KBV + Marktkapitalisierungs-Strategie

  • Die Resultate zu Deutschland (oben) weichen ja recht deutlich von den Tabellen bei Tweedy-Browne ab.


    Jetzt dasselbe Spiel fuer die Londoner Boerse:


    Jahr KBV-max 0..20 Mio GBP 20..55 Mio GBP 55..140 Mio GBP 140..400 Mio GBP > 400 Mio GBP
    1993 0.6 41.75 38.93 7.62 7.19 -5.25
    1994 0.9 5.50 5.68 -7.83 -10.77 -3.98
    1995 0.9 27.34 25.79 3.26 18.67 5.06
    1996 0.9 19.67 15.88 10.97 6.68 12.25
    1997 1.00 25.02 10.51 10.75 15.38 22.40
    1998 0.9 15.02 0.28 8.20 8.60 8.88
    1999 0.8 25.58 17.76 49.35 0.83 2.26
    2000 0.8 -1.93 5.53 6.71 15.04 -6.5
    total 19.05 14.47 10.17 7.32 3.99


    Das ist ziemlich genau dieselbe Tabelle wie wir sie von Tweedy-Browne kennen, sogar fast dieselben Zahlen.


    Im Vergleich mit Frankfurt faellt auf, dass in London die KBV-Grenze fuer die unterste KBV-Quintile deutlich niedriger liegt. Ich kann nicht sagen, ob es da mehr unterbewertete Firmen gibt oder ob bloss die Datenbank umfangreicher ist.


    Balkenchart
    [br][size=1](Diese Nachricht wurde am 13.12.01 um 23:21 von Balkenchart geändert.)[/size]

  • Hallo zusammen,


    jetzt habe ich nochmal eine Rechnung laufenlassen, um die neueste Idee aus der SmallCap-Diskussion zu testen, naemlich kleine Firmen mit niedrigem KBV zu kaufen.


    Die Simulationsregeln sind wie im Thread `Witchdream in Japan'.


    Zuerst Deutschland 1.7.1993 bis 30.6.2001:


    Jahr KBV-max 0..32 Mio EUR 32..90 Mio EUR 90..240 Mio EUR 240..700 Mio EUR > 700 Mio EUR
    1993 1.2 27.39 42.27 27.91 41.19 27.32
    1994 1.5 -6.26 -14.66 -13.08 -10.91 0.91
    1995 1.5 12.18 38.04 -6.04 -9.9 19.79
    1996 1.3 38.30 33.88 30.56 46.30 39.79
    1997 1.2 10.42 9.57 24.72 24.97 11.77
    1998 1.4 -1.06 -20.00 -2.74 -4.10 -14.89
    1999 1.5 12.78 1.10 -9.41 2.83 4.22
    2000 1.3 -6.04 -4.61 6.34 15.45 36.8
    total 9.99 8.33 6.00 11.33 14.32


    Alle Firmen der Datenbank werden in Quintilen bzgl. Marktkapitalisierung eingeteilt (Spalten der Tabelle). Am 1.7. jeden Jahres werden aus jeder Quintile diejenigen Aktien gekauft, die zu den 20% aller Aktien mit dem niedrigsten KBV gehoeren (Grenze in erster Spalte angegeben). Das KBV wird aus dem Buchwert des vergangenen Kalenderjahres und dem Tageskurs zum 30.6. berechnet. Die Aktien werden exakt 1 Jahr gehalten. In der Tabelle eingetragen ist die prozentuale Gesamtperformance inclusive Dividende. Die letzte Zeile der Tabelle gibt die effektive jaehrliche Performance ueber den gesamten Zeitraum an.


    Die Performance ist okay, aber nicht besonders beeindruckend. Bei der Volatilitaet fallen vor allem die Unterschiede der einzelnen Jahre auf.


    Entegen dem Resultat von Tweedy-Browne loht es sich, grosse Firmen zu kaufen.


    Fortsetzung folgt...


    Balkenchart
    [br][size=1](Diese Nachricht wurde am 13.12.01 um 23:22 von Balkenchart geändert.)[/size]

  • Zum Schluss noch Tokio:


    Jahr KBV-max 0..15 Mrd JPY 15..31 Mrd JPY 31..60 Mrd JPY 60..150 Mrd JPY > 150 Mrd JPY
    1993 1.2 22.55 13.74 12.75 9.84 24.47
    1994 1.2 -33.80 -36.99 -35.77 -36.17 -31.22
    1995 1.4 61.11 57.53 60.95 54.75 52.72
    1996 1.2 -24.84 -23.55 -21.62 -22.65 -18.04
    1997 1.3 -35.05 -34.08 -29.53 -34.36 -35.48
    1998 0.9 25.41 18.55 19.33 23.17 23.75
    1999 0.6 -11.34 -9.63 -12.15 23.22 -3.56
    2000 0.5 1.51 7.88 22.60 11.56 -28.03
    total -4.02 -5.11 -2.34 -0.87 -6.31


    Man sieht wieder an der KBV-Grenze, wie der Gesamtmarkt ueber die Jahre abgewertet wird. Kleine Firmen sind aber offenbar anfaelliger gegen Kursverluste als mittelgrosse. Im japanischen Baerenmarkt sieht die Lage wieder ganz anders aus als in den Tweedy-Browne-Statistiken.


