die gleiche operative Firma zu haben. Hier zählen dann auch Intangibles wie z.B. Strukturkosten, Umsatzkosten usw. dazu. (Strukturkosten: Es reicht ja nicht alle Assets zu kaufen, sondern man muss auch das Zusammenspiel der einzelnen Filialen/Firmen herstellen. Das dauert oft 1-3 Jahre. Umsatzkosten: Auch wenn man sich alle Assets gekauft hat, muss man ja noch irgendwie zu den Kunden kommen. Das geht z.B. über Makler. Diese kosten aber x% vom Erstjahresumsatz. Diese Kosten muss man deswegen auch berücksichtigen.)


    Für BIC müsste man den ReproduktionValue berechnen. Dieser beträgt für die Tangibles (Asstes-Liabilities (Anpassungen müssen vorgenommen werden)) 1916mio und für Intangibles 687mio. somit kommt man auf einen ReproduktionValue von 2600mio.


    • EarningsPowerValue

    Hier muss man sich zuerstmal Gedanken über die Kapitalkosten machen. Wenn das Unternehmen auch Fremdkapitaleinsetzt, dann muss man dieses auch beachten. Hier möchte ich jetzt nicht zu ausführlich werden, sondern es reicht hier mal zu wissen, dass es sich hier um den WACC handelt.


    Dann muss man noch die nachhaltigen Gewinne berechnen. Also wie viel Gewinn kann das Unternehmen erzeugen, wenn es nicht mehr wachsen - aber auch nicht schrumpfen - würde?


    Dann muss man noch alle sonstigen, nicht für den operativen Betrieb notwendigen, Asstes zusammenzählen und von den zinstragenden Schulden abziehen. Net Cash oder Net Debt sozusagen (Nettofinanzverbindlichkeiten).


    Mit diesen 3 Werten kann man den EPV berechnen. Nämlich: (nachhaltiger Gewinn / WACC) + Nettofinanzverbindlichkeiten. (Also Cash addiert man und Schulden zieht man ab.)


    Bei BIC wäre das wie folgt:

    WACC von 11%. (Viel Umsatz in riskanten Ländern wie z.B. LateinAmerika, Fast nur EK was teurer ist)

    Nachhaltiger Gewinn von 250mio. (2100mio Umsatz * 17% EBITMarge -29% Tax Rate = 250mio)

    Net Cash von 370mio.

    = 250/11% + 370= 2642 = EarningsPowerValue


    Zusammenfassung:

    Jetzt sieht man, dass der EPV ca. gleich groß ist wie der AssetValue. Die Kapitalrendite entspricht sozusagen den Kapitalkosten. BIC ist nicht in der Lage durch Wachstum Wert zu schaffen. Sie sind anscheinend in w

    ettbewerbsintensiven Branchen unterwegs wo sie vermutlich auch keinen großen Marktanteil haben. Sie können auch keine höheren Kapitalrenditen aufgrund von Economics of Scale oder "Habits" erzielen. Deswegen ist für BIC die beste Strategie das Geld an die Aktionäre auszuschütten oder bei tiefen Kursen Aktien zurück zu kaufen. Beides machen sie.


    Die MCap von BIC war zu der Zeit (7.11.2022) 2532mio - also in etwa gleich dem EPV und dem AssetValue.

    Man kann von dem Investment in BIC also eine jährliche Rendite von 11% erwarten, aber die Firma ist nicht unterbewertet und somit kein Antizyklischer Kauf. Man wird hier lediglich für sein Risiko korrekt entlohnt.


    Die Firma wäre erst dann ein Antizyklischer Kauf, wenn der Kurs unter 2000mio fällt. Dann hätte man eine angemessene Margin of Safety die einen gegen Fehler schützt und sogar noch die Rendite steigern kann.

    • Growth

    Wenn eine Firma langfristig die Kapitalrenditen > Kapitalkosten (Also: EPV > AssetValue) halten kann, dann haben sie irgendeinen Burggraben. Das können Economics of scale, Netzwerkeffekte, Habits, Patente oder natürliche Monopole sein.

    Für so eine Firma ist es sehr klug wenn sie weiterhin aktiv in Wachstum investieren, und es wäre nicht so intelligent Dividenden auszuschütten. Natürlich muss das Wachstum dort passieren, wo sie auch einen Burggraben besitzen. Walmart z.B. kann in Nordamerika auf seinen Burggraben - dem dichten Netz an Filialien und daraus resultierenden Economics of Scale - zurückgreifen und daher ist das Wachstum werthaltig. Als Walmart nach Europa expandieren wollte, haben sie gemerkt, dass sie dort keinen Burggraben haben und haben nicht mehr verdient als die Kapitalkosten. Vermutlich sogar weniger, weil es dort andere Platzhirsche gab, die Walmart das Leben schwer machten. Walmart zog sich wieder zurück.


    Nachhaltiges und wertschaffendes Wachstum bedeutet, dass jeder 1€ der in einen Zukauf gesteckt wird, mehr als 1€ zum Firmenwert und somit langfristig zur MCap beiträgt.


    Neben Active Growth gibt es noch Organic Growth. Der ist meistens profitabler und sehr wünschenswert. Organic Growth geht aber viel langsamer, denn man kann nur organisch wachsen, wenn sich der zugrunde liegende Markt vergrößert oder wenn man eine Preissetzungsmacht hat und somit die Preise erhöhen kann.

    Wenn man versucht Marktanteile der Konkurrenz zu ergattern, dann ist das meiner Meinung nach wieder aktives Wachstum, denn man engagiert Top-Sales-People und bietet Goodies an um an das Geschäft zu kommen (Rabatte, Gratis Produkte, usw.). Diese zusätzlichen Verkaufsmitarbeiter und die Rabatte müssen als zusätzliche Investition gesehen werden. Das aber nur nebenbei. Bei diesem Punkt bin ich mir selbst noch unsicher.


    Bei der Growth Bewertung rechnet man auch nicht mit Werten, denn die größten Gewinne liegen in der Zukunft und durch minimale Änderungen der Zinssätze kann sich ein gewaltiger Unterschied des Wertes ergeben. (das ist z.B. auch ein Problem der DCF Methode) Deswegen wird empfohlen mit Returns zu rechnen. Am Ende kommt dann halt kein intrinsischer Firmenwert heraus sondern ein %-Satz. Dieser sagt aus, dass das Unternehmen bei der jetzigen Bewertung einen Return von x% p.a. erreichen sollte. Wie ich das genau meine, folgt jetzt:


    Growth kann man in 3 Bereiche unterteilen:

    • Cash Return (6.9%)

    Der ist einfach zu berechnen. Hier zählt man einfach alle Ausschüttungen (direkt und Indirekt) zusammen und dividiert das durch die MCap.

    Als Ausgangswert dient die EarningsPower. (Die 250mio die wir vorher berechnet haben.) Denn bei den 250mio wächst die Firma gar nicht und jetzt möchte ich das Wachstum der Firma in der Zukunft bewerten.


    Beispiel:

    BIC schüttete vor Corona ca. 70% des Gewinnes aus. Nehmen wir an, dass das so weiter gehen wird in Zukunft. Bei einem Gewinn von 250mio entspräche das 175mio. Bei einer MCap von 2550mio wäre das ein Return von 6.9%

    • Organic Growth (3.5%)

    BIC wächst mit dem Markt mit. Der Markt (Feuerzeuge, Rasierer und Stifte) ist sehr "mature", deswegen wird das Wachstum dem GDP-Wachstum entsprechen. Das GDP Wachstum im EuroRaum entsprach seit 2009 ca. 2.5%. Bic wuchs seit 2009 auch mit 2.5% im Umsatz. (Ich ignoriere hier die Lateinamerikanischen Länder. Für eine vollumfängliche Analyse müsste man die auch noch miteinbeziehen.)

    BIC wächst also organisch mit 2.5% p.a.. Hier ist aber eine sehr niedrige Inflation gewesen und ich nehme an, dass die Infaltion die nächsten Jahre um mindesten 1% steigen wird. Also beträgt das Organische Wachstum 3.5%.


    Beim jetzigen Umsatz von 2100mio entspräche ein Wachstum von 3.5% einem Mehrumsatz von 74mio. Für dieses Umsatzwachstum braucht man Investitionen ins Working Capital sowie in PPE.

    -ca. 28% in PPE

    -ca. 35% in WC

    Also insgesamt braucht man 63% als Investition. 74mio*63%=47mio.

    BIC kann also mit 3.5% organisch wachsen, und benötigt dafür 47mio.

    • Active Growth (+0.1%)

    Nachdem das Unternehmen seine Divi bezahlt hat und in das organische Wachstum investiert hat, wird es mit dem verbleibenden Geld vermutlich M&A betreiben oder in neue Produktesparten, einen neuen Geschäftszweig oder in neue Länder investieren. Je nachdem was die optimale Strategie für das Unternehmen ist.


    Solche aktiven Wachstumsunternehmungen schaffen für das Unternehmen nur Wert wenn deren Kapitalrenditen überhalb der Kapitalkosten liegen. Wie gut das Unternehmen beim aktiven Wachstum ist wird durch den Value Creation Faktor ausgedrückt. (=VCF) Der wird ganz einfach berechnet indem man von einem Zukauf der letzten Jahre die Kapitalrendite ermittelt und durch die Kapitalkosten dividiert. Wenn also ein oder mehrere vergangene Investments Kapitalrenditen von 15% erwirtschafte und die Kapitalkosten bei 10% liegen, dann beträgt der VCF 1.5. Das bedeutet wiederum, dass jeder 1€ der ins Wachstum gesteckt wird den Unternehmenswert um 1.5€ erhöht. Das ist z.B. bei CocaCola, Apple, Microsoft oder auch DCC der Fall.


    Für BIC bedeutet das jetzt folgendes:

    Für die Dividenden wurden schon 175mio benutzt und für das organische Wachstum 47mio. Es bleiben von den 250mio also nur noch 28mio übrig. Es gab nur sehr wenige vergangene Investitionen von BIC. Vorrangig Tättowieren und Digital-Schreibgeräte. Beide Sachen laufen (noch?) nicht wirklich gut und es darf angenommen werden, dass BIC im M&A nicht gerade gut ist. Man könnte sich auch noch die Expansion nach Lateinamerika anschauen. Aber da der gesamt Betrag "nur" 28mio beträgt muss man sich die Mühe nicht machen.

    Ich unterstelle BIC jetzt einfach mal, dass sie mit aktiven Wachstum Wert vernichten und der VCf bei 0.7 liegt. Die 28mio werden dann zu 28*0.7=20mio.

    Diese 20mio muss man jetzt durch die MCap dividieren und dann kommt man auf einen Return vom Aktive Grwoth von 20/2550=0.1%.



    Gesamt beträgt der Return nun 6.9%+3.5% +0.1%=10.5%


    Wenn es sich jetzt um ein Unternehmen mit Burggraben handeln würde, müsste man noch den FADE abziehen. Also die jährliche Wahrscheinlichkeit, mit der der Burggraben verschwindet. Prinzipiell geht das nicht von einem Jahr auf das andere, sonder es dauert lange - je größer der Burggraben desto länger dauert es. Man rechnet es jetzt so, dass man abschätzt nach wie vielen Jahren der Burggraben zu 50% verschwunden ist. Also wenn man annimmt, dass der Burggraben nach 30 Jahren zu 50% verschwunden ist, dann wäre die FADE-Rate 72/30=2.4% p.a.

    Diesen FADE muss man vom Gesamten Return abziehen.

    Da BIC aber keinen Burggraben hat, muss man nichts abziehen. (Meine Meinung!? - normalerweise rechnet man für ein Unternehmen keinen "Growth", da es keinen Sinn macht)


    Man sieht aber, dass man in Zukunft mit BIC ca. 10.5% verdienen wird. Das entspricht ziemlich genau den Kapitalkosten von 11%. Also die Firma ist meiner Meinung nach relativ fair bewertet. (was man auch schon daran gesehen hat dass MCap = AssetValue = EPV)



    Gäbe es einen Unterschied zwischen dem erwarteten Return und den Kapitalkosten, dann muss man das noch auf den OrganicGrowthReturn übertragen. Wenn der Gesamte Return nun 15% beträgt, und die Kapitalkosten 10%, dann ergibt das einen Faktor von 1.5. Mit diesem Faktor minus 1 muss man jetzt den Organic Growth multiplizieren. Diesen Wert addiert man nun zum GesamtReturn. Jetzt hat man den endgültigen Wert. Liegt der Wert nun 30% (MoS) über den Kapitalkosten, kann es ein lohnendes Investment werden.

  • Valing : Danke für die viele Arbeit, die du hier reingesteckt hast. Dein Beitrag bringt (mir) einen wirklichen Erkenntnisgewinn, zumal die Konzepte auf dem Papier durchaus schlüssig erscheinen.


    Ich würde so einen Ansatz aber nicht für die Aktienanalyse verwenden - es sei denn, es gäbe verlässliche Backtests zu einer erzielbaren Überrendite, und die Zahlen wären relativ bequem verfügbar. Ich vermute mal, dass beides nicht der Fall ist, und dass diese Daten typischerweise im Fall einer Übernahme per Due Diligence gesammelt werden.


    Mein Hauptkritikpunkt: Es gibt hier reichlich viele Unschärfen, selbst bei so "einfachen" Fragen wie die nach einem Burggraben oder nach dem Wachstumspotenzial des Marktes oder nach dem Umsatzpotenzial in einem neuen Markt. Planbarkeit und Daten-Qualität werden bei Akquisitionen notorisch überschätzt. Eine ernüchternde Tatsache ist deshalb, dass trotz der intensiven Due Diligence zwei Drittel aller Fusionen scheitern bzw. häufig Börsenwert vernichtet wird.

  • Super Arbeit Valing , ja der Burggraben lässt sich wahrscheinlich am ehesten mit der WACC Bewertung erfassen. Kann man evtl. ergänzen mit höheren Margen als die Konkurrenz und jährlicher Steigerung im Schnitt davon. Zeugt von Preissetzungsmacht/Marktmacht. Hiervon ist organisches Wachstum dem anorganischen vorzuziehen, denke ich.

    Am leichtesten kann man den Moat wahrscheinlich im SoftITsector B2B ausmachen, bezüglich hohen Wechselkosten.

    Ich denke man muss Unternehmen im Depot haben, die besser performen als andere Unternehmen in solchen Marktphasen wie Inflation, Stagflation, Rezession, High Tech Bärenmarkt.

    Zweifelsohne ist Diversifikation immer wichtig, man kann sich aber auf nur wenige Werte festlegen, wenn man auf Unternehmen mit hoher Preissetzungsmacht und innovativen Geschäftsmodellen setzt. Z.B. JNJ, DHR, ANSS, DIM, MSFT, V, HSIC, NOVO, NZYM......wird man im Laufe der Zeit höchstwahrscheinlich nicht schlechter als der Markt abschneiden, eher besser.
    Nach Möglichkeit sollte das Unternehmen B2B tätig sein. So meine Gedanken.


  • Ich würde so einen Ansatz aber nicht für die Aktienanalyse verwenden - es sei denn, es gäbe verlässliche Backtests zu einer erzielbaren Überrendite, und die Zahlen wären relativ bequem verfügbar. Ich vermute mal, dass beides nicht der Fall ist, und dass diese Daten typischerweise im Fall einer Übernahme per Due Diligence gesammelt werden.

    Ja das stimmt. Dieser Ansatz eigenet sich nicht wirklich zum Backtesten da man das ganze vermutlich nicht ordentlich in ein Zahlen-Gerüst stecken kann.


    Mein Hauptkritikpunkt: Es gibt hier reichlich viele Unschärfen, selbst bei so "einfachen" Fragen wie die nach einem Burggraben oder nach dem Wachstumspotenzial des Marktes oder nach dem Umsatzpotenzial in einem neuen Markt. Planbarkeit und Daten-Qualität werden bei Akquisitionen notorisch überschätzt. Eine ernüchternde Tatsache ist deshalb, dass trotz der intensiven Due Diligence zwei Drittel aller Fusionen scheitern bzw. häufig Börsenwert vernichtet wird.

    Ja, solche Fragen sind nicht einfach zu beantworten - diese Fragen beziehen sich aber alle auf Wachstumsunternehmen. Diese sind in der Tat relativ "schwer" zu bewerten.
    Ich umgehe das zurzeit noch insofern indem ich eine Firma ziemlich schnell in den "zu schwer" Stapel lege. Meistens schaue ich mir Wachstumsunternehmen nur an, wenn sie ein guter Investor analysiert hat. (z.B. MMI bei DCC oder Couch Tard)


    Der EPV-Ansatz ist dagegen relativ "leicht" zu berechnen. Hier sind die Knackpunkte die Kapitalkosten und je nach Firma die nachhaltigen Gewinne.



    Nach Möglichkeit sollte das Unternehmen B2B tätig sein. So meine Gedanken.

    Das mit B2B verstehe ich nicht ganz? Ansonsten Zustimmung.


