Ich habe in meinen ersten 2 Posts einen groben Überblick über mein Vorgehen gegeben, jetzt möchte ich nach und nach auf die Details eingehen.
Da ich selbst erst "lerne", wird das vermutlich keine straight-forward Anleitung, sondern es wird etwas "messy" werden. Es kann auch gut sein, dass ich Fehler mache. Wenn jemanden also etwas auffällt, bitte bescheid sagen.
Ich schreibe das hier auch für mich selbst nieder, da ich neue Sachen viel besser verstehe wenn ich es mit eigenen Worten erkläre.
Das ganze wird auch etwas theoretisch werden, aber ich versuche immer einen Praxisbezug herzustellen. (Im Endeffekt möchte ich damit ja reale Unternehmen bewerten und meine Entscheidungsfindung darauf aufbauen - da nützt mir ein ausschließlich theoretisches Konzept wenig.)
In diesem Post geht es um die Ermittlung der Eigenkapitalkosten. Ich habe dafür 2 Ansätze.
Wenn man mit beiden Ansätzen auf ein ähnliches Ergebnis kommt, dann weiß man, dass man ungefähr richtig liegt.
Man geht hier davon aus, dass Eigenkapitalkosten für Aktien ca. 1% überhalb von Investmentgrade-Unternhemensanleihen beginnen sollten. Das klingt auch durchaus logisch, denn Anleihen sind prinzipiell das risikolosere Investment. Denn zuerst werden Anleihen bedient und dann erst die Aktionäre. Wenn man also für eine Anleihe 6% bekommt und das Unternehmen nur 5% Eigenkapitalrendite aufweist, dann wird sich jeder Investor die Anleihe kaufen, denn weniger Risiko und mehr Ertrag.
In den USA beträgt die corporate Bond Yield für BAA (=gerade noch Investmentgrade) 5.50%. (Hier) Die Eigenkapitalkosten für Unternehmen beginnen in den USA also bei 6.50%.
Jetzt wissen wir wo die Kosten beginnen, aber wo hören sie auf? Venture Capital ist die Obergrenze. Denn VC ist riskanter als "normale" Aktieninvestments und muss daher höhere Renditen aufweisen. Diese Zahlen bekommt man leider nicht so leicht wie die der Anleihen. 2020 betrug VC in den USA aber so 13-14%. Historisch eher 18%. Man kann sich entweder lange auf die Suche nach den VC-Renditen machen, oder man nimmt eine Abkürzung.
Die Abkürzung lautet wie folgt: Man nimmt an, dass sich sämtliche Aktien in einen Bereich von ca. 7% oberhalb der unteren Grenze bewegen. Also wenn, die untere Grenze bei 6.50% liegt, dann liegt die obere Grenze bei 13.50%. Wenn sich die untere Grenze auf 7.50% verschiebt, dann verschiebt sich die obere Grenze auf 14.50%.
Man sollte aber einmal im Jahr versuchen irgendwo die Rendite für VC herzubekommen. Als Vergleich sozusagen. Vermutlich bekommt man früher oder später auch ein "Gespür" dafür.
Für die USA haben wir jetzt den Bereich 6.50% - 13.50% für halbwegs "normale" Unternehmen eingegrenzt. Ein Unternehmen, dass erst seit 1 Jahr an der Börse ist, ein neues Geschäftsmodel hat und noch keine Historie aufzuweisen hat, würde ich nicht in diese Range stecken. Das ist dann schon eher VC. Als Beispiel würde ich hier PYRUM anführen.
Diesen Bereich unterteile ich in 3 Sektoren. 6.50-8.50% für ganz stabile und sichere Unternehmen, 8.50-11.50% für halbwegs stabile und normal verschuldete Unternehmen und 11.50-13.50% für zyklische und höher verschuldete Unternehmen.
Als Beispiel würde ich gerne AutoPartner heranziehen (Polen):
Es gibt fast keine Anleihen in PLN wo man die Kurse einsehen kann. Zumindest habe ich keine gefunden. Ich hab mir jetzt ein bisschen anders weitergeholfen:
PKN Orlen hat 2021 eine Anleihe mit WIBOR 6M + 0.9% ausgegeben. Das Rating der Firma betrug damals BBB-. Also genau noch Investmentgrade. Der WIBOR 6M liegt bei 7.25%. Also Rendite der Anleihe liegt bei 8.15%. Wenn man hier jetzt den 1% -Aufschlag dazurechnet kommt man für polnische Firmen auf EK-Kosten von mindestens 9.15%! Die "Range" beträgt für polnische Firmen 9.15 - 16.15%.
Jetzt muss man abschätzen wie stabil AutoPartner ist. Dazu schaue ich mir die Stabilität der EBIT-Margen, die Verschuldung, die Größe des Unternehmens, und die Umsatzentwicklung an. Der Punkt ist eher subjektiv, aber ich würde behaupten, dass man sich bei einer Firma zumindest auf einen der 3 Sektoren einigen kann.
AP ist meiner Meinung nach eher stabil aber trotzdem noch eher klein und in einem sich schnell entwickelnden Markt unterwegs und ich würde es daher am unteren Rand des mittleren Sektors einordnen. Also bei 11.15-14.15% am unteren Rand -> 11.50%
Bei diesem Ansatz lautet die Formel: EK-Kosten = Risk-free-rate + Beta * Equity-risk-Premium Ich möchte auf jeden der 3 Werte etwas genauer eingehen:
Wenn man ein Unternehmen in USD bewertet, dann muss man auch die USD-RFR heranziehen.
Risk-free ist nur etwas ohne default risk und ohne reinvestment risk. Ohne default risk sind nur AAA-Länder und das reinvestmentrisk ist beim Benutzen von 10-jährigen Anleihen halbwegs ausgeschlossen.
Im Falle von USD wäre die RFR zurzeit 3.66%. Kann man hier nachschauen.
Im Falle von einer polnischen Firma in Euro, darf man aber nicht die 10y-Staatsanleihen von Griechenland heranziehen, sonder man muss die von einem AAA-EU-Land (z.B. Deutschland) heranziehen. Denn in den 10y-Staatanleihen von Griechenland ist ein default risk enthalten. Griechenland hat ein Risiko bankrott zu gehen. Für den Euro ist die RFR also zurzeit 2.35%. (Egal in welchem Euro-Land die Firma sitzt)
Wenn die Firma in Brasilien sitzt und man die Firma in der nationalen Währung bewerten möchte, dann muss man auch die RFR für den Brazil-Real herausfinden. Die 10y Staatsanleihe beträgt 13.4%. Das Rating für Brasilien beträgt Ba2 und der default Spread zu den AAA-Ländern somit 3.68%. Die RFR in Real beträgt somit 13.4%-3.68% = 9.70%. Den Default Spread bekommt man entweder durch den Vergleich von Credit-default-swaps oder der differenz von anleihen von Brasilien und den USA (beide in USD denominiert und gleiche Laufzeit). Oder man macht es sich einfach und holt sich die Daten von der Website von Damodaran. (je nachdem welche Methode man benutzt, wird man auf leicht unterscheidliche Werte kommen.)
Für unser Beispiel Autopartner, können wir eine RFR für PLN von 6.11%-1.04% = 5.07% festhalten.
Das ist sozusagen das Prämium was man mit Aktien über der RFR verdienen kann. Historisch liegt es irgendwo bei 4.20% für den US Markt. Aber diese historische Betrachtung hat 2 Nachteile: Erstens sie wird mit historischen Daten gefüttert und verändert sich daher nur minimalst und passt sich nicht den aktuellen Martkumfeld an. Zweitens ist die Standardabweichung sehr hoch und das ERP somit fast unbrauchbar.
Damodaran versucht ein implied ERP zu errechnen. Indem er die aktuelle Rendite + Wachstum versucht abzuschätzen. Natürlich auch kein 100% perfekter Ansatz, aber ich schätze, dass er parxistauglicher ist. Zurzeit kommt er auf ein ERP von ca. 6%. Würde man mit dem historischen von 4.2% rechnen, dann würde jede Aktie sehr billig ausschauen, obwohl sie es gar nicht ist.
Wenn man schon das historische ERP nehmen möchte, dann muss man aber auch auf alle Fälle die historische RFR heranziehen. Diese liegt bei ca. 4.0-4.5%. Aber ich nehme hier einfach die Daten von Damodaran. (siehe vorher verlinkte Datei)
Falls ein Unternehmen in mehreren Ländern aktiv ist, dann muss man auch das ERP für mehrere Länder brechnen. Z.B. 50% Umsatz in Deutschland und 50% Umsatz in Polen: Deutschland ERP *50% + Polen ERP * 50% = 5.94*50% + 7.40%*50% = 6.70% = ERP-gewichtet.
Eigentlich sollte man den Wert des Unternehmens pro Land heranziehen, aber das ist sehr schwer umzusetzen, deswegen benutze ich den Umsatz.
Wenn man jetzt in einem Land unterwegs ist, dass nicht AAA ist, dann muss man den Default Spread * einem gewissen Ratio dazurechnen. Für Polen wäre dieser Wert 1.46%. Das AAA ERP (z.B. USA oder Deutschland) betragen zurzeit 5.94%. Das für Polen demnach 5.94+1.46 = 7.40%
Bis jetzt hat man die RFR und den default Spread berücksichtigt und auch auf Landesebene das ERP. Da aber nicht jedes Unternehmen gleich riskant ist, kommt noch ein weiterer Faktor ins Spiel: Das Beta.
Es gibt unzählige Möglichkeiten das Beta zu berechnen. Der üblichste ist eine Regression auf die Differenz-Renditen zu einem Index. Das ist aber wiederum sehr unpraktisch, denn erstens ist der Standarerror sehr hoch und zweitens verändert sich das Beta sehr stark, je nachdem welche Zeitspanne man nimmt.
Damodaran hat deshalb ein Bottom-up-Beta entwickelt. (siehe hier) Er berechnet sich alle Beta eines Sektors (also z.B. Chemie) und bereinigt es um die Schulden. Das Ergebnis ist ein sehr konstantes unlevered-Beta. Dieses Beta kann man mit der Formel BETA = unlevered-Branchen-Beta * (1+(1-tasrate)*(Debt/MCap)) auf das endgültige Beta umrechnen.
Falls ein Unternehmen in mehreren Branchen aktiv ist, muss man ein Umsatz-gewichtetes-unlevered-Beta berechnen und dieses dann mit der oben genannten Formel auf das endgültige Beta umrechnen.
Eigentlich sollte man den Wert des Unternehmens pro Branche heranziehen, aber das ist sehr schwer umzusetzen, deswegen benutze ich den Umsatz. Wenn man es schafft auf den "Wert" zu rechnen wäre es aber sehr von Vorteil, denn das kann schon einiges ausmachen. Bei einem Software-Unternehmen mit Consulting Leitung (SAP) steht dem Software-Bereich ein viel höherer Wert zu (KUV) und deswegen sollte dieser Bereich noch stärker gewichtet werden.
Für AutoPartner wäre das Beta wie folgt:
Branche: Retail (Distributor) -> unlevered Branchen Beta von 0.76
Debt/MCap Ratio= 0.24
Taxrate Polen = 19%
Beta = 0.76*(1+0.81*0.24)= 0.90
GESAMT: EK-Kosten = RFR + Beta * ERP = 5.07% + 0.90 * 7.40% = 11.73%
Man sieht, dass die theoretisch errechneten EK-Kosten relativ genau den pragmatischen EK Kosten entsprechen. Man kann also durchaus mit diesen 11.50% in die weitere Berechnung einsteigen.