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  • ftd.de, Fr, 10.8.2001, 2:00  
    Geldanlage: Freunde der gefallenen Engel


    Der neue Schlachtruf an den Börsen lautet "Antizyklisch denken!" Das allerdings ist gar nicht so einfach, wie es klingt.


    Ohne einen Check der Fundamentaldaten läuft antizyklisches Investieren auf Grund von horst fuggerTonystone"Verwenden Sie für die Analyse einer Aktie mindestens so viel Zeit wie für die Auswahl eines neuen Kühlschranks"Peter Lynch,


    Wo sind sie eigentlich geblieben, die Aktien von Kabel New Media oder Intershop , von Inktomi oder JDS Uniphase ?Niemand scheint mehr solche Titel zu besitzen. Das ist um so seltsamer, als man vor anderthalb Jahren nicht mal zum Friseur gehen konnte, ohne von wildfremden Menschen erzählt zu bekommen, welch enormen Gewinne sie mit diesen Papieren verzeichneten. Die Ex-Stars am Neuen Markt und an der Nasdaq haben Milliarden von Aktien ausgegeben. Wie es dennoch sein kann, dass niemand sie im Portfolio hat, gehört zu den großen Rätseln der Börse. Wer sie nachweislich einmal besaß, hat natürlich längst verkauft. Die Frage lautet demnach: an wen? Gibt es vielleicht doch Anleger, die die Erfahrung eines 99-prozentigen Kursverlustes voll ausgekostet haben?




    Anfänger-Gier



    Natürlich gibt es sie. Meist handelt es sich um Anfänger, die vor lauter Gier die einfachste Grundregel vergessen haben. Sie stammt vom legendären Fondsmanager Peter Lynch und lautet: "Verwenden Sie für die Analyse einer Aktie mindestens so viel Zeit, wie Sie sich für die Auswahl eines neuen Kühlschranks nehmen würden." Gerade in Euphoriephasen wird dies gern vergessen. Das dicke Ende aber lässt selten lange auf sich warten - und plötzlich redet am Stammtisch niemand mehr von seinen Aktienengagements.



    Das Prahlen mit Gewinnen und Verschweigen von Verlusten ist menschlich. Ebenso menschlich ist es, der Masse zu folgen. Wenn schon der Milchmann von seinen Gewinnen mit Biotech erzählt, mag niemand abseits stehen. Das Dumme daran: Die Börsengeschichte kennt viele Beispiele, wie einer allgemeinen Euphorie der Absturz folgte. Je mehr Menschen also optimistisch ihr Erspartes zur Börse tragen, desto näher ist das Ende. Aber auch der Umkehrschluss trifft zu: Je düsterer die Perspektiven aussehen, desto höher die Chancen auf spektakuläre Gewinne. Das gilt zumindest für den Gesamtmarkt.



    Unterbewertete Aktien dagegen gibt es in jeder Börsenphase. Selbst zum Höhepunkt der Hightech-Euphorie im März 2000 konnte man spottbillig Aktien von Weltruf erwerben, die bis heute um 100 Prozent und mehr gestiegen sind. Der gemeinsame Nenner dieser Titel war die Zugehörigkeit zur Old Economy. Die damalige Unterbewertung kam nicht von ungefähr: Wer wollte schon in Aktien aus Branchen wie Öl, Textilien, Tabak oder Energieversorgung investieren, als sich die Kurse der Internetpapiere im Wochentakt verdoppelten?




    Schmerzreicher Lernprozess



    Das Umdenken seither war für viele Börsianer ein schmerzreicher Lernprozess. Jetzt setzen sie darauf, "antizyklisch" in die am schlimmsten verprügelten Branchen einzusteigen. Oft kommen solche Ratschläge allerdings von Leuten, die durch ihre eigenen Argumente beweisen, dass sie keine Ahnung haben, was antizyklisches Vorgehen überhaupt heißt.



    Zum Beispiel bedeutet es nicht, gegen den Trend zu spekulieren. Wer gegen einen stabilen Trend agiert, hat offensichtlich sein Börsenlehrgeld noch nicht bezahlt. Es bedeutet auch nicht, wahllos Aktien zu kaufen, die um 80 Prozent gefallen und damit viel "billiger" sind als noch vor wenigen Monaten. Von jedem beliebigen Einstiegskurs aus, und seien es 0,01 Euro je Aktie, kann man noch 100 Prozent seines Einsatzes verlieren. Es geht bei dieser Strategie vielmehr darum, unterbewertete Aktien zu entdecken, die massiv an Kurswert verloren haben und für die es bereits greifbare Anzeichen für eine Trendwende gibt. Die Unterbewertung lässt sich anhand funda