    Ich würde nämlich mal annehmen, dass B2B Unternehmen weniger Kunden haben und sie dadurch stärker von den Kunden abhängig sind? Extremes Beispiel: Automobilzulieferer haben nur eine handvoll Kunden, Amazon mehrere Millionen. Natürlich gibt es auch B2B welche viele Kunden haben, aber pauschal würde ich B2B nicht den Vorzug geben, oder übersehe ich etwas?

  • B2B hat i.d.R. eine größere Bindungsstärke durch hohe Wechselkosten als B2C.

    Hier wiederum meine Favoriten in den Branchen der on-premise softIT, healthcare oder Spezialchemie.

    Man findet meiner Wahrnehmung nach 1) leichter gute Unternehmen 2) kann man die operative und damit die Renditeerwartung besser um nicht zu sagen seriöser formulieren und 3) vor allem in Zeiten wie diesen, lassen sie sich meist mental verträglicher durchhalten.


    Zum Beispiel ein B2B so breit adressierenden und thematisch dennoch fokussierten Biochemiker ala Novozymes, der die Hälfte des Weltmarktes für industriell verwendete Enzyme via Adressierung in healthcare, agro, bioenergy und stables bedient und tausende Patente besitzt, so stell ich mir das vor.





  • Ich habe in meinen ersten 2 Posts einen groben Überblick über mein Vorgehen gegeben, jetzt möchte ich nach und nach auf die Details eingehen.

    Da ich selbst erst "lerne", wird das vermutlich keine straight-forward Anleitung, sondern es wird etwas "messy" werden. Es kann auch gut sein, dass ich Fehler mache. Wenn jemanden also etwas auffällt, bitte bescheid sagen.
    Ich schreibe das hier auch für mich selbst nieder, da ich neue Sachen viel besser verstehe wenn ich es mit eigenen Worten erkläre.


    Das ganze wird auch etwas theoretisch werden, aber ich versuche immer einen Praxisbezug herzustellen. (Im Endeffekt möchte ich damit ja reale Unternehmen bewerten und meine Entscheidungsfindung darauf aufbauen - da nützt mir ein ausschließlich theoretisches Konzept wenig.)


    In diesem Post geht es um die Ermittlung der Eigenkapitalkosten. Ich habe dafür 2 Ansätze.

    Wenn man mit beiden Ansätzen auf ein ähnliches Ergebnis kommt, dann weiß man, dass man ungefähr richtig liegt.

    • praxisnaher Ansatz

    Man geht hier davon aus, dass Eigenkapitalkosten für Aktien ca. 1% überhalb von Investmentgrade-Unternhemensanleihen beginnen sollten. Das klingt auch durchaus logisch, denn Anleihen sind prinzipiell das risikolosere Investment. Denn zuerst werden Anleihen bedient und dann erst die Aktionäre. Wenn man also für eine Anleihe 6% bekommt und das Unternehmen nur 5% Eigenkapitalrendite aufweist, dann wird sich jeder Investor die Anleihe kaufen, denn weniger Risiko und mehr Ertrag.

    In den USA beträgt die corporate Bond Yield für BAA (=gerade noch Investmentgrade) 5.50%. (Hier) Die Eigenkapitalkosten für Unternehmen beginnen in den USA also bei 6.50%.


    Jetzt wissen wir wo die Kosten beginnen, aber wo hören sie auf? Venture Capital ist die Obergrenze. Denn VC ist riskanter als "normale" Aktieninvestments und muss daher höhere Renditen aufweisen. Diese Zahlen bekommt man leider nicht so leicht wie die der Anleihen. 2020 betrug VC in den USA aber so 13-14%. Historisch eher 18%. Man kann sich entweder lange auf die Suche nach den VC-Renditen machen, oder man nimmt eine Abkürzung.

    Die Abkürzung lautet wie folgt: Man nimmt an, dass sich sämtliche Aktien in einen Bereich von ca. 7% oberhalb der unteren Grenze bewegen. Also wenn, die untere Grenze bei 6.50% liegt, dann liegt die obere Grenze bei 13.50%. Wenn sich die untere Grenze auf 7.50% verschiebt, dann verschiebt sich die obere Grenze auf 14.50%.

    Man sollte aber einmal im Jahr versuchen irgendwo die Rendite für VC herzubekommen. Als Vergleich sozusagen. Vermutlich bekommt man früher oder später auch ein "Gespür" dafür.

    Für die USA haben wir jetzt den Bereich 6.50% - 13.50% für halbwegs "normale" Unternehmen eingegrenzt. Ein Unternehmen, dass erst seit 1 Jahr an der Börse ist, ein neues Geschäftsmodel hat und noch keine Historie aufzuweisen hat, würde ich nicht in diese Range stecken. Das ist dann schon eher VC. Als Beispiel würde ich hier PYRUM anführen.

    Diesen Bereich unterteile ich in 3 Sektoren. 6.50-8.50% für ganz stabile und sichere Unternehmen, 8.50-11.50% für halbwegs stabile und normal verschuldete Unternehmen und 11.50-13.50% für zyklische und höher verschuldete Unternehmen.


    Als Beispiel würde ich gerne AutoPartner heranziehen (Polen):

    Es gibt fast keine Anleihen in PLN wo man die Kurse einsehen kann. Zumindest habe ich keine gefunden. Ich hab mir jetzt ein bisschen anders weitergeholfen:

    PKN Orlen hat 2021 eine Anleihe mit WIBOR 6M + 0.9% ausgegeben. Das Rating der Firma betrug damals BBB-. Also genau noch Investmentgrade. Der WIBOR 6M liegt bei 7.25%. Also Rendite der Anleihe liegt bei 8.15%. Wenn man hier jetzt den 1% -Aufschlag dazurechnet kommt man für polnische Firmen auf EK-Kosten von mindestens 9.15%! Die "Range" beträgt für polnische Firmen 9.15 - 16.15%.




    Jetzt muss man abschätzen wie stabil AutoPartner ist. Dazu schaue ich mir die Stabilität der EBIT-Margen, die Verschuldung, die Größe des Unternehmens, und die Umsatzentwicklung an. Der Punkt ist eher subjektiv, aber ich würde behaupten, dass man sich bei einer Firma zumindest auf einen der 3 Sektoren einigen kann.

    AP ist meiner Meinung nach eher stabil aber trotzdem noch eher klein und in einem sich schnell entwickelnden Markt unterwegs und ich würde es daher am unteren Rand des mittleren Sektors einordnen. Also bei 11.15-14.15% am unteren Rand -> 11.50%

    • theoretischer Ansatz

    Bei diesem Ansatz lautet die Formel: EK-Kosten = Risk-free-rate + Beta * Equity-risk-Premium Ich möchte auf jeden der 3 Werte etwas genauer eingehen:

    • Risk-free-rate (RFR)

    Wenn man ein Unternehmen in USD bewertet, dann muss man auch die USD-RFR heranziehen.

    Risk-free ist nur etwas ohne default risk und ohne reinvestment risk. Ohne default risk sind nur AAA-Länder und das reinvestmentrisk ist beim Benutzen von 10-jährigen Anleihen halbwegs ausgeschlossen.

    Im Falle von USD wäre die RFR zurzeit 3.66%. Kann man hier nachschauen.

    Im Falle von einer polnischen Firma in Euro, darf man aber nicht die 10y-Staatsanleihen von Griechenland heranziehen, sonder man muss die von einem AAA-EU-Land (z.B. Deutschland) heranziehen. Denn in den 10y-Staatanleihen von Griechenland ist ein default risk enthalten. Griechenland hat ein Risiko bankrott zu gehen. Für den Euro ist die RFR also zurzeit 2.35%. (Egal in welchem Euro-Land die Firma sitzt)

    Wenn die Firma in Brasilien sitzt und man die Firma in der nationalen Währung bewerten möchte, dann muss man auch die RFR für den Brazil-Real herausfinden. Die 10y Staatsanleihe beträgt 13.4%. Das Rating für Brasilien beträgt Ba2 und der default Spread zu den AAA-Ländern somit 3.68%. Die RFR in Real beträgt somit 13.4%-3.68% = 9.70%. Den Default Spread bekommt man entweder durch den Vergleich von Credit-default-swaps oder der differenz von anleihen von Brasilien und den USA (beide in USD denominiert und gleiche Laufzeit). Oder man macht es sich einfach und holt sich die Daten von der Website von Damodaran. (je nachdem welche Methode man benutzt, wird man auf leicht unterscheidliche Werte kommen.)


    Für unser Beispiel Autopartner, können wir eine RFR für PLN von 6.11%-1.04% = 5.07% festhalten.

