Hallo zusammen,
wir haben ja zu Beginn des threads festgestellt, dass in Jahren der Erholung auf eine vorangegangene Baisse besonders hohe Zuwächse erzielt werden können. In dem Buch von Siegel wird ein Zusammenhang zwischen dem Ende einer Rezessionsphase und der Erholung des Aktienmarktes festgestellt, was man ja normalerweise auch erwarten sollte.
Zunächst laufen die Aktienindizes dem Konjunkturzyklus voraus, wie Siegel feststellt. Als Rezessionsphase werden die Jahre 1948/49, 1953/54, 1957/58, 1960/61, 1973/75, 1980, 1981/82 und 1990/91 identifiziert. Die Zeitverzögerung zwischen den Erreichen des Gipfels im Konjunkturzyklus und jenem des Aktienmarktes beträgt im Durchschnitt 5,6 Monate, wobei die absoluten Werte allerdings zwischen 0 und 13 Monaten streuen. Der durchschnittliche Rückgang des Monatsmaximums beträgt -15,6 %. Extrem ist die Rezession 1973/75, hier gibt es einen Monat mit einem Rückgang von -40!. Aber zum Zeitpunkt des Konjunkturhochs beträgt der durchschnittliche Rückgang ab dem Hochpunkt des Aktienmarktes nur -6,49%.
In Erholungsphasen läuft der Aktienmarkt im Durchschnitt um 5,1 Monate voraus bei einer relativ geringen Abweichung. In den letzten fünf Erholungsphasen betrug der time lag stets zwischen 4 und 6 Monaten. Besonders deutlich war der Anstieg wiederum in der langen Rezession 1973/75. Der Tiefpunkt im S&P 500 war im September 1974 erreicht, das Konjunkturtief lag im März 1975. In diesem Zeitraum lag der Zuwachs der Aktien bei +35,6 %. Durchschnittlich lag er in Erholungsphasen bei +23,6%. Eine Rezession oder Erholung in diesem Sinne ist eine Phase der wirtschaflichen Entwicklung, die vom NBER/National Bureau of Economic Reesarch als eine solche identifiziert wird, dies geschieht über einen Bündel von Indikatoren, nicht über einen einzigen.
Es war in der Vergangenheit somit lohnender, den unteren Wendepunkt zu treffen als den oberen, da die Gewinne, die aus einer Erholung folgten, wesentlich grösser waren als die Verluste, die einer Vorwegnahme der Rezession folgten. Unglücklicherwiese haben die Auguren in der Vergangenheit das Ausmass der letzten Rezessionen unterschätzt, während sie umgekehrt Rezessionen vorhersagten, die dann später nicht eintrafen. Der spektakulärste Fall war der berühmte Crash des Jahres 1987, der sich aber nur als vorübergehend und nicht als Anfang einer Baisse herausstellte, da das makroökonomische Umfeld stabil blieb. Die Geldmenge konnte damals gefahrlos angehoben werden, da es keine allgemeinen Inflationserwartungen gab, was auf den Aktienmarkt stimulierende Effekte ausübte.
Die Schlussfolgerungen von Siegel sind folgende:
1. Die Unternehmensgewinne sind eng mit dem Konjunkturzyklus verknüpft. Kann ein Wendepunkt im Konjunkturzyklus korrekt vorhergesagt werden, dürfte daraus ein enormer Gewinn erzielt werden. Dies ist in der Vergangenheit allerdings nur sehr wenigen gelungen. Dann, wenn der Wendepunkt allgemein erkannt worden ist, ist es für entsprechende Entscheidungen längst zu spät.
2. Die schlechtestmögliche Entscheidung ist die, dem allgemeinen Sentiment zu folgen und zu verkaufen, wenn die Kurse tief stehen(wie während eine Rezession) und zu kaufen, wenn sie hoch stehen(wie während eines Booms), dies bestätigt einmal mehr das antizyklische Prinzip.
Schlussfolgerungen, die ich aktuell ziehen würde: Wann die gegenwärtige Baisse beendet ist, kann auch ich nicht vorhersagen. Doch haben die Kursverluste gemessen an den Höchstständen speziell in Deutschland Rekordausmasse erreicht. Ob dies bereits ein guter Kaufzeitpunkt ist, kann man schwer sagen, dazu müssen sich erst noch Anzeichen einer bevorstehenden Erholung stärker herausbilden, von der derzeitigen weltpolitischen Lage einmal abgesehen. Ganz sicher ist es jedoch ein schlechter Verkaufszeitpunkt.
Gruss,
deaf ear