    So. Das sind die Zahlen. Jetzt diskutiert mal schoen.


    Viele Gruesse


    Balkenchart
    [br][size=1](Diese Nachricht wurde am 13.12.01 um 23:37 von Balkenchart geändert.)[/size]

  • Den Unterschied zwischen D und dem Rest der Welt finde ich verblüffend.
    Ein Erklärungsversuch:
    Im angelsächsischen Raum werden Aktien, die die Erwartungen der Anleger nicht erfüllen häufig brutalstmöglich abgestraft, in D war das bis vor Kurzem so nicht üblich - aber wir sind ja lernfähig. Gab es in D schon früher ähnliche Strafaktionen wie bei Bayer und Heideldruck?
    Wenn ein Unternehmen richtig schlechte Zahlen vorlegt, gehen KGV und KCV stark nach oben, das KUV meist mäßig und das KBV sollte relativ konstant bleiben. Deshalb ein extrem niedriges KBV, wenn der Kurs in den Keller geschickt wird.
    Kein Crash - kein Turnaround - keine Performance.

    Das Drehbuch für den Untergang steht fest - es geht nur noch um den Preis für die beste Maske (H. v. Buttlar)

  • Hallo zusammen,


    erst mal ein fettes Dankeschön an Balkenchart für die Arbeit - ich beneide ihn mehr und mehr um seine Datenbank...


    Was die Ergebnisse betrifft: UK sieht wie eine lehrbuchmässige Bestätigung der Strategie aus, Japan sieht mir zunächst nach Zufallsergebnis aus, und in Deutschland haben ganz offensichtlich grosse Firmen mit niedrigem KBV besser abgeschnitten. Ich muss zugeben, dass mich speziell dieses Ergebnis enttäuscht hat.


    Kann / muss man deshalb die Strategie verwerfen?


    - Wenn man von der Datenbasis ausgeht, würde ich sagen: nein. In den US-Studien sind wesentlich grössere Zeiträume berücksichtigt worden, die dann zu wirklich konsistenten Ergebnissen geführt haben: es bestehen klare Trends innerhalb der 10x10-Matrix (10 KBV-Dezile x 10 Cap-Dezile), mit einem sich überlagerndedn Einfluss von KBV und Cap. Im Vergleich dazu ist die Untersuchung von Balkenchart vom Zeitraum und vom KBV-Ausschnitt her recht begrenzt, obwohl ich bei einer "Studiendauer" von 8 Jahren eine klare Bestätigung der Strategie erwartet hätte. (Das soll keine Nörgelei an der Untersuchung von Balkenchart sein...)


    - Die von Balkenchart untersuchten Aktien sind zunächst einmal solche mit einem niedrigen KBV.  Dass sich Aktien mit niedrigem KBV generell besser entwickeln als solche mit hohem KBV ist zig-mal nachgewiesen und eine Art Naturgesetz der Börse, Antizyklikern bestens bekannt. Deshalb die Frage: haben sich diese Aktien mit niedrigem KBV insgesamt besser entwickelt als die Gesamtbörse?
    In Deutschland stieg der CDAX im untersuchten Zeitraum um jährlich 12,05%. Das wirklich überraschende Ergebnis ist hier, dass nur die etwas grösseren Aktien aus der Gruppe der Aktien mit niedrigem KBV den Gesamtmarkt geschlagen haben - und dies auch nur wegen der sehr guten Performance im letzten Jahr, das das Ende einer langjährigen Hausse markiert hat! Könnte also sein, dass wir in Deutschland den Beginn einer längerfristigen Umschichtung in niedrig bewertete Aktien erleben, die zunächst nur die mid caps und large caps erfasst hat - ich erinnere an die Spitzen-Performance des MDAX im letzten Jahr.


    In UK stieg der FT-All-Share Index im untersuchten Zeitraum um jährlich +8,5%. In UK ist vor allem überraschend, dass die hochkapitalisierten Aktien mit niedrigem KBV den Index nicht geschlagen haben - sie stiegen nur um 3,99%, vor allem wegen zwei lausigen Jahren zu Beginn des Zeitraums (1993 und 1994).


