Cosmo Pharmaceuticals (CP) ist für die meisten vermutlich eher eine Liebe auf den zweiten Blick, weil sie aus dem üblichen Rahmen fallen: Sowohl Pharma als auch Medizintechnik; sowohl Patente als auch alte Wirkstoffe; sowohl Biotech als auch Dividende. Herakles hat sie mal erwähnt und fand die Bewertung Ende 2023 "absurd niedrig".
An dem Punkt stehen sie gerade wieder: Ein Biotech-Unternehmen, das bei meinen üblichen Filterkriterien hängen bleibt, ist schon verdächtig. Um die Zahlen abzuhaken: Dank enorm gestiegener Gewinne in 2024 schafft die Firma bei der Magic Formula das zweite Percentil, bei Qi-Value das vierte Percentil, beim Value Composite 2 immerhin das beste Quartil. Das Ganze auch noch schuldenfrei; 10% der MarketCap von ca 1 Mrd CHF ist Netto-Cash. Dazu noch sämtliche mechanischen Qualitäts-Marker (F-Score usw.) im tiefgrünen Bereich. Selbst ich mit meinem naiven mechanischen Ansatz wurde erst mal mißtrauisch, nach dem Motto "Too good to be true".
Eine erste Beruhigungs-Pille fand ich bei den Hauptaktionären: Zu denen gehört mit 4% die "dievini Hopp Biotech Holding". Richtig, das ist die Biotech-Holding des SAP-Gründers Dietmar Hopp, zu deren 10 Beteiligungen auch CureVac und eben CP gehören. Ebenfalls beruhigend: In 2025 gab es drei Insiderkäufe (noch nicht bei SWS zu sehen) zwischen 600.000 und 3 mio CHF. Grund genug, den Laden näher anzusehen.
CP ist ein italienisches Pharmaunternehmen, das nach Irland umgezogen ist, als niederländische Aktie (keine Quellensteuer!) notiert und am besten in der Schweiz handelbar ist. Es hat seine Wurzeln in der Gastroenterologie (GE). Der USP der Firma ist eine patentierte Galenikform ("MMX") für Tabletten, die es erlaubt, Wirkstoffe erst im Colon (Dickdarm) freizusetzen, so dass die Wirkstoffe nicht schon im Dünndarm resorbiert werden und dann für Nebenwirkungen sorgen. Das Geniale ist: Man kann uralte Wirkstoffe wie Antibiotika oder Corticosteroide nehmen, in die neue Galenik packen und so den GE-Markt nochmals von hinten aufrollen. Im Gegensatz zu den meisten Biotechs hat CP bereits mehrere FDA-, EU- und sonstige Zulassungen und verdient Geld mit der Produktion und dem Out-Licensing dieser Präparate. Vertrieb und Marketing erfolgen ausschließlich über Lizenznehmer, d.h. die Firmenstruktur von CP ist sehr schlank.
Ein zweiter Coup gelang CP mit einem KI-Analyse-Programm für Dickdarm-Spiegelungen ("GI Genius"), bei dem die KI in Echtzeit behandlungsbedürftige Läsionen, Tumore, Polypen usw. erkennt und meldet. Ich kenne das persönlich von der Hautkrebsvorsorge - in diesen Bereichen ist KI wirklich hilfreich. Das Gerät läßt sich offenbar mit den meisten verfügbaren Diagnosegeräten koppeln und ist sozusagen ein "Add-On". Momentan wird eine Erweiterung des Programms für die Spiegelung von Speiseröhre, Magen und Dünndarm entwickelt.
Ein dritter Coup war die Übernahme / Fusion mit der Derma-Firma Cassiopea 2020/21, die mit 38% im Gegenzug Hauptaktionär an CP ist. Aus dieser Ecke stammt eine patentierte Akne-Creme ("Winlevi"), die die Androgenrezeptoren in der Haut blockiert. Das Präparat ist in den USA, Kanada und Autralien bereits im Handel, aber - das sei hier betont: die EU hat gerade im April die Zulassung für Jugendliche verweigert. Der Kurs von CP hat darauf gelassen reagiert, denn die eigentliche Phantasie steckt bei dem Wirkstoff Clascoterone in der potenziellen Behandlung des männlichen androgenetischen Haarausfalls, mit etwa 2 Milliarden betroffenen Männern ab 50. Das wäre die erste neuartige Behandlungsmethode seit über 30 Jahren, mit einem Marktpotential von ca. 28 Milliarden Euro - weit mehr als das Potenzial für Akne:
Ich weiß aus meinem früheren Berufsleben, dass ein wirksames Mittel gegen Haarausfall der feuchte Traum jeder Pharma-Firma und jedes Dermatologen ist. CP hat einen neuen Wirkstoff, der in wichtigen Märkten bereits für Akne zugelassen ist - sie müssen nur die Dosis erhöhen und als Lotion anbieten. Die abgeschlossenen klinischen Phase 2-Studien waren erfolgversprechend, und derzeit laufen in den USA und Europa zwei große Phase-3-Studien, zu denen in Q3 erste Ergebnisse erwartet werden. Wenn diese Studien positiv verlaufen, können 2026 die Zulassungen beantragt werden und der Aktienkurs wird durch die Decke gehen. Das wäre nichts Neues für CP:
Und wenn die Studien scheitern? Dann wird es den Kurs erst mal halbieren, aber cave! Die Firma hat ja durchaus laufende Einnahmen für den laufenden Betrieb.
Allerdings: Die extrem starken Zahlen von 2024 beruhen vor allem auf Sondereinnahmen des US-Partners Medtronics für erreichte Meilensteine. Damit wäre die günstige Bewertung also auch geklärt. Einen Ausblick auf zukünftige Meilenstein-Zahlungen will CP aber nicht mehr bieten, angeblich als Schutz von Konkurrenz. Die fehlende Transparenz ist ein echtes Manko und ein Investment in CP mutiert damit ein Stück weit zu einer Spekulation. Trotzdem: Das Chance/Risiko-Verhältnis zwischen (mindestens) Verdoppler und Halbierung bleibt m.E. sehr erfreulich.
All das ist plakativ in der letzten Firmenpräsentation dargestellt, aber ich hoffe, ich konnte einige Querverbindungen zum besseren Verständnis herstellen.
Ich habe heute in Zürich eine volle Portion zu 60 CHF gekauft, obwohl die Firma etwas aus meinem üblichen Beuteschema fällt.