Strategie durchgerechnet

  • Hallo zusammen,


    eigentlich wollte ich das hier bei fnet posten, aber offenbar seid Ihr ja jetzt alle hier.


    Ich habe mir in der Zwischenzeit einmal die Zeit genommen, eine witchdream-aehnliche Strategie durchzurechnen, soweit es die verfuegbaren Daten zulassen.


    Also: Die Daten sind von www.wisi.com, alle deutschen Aktien, die bei Wisi aufgefuehrt sind. Die Daten reichen bis zu 10 Jahre zurueck. Es sind aber Fehler drin und einige Luecken, und natuerlich nur die Aktien, die heute noch gelistet sind - es gelten also die ueblichen Einwaende bzgl. fusionierten, ge-delisteten oder bankrotten Firmen.


    Kriterien:


    KUV <= 0.6, KBV <= 1.2, KGV und KCV egal.
    Marktkapitalisierung >= 15 Mio EUR und
    Streubesitz >= 5 Mio EUR.


    Gekauft wird jedes Jahr am 1.7. Die Kennzahlen werden aus den Daten des zurueckliegenden Jahres und aus den Tageskursen vom 30.6. berechnet. Die Aktien werden genau 1 Jahr gehalten.


    Die Analyse faengt an mit dem Zeitraum 1993/94 und reicht bis 2000/01.


    Es werden die n=5 (oder n=10) Aktien mit der groessten Kurssteigerung ueber die vergangenen m=6 (oder m=9,12) Monate gekauft, Stichtag ist wieder der 30.6.


    Hier die effektive Performance p.a.:


    m=6 m=9 m=12
    n=5 +19.8% +13.2% +9.9%
    n=10 +18.6% +10.5% +10.5%

    .


    Fuer die n=5, m=6 Strategie sind das in den einzelnen Jahren


    Jahr Performance
    1993/94 +55.2%
    1994/95 -29.4%
    1995/96 -9.2%
    1996/97 +33.6%
    1997/98 +26.6%
    1998/99 +19.8%
    1999/00 +41.5%
    2000/01 -19.3%


    Wie man sieht, ist die Volatilitaet recht hoch, aber die Richtung stimmt grob mit O'Shaughnessy's KUV+RS Strategie ueberein. Die Daten reichen leider nicht aus, um das Risiko vernuenftig abzuschaetzen. Nach den KUV,KBV-Kriterien bleiben fuer einige Jahre nur 20-40 Aktien uebrig. Davon waeren dann die 5 oder 10 mit der groessten Kurssteigerung gekauft worden, das ist schon knapp. Man muesste einfach mehr Daten haben.


    Die Strategie mit m=6 hat zwar eine bessere Performance als m=9 oder m=12, aber scheint auch riskanter zu sein, da es mehr Ausreisser nach unten gibt. Fuer eine gute Statistik habe ich aber
    wieder zu wenig Daten. Ebenso scheint es, dass bei unveraenderten Kriterien die Performance aber auch das Risiko steigt, je weniger Marktkapitalisierung die Firmen haben.


    Ich teste demnaechst noch 0 <= KCV <= 12 und vielleicht ein Kriterium wie z.B. Kursverfall von mindestens 50% nicht weiter als 3 Jahre zurueck oder so.


    Am Ende die Standardfrage: Wo nehmt Ihr Eure Daten her? Wo bekomme ich bessere historische Fundamentaldaten? Welche Daten sind bei den gaengigen Boersenprogrammen dabei?


    Schoenes Wochenende! Fuer jede Art von Tipps und Kritik dankt Euch


    Balkenchart


    Disclaimer: Die oben angegebenen Zahlenwerte enthalten meine persoenlichen Denk-, Rechen-, Tipp- und Programmierfehler. Von einer Nachahmung der Strategie, ohne die Rechnung selbst durchgefuhert zu haben, wird dringend abgeraten.

  • Hallo Balkenchart,


    ich bin begeistert! Dein Befund, dass die relative Stärke über 6 Monate bessere Performance bringt als die über 9 oder 12 Monate könnte Gold wert sein ;-) Es heisst im Klartext: Gewinner schneller identifizieren, und deine Zahlen deuten an, dass das in der Praxis klappen könnte.


    Du sagst, die Volatilität sei höher bei m=6, wegen der Ausreisser nach unten. Hast du das über Standardabweichung o. dgl. durchgerechnet? Wenn nein, willst du die Originaltabellen hier reinstellen? (Wir haben hier Investor - einen Statistikfreak...).


    Und noch ne Frage zur Methodik: wie hast DU den jetzt die historischen KUVs und KBVs berechnet? (Ich vermute, dass du für alle 1000 Aktien nicht nur die historischen Kurse, sondern auch die historischen Umsätze und Buchwerte für jedes Jahr herausgesucht hast??? Wahnsinns-Arbeit, aber super Ergebnisse ;D Oder lief das anders ???)


    Ich selber kenne leider immer noch keine passenden download-Quellen oder Filter für historische Fundamentaldaten :-(


    Bin gespannt auf deine Kommentare,
    Gruss, witchdream


    PS: woraus leitest du ab, dass smallcaps besser performen ? Im Prinzip die gleiche Frage wie oben zum Thema RS.

  • Hoi Balkenchart,


    feine Sache mit der Programmierung - ich schätze mal, es gibt momentan in Deutschland wenige Leute, die über so eine Datenbasis wie du verfügen ;D


    Kleiner Tip: wenn du die Zahl der gefilterten Kaufkandidaten etwas konstanter halten willst, versuch´s mal nicht mit absoluten Grenzwerten (z.B. KUV <=0,6), sondern mit relativen Grenzwerten (z.B. jeweils "billigstes" Drittel beim KUV). Der zusätzliche Rechenaufwand dürfte bei deiner Datenbasis relativ gering sein.