    In Japan fiel der Nikkei-Index jährlich um -5,04% - dort herrschte im Untersuchungszeitraum bekanntlich Dauserbaisse. Auch hier schlugen zumindest die kleinen und mittleren Firmen mit niedrigem KBV den Vergleichsindex.


    - Bleibt also festzuhalten, dass Japan und UK die Strategie einigermassen bestätigen, während in Deutschland nicht einmal die Überlegenheit von niedrigem KBV im allgemeinen nachzuweisen ist. Das kann nun entweder daran liegen, dass von 1993-2000 der Boom von TMT-Aktien das "KBV-Börsengesetz" zeitweilig ausser Kraft gesetzt hat, und / oder, dass speziell in Deutschland die Ermittlung des Buchwerts ungenau erfolgt ist - die deutschen Bilanzierungsrichtlinien erlaub(t)en den Aufbau massiver stiller Reserven, die eine genaue Ermittlung des Buchwertes massiv erschweren. (Die langsame Durchsetzung der Bilanzierung nach IAS oder US-GAAP dürfte hier Abhilfe schaffen - diese gelten bereits für den NM und den SMAX.)


    Na ja - meine Erklärung ist natürlich der Versuch, die Strategie "zu retten". Ob die Argumentation überzeugt, müsst Ihr für Euch entscheiden. Mir wäre es jedenfalls lieber gewesen, die Daten von Balkenchart hätten die Strategie perfekt bestätigt ;D


    Gruss, witchdream

  • Hallo zusammen,


    fuer das merkwuerdige Resultat in D habe ich auch noch keine definitive Erklaerung gefunden. Der HiTech hype wuerde nur 1997-1999 erklaeren. Die Unterperformance der kleinen Firmen besteht aber auch in den uebrigen Jahren.


    Wenn das KBV systematisch falsch waere, weil stille Reserven nicht erfasst sind, dann muessten die KBV-Werte systematisch zu hoch sein (weil ja nicht alle vorhandenen Werte im Buchwert erfasst sind). Im Vergleich mit dem UK sieht das plausibel aus.


    Wenn man also UK als `normal' annimmt, dann sieht man auch, wie sehr Japan ueberbewertet war (und heute unterbewertet ist). Ich tippe, dass es in den USA aehnlich wie im UK aussieht, habe aber leider die Daten noch nicht zusammen.


    Witchdream's Idee mit den Bilanzierungsregeln ist also ein guter Kandidat. Die Daten reichen allerdings nicht aus, um das zu verifizieren (vielleicht in 5-10 Jahren, wenn es dieses Forum dann noch gibt).


    Ein weiteres Problem koennte die Auswahl der Firmen in der Datenbank sein. Da die Daten von einer amerikanischen Firma sind, ist zumindest denkbar, dass sie sich im UK gruendlicher umsehen als in D. Ich erinnere mich auch an eine Studie zu Deutschland und Frankreich, die bei Tweedy-Browne zitiert wird. Dort kommt im wesentlichen dasselbe heraus wie in den USA. Vielleicht haben sie eine bessere Datenbank oder genauere Buchwerte?


    Egal. Ich werde allerdings jetzt sehr vorsichtig sein, wenn niedriges KBV das Hauptmerkmal einer Aktie ist.


    Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch wuenscht


    Balkenchart
    [br][size=1](Diese Nachricht wurde am 29.12.01 um 00:20 von Balkenchart geändert.)[/size]

  • Hallo zusammen,


    den bisherigen  Erklärungsansätzen wäre noch ein weiterer hinzuzufügen:


    Schlichtweg die höhere Varianz, und somit das höhere Risiko im small-cap-Bereich, das für kürzere Betrachtungszeiträume unterschiedliche Ergebnisse als wahrscheinlich erscheinen lässt, was nicht nur am Risko liegt, sondern an den höheren Informationskosten und der höheren Reagibilität dieses Segments auf Änderungen in der (Wertpapier-)nachfrage der Anleger. Der Large-Cap-Bereich bringt ja erwiesenermassen bei vergleichbarem KBV zwar die geringeren aber die gleichmässigeren Erträge. Das Risiko, welches mit der Wahl des Einstiegszeitpunktes verbunden ist, fällt wesentlich geringer aus.


    Darüber hinaus ist der deutsche Markt weniger stark beackert wie der amerikanische, wo es mittlerweile für jeden Investmentsil den passenden Fonds zu geben scheint. Nicht vergessen: Die Jahre seid 1993 waren Boomjahre, dies tut den grossen Titeln normalerweise ziemlich gut, und die kleinen stehen im Schatten, der Techno-Hype 1997-99 tat das seinige dazu. Das Bild kann sich möglicherweise im Zeitablauf ändern.


    Grüsse


    deaf ear
    Grüsse,


    deaf ear  

  • Hallo zusammen,


    zumindest Balkenchart wird sich freuen, wenn ich diesen Thread nochmal "aufwärme": Ralf Sattler bespricht in seinem Buch "Aktienkursprognose" eine eigene Studie von 1994, in der er genau den Zusammenhang von KBV und Kapitalisierung in Deutschland untersucht hat - für den Zeitraum 1969 - 1991.


    KBV und Cap wurden jeweils in fünf Quintile unterteilt, das ergibt eine Tabelle mit 5x5 = 25 Feldern. Hier die durchschnittlichen Jahresrenditen für die 5 Aktiengrössen (von klein nach gross); das KBV nimmt dabei von links nach rechts ab:


    KBV-Klasse: sehr hoch / hoch / mittel / tief / sehr tief
    ________________________________________________
    Cap sehr klein: 6,1 / 9,5 / 13,2 / 15,7 / 19,4
    Cap klein: 10,2 / 8,9 / 10,8 / 10,3 / 17,0
    Cap mittel: 6,8 / 10,7 / 9,6 / 12,8 / 13,4
    Cap hoch: 6,7 / 9,5 / 8,9 / 6,6 / 13,3
    Cap sehr hoch: 5,0 / 6,0 / 9,5 / 11,5 / 13,8


    (Sattler gibt Monatsrenditen an - ich habe diese mit 12 multipliziert.)


    Zur Interpretation Sattler im Original:


    "1. In jeder KBV-Klasse existiert ein weitgehend unabhängiger Grösseneffekt: Gehen Sie dazu die einzelnen Spalten (= Aktien mit sehr ähnlichem KBV-Verhältnis, aber unterschiedlicher Unternehmensgrösse) von unten nach oben durch: praktisch immer haben die kleinen Aktien eine höhere Rendite als die grossen Aktien.
    2. Analog dazu existiert in jeder Grössenklasse (=Zeile) ein KBV-Effekt: Immer haben die Aktien mit dem niedrigen KBV-Verhältnis (die am rechten Rand) eine höhere Rendite wie die mit dem hohen KBV-Verhältnis (am linken Rand)."
    (S. 109)


    Die Schlussfolgerung von Sattler auf S. 111:


    Investmenttip:
    Die Schlussfolgerung ist einfach: Der KBV-Effekt und der Grösseneffekt sind unabhängige Effekte - zumindest in Deutschland. Ganz besonders hohe Renditen kann man erzielen, wenn man in Aktien investiert, die gleichzeitig einen geringen Marktwert und ein niedriges KBV-Verhältnis aufweisen."


    (Sattler verwendet durchgehend statt KBV den Ausdruck MW/BW = Marktwert zu Buchwert; ich habe dies durch den gleichwertigen Begriff "KBV" ersetzt, weil KBV hier im Forum geläufiger ist.)


    Wie gesagt: die Daten beziehen sich auf den Zeitraum 1969 - 1991 in Deutschland.


    Die Ergebnisse sind nicht recht passend zu den Ergebnissen von Balkenchart, der für den Zeitraum 1993 - 2001 in Deutschland die Rendite von Aktien mit niedrigem KBV untersucht hat, und zwar in Abhängigkeit von der Kapitalisierung. Bei Balkenchart haben in diesem Zeitraum Blue Chips (mit niedrigem KBV) bessere Renditen als microcaps (mit niedrigem KBV).


    Ich denke, der Widerspruch lässt sich auflösen: 1993 - 2001 war ein Zeitraum, in dem (über Fonds) immens viel Geld in den Aktienmarkt gepumpt wurde, und davon haben offensichtlich Blue Chips eher profitiert als small caps.


    Die Daten von Sattler beziehen sich auf einen wesentlich längeren Zeitraum, der wohl auch etwas "normaler" war, also weniger verzerrt durch die Aktien-Blase der Neunziger. Für mich als small-cap-Fan ist das geradezu beruhigend: ich rechne damit, dass die Blue Chips insgesamt eher konsolidieren werden, und ich denke, dass die small caps insgesamt eher unter- als überbewertet sind. Die von Sattler gefundenen Zusammenhänge waren vielleicht zeitweilig abgeschwächt, aber sicher nicht ausser Kraft gesetzt. Falls Nachholbedarf für small caps besteht: um so besser!


    Was lernen wir daraus? Strategien sind nur hilfreich und sinnvoll, wenn man sie wirklich über mehrere Jahre bis Jahrzehnte (!!!) konsistent anwendet. Schwierige Kiste !


    Gruss, witchdream


    PS: Falls jemand die Diskussion nicht von Anfang verfolgt hat: Auslöser für die Untersuchung von Balkenchart waren US-amerikanische Studien, deren (langfristige) Ergebnisse mit denen von Sattler übereinstimmen.