Witchdream in Japan

  • Genau, baes, und ich sehe kein klares Argument, warum es bei uns nicht auch ueber viele Jahre gehen kann.


    Um es mit Dreman zu sagen, ich argumentiere mit der 'base rate' (statistisch ueber lange Zeitraeume gesehen sind die Baerenmaerkte recht lange, 1929-1935, 1972-1982 im Westen, 1990-heute in Japan - ach, witchdream, hast Du die durchschnittliche Dauer der Baerenmaerkte nicht irgendwo?), und da weiss ich nicht, mit welcher Wahrscheinlichkeit ich die 'case rate'  (also die Wahrscheinlichkeit, wie Du sagst, dass eine flexible Struktur der Maerkte im Westen auf eine kuerzere Abschwung-Phase hindeutet) multiplizieren muss.


    Was die Prognostizierbarkeit angeht, bin ich jetzt, nachdem ich den Dreman angefangen habe zu lesen, ziemlich desillusioniert.


    Gruesse


    Balkenchart

  • Hallo liebe Diskutanten,


    habe mir vorhin Euren thread durchgelesen.Alle Achtung, das grenzt ja schon an Ernst zu nehmende empirische Untersuchungen.


    Die verschhiedenen Strateguen die ihr für Japan durchprobiert habt, zeigen eines, und da hat baes recht: Nämlich die geundelegende Strukturschwäche, in der sich die japanische Börse exakt seit Beginn der 90er-Dekade befindet und Reflex der Schwäche des japanischen Wirtschaftsmodells ist. Da könnt ihr egal welche Strategie ausprobieren, das Resultat ist in jedem Fall ein klarer zweistelliger Verlist per anno.


    Das japanische Modell istb ein Modell der Nachkriegszeit. Es funktionierte lange Zeit hervorragend. Das MITI legte fest, welche Wirtschaftssektoren entwickelt werden sollten. Dier Binnenwirtschaft wurde abgeschottet, die Expansion ins Ausland nach Kräften unterstützt - Nur so konnte die japanische Industrieproduktion am Weltmarkt untergebracht werden. Dazu künstlich knappgehaltener Boden, um die Bevölerung zum Sparen zu zwingen, denn das benötigte Industriekapital musste zu niedrigen Konditionen verfügbar sein. Doch die hohe Ersparnis drückt den Konsum, und dieser müsste expandieren, um die japanische Binnenwirtschaft zum Leben zu erwecken. Das Instrument niedrigere Zinsen ist nicht verfügbar, und der Staat hat sein Pulver mit unzähligen Konjunkturprogrammen verschossen. Das einzige was helfeb würde, wäre eine durchgreifende Reform des japanischen Wirtschaftsmodells. Ob die japanischer Regierung dies zustande bringt, ist aus heutiger Sicht ungewiss.


    Damit sind wir etwas vom ursprünglichen Thema abgewichen, aber klar ist eines: Eine bestimmte Strategie für Japan kann nur dann aufgehen, wenn die Rahmembedingungen dort wieder besser sind.  Japan als Lokomotive für die Weltwirtschaft und damit für die Weltbörsen kann man im Moment wohl vergessen.


    Grüsse


    deaf ear      



     

  • Hallo deafear,


    also da stimme ich ganz und gar nicht zu. In den 80er Jahren haben die `Experten' immer behauptet, Japan waere die zukuenftige Grossmacht, Europaeer und Amerikaner haetten keine Chance mehr. Die japanischen Vorteile ganz klar: Staerkeres Gemeinschaftsgefuehl, hohe Identifizierung mit ihrer Firma, mehr Einsatz, weniger Individualismus, Bescheidenheit, das japanische System von enger Vernetzung der Politik mit der Wirtschaft sei extrem schlagkraeftig, konzentriert die volle Finanzkraft gezielt auf die Zukunftsbranchen... Ausserdem seien die japanischen Immobilienpreise gerechtfertigt, weil die Zukunft ja ganz klar im fernen Osten liegt... Haben wir alles mal gehoert.


    Jetzt heisst es Vetternwirtschaft, ineffiziente Kapitalallokation, zu starke Verpflechtung von Banken und Industrie, irrationale Immobilienpreise werden halt vom Markt korrigiert...


    Ich bin jetzt gerade in Dreman-Stimmung: Hinterher hat man natuerlich immer einen Spruch bereit, um die Vergangenheit zu `erklaeren'.