    • Equity-risk-Premium

    Das ist sozusagen das Prämium was man mit Aktien über der RFR verdienen kann. Historisch liegt es irgendwo bei 4.20% für den US Markt. Aber diese historische Betrachtung hat 2 Nachteile: Erstens sie wird mit historischen Daten gefüttert und verändert sich daher nur minimalst und passt sich nicht den aktuellen Martkumfeld an. Zweitens ist die Standardabweichung sehr hoch und das ERP somit fast unbrauchbar.

    Damodaran versucht ein implied ERP zu errechnen. Indem er die aktuelle Rendite + Wachstum versucht abzuschätzen. Natürlich auch kein 100% perfekter Ansatz, aber ich schätze, dass er parxistauglicher ist. Zurzeit kommt er auf ein ERP von ca. 6%. Würde man mit dem historischen von 4.2% rechnen, dann würde jede Aktie sehr billig ausschauen, obwohl sie es gar nicht ist.

    Wenn man schon das historische ERP nehmen möchte, dann muss man aber auch auf alle Fälle die historische RFR heranziehen. Diese liegt bei ca. 4.0-4.5%. Aber ich nehme hier einfach die Daten von Damodaran. (siehe vorher verlinkte Datei)


    Falls ein Unternehmen in mehreren Ländern aktiv ist, dann muss man auch das ERP für mehrere Länder brechnen. Z.B. 50% Umsatz in Deutschland und 50% Umsatz in Polen: Deutschland ERP *50% + Polen ERP * 50% = 5.94*50% + 7.40%*50% = 6.70% = ERP-gewichtet.

    Eigentlich sollte man den Wert des Unternehmens pro Land heranziehen, aber das ist sehr schwer umzusetzen, deswegen benutze ich den Umsatz.


    Wenn man jetzt in einem Land unterwegs ist, dass nicht AAA ist, dann muss man den Default Spread * einem gewissen Ratio dazurechnen. Für Polen wäre dieser Wert 1.46%. Das AAA ERP (z.B. USA oder Deutschland) betragen zurzeit 5.94%. Das für Polen demnach 5.94+1.46 = 7.40%

    • Beta

    Bis jetzt hat man die RFR und den default Spread berücksichtigt und auch auf Landesebene das ERP. Da aber nicht jedes Unternehmen gleich riskant ist, kommt noch ein weiterer Faktor ins Spiel: Das Beta.

    Es gibt unzählige Möglichkeiten das Beta zu berechnen. Der üblichste ist eine Regression auf die Differenz-Renditen zu einem Index. Das ist aber wiederum sehr unpraktisch, denn erstens ist der Standarerror sehr hoch und zweitens verändert sich das Beta sehr stark, je nachdem welche Zeitspanne man nimmt.

    Damodaran hat deshalb ein Bottom-up-Beta entwickelt. (siehe hier) Er berechnet sich alle Beta eines Sektors (also z.B. Chemie) und bereinigt es um die Schulden. Das Ergebnis ist ein sehr konstantes unlevered-Beta. Dieses Beta kann man mit der Formel BETA = unlevered-Branchen-Beta * (1+(1-tasrate)*(Debt/MCap)) auf das endgültige Beta umrechnen.

    Falls ein Unternehmen in mehreren Branchen aktiv ist, muss man ein Umsatz-gewichtetes-unlevered-Beta berechnen und dieses dann mit der oben genannten Formel auf das endgültige Beta umrechnen.

    Eigentlich sollte man den Wert des Unternehmens pro Branche heranziehen, aber das ist sehr schwer umzusetzen, deswegen benutze ich den Umsatz. Wenn man es schafft auf den "Wert" zu rechnen wäre es aber sehr von Vorteil, denn das kann schon einiges ausmachen. Bei einem Software-Unternehmen mit Consulting Leitung (SAP) steht dem Software-Bereich ein viel höherer Wert zu (KUV) und deswegen sollte dieser Bereich noch stärker gewichtet werden.


    Für AutoPartner wäre das Beta wie folgt:

    Branche: Retail (Distributor) -> unlevered Branchen Beta von 0.76

    Debt/MCap Ratio= 0.24

    Taxrate Polen = 19%

    Beta = 0.76*(1+0.81*0.24)= 0.90



    GESAMT: EK-Kosten = RFR + Beta * ERP = 5.07% + 0.90 * 7.40% = 11.73%


    Man sieht, dass die theoretisch errechneten EK-Kosten relativ genau den pragmatischen EK Kosten entsprechen. Man kann also durchaus mit diesen 11.50% in die weitere Berechnung einsteigen.

    2 Mal editiert, zuletzt von Valing () aus folgendem Grund: Beitrag wurde korrigiert. Der Einwand von Focus, dass sich das ERP seit Jänner 2023 erhöht hat ist zwar korrekt, aber ich habe trotzdem mit diesen "alten" Werten gerechnet. Ändert nichts am Prinzip.

  • Hallo Valing, super Faden, danke! ;-)


    Zunächst zu deinem letzten Post:


    Wieso nennst du den einen Ansatz "praxisnah" und den anderen "theoretisch"? Der erste scheint jedenfalls mehr eigene subjektive Schätzungen zu beinhalten während der zweite versucht herauszufinden, wie der Markt das Risiko einschätzt. Mir scheint der erste Ansatz zb nicht zu berücksichtigen, wie risikoavers der Markt gegenwärtig ist (im zweiten Ansatz als aktuelles ERP erfasst). Selbst wenn man die "Grenzen" BAA-VC aktualisiert bleibt viel Spielraum.

    Im Falle von einer polnischen Firma

    Wie du in deinem Edit geschrieben hast muss für Polen die RFR in Zloty gefunden werden, also 10Y Staatsanleihen 6.1% minus default spread von 1,13% (CDS Spread von Polen minus US-CDS Spread für "counterparty-risk") oder 1,04% (Rating basierte Berechnung) ergibt also eine RFR in Zloty von 4,97% bzw. 5,06%. Man müsste dann beim Berechnen des ERP für das country risk premium denselben Berechnungsansatz für das default spread verwenden wie bei der RFR.


    Zitat

    "Das AAA ERP (z.B. USA oder Deutschland) betragen zurzeit 5.94%"

    Leider nicht mehr, das war am 1.Januar 2023.. am 1. Februar 4,89%. ERP wäre also 6,35 (Rating Ansatz) oder 6,48% (CDS Ansatz)

    For what each man wishes, that he also believes to be true

    Demosthenes


    First the innovator, then the imitator, then the idiot

    Warren Buffett

  • Wieso nennst du den einen Ansatz "praxisnah" und den anderen "theoretisch"? Der erste scheint jedenfalls mehr eigene subjektive Schätzungen zu beinhalten während der zweite versucht herauszufinden, wie der Markt das Risiko einschätzt. Mir scheint der erste Ansatz zb nicht zu berücksichtigen, wie risikoavers der Markt gegenwärtig ist (im zweiten Ansatz als aktuelles ERP erfasst). Selbst wenn man die "Grenzen" BAA-VC aktualisiert bleibt viel Spielraum.

    Diese Bezeichnung habe ich von einem Buch übernommen. Dort wird auch davon gesprochen, dass der erste Ansatz pragmatischer und praxis näher ist. Der zweite Ansatz wird als sehr "kompliziert" und aufgrund des Betas als "theoretisch" beschrieben.
    Man kann die Bezeichnung aber gerne ändern - mir ist es egal wie die Vorgehen heißen. Ich wollte nur zwei unterschiedliche Bezeichnungen nehmen, damit man sie gut auseinander halten kann. Hab da auch nicht viel darüber nachgedacht.

    Wie du in deinem Edit geschrieben hast muss für Polen die RFR in Zloty gefunden werden, also 10Y Staatsanleihen 6.1% minus default spread von 1,13% (CDS Spread von Polen minus US-CDS Spread für "counterparty-risk") oder 1,04% (Rating basierte Berechnung) ergibt also eine RFR in Zloty von 4,97% bzw. 5,06%. Man müsste dann beim Berechnen des ERP für das country risk premium denselben Berechnungsansatz für das default spread verwenden wie bei der RFR.

    Ja, diese Werte habe ich auch. Ich komme zurzeit nur bei Corporate Bonds in Zloty nicht weiter. Ich finde leider keine. Ich kann also den ersten Ansatz nicht vervollständigen...... Ich schaue mir jetzt die größten Firmen in Polen an und hoffe, dass irgendeine in den letzten Monaten eine Anleihe herausgegeben hat. So komme ich zumindest ungefähr auf eine Rendite....

    Leider nicht mehr, das war am 1.Januar 2023.. am 1. Februar 4,89%. ERP wäre also 6,35 (Rating Ansatz) oder 6,48% (CDS Ansatz)

    Sehr interessant. Woher hast du diese Werte? Ich nehme ausschließlich die Werte von Damodaran, die halbjährlich aktualisiert werden. Dein Einwand ist natürlich völlig korrekt.