    Was die "Abstürzer" bei m=6 betrifft: in der Praxis könnte man das eventuell über Stop-Loss-Kurse in den Griff kriegen.


    Bleibt die Frage nach der Performance relativ zu Vergleichsindices, wie dem DAX:


    Quer über den Daumen ist der DAX von Mitte 1993 bis Mitte 2001 von ca. 1900 auf 5700 gestiegen:



    Das entspräche einem Zuwachs von ca. 14,7% p.a.


    Eine deutliche Überperformance ergibt sich in diesem Zeitraum nur bei m=6, allerdings sind 8 Jahre während einer Haussephase kaum repräsentativ. Hast du dazu eine Meinung ?


    Mal nachdenken...


    Gruss, witchdream [br][size=1](Diese Nachricht wurde am 28.07.01 um 20:01 von witchdream geändert.)[/size]

  • Hi witchdream,


    O'Shaughnessy wuerde wahrscheinlich sagen, dass der DAX-Anstieg nicht representativ ist. Wie war die langfristige Performance der `Large Companies' noch?


    Genauso kann man natuerlich argumentieren, dass mein Resultat nicht signifikant ist. Aber wenn ich mein Ergebnis und das Buch nebeneinander halte, dann stimmen die Werte fuer KUV+relative Staerke mit meinen etwa ueberein. Da kann man nur hoffen.


    Mir gefaellt die Qualitaet der Daten allerdings ueberhaupt noch nicht. Da muss ich mir noch was einfallen lassen...


    Die Drittel-Regel anstelle der fixen Grenzen werde ich natuerlich auch noch irgendwann probieren.


    Ausserdem ist es ja nicht so schlimm, dass ich im Moment programmiere anstatt Aktien zu kaufen - wenn ich auf die Kursentwicklungen der letzten Wochen schaue, habe ich ja nicht so viel verpasst ;D


    Balkenchart

  • Mensch, hier kommen ja Leute zusammen...
    echt toll


    Ich bin eigentlich kein Freund von stopplosses, aber in eine mechanische Strategie kann oder muß man sie sogar einbauen.
    In meiner Anfangszeit habe ich auch mit charttechnischen Indikatoren gearbeitet und z.B. folgende Strategie durchgerechnet.
    Gekauft werden nur Aktien eines großen Index - z.B. Stoxx 50. Gibt der wöchentliche MACD ein Kaufsignal, wird für 2 % des Vermögens die Aktie gekauft, bei einem Verkaufssignal verkauft. Damit kann man über den (zu  kurzen) Zeitraum meiner Untersuchung jeden Index schlagen. (Bin kein Computerfreak und habe alles von Hand und Excell gemacht)
    Der Charme: In Abschwungphasen bist du nicht voll investiert, weil eine Aktie nach der anderen rausfällt.
    Der Clou: Die Performance ließ sich deutlich steigern, wenn man prozentuale Stopps gesetzt hat, weil dann meist eh der MACD später ein Verkaufsignal generiert. Sogar ein 5% Stopp zum Einstand war besser!
    Wegen der vielen Trades in trendlosen Phasen habe ich das nie weiter verfolgt.
    Aber in einer mechanischen Strategie müßte sich doch die Performance durch stopps steigern lassen.
    Also Balkenchart: könntest du nicht noch ein kleines Programm...


    gruß,
    value

    Das Drehbuch für den Untergang steht fest - es geht nur noch um den Preis für die beste Maske (H. v. Buttlar)

  • Hallo zusammen,


    erstmal nur ein Kommentar zu witchdream: Ich hatte
    vergessen, dass meine Resultate oben ohne Dividenden angegeben sind. Du musst also noch ca
    3.5% (aus dem Kopf, aber so ungefaer ist der Wert)
    addieren. Damit sind dann die Strategien mit
    9 und 12 Monaten knapp unter dem DAX (Performance-Index), die mit 6 Monaten deutlich besser.


    Programmiert wird voraussichtlich erst am naechsten Wochenende wieder. Ich ueberlege, ob ich Stop-Loss-Regeln einbauen kann, wahrscheinlich erstmal nur auf Quartalsbasis (weil ich nicht
    fortlaufende Kurse fuer alle Aktien, wohl aber die Kurse am Quartalsende habe).


    Bis dann


    Balkenchart

  • Balkenchart


    echt cool! Wirklich ne feine Sache, die du da auf die Beine gestellt hat! Ich habe leider auch keine Ahnung, wo man breitere historische Daten herbekommt - aber die Ergebnisse passen schon mal gut ins OS-Bild!


    Ich will nicht wissen, wie viele Stunden du darüber gesessen hast!


    ;D


    Investor

  • Hi witchdream,


    bei 6 Monaten ist mein Eindruck, dass es mehr Ausreisser gibt. Es werden zwar mehr Aktien identifiziert, die dann 50% oder mehr steigen, aber dafuer stuerzen auch 1 oder 2 ziemlich ab. Ich habe aber zu wenige Daten, um gleichzeitig mehr als 10 Aktien zu kaufen. Wenn dann einmal eine abstruerzt, kann ich nicht behaupten, dass das signifikant ist. Ich kann im Prinzip eine Varianz ausrechnen, aber ich fuerchte so richtig signifikant waere das nicht.


    Uebrigens ist oftmals der beste Wert im Depot ein SmallCap - aber wieder zu wenig Daten um signifikant zu sein.


    Egal. Das Problem ist der Umfang der Daten. In der Datenbank sind am Ende brauchbare Daten vorhanden fuer 333 Firmen (1992) bis hin zu 619 Firmen (1999). