Diese ganzen schönen und einfachen Modelle (CAPM, VaR und wie sie alle heißen) haben meines Erachtens zwei grundlegende Schwächen:
1. Unzutreffende Modellannahmen
Um die Wirklichkeit in ein Modell zu gießen, muss man sie vereinfachen. Dagegen ist ertsmal nichts einzuwenden. Problematisch wird es aber, wenn man sie zu stark vereinfacht. Dann hat man am Ende zwar ein schönes und leicht zu handhabendes Modell, nur dummerweise hat dies (oft genug) nicht mehr viel mit der Realität zu tun.
Ein schönes Beispiel ist die Normalverteilungsannahme bei Aktien: Die Renditen von Aktien seien normalverteilt, liest man immer mal wieder. Das ist schön, nur stimmt es leider nicht. Aktienkurse machen Sprünge, es gibt extreme Ereignisse (öfter als dem Modell lieb sein kann), die Verteilungen haben Ränder, fette Ränder. Dazu kommt noch, dass die Volatilität keine starre Größe ist, wie oft angenommen. Das sollte spätestens jedem klar sein, der sich die Charts des VDAX bzw. VIX vom letzten Jahr ansieht. Für uns hier ist das alles nichts Neues, aber andere scheinen damit Probleme zu haben...
2. Vergangenheitsbezogenheit
Gut, die oben angesprochenen Einwände lassen sich beheben. Das kann man alles in die mathematischen Modelle rein stopfen, wenn man will: Sprungkomponenten, zeitlich veränderliche Volatilität, nicht-observable stochastische Driftprozesse, was einem halt so einfällt. Da tut sich aber gleich ein neues Problem auf, nämlich das Problem der Parameteridentifikation - bei solchen Modellen sind es leider mehr als nur μ und σ.
Es ist schon schwer genug, überhaupt Methoden zur Behandlung derartiger inverser Probleme zu finden. Die Rechnungen dann auch noch mit hinreichender Genauigkeit und numerisch einigermaßen stabil hinzubekommen, erschwert die Sache zusätzlich. Abhilfe schaffen können zusätzliche Daten. Aber wo bekommt man die her? Von da, wo in diesen Fällen sämtliche Daten herkommen: aus der Vergangenheit.
Je komplexer die Modelle werden, desto weiter wird man den Beobachtungszeitraum in die Vergangenheit ausdehnen müssen, um die entsprechenden Parameter zu schätzen. Wenn man Glück hat, kommt dabei ein Modell heraus, das ziemlich gut passt - für ebendiese Vergangenheit. Das kann dann auch zukünftig funktionieren, aber meistens nur solange sich nichts Gravierendes ändert.
Manchmal gibt es aber gravierende Veränderungen, ein kleines Virus zum Beispiel, das niemand auf der Rechnung hatte. Mit einem solchen "schwarzen Schwan" können diese Modelle jedoch nicht umgehen. Im dümmstmöglichen Fall verlieren die Verantwortlichen irgendwann die Nerven, schmeißen das ganze Modell komplett über den Haufen und schichten genau zum falschen Zeitpunkt um. Etliche Riester-Fondssparer können ein Lied davon singen...
An der Stelle sind wir auch bei der Sache mit den chaotischen Attraktoren angekommen, die woodpecker hier so schön beschrieben hat. Aber wie will man diese "Katastrophen" und die damit verbundenen Konsequenzen in einem (einfachen) Modell berücksichtigen? Antwort: Es geht nicht, es sei denn man hat - wie Jim Simons - den "Heiligen Gral" gefunden oder gibt dies zumindest vor.
Kurzum, ich halte nicht viel von derartigem "dynamischem Risikomanagement", denn es ist in vielen Fällen letztlich doch nur eine mehr oder weniger statische Extrapolation der Vergangenheit in die Zukunft, was früher oder später schief geht. Beispiele dafür gibt es zur Genüge.