  • Man kann die Bezeichnung aber gerne ändern - mir ist es egal wie die Vorgehen heißen.

    Ja klar, es ging mir auch nicht um die Bezeichnung. Ich frage mich einfach, ob die die modifizierte CAPM- Variante wirklich so theoretisch ist. Vielleicht die herkömmliche mit historischem ERP und Regression-Beta schon, aber dadurch, dass man für viele Parameter die aktuelle Marktsicht heranzieht, scheint sie mir sehr "real life" und gar nicht theoretisch zu sein.



    Sehr interessant. Woher hast du diese Werte? Ich nehme ausschließlich die Werte von Damodaran, die halbjährlich aktualisiert werden. Dein Einwand ist natürlich völlig korrekt.

    Er aktualisiert die Werte monatlich, mit seinem ERP-Excelsheet kann man es sogar im Sekundentakt neu berechnen: einfach mit aktuellem SP500-Kurs und T-Bond updaten (man müsste auch Dividenden-Payouts und Growth-Schätzungen aktualisieren, wenn sich da etwas ändert). https://pages.stern.nyu.edu/~adamodar/

    For what each man wishes, that he also believes to be true

    Demosthenes


    First the innovator, then the imitator, then the idiot

    Warren Buffett

  • Daß es hier noch Theoriediskussionen gibt, wow! :thumbup:


    Ich finde Deine Ausarbeitung löblich und auch nachvollziehbar, was die Aufteilung angeht. Nur mit einer Sache habe ich wie schon geschrieben ein Problem, und das hat nichts damit zu tun, daß die Strategie mechanisch nicht getestet wurde oder sie zu kompliziert und vielleicht auch anfällig für Fehler und Willkür/subjektive Einschätzungen ist (und damit auch schwierig für einen Backtest). Auch wenn der Ansatz wohl auf Joel Greenblatt zurückgeht und der eigentlich eine erstklassige Adresse sein sollte: Es scheint einfach nicht logisch, daß eine Aktie bestraft wird, weil sie zu viel Eigenkapital hat. Wenn schon, dann müßte man nämlich abstellen auf die Ziel-Kapitalstruktur und nicht auf die tatsächlich vorliegende. Es stimmt zwar, daß manche Geschäfte eben problemlos mit Fremdkapital betrieben werden können, z.B. wenn es ein stabiles Geschäftsmodell ist, während andere eben mehr Eigenkapital benötigen, weil sie kein günstiges Fremdkapital erhalten würden. Daß Du das prinzipiell berücksichtigst, ist ok. Aber das kann man doch nicht alleine ableiten aus der gegenwärtigen Bilanz! Denn es gibt zu viele Firmen, die benötigen zum Beispiel gar keinen Cashbestand. Bei Bijou Brigitte kann mir keiner erklären, daß sie den hohen Cashberg benötigen würden, auch nicht wegen saisonaler Schwankung, und bei vielen anderen Firmen ist es auch nur die im Vergleich zur Konkurrenz größere Vorsicht der Firma oder des Großaktionärs. Man könnte dafür oft problemlos auf Kredite zurückgreifen. Manchmal wird es freilich anders sein, z.B. bei Baufirmen.

    Bei vielen anderen Firmen aber könnte ein vorhandenes Cashpolster ausgeschüttet werden. Und das geschieht schließlich auch bei Übernahmen durch Heuschrecken - bzw. daß diese die übernommene Firma mit Schulden beladen.


    Das berücksichtigt Dein Ansatz aber nicht nur nicht, sondern er macht sogar das genaue Gegenteil von dem, was richtig wäre. :S:rolleyes:

    Oder zumindest: Du tust eben so, als ob die gegenwärtige Kapitalstruktur immer beibehalten würde.

    Gut, man könnte jetzt sagen: oft wird das nie passieren, z.B. da, wo es einen Großaktionär gibt. Also ich meine nicht nur keine Übernahme durch eine Heuschrecke, sondern die Kapitalstruktur wird sich nicht ändern. Sto wird nie auf Kredite zurückgreifen, um eventuelle saisonale Schwankungen zu puffern. Wir kennen das Problem, gerade bei einem nennenswerten Cashberg, ob man den abziehen soll bei der Bewertung oder ob man ihn ignorieren soll, weil man annimmt, daß er eh nicht vor dem Sankt-Nimmerleinstag ausgeschüttet wird (und welchen Barwert hat der Cashbestand dann).


    Es wäre sicherlich schwierig zu beurteilen, welche Verschuldung/Ziel-Kapitalstruktur möglich wäre - und dann bleibt eben das Problem zu beurteilen, ob oder wann das jemals passieren wird, was ja eigentlich auch berücksichtigt werden müßte bei der Bewertung.


    Dann stecken noch eine Vielzahl von weiteren Annahmen drin, die auch alle fragwürdig sind. Wie in aller Welt kommt Damodaran bei einer beinahe Rekordbewertung des US-Aktienmarktes auf eine angebliche Aktienrisikoprämie im Markt, die deutlich oberhalb des historischen Durchschnitts ist? Am Ende müßte man doch zum Schluß kommen, daß eine hohe Bewertung des Aktienmarktes auch eine hohe Bewertung der einzelnen Aktie "rechtfertigt".


    Ebenso fragwürdig ist, das mit der EMH (efficient market hypothesis) assoziierte CAPM heranzuziehen. Je mehr die Aktie schwankt, desto riskanter ist sie angeblich und desto niedriger sollte sie bewertet werden. Mein Kommentar: :S

    Am Ende machst Du eigentlich mit so einem Modell doch etwas sehr ähnliches als das, was die meisten Analysten mit ihren DCF-Modellen machen. Dieses wäre wohl aus Sicht der orthodoxen Theorie das richtige, wenn man bloß die Werte für die zukünftigen Cashflows richtig schätzen kann. Wie gut das funktioniert, kennen wir. Du schätzt halt stattdessen eine Vielzahl von weiteren Parametern, die alle nicht eindeutig zu bestimmen sind.


    Dazu ist es auch kompliziert und die Bewertung muß ständig aktualisiert werden, z.B. mit den sich ändernden Zinssätzen.


    Die Aktie von AutoPartner finde ich auch interessant. Was ich nicht verstehe, warum ist der Handel mit Autoersatzteilen noch ein sich schnell entwickelnder Markt, wie Du schreibst? Man sollte meinen, das sei ein längst gesättigter Markt, oder?

    „Wir haben die gesamte Führung fast aller Berliner Sicherheitsbehörden ausgetauscht und dort ziemlich gute Leute reingebracht." – Benedikt Lux, Grüne Berlin

  • Zugegebenermaßen, und da brummt mir auch bald der Schädel:

    Ein Teil(?) dieser Überlegung zu Cash und Schulden gilt eigentlich auch für sämtliche EV-basierten Bewertungsansätze (EV/EBIT). Wenn ein Cashbestand betrieblich notwendig sein sollte oder er aus anderen Gründen nie zur Ausschüttung kommen wird, selbst wenn es möglich wäre, dann ist es fraglich, ihn vom EV abzuziehen und sich damit eine günstige Bewertung schönzurechnen.

    Gilt für Schulden Analoges?

    Eigentlich kann man (auch) die EV-Kennzahlen nur innerhalb einer Branche vergleichen.

    „Wir haben die gesamte Führung fast aller Berliner Sicherheitsbehörden ausgetauscht und dort ziemlich gute Leute reingebracht." – Benedikt Lux, Grüne Berlin

  • Es scheint einfach nicht logisch, daß eine Aktie bestraft wird, weil sie zu viel Eigenkapital hat. Wenn schon, dann müßte man nämlich abstellen auf die Ziel-Kapitalstruktur und nicht auf die tatsächlich vorliegende.

    Ja das stimmt. Ganz streng genommen müsste man sich die historische Kapitalstruktur anschauen. (So wie man es auch mit den Gewinnen macht) Bzw. am aller Besten wäre es natürlich die zukünftige Kapitalstruktur zu kennen.
    Da ich mir aber nicht zutraue die zukünftige KS vorherzusagen, bleibe ich bei der aktuellen KS. Da ich in letzter Zeit fast nur sehr "stabile" Unternehmen bewerte entspricht die aktulle KS sehr oft auch der historischen KS.

    Wenn man sich jedoch in einem gewissen Rahmen bewegt (z.B. FK < 30%), dann sollte eine sich ändernde Kapitalstruktur nicht viel Unterscheid in der Bewertung machen. Da bei einem höheren FK Anteil zwar die Kapitalkosten sinken und dadurch die Bewertung steigt, ABER man muss ganz zum Schluss noch die Schulden abziehen (EnterpriseValue - NetDebt = MCap). Dann kommt man, ceteris paribus, sogar auf einen geringeren Wert. Sprich mehr Schulden ergibt geringere faire MCap. In der echten Welt, kann man aber durch die zusätzlich aufgenommenen Schulden einen zusätzlichen Umsatz erwirtschaften. Falls dieser zusätzliche Umsatz eine höhere Kapitalrendite hat, als die zusätzlichen Schulden Zinskosten haben, dann steigt der Unternehmenswert.


    Falls man jedoch annimmt, dass ein vorhandener CashPolster NIE ausgeschüttet wird, dann muss man ihn eigentlich ignorieren - das stimmt auch. Dazu werde ich aber (viel) später noch kommen. (in einem zukünftigen Post)
    Als nächstes kommen mal die FK-Kosten und dann die Cashflow-Berechnung.


    Es wäre sicherlich schwierig zu beurteilen, welche Verschuldung/Ziel-Kapitalstruktur möglich wäre - und dann bleibt eben das Problem zu beurteilen, ob oder wann das jemals passieren wird, was ja eigentlich auch berücksichtigt werden müßte bei der Bewertung.

    Ja das wäre mit Sicherheit die optimale Vorgehensweise, aber ich traue mir eben nicht zu, dass zu beurteilen, deswegen versuche ich ausschließlich mit aktuellen und historischen Daten zu "rechnen". Wenn die Firma aber einen Wechsel der Strategie ankündigt, oder den Verkauf einer Sparte, dann muss man die Kapitalstruktur (und auch sonst alle Zahlen) anpassen.


    Dann stecken noch eine Vielzahl von weiteren Annahmen drin, die auch alle fragwürdig sind. Wie in aller Welt kommt Damodaran bei einer beinahe Rekordbewertung des US-Aktienmarktes auf eine angebliche Aktienrisikoprämie im Markt, die deutlich oberhalb des historischen Durchschnitts ist? Am Ende müßte man doch zum Schluß kommen, daß eine hohe Bewertung des Aktienmarktes auch eine hohe Bewertung der einzelnen Aktie "rechtfertigt".

    Ein hohes ERP hat zur Folge, dass die Unternehmen billiger werden. Weil eine Erhöhung des ERP eine Erhöhung der EK-Kosten zur Folge hat. Und der Wert einer Firma berechnet sich ja grob wie folgt: (CashFlow/Kapitalkosten) ..... also je höher die EK Kosten, desto niedriger der Unternehmenswert.

    Und wie gesagt, der historische Durchschnitt ist mit großer Vorsicht zu genießen. Ich habe ihn nur angeführt, um zu zeigen, dass man damit nicht rechnen sollte. Die Zahl an sich hat wenig Aussagekraft, da die Standarabweichung so hoch ist.


    Damodaran kann die Berechnung sicher besser erklären als ich:

    Siehe Youtube Video von Damodaran ab Minute 07:00.


    Ebenso fragwürdig ist, das mit der EMH (efficient market hypothesis) assoziierte CAPM heranzuziehen. Je mehr die Aktie schwankt, desto riskanter ist sie angeblich und desto niedriger sollte sie bewertet werden. Mein Kommentar: :S

    Ja, das stimmt ebenfalls. Auch wenn Damodaran das BETA über eine gesamte Branche berechnet (mit hunderten von Firmen), dreht sich zum Schluss alles um die Volatilität.

    ABER langfristig würde ich schon sagen, dass eine sehr zyklische Branche (mit sehr volatilen Kursen) riskanter ist als eine sehr stabile Branche (mit gleichmäßig steigenden Kursen). Und erstere ein höheres Beta haben sollten. Oder nicht? (ernst gemeinte Frage)


    Außerdem ist ein weiteres Problem vom "normalen" BETA, dass die Standardabweichung sehr hoch ist. Je mehr Firmen man hernimmt, desto geringer wird die STABW. Ich glaube die nimmt mit der Quarat-Wurzel der Anzahl der Firmen ab.


    Am Ende machst Du eigentlich mit so einem Modell doch etwas sehr ähnliches als das, was die meisten Analysten mit ihren DCF-Modellen machen. Dieses wäre wohl aus Sicht der orthodoxen Theorie das richtige, wenn man bloß die Werte für die zukünftigen Cashflows richtig schätzen kann. Wie gut das funktioniert, kennen wir. Du schätzt halt stattdessen eine Vielzahl von weiteren Parametern, die alle nicht eindeutig zu bestimmen sind.

    Ja und nein. Also das Prinzip oder der Ansatz sind vermutlich ähnlich (Cashflows mit Diskontierungssätzen und Wachstum in die Zukunft fortschreiben), aber meine Umsetzung ist praxis-bezogener und nicht so schwankungsanfällig.
    Ich schätze die zukünfitgen Cahsflows eben NICHT. (Dazu komme ich noch später.) Ich schaue mir die vergangenen an und schaue was die Firme im Schnitt verdient hat und rechne damit in die Zukunft weiter (so ähnlich wie euer KPV .... also historische Margen mit aktuellem Umsatz - falls ich das richtig verstanden habe?).
    Ich rechne, beim EPV-Ansatz, auch ohne Wachstum. Es ist eigentlich auch wie ein KGV.
    Und das KGV ändert sich auch über die Zeit und muss stetig angepasst werden - geauso wie die Zinssätze in meinem Modell - da würde ich dir auch zustimmen.
    Aber es wäre doch unlogisch sie nicht anzupassen? Egal welchen Ansatz man verfolgt oder? Da Zinssätze ganz einfach einen direkten Einfluss auf die Bewertung haben? Oder?


    Ein Teil(?) dieser Überlegung zu Cash und Schulden gilt eigentlich auch für sämtliche EV-basierten Bewertungsansätze (EV/EBIT). Wenn ein Cashbestand betrieblich notwendig sein sollte oder er aus anderen Gründen nie zur Ausschüttung kommen wird, selbst wenn es möglich wäre, dann ist es fraglich, ihn vom EV abzuziehen und sich damit eine günstige Bewertung schönzurechnen.

    Gilt für Schulden Analoges?

    Eigentlich kann man (auch) die EV-Kennzahlen nur innerhalb einer Branche vergleichen.

    Sogar der Vergleich innerhalb einer Branche ist fragwürdig, wenn nicht dieselbe Kapitalstruktur vorliegt. Auch der Unterschied zu verschiedenen Ländern sollte berücksichtigt werden. In Japan haben sehr viele Firmen massives Cash, aber sie schütteten es jahrelang nicht aus - wie bewertet man das? Ich weiß es nicht. Ich versuche solche Firmen zu meiden. Bzw. nur zu kaufen, wenn die Bewertung auch ohne "Schönrechnen" günstig erscheint - ist mir aber noch nicht untergekommen.

    Trilogiq hat z.B. auch sehr viel Cash. Das wird auch nicht ausgeschüttet. Hier ist meine Arbeitsthese, dass es der Hauptaktionär und CEO für den Wiederaufbau der Firma verwenden möchte (das passt ins Bild). Falls es aber jahrelang nur ungenutzt auf dem Konto liegt, dann geht mein Case nicht auf.


    Man sollte sowieso immer nur Exess Cash berücksichtigen. Cash der für den operativen Betrieb benötigt wird zählt meiner Meinung nach zum Working Capital. (je nach Geschäftsmodell im Schnitt ca. 0.2 - 0.5% vom Umsatz)


    Naja bei Schulden ist es etwas eindeutiger, da man sich hier nicht fragen muss ob man sie ignorieren sollte oder nicht. Denn Schulden sind zu 100% real und müssen bedient werden. Diese müssen also immer vom Enterprise Value abgezogen werden.


    Ich würde behaupten, dass "mein" Ansatz jede Firma so bewertet wie sie ist. (Also man geht auf die individuellen Cashflows und die individuelle Kapitalstruktur und Kapitalkosten ein.) Am Ende kommt man auf einen fairen Firmenwert und schlussendlich auf eine MoS. Diese MoS kann man mit anderen Firmen in völlig anderen Ländern und Branchen vergleichen. Die Firmen mit den höchsten MoS's kauft man.

    Die Aktie von AutoPartner finde ich auch interessant. Was ich nicht verstehe, warum ist der Handel mit Autoersatzteilen noch ein sich schnell entwickelnder Markt, wie Du schreibst? Man sollte meinen, das sei ein längst gesättigter Markt, oder?

