Rendite aus dem Nichts mit Shannon's Demon

  • Das ist das Verrückteste, was ich seit langer Zeit gehört habe, aber es scheint zu stimmen.

    Gegeben sei z.B. ein Asset, das pro Periode mit 50:50-Wahrscheinlichkeit entweder sich verdoppelt oder 60% verliert. Auf lange Sicht geht das gegen Null, das ist klar, denn die für Buy&Hold entscheidende geometrische Rendite ist negativ: 2*0,40 = 0,8, also weniger als -10% Rendite pro Periode. Der arithmetische Mittelwert ist jedoch positiv aus +100% und -60%.

    Wenn man jedoch stets rebalanciert, so daß nach jeder Periode 50% des Depots in Cash und 50% im Asset sind, hat ein solches Depot einen positiven Erwartungswert!

    Erklärung dazu ist Shannon's Demon, benannt nach Claude Shannon, der Informatikern bekannt ist: https://www.richmondquant.com/news/2021/9/21…out-of-thin-air

    The general idea behind Shannon’s Demon is that two uncorrelated assets, each with zero expected long-term returns, can actually produce a combined portfolio that consistently generates positive returns if intelligently balanced and rebalanced at regular intervals.


    Zum praktischen Nachvollziehen für +100 vs. -60% siehe die .XLS anbei. Die Streuung ist allerdings extrem.

    Klar ist auch: Niemand würde rationalerweise die Gegenwette eingehen, denn das hieße, einem 1€ zu zahlen bei "Kopf" und nur 50 oder 60 Cent zu erhalten bei "Zahl". Aber trotzdem knabbere ich noch daran, denn die Bewegungen sind stochastisch unabhängig und egal, wann man das Asset kauft, z.B. einen Kryptocoin, hat jeder Käufer stets eine Renditeerwartung von höchstens null, also auch nachdem es etliche Perioden gestiegen ist. Wie kann man als Nichtbank vermeintlich Geld aus dem Nichts erzeugen? Wer zahlt bei diesem langfristigen Nullsummenspiel drauf? Doch die Anleger, die jeweils nach Anstiegen kaufen - bräuchte es immer mehr dazu wie bei einem Schneeballsystem?

    Es scheint auch Warren Buffetts Spruch zu widerlegen: "Eine Aktie, die man nicht langfristig halten möchte, soll man nicht auch nur einen Tag halten."

    Erklärt das die Attraktivität von Kryptocoins, Memestocks und Insolvenzaktien für Trader?

    Heißt das nicht auch bzw. ist das der Grund dafür, daß im Falle von Aktien hochvolatile tendenziell zu teuer sind? Oder liegt das nur am inhärenten Optionswert, d.h. der Chance auf einen Tenbagger, und ist das wiederum komplett davon unabhängig?

    Und welche Lehre kann man daraus ziehen? Sofern denn die realen Märkte dem zugrundeliegenden Modell entsprechen, was alles andere als selbstverständlich ist, und daß es auch zahlenmäßig passt (bei zu hohem Verlust funktioniert das Beispiel nicht mehr).

    Diversifikation, insbesondere in un- oder antikorrelierte Assets, wie z.B. auch Gold? Und bzw. in Kombination mit Rebalancieren, d.h. insbesondere, Aktien nach starken Anstiegen zu trimmen, statt Gewinner laufen zu lassen. (Dagegen spricht aber die Empirie des Momentums auf die mittlere Frist und nur auf mittlere Frist)

    Die Portfolio-Volatilität zu verringern ist (wohl unabhängig davon) in der Entnahmephase wichtig, während das für Investoren in der Ansparphase eigentlich keine Rolle spielt.

    Dateien

    In "unserer Demokratie" werden keine Minderheiten unterdrückt oder zum Schweigen gebracht (Boris Pistorius). Sondern die Mehrheit.
    "Unsere" Demokratie verhält sich zur Demokratie wie Transfrauen zu Frauen.

  • Den Gedanken hatte ich zuerst auch, aber beim Roulette ist es 50:50 entweder +100% oder -100%, d.h. auch das arithmetische Mittel ist +/-0 und daher dürfte es dort auch jemanden geben, der die Gegenwette eingeht, anders als bei +100% und -50%.

    Nebenbei, bei der Berechnung des geometrischen Mittels beim Roulette ist das Problem/der Unterschied auch, daß ein einziges negatives Ergebnis einen Totalverlust darstellt, von dem sich ein voll investiertes Depot nicht erholen kann. Ohne Gewähr.

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  • Das ganze klingt für mich nach der Kelly Formel, bei der ich hier erwähnt habe, dass man bei Roulett 100 Cash halten soll und nie auf eine Zahl/Frabe oder so setzten soll ;-)

    Leider kann ich die Kelly Formel nicht auf Aktien anwenden, weil ich die Verlustwahrscheinlichkeit und das Gewinnpotenzial nicht mathematisch so genau bestimmen kann wie bei Roulett oder Würfelspielen.

  • Ja, wobei sich trotzdem Leute finden, die beim Roulette mitspielen, und das nicht einmal zwingend irrationalerweise. Man denke etwa an "Lola rennt". Wenn die Häscher des Mafiabosses/von Jabba dem Hutten draußen auf Dich warten, dem Du 100.000 schuldest und noch 3000 hast, ist es eine Überlegung wert, alles auf die 18 zu setzen...

    Weiter oben habe ich etwas unglücklich formuliert (es ist nicht falsch, aber man versteht nicht, auf was ich hinaus will). Also im Falle von +100%/-50% hat jeder Käufer zu jedem Zeitpunkt eine Renditeerwartung von immerhin 0. Trotzdem kann jemand anderes eine positive Rendite herausziehen, ohne daß das Asset selbst sie produziert (wie bei Aktien durch Gewinne/Dividenden).

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