Angeregt durch ein Aktfoto einer Dame von 1900 am Strand von Samos aus dem Feuilleton der FAZ befaßte ich mich ein wenig mit der abgebildeten Franziska von Reventlow, 1871-1918, und fand folgendes zu unserem Thema, einen Vortrag von 1995:
--------Kurzporträt vom Autor:
So war sie neben Erich Mühsam das antibürgerliche Schreckensbild par excellence, eine unbeugsame, stolze Frau, durch keine Not zu brechen, dabei liebevoll und mütterlich wie kaum eine. Als "die tolle Gräfin",die "nordische Venus", die "Madonna mit dem Kind", Prophetin der "freien Liebe" und "Königin der Bohème" reichen ihre sozialen Wirkungen bis in die Ideen der 1968er Rebellion hinein, sie dürfte eine der wirkungsreichsten und dabei unbekanntesten Lebensstil-Revolutionärinnen des Jahrhunderts sein.
--------Auszug:
5. Der Geldkomplex
(1): Psychologie des Geldes
Wir betreten nun das Gebiet der Ökonomie, auf dem Franziska Bedeutendes gefunden hat, ohne es zu wissen. Aber wenn einst die Namen gerühmt werden, die an der Befreiung der Menschheit vom Fluch des Geldes mitgewirkt haben, dann wird sie als eine der Ersten genannt werden müssen.
Das Wallstreet Journal schrieb 1990: "Der Zusammenbruch des Ostens kam für die westliche Wirtschaft keine Minute zu früh." Tatsächlich ist die kapitalistische Marktwirtschaft scheinbar Sieger im Wettlauf der Systeme geblieben, aber das hat nicht viel zu sagen. Erstens war das drüben gar kein richtiger Sozialismus - dieser Versuch steht immer noch aus. Und zweitens steht die Weltwirtschaft seit Jahren so knapp vor dem Zusammenbruch,- durch weltweite Spekulationsströme, Kredit- und Zinsanhäufung, Auseinanderklaffen von reich und arm, von Staatsschulden bei privatem Reichtum, Überproduktionskrisen -, daß man sich eher wundern muß, daß überhaupt noch etwas funktioniert. Einige moderne amerikanische Ökonomen sind schon auf die Idee gekommen, zur Beschreibung von Geldströmen das Geld wie eine eigenständige, unabhängige Persönlichkeit zu betrachten, mit Launen, Vorlieben und Charakter: eine Vorstellung, die von Franziska von Reventlow stammt und in ihrem Roman "Der Geldkomplex" erstmals ausgeführt wurde.
"Ich bin tatsächlich dahingekommen, das Geld als ein persönliches Wesen aufzufassen, zu dem man eine ausgesprochene und in meinem Falle eine qualvolle Beziehung hat. Mit Ehrfurcht und Entgegenkommen könnte man es vieleicht gewinnen, mt Haß und Verachtung unschädlich machen, aber durch liebevolle Indolenz verdirbt man`s vollständig mit ihm."(Der Geldkomplex, Ullstein TB 37056, S.11)
"Ich werde mich hüten, das Geld durch meine persönliche Einmischung noch rebellischer zu machen."
Die folgenden, achtzig Jahre alten Ausführungen zum "Geldkomplex" wirken wie zeitgenaue psychologische Kommentare zum aktuellen Wirtschaftsgeschehen, den leichtsinnig-verbrecherischen Unterschlagungen des "Baulöwen" Schneider etwa, oder den spielerischen Milliardenverlusten des Optionenhändlers Nick Leeson an der Börse Singapur, womit er die Bank der englischen Königin ruinierte:
"Ist man selbst überzeugt, daß man doch nicht wird zahlen können, so kommt es nicht in Betracht, wie hoch die Rechnung wird." (41)
"Ich fühlte, daß die Kluft, die sich zwischen ihm - dem Geld - und mir aufgetan hatte, nicht mehr zu überbrücken war. Es begann sich an mir zu rächen, und das Infame an dieser Rache war, daß es mich nicht nur mied, sondern eben durch seine völlige Abwesenheit alle meine Gedanken und Gefühle ausschließlich erfüllte, mich volllständig in Anspruch nahm und sich nicht mehr ins Unterbewußtsein verdrängen ließ.(12)
"Sie sind auf dem Holzweg, weil Sie an dem Geld gerade das Sauerverdiente so schätzen und hervorheben. Es ist ein widerwärtiger Ausdruck und ein widerwärtiger Begriff. Es kann auch auf sauerverdientem Geld kein Segen ruhen, es muß uns hassen, weil wir es an den Haaren herbeigezogen haben, wo es vielleicht gar nicht hinwollte, und wir müssen es hassen, weil wir uns dafür geschunden haben....Der Baulöwe hatte es aber anscheinend doch auf die Bank gelegt, um sich später einmal gute Tage zu machen?- Um so schlimmer, dann wird es gar noch zum "sauer Ersparten", was die Leute bekanntlich immer auf tragische Weise einbüßen. Ich begreife auch, daß das Geld sich solche Bezeichnung nicht gefallen läßt Sauer erspart...sagen Sie es sich nur ein paarmal vor, womöglich mit knarrender Stimme...: Wie Krähen im Herbst." (30)
"Das Spiel hat nichts Aufregendes, es wirkt im Gegenteil beruhigend, man sieht nur Geld, hört nur Geld, fühlt nur Geld, und das ist gerade,was mir nottat. einmal gehört es mir, einmal nicht, es rollt fort, schiebt sich wieder vor mich hin - es muß sich passiv verhalten, kann sich keine eigenen Launen mehr leisten, sondern muß sich denen des Roulette fügen. Und ich tyrannisiere es, denn ob ich spiele, und wie hoch, oder wieder aufhöre, steht in meiner Macht." (105)
"Es benahm sich schon manchmal, als ob es mich wirklich gern hätte und bei mir bleiben wollte, denn es kam immer wieder, wenn wir auch noch so leichtsinnig setzten." (107
[...]
----------------Der ganze Vortrag
FRAUEN UM ERICH MÜHSAM:
FRANZISKA GRÄFIN ZU REVENTLOW
oder: Das Geld kommt nur zu dem, der es mehr liebt als alles andere.
Ein sehr persönlicher Lesebericht von Wolfgang Kröske, Berlin. ("Dr. Seltsam")
Vortrag auf der Tagung der Erich-Mühsam-Gesellschaft am 13. Mai 1995 in Malente.
unter
http://www.drseltsam.net/frauen.html
Das Geld sei also beseelt. Dann muß fiat-money so eine Art Frankenstein sein. Homunculus. Wie lockt man den an?
Gruß
L