    AP hat in Polen 10% Marktanteil. Intercars hat 30%. Marktanteil bedeutet grob, wie viele Werkstätten und Shops sie beliefern. Das passierte bislang eher sehr fragmentiert und ineffizient. (Oft durch Einzelunternehmen aus deren "Wohnzimmer" heraus. So hat auch AP angefangen.) AP und auch Intercars haben das "revolutioniert". Mit mehreren Lieferungen täglich und einfachen Bestellvorgängen (auch online) für die Kunden. Daher würde ich meinen, dass es ein sich schnell entwicklender Markt ist, der aber schon so fortgeschritten ist, dass ein Neueinsteiger sich schwer tun würde.

    Der Markt ist also noch nicht mature. Aber auch nicht mehr ganz zersplittert. Wachstum für ein paar Jahre ist in Polen also noch gesichert, wenn man annimmt, dass die beiden auf gemeinsam ca. 80% kommen könnten, dann ist noch 100% Wachstum möglich, oder so ca. 4-8 Jahre.


    Es dreht sich in diesem Geschäft meiner Meinung nach alles um Effizienz. (damit verbunden: economics of scale) Kapitaleffizienz: Also wie viel Inventory im Verhältnis zum Umsatz? Kosteneffizienz: Distributionskosten im Verhältnis zum Umsatz?


    Da der Markt in Polen aber in einigen Jahren gesättigt ist, versucht AP schon den Umsatzanteil im Ausland zu erweitern. Zurzeit aber nur durch einzelne größere Lieferungen an größere Retailer und weniger durch einzelne Fuhren an Ersatzteilshops. Das Geschäft bindet mehr Kapital (längere Zahlungsziele der Kunden), dafür ist das Wachstum gut und die Margen sind auch ok. Eventuell möchten sie auch in Zukunft ein zweites "Polen" aufbauen - das bleibt abzuwarten und zu beobachten.

    Zusätzlich hat AP auch eigene Ersatzteilmarken mit sehr hohen Margen. Auch teuere Diagnosegeräte inkl. Einschulungen bieten sie an. Sie wollen sozusagen ein One-Stop-Shop für alle Werkstätten in Polen werden.

  • Teil 3: Fremdkapital-Kosten
    Neben Eigenkapital gibt es noch Fremdkapital um eine Firma zu finanzieren. Dieses FK hat ebenfalls Kosten und diese müssen auch berechnet werden.


    Hier gibt es meiner Meinung nach wieder 2 Methoden:


    1) FK Kosten laut GuV und Bilanz

    Man kann ganz einfach in die GuV schauen und sich die Zinskosten heraussuchen. Dann zählt man die gesamten zinstragenden Schulden (inkl. Leases) zusammen und dividert die Zinskosten durch die Schulden. So erhält man einen Zinssatz den das Unternehmen im ausgewählten Zeitraum bezahlt hat.


    Problem:

    Wenn sich der Zinssatz jetzt so schnell ändert wie im letzten Jahr und man nimmt die Zinskosten vom gesamten letzten Jahr her, dann wird der Zinssatz niedriger ausfallen als er eigentlich ist. Man muss hier also ganz genau aufpassen wie sich die Zinsen (10y Gov-Bonds) seit dem reporting date verändert haben. Ich mache es in letzter Zeit immer so, dass ich mir das letzte Quartalsergebnis anschaue und die Zinskosten mit 4 multipliziere.


    Für Autopartner komme ich so auf Zinskosten von 9.2mio PLN * 4 = 37mio PLN.

    Die Schulden betragen 458mio PLN.

    Zinssatz beträgt somit 37/458 = 8.1% (Der Wert lag vor einem Jahr noch bei ca. 4% - also ein gewaltiger Unterschied)


    2) FK Kosten laut Markt-Zinssatz

    Hier lautet die Formel für FK-Kosten: RFR + Country risk premium + company risk premium = FK Kosten


    RFR:

    Haben wir vorherigen Beitrag schon abgeklärt und beträgt für Polen 5.07%. (Jänner 2023)


    Country Risk Premium:

    Wenn eine Firma in einem risikoreicheren Land operiert und Schulden macht, dann muss man dieses Risiko berücksichtigen.

    Für Polen beträgt dieses Risiko +1.46%. (Laut Excel Tabelle Damodaran)


    Company Risk Premium:

    Wenn die Firma zusätzlich noch riskanter ist als die durchschnittliche Firma im gegebenen Land, dann muss man hier nochmals ein Risikopremium addieren.
    Wenn die Firma ein Rating hat, dann kann man anhand einer Tabelle von Damodaran auf den Risikoaufschlag schließen. (siehe hier)

    Falls das Unternehmen kein Rating hat, dann kann man es am Interest-Coverage-Ratio (ICR) festmachen.


    Das ICR für Autopartner beträgt: ICR = avg.EBIT / InterestExpenses = 300 / 37 = 8.2 ..... Das ist ein sehr guter Wert und laut Damodaran entspricht das einem Aa2 Rating - welches wiederum einen 0.85% Risikoaufschlag zur Folge hat. (siehe vorher verlinkte Website)

    Falls das Unternehmen aber sehr klein ist und man "annehmen" kann, dass es riskanter ist, dann kann man ruhig ein paar Rating-Stufen herabsteigen und somit die FK-Kosten etwas erhöhen.

    Das ist leider etwas subjektiv und gefällt mir auch nicht, aber man sieht bei kleinen Firmen oft sehr gut, dass die realen FK-Kosten höher sind als die berechneten. Dann ist es angebracht das Company Risk Premium zu erhöhen. Bei Autopartner würde ich es nicht erhöhen, da die Firma eine MCap von 500mio USD hat. Bei Imaflex jedoch, habe ich das Rating von eigentlich Aaa auf Baa2 verringert. Dadurch hat sich der Zinssatz um ca 1.5% erhöht und passt mit den realen Zinskosten besser zusammen.

    Ein Rating würde ich aber nicht verbessern - konservativ bleiben!


    FK-Kosten = 5.07 + 1.46 + 0.85 = 7.4%


    Man sieht, dass die FK Kosten ca. 0.7% auseinander liegen. 0.3% lassen sich durch eine höhere RFR im Q3 erklären. Die restlichen 0.4% sind einfach "Unschärfe".

    Ich würde hier mit 7.8% FK Kosten in die weiteren Berechnungen einsteigen.



    EDIT:

    Wenn eine Firma gleichzeitig Schulden und Investments hat (z.B. Schulden und Investments in Aktien), dann würde ich die Aktien und deren durchschnittliche Einnahmen (z.B. 6% p.a.) GEGEN die Zinskosten und die Schulden rechnen.
    Hätte AutoPartner ein 100mio Aktienportfolio welches jährlich ca. 6mio erwirtschaftet, dann würde ich die Zinskosten auf 31mio und die Schulden auf 358mio reduzieren. Dadurch erhöhen sich die FK Kosten auf 8.7%. Das ist auch logisch, denn wenn man mit Aktien nur 6% erwirtschaftet, dann wäre es vernünftiger die 8% Schulden zu tilgen. Aufgrund der "dummen" Entscheidung stattdessen Aktien zu kaufen, steigen die FK Kosten und der Firmenwert ist nicht so hoch wie er sein könnte. Aktien wären also für AutoPartner ein schlechtes Investment! Gottseidank hat AutoPartner kein Aktienportfolio ;) (Für mich klingt das logisch - bin aber nicht sicher ob ich einen Denkfehler habe - bin also für Anmerkungen dankbar)


    Wenn ein Unternehmen Schulden und sehr viel exess Cash hat, dann würde ich das Cash nicht in die FK-Kosten Berechnung einfließen lassen. Denn Cash generiert keine Einnahmen. (zumindest zurzeit nicht viel) Das Cash wird dann erst ganz zum Schluss zum EnterpriseValue addiert. Dazu aber später mehr.

  • Auch wenn Valing sich temporär verabschiedet hat - die meisten kommen irgendwann wieder, und es richtet sich schließlich an alle:

    Zustimmung übrigens dazu, daß zyklische Branchen ein höheres Risiko haben - theoretisch sollte sich das wohl auch im volatileren Kurs wiederspiegeln. (Da korrigiere ich meine Meinung - ist auch ein separates Thema, wenn ich mal dazu komme)


    Noch einmal zu den Kapitalkosten. Jetzt kann ich das besser begründen, was mir nicht passt: Ich meine, daß sich WACC überhaupt nicht ändern sollte! Egal ob viel oder keine Schulden, die gewichteten Kapitalkosten bleiben gleich - zumindest solange man sich durch willkürliche Entscheidung innerhalb eines tolerablen Bereiches befindet. Warum sollte es auch anders sein? Begründung: Ohne Schulden reduziert sich das Risiko für die Aktionäre, und damit sollten sich auch die Eigenkapitalkosten reduzieren. Das ist ja gerade der Clou daran! Die ganze aufwendige Rechnerei kann man sich also sparen. Die WACC ist meiner ketzerischen Meinung nach unabhängig von der Kapitalstruktur.

