Das wird bestimmt ein kontroverses Thema ... nicht Abtreibung, Abschiebungen, Antisemitismus oder Atomkraft, sondern: Die selbstgenutzte Immobilie als Investitionsobjekt - ohne Kredithebelung.
Ich nehme mal diesen Artikel als Anlaß, mit Link zur Stiftung Warentest: SPON: Stiftung Warentest sieht günstige Gelegenheit für Immobilienkauf
Erst mal grundsätzlich: Es soll um Privatiers gehen, die sich von Arbeitnehmern dadurch unterscheiden, daß sie nicht über ein festes, laufendes Einkommen verfügen. Mit einem festen Job kann die Kredithebelung Sinn ergeben (ohne würde es eh schwer werden bei Eigennutzung, überhaupt einen Kredit zu bekommen). Wenn das Einkommen aber aus der Depotentnahme besteht, dann unterscheidet sich das Risiko beim Kauf auf Kredit prinzipiell nicht von dem beim Mieten - man zahlt halt eine Kreditrate ab statt der Miete, und hängt dabei ebenso voll von der Börsen-/Depotentwicklung ab. Im Gegensatz zu den sonstigen Lebenshaltungskosten sind das aber keine diskretionären Ausgaben, sondern fixe. Es unterscheidet sich lediglich in nicht-finanziellen Dingen, wie daß man Herr im eigenen Haus ist, d.h. nicht mehr gekündigt werden und alles nach Gusto baulich verändern kann, dafür auch die Arbeit hat und nicht mehr so flexibel ist usw.
Ich habe aus vergangenen Diskussionen in Erinnerung, daß es hier hieß, eine eigene Immobilie sei als Konsum zu betrachten, aber nicht als Investition. Mein Vorurteil war auch immer: Die Rendite von ungehebelten Immobilien ist uninteressant; interessant werden sie nur durch die Kredithebelung. Vgl. dazu die Berechnung des ETF-Papstes Gerd Kommer, der sogar das bestreitet (da ich nicht katholisch bin in Bezug auf ETFs, ist er für mich bestenfalls der ETF-Bischof von Rom): https://gerd-kommer.de/die-rendite-vo…sser-verstehen/
Aber beim Vergleich mit der Aktienrendite muß man auch berücksichtigen, daß man die Aktienrendite nicht entnehmen kann, d.h. den "compound return" zwischen zwei Zeitpunkten bzw. à la longue. Wenn man von der Siegelkonstante von real 6,7% für den allgemeinen Aktienmarkt ausgeht, dann kann man als sichere ewige Entnahmerate eher ca. 3 - 3,5% ansetzen, je nach Risikoappetit, also etwa die Hälfte der geometrischen Rendite. Kann man sicherlich diskutieren und etwa abhängig machen von der aktuellen Börsenbewertung (aktuell eher überdurchschnittlich), oder auch von der eigenen Anlagestrategie. Die originale 4%-Regel gilt eigentlich für 30 Jahre, d.h. etwa ab Renteneintritt (von 65 bis 95 Jahren), was für Jüngere wie mich nicht ausreicht, wobei meine Experimente mit der Monte-Carlo-Simulation des Tools FlexibleRetirementPlanner zeigten, daß es kaum mehr einen Unterschied macht, ob man 50 oder 100 Jahre ansetzt, weil es, wenn schon, dann am Anfang scheitert (vgl. "sequence of returns risk"). Jedenfalls: Wenn man konservativ vorgeht und sich nicht von der eigenen Überrendite abhängig machen will, ist die Entnahmerate niedrig.
Davon liest man bei Kommer nichts. Stattdessen vergleicht er mit dem Mieter, der sein Eigenkapital langfristig in Aktien compounded (Endwert); ob er Steuern berücksichtigt, bleibt unklar (dazu siehe unten).
Jetzt zur eigentlichen Frage: Wie hoch ist denn die Rendite bei Immobilien? Am leichtesten verfügbar ist die Brutto-Mietrendite, siehe oben. Schon das ist für das einzelne Objekt schwer zu ermitteln, weil zum Kauf angebotene Immobilien typischerweise leerstehend sind, und selbst wenn sie vermietet sind, dann mit der niedrigen Bestandsmiete, die irrelevant wäre nach der Eigenbedarfskündigung, die auch ein hohes Risiko darstellt. Zu den durchschnittlichen Kaufpreisen, die man in Datenbanken findet, z.B. bei Engel & Völkers oder Immobilienscout24, kommen ggf. noch die Erwerbsnebenkosten dazu (Grunderwerbssteuer, Notar, Grundbuchamt und ggf. Makler). Die Grunderwerbssteuer ist je nach Bundesland unterschiedlich, z.B. kann das zusammen rund 10% ausmachen. Es sei denn natürlich, sie gehört einem bereits. Von konkreten Angebotspreisen müßte man vermutlich noch den verhandelten Abschlag(?) abziehen. Von der Brutto-Mietrendite ist aber noch die kalkulatorische Instandhaltung abzuziehen. Gerd Kommer schreibt, daß die meist unterschätzt würde, um Immobilien schönzurechnen. Selbst die oft genannten 0,5%-1% pro Jahr sind ihm zu wenig, er hält bei Wohnungen 1,5% und bei Häusern für 1,7% bis 2,5% des Gebäudewertes (90% des Gesamtwertes), entsprechend wohl 1,35% bzw. 1,53%-2,25% für realistisch. Mir erscheint das viel, aber vielleicht erklärt es sich auch durch seltene, aber dann sehr teuere Maßnahmen. https://gerd-kommer.de/instandhaltungskosten-von-immobilien/
1) Beginnen wir mit dem gesunden Menschenverstand: Bei 1% p.a. müsste das Gebäude (unterstellt man einen vollen Ausgleich des Wertverlustes durch die Instandhaltung) ohne diese Instandhaltung 100 Jahre bewohnbar sein (1% linearer Wertverlust pro Jahr = 100 Jahre bis der Wert auf null gesunken ist). Die Absurdität dieser Annahme bezogen auf die Qualität eines durchschnittlichen Wohngebäudes der heutigen Zeit, ganz zu schweigen von den sich über die Jahrzehnte hinweg ändernden Grundrisspräferenzen von Menschen, braucht nicht weiter bewiesen zu werden.