    Der Punkt ist, dass 1990 niemand damit gerechnet hat, dass der Einbruch sich ueber 10 Jehre erstreckt und als Bankenkrise mit Deflation daherkommt und jeden Aufschwung im Keim erstickt. Die Japaner haben sich geldpolitisch lehrbuchmaessig verhalten und die Zinsen auf nahezu null runtergefahren, ausserdem hat die Regierung mit Krediten unvorstellbare Investitionsprogramme aus dem Boden gestampft, um die Wirtschaft anzukurbeln - und es ist nichts passiert. Der Markt korrigiert die Ueberbewertung knallhart, und alle Standardmethoden zur Wirtschaftsankurbelung greifen ins Leere.


    Wer sagt uns eigentlich, dass wir mit der Einschaetzung der Lage in den USA nicht genauso falsch liegen? Die Fed senkt die Zinsen, was ist, wenn sie zwar eine schlimme Rezession verhindern kann, aber die Boerse weiter absackt? Wenn Du Dir den Langfrist-Chart des DAX anschaust, dann hatten wir seit 1982 einen klaren Bullenmarkt mit Kurssteigerungen, die deutlich ueber dem wirklich langfristigen Trend liegen. Noch haben wir keine Bankenkrise (das haben die Japaner uebrigens zu Anfang auch gedacht), aber wenn die Leute nicht mehr bereit sind, so hohe Summen fuer Firmenbeteiligungen zu zahlen, dann gehen die Kurse eben runter. Und wer dann welche in seiner Bilanz hat, der muss den Verlust eben abschreiben. Mittlerweile haben sie ja sogar Arbeitslose (offiziell so 5%). Die Japaner muessen natuerlich deswegen noch lange nicht hungern, sie hatten ja immer eine sehr hohe Sparquote. Fuer die USA mit der hohen Verschuldung waere eine aehnlich Situation die absolute Katastrophe.


    Ich denke, es ist unmoeglich, eine Prognose abzugeben. Die Amis koennen da rauskommen, dann geht es Mitte naechsten Jahres wieder aufwaerts, wenn auch langsamer. Aber das muss nicht so sein. Die Geschichte zeigt, dass es auch sehr lange Abschwung-Phasen gibt, die vorher keiner richtig prognostiziert hat. Und die Bewertungsunterschiede Japan/Deutschland deuten an, dass da noch Platz nach unten ist. Das muss nicht so kommen, aber es gibt auch kein Naturgesetz, dass wir verschont werden.


    Eine der wichtigsten Lehren, die ich aus der ganzen Statistik-Diskussion gezogen habe, ist die, dass es sehr lange Trendphasen gibt: Vor dem Bullenmarkt 1982-2000 waren mindestens 10 schwache Jahre. In Japan waren die 80er der absolute Knaller und die 90er ein einziges Desaster (die meisten hier im Forum, ich auch, kennen aus eigener Erfahrung nur die Boom-Jahre der 90er im Westen - Japan erscheint da unnormal).


    Das ist die `base rate': Trends ueber ein ganzes Jahrzehnt oder laenger. Jetzt kommen Leute, die mit dem Einzelfall argumentieren und sagen, der kurze Einbruch ist schnell vorbei, weil [...] oder Japan ist ein Einzelfall, weil dort die Wirtschaftsstruktur sowieso verbockt ist. Ich moechte mein Geld nicht darauf verwetten, dass die Experten ausnahmsweise diesesmal recht haben!


    Deswegen wollte ich wissen, wie unsere Anlagestrategie im Baerenmarkt funktioniert. Ich habe leider nur gute Daten seit 1993, und da ist in Europa und Amerika Boom. Da ich hierzulande nicht in die 70er zurueckgehen kann, um einen Baerenmarkt zu testen, habe ich die japanischen Daten der 90er genommen. Nicht weil der japanische Markt unnormal ist oder um Spass zu haben, sondern weil der europaeische Markt der 90er alleine nicht repraesentativ ist. Wenn ich den japanischen dagegenhalte, dann habe ich immerhin ein Gesamtbild, das sowohl einen steigenden als auch einen fallenden Markt beruecksichtigt.


    Also: Ich nehme das japanische Beispiel nicht als Kuriositaet oder zum Spass, sondern, weil ich einen Baerenmarkt brauche, wenn ich die Strategie ueberhaupt signifikant testen will. Natuerlich sind die Details, warum Japan in die Rezession geraten ist andere, als die, warum die USA jetzt gerade Probleme haben. Also ich wuerde das nicht auf die leichte Schulter nhemen.


    Viele Gruesse


    Balkenchart

  • Hallo Balkenchart, hallo deafear


    zunächst einmal: ihr habt beide die Lage in Japan gut beschrieben. Hat mir gefallen.


    Aus Balkencharts Japan-Statistik-Untersuchungen kann ich für mich nur den Schluß ziehen: Statistik ist -zum Glück ;D- nicht alles!


    Gruß
    bäs
    [br][size=1](Diese Nachricht wurde am 11.09.01 um 09:23 von bäs geändert.)[/size]