    Wenn also das Unternehmen aus irgendwelchen Gründen (Geschäftsmodell) einfach keinen Kredit bekommen würde, wäre das anders zu bewerten. Es haben auch nicht alle Unternehmen die gleiche WACC, das ist klar. Es gibt unterschiedliche Geschäftsmodelle, zykisch oder nicht, klein vs. groß und etabliert etc. Das korrespondiert mit der unterschiedlichen fairen Bewertung. Wie man das für ein Unternehmen ermittelt, weiß ich auch nicht. (Anmerkung: Auch wenn es unterschiedliche faire Bewertungen gibt, funktioniert es trotzdem, einfach mechanisch die günstigsten zu kaufen - manche davon sind halt zurecht günstig, andere nicht. Das offensichtlichste Beispiel ist das KUV.)


    Anschauungsbeispiel ist Jumbo. Die haben fast sämtliche Schulden zurückgezahlt mit ihrem Cashbestand, haben immer noch Nettocash. Ein Analyst schreibt:


    Our risk-free rate stands at 4.5%, with our equity risk premium at 5.5%. As a result, our total market return

    stands at 10.0%. We remind that Jumbo plans to repay its bond loan of €200mn and as a result the Company will

    carry zero debt going forward. However, a potential entrance to new markets could lead the Group to raise debt

    at some point going forward; assuming an optimal capital structure of 30% Debt/ (Debt+Market Cap) this could

    result in higher DCF valuation by c. 15%.


    Das ist gaga?! Denn das bedeutet: Wenn sie Schulden aufnehmen würden, um sie sofort als Dividende auszuschütten, würden sie Wert schaffen. Das ist ja das Modell Heuschrecke.

    Ich glaube, diese unter Analysten übliche Vorgehensweise führt dazu, daß Unternehmen ohne Schulden oder mit Nettocash systematisch zu niedrig bewertet werden. Ich bin mir nicht sicher, aber ist es nicht so, daß solche Aktien eine höhere Rendite erzielen? Obwohl man ja "eigentlich", also dem theoretischen Modell (CAPM) nach davon ausgehen sollte, daß sie eine niedrigere Rendite als andere erzielen sollten, weil sie doch weniger riskant sind. Für Risiko muß der Aktionär schließlich belohnt werden, und Aktien von Unternehmen mit hohen Schulden sind zweifellos riskanter. Das wäre also die Erklärung für diese Anomalie (aus Sicht des Modells), und sie liegt paradoxerweise genau in der Anwendung dieses Modells. Oder liegt es eher an dem, was ich oben schrieb, d.h. daß Firmen ohne Schulden oder gar mit Nettocash die Möglichkeit haben, künftig eine andere Kapitalstruktur zu wählen, d.h. Schulden aufzunehmen, die dann (berechtigt oder nicht) auch höher bewertet wird, wovon der Aktionär profitiert? Anders gesagt: wenn die Kapitalstruktur so bleibt, ändert sich nix, aber wenn sie "verbessert" wird, dann profitiert der Aktionär, und da das immer eine Möglichkeit ist, die im Mittel irgendwann auch Realität wird, profitiert man davon, in solche Aktien zu investieren, also mit nicht optimalier Kapitalstruktur - dazu würden dann aber spiegelbildlich auch welche mit zu vielen Schulden gehören (die also ihre Schulden reduzieren und dann höher bewertet werden, was die ausbleibenden Dividenden überkompensiert, die dafür notwendig sind).


    Ich erinnere mich nur an eine Untersuchung von Ralf Sattler, der die Verschuldung relativ zum Börsenwert gemessen hat (ein reichlich seltsames Maß), und dann in seinen Worten herausfand, daß höhere Schulden mit einer höheren Aktienperformance einhergehen. Meiner Meinung nach liegt das aber am Faktor Börsenwert, nämlich: KxV niedriger ist immer besser - hier ist x eben die Verschuldung (was wichtiger ist). Wie sieht es nach Verschuldung/Eigenkapital oder nach Verschuldung/EBITDA etc. aus?


    Michael Mauboussin aus dem Link von Sutje (unter "Optimal capital structure") führt steuerliche Vorteile von Fremdkapital als Grund an einer gängigen Theorie nach - gezahlte Zinsen wirken steuermindernd für die Aktionäre. Dabei gilt: je mehr Schulden und damit Zinsen, desto größer der tax shield. Aber der nützt nur, wenn die AG auch Gewinn macht, und je höher die Schulden, desto weniger wahrscheinlich wird das. Diese Konstellation führe dazu, daß es ein Maximum der Nützlichkeit und damit eine optimale Kapitalstruktur gibt. Hm. Ich weiß nicht, ob das zwingend dem o.g. Effekt in der praktischen Anwendung widerspricht.

    „Wir haben die gesamte Führung fast aller Berliner Sicherheitsbehörden ausgetauscht und dort ziemlich gute Leute reingebracht." – Benedikt Lux, Grüne Berlin

  • Winter , Deine Meinung ist nich ketzerisch. Das ist klassische Finanzmarktheorie (Modigliani-Miller), die besagt, dass in Abwesenheit von Steuern der Unternehmenswert nicht von der Kapitalstruktur abhängt. Wenn es Steuern gibt und gezahlte Zinsen die Steuern vermindern, spielt die Kapitalstrukur aufgrund dieser Steuersenkung (tax shield) eine Rolle und es gibt für eine Firma eine theoretisch ideale Kapitalstruktur.

  • Danke, das ist schlüssig so. Korrekterweise müßte man sagen: ... in der Theorie nicht abhängen sollte. Könnte aber trotzdem sein, daß es in der Praxis vorteilhaft ist, Firmen mit theoretisch nicht optimaler Kapitalstruktur zu kaufen, eben weil diese künftig noch optimiert werden kann und im Mittel wahrscheinlich auch wird, und damit der Unternehmenswert und natürlich auch der Börsenwert des Eigenkapitals verbessert wird. Das führt zu der Frage nach der Verschuldung, dafür mache ich einen eigenen Thread auf, siehe hier: Verschuldung und Aktienperformance

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  • Modigliani-Miller hatte ich schon einmal gehört, aber vergessen bzw. konnte ich nicht mehr zuordnen oder auflösen. :rolleyes:


    Weiter war für mich immer die Frage, woher denn Damodaran die Aktienrisikoprämie nimmt. Die Kennzahlen kommen mir höchst fragwürdig vor. Wie kann denn die Aktienrisikoprämie für die USA positiv sein, wenn die earnings yield von Aktien kaum höher ist als die langfristige Anleihenrendite? Andere ERP-Berechnungen kommen dementsprechend derzeit auch auf eher null. Damodaran sieht derzeit 4,53% und eine erwartete Rendite für US-Aktien von 8,88%.

    Oder für Indien müßte sie angesichts der äußerst hohen Bewertung auch sehr niedrig sein. Wenn aber das so wäre, dann wäre wiederum die Frage, warum man diese Werte unhinterfragt akzeptieren sollte, anstatt solche Märkte einfach ganz zu meiden. Also da paßt so vieles nicht. Wie will man eine ERP bestimmen, die nicht selbst wiederum von Markterwartungen abhängt? Und antizyklisch will man doch gerade in die günstigen = "riskanten" rein.

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  • Die Antwort übrigens: Damodaran macht ein umgekehrtes DCF-Modell, bei dem vom gegebenen aktuellen Indexstand mit den Makro-Gewinnschätzungen der Analysten für die nächsten Jahre die passende Diskontierungsrate gesucht wird, und wenn man davon die Zinsen der 10jährigen Staatsanleihen abzieht, landet man bei der Aktienrisikoprämie.

    Wenn die Gewinne stark steigen, und das tun sie offenbar laut Analystenerwartung, ausgehend von bereits rekordhohen Margen (Anmerkung: die konjunkturellen Ausssichten haben sich zuletzt merklich aufgehellt in der allgemeinen Erwartung), dann dürfte auch eine positive Renditeerwartung für US-Aktien nicht abwegig sein - wenn. Andere wie Hussman modellieren halt, daß bei hoher Bewertung (wobei die rein nach Shiller-KGV gar nicht so dramatisch hoch ist, wie ich kürzlich herausgearbeitet hatte) eher ein mageres Jahrzehnt folgte - wobei wiederum das Modell seit gut zehn Jahren fortlaufend danebenliegt. Es kann nur eines von beiden richtig sein.

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