Absurd ist allerdings diese Ausführung. Er hat offenbar keine Ahnung davon, daß die Abschreibung ein rein betriebswirtschaftliche Größe ist. 1% bedeutet eben gerade nicht, daß man 100 Jahre in einer Immobilie leben könne, und ab dem 101. Jahr nicht mehr. Wenn die Immobilie nur noch 30% (oder 50%) Wohnwert hätte, würde sie sich nicht mehr vermieten lassen. Wer würde in so einem Gebäude wohnen wollen? Das widerlegt die 1% nicht im geringsten. Das ist so peinlich wie die überflüssige Wendung "braucht nicht weiter bewiesen zu werden". Die steuerlichen 2% AfA spiegeln keineswegs den Wertverlust wieder. Daß Vonovias "bereinigter Verkehrswert" nur halb so hoch wie der "normale Verkehrswert" sei, erstaunt. Weiß jemand Genaueres? Einmal rechnet er mit 85%, einen Absatz weiter mit 90% für den Gebäudeteil, anderswo schreibt er von 80-90%. Die ungünstigen 90% von 1,5% sind bei ihm dann ~1,4% statt 1,35%. Überhaupt ergibt ein fester prozentualer Wert nur Sinn in Bezug auf einen durchschnittlichen Preis, und nicht auf den hohen Preis am Ende einer Hausse (da wäre es niedriger) - er schreibt schließlich selbst von hohen Preisen. Man könnte den Eindruck gewinnen, daß er Immobilien schlechtrechnen will im Gegensatz zu seinen ETFs, die er schließlich selbst verkauft mit seiner Vermögensverwaltung.
Kommer meint, das Risiko bei Immobilien sei hoch, sogar nicht niedriger als bei Aktien, es würde nur unterschätzt, weil man keine täglichen Kurse sieht. Er verweist auf geplatzte Immobilienblasen in den Euro-Südstaaten, Japan oder in den USA. Der Risikovergleich mit Aktien erscheint mir abwegig, denn es ist nicht möglich, durch die Kursschwankung des Hauses pleite zu gehen, und es wird selbst am Ende (des eigenen Lebens) nie null wert sein, im Gegensatz zu einem Depot, aus dem entnommen wird. Was dafür meiner Meinung nach jedoch risikoerhöhend wirkt, ist, daß die Instandhaltung vorzeitig und auf einmal anfallen kann. Bei Aktien ist hingegen niemals ein Nachschießen notwendig. Sicherlich ist es aber zumindest für den Privatier eine Diversifikation zu Aktien, und das Mietausfallrisiko ist bei Selbstnutzung ohnehin null. Psychologisch schlafe ich mit der eigenen Immobilie ruhiger, das sollte man keineswegs vernachlässigen.
Was dann auch noch berücksichtigt werden muß, ist die Steuer. Bei der Selbstnutzung gilt bei Immobilien brutto = netto, d.h. für den Vergleich muß man die Abgeltungssteuer fiktiv draufrechnen. So kommt man für eine durchschnittliche Wohnung (natürlich je nach Ort) z.B. auf: Bruttomietrendite 4,0%, nach Kaufnebenkosten 3,6%, nach Instandhaltung 2,25%, was brutto fiktiv 3,06% entspricht. Vielleicht auch etwas höher.
Kommer kommt oben auf 2,4% p.a. für Immobilien (vor dem Steuereffekt) und auf 5,2% für globale Aktien, jeweils real. Wenn man bedenkt, daß dabei auch keine 5,2% entnommen werden konnten, sondern vielleicht auch nur die Hälfte, und noch Steuern abgehen, dann sehen Immobilien nicht so schlecht aus. Dabei sind die Versicherungskosten abgezogen. Für den Vergleich mit der Miete ist das falsch, denn das sind m.W. auf den Mieter umlegbare Kosten.
Zitat von Gerd KommerFür die Zeitspanne von 1975 bis 2017 ermittelte der Immobiliendienstleister Bulwiengesa für „neue Eigentumswohnungen“ (Neuvermietung) in Deutschland eine durchschnittliche Bruttomietrendite von 3,9% p. a. Es ist davon auszugehen, dass diese Zahl bei Bestandswohnungen niedriger wäre.
Das genaue Gegenteil ist richtig. Bei Neubau-Eigentumswohnungen ist die Mietrendite deutlich niedriger als die Neuvermietung im Bestand. Richtig ist allenfalls, daß die Mietrendite mit Bestandsmieten niedriger ist. Für die Eigennutzung sollte man aber mit der Neuvermietungsmiete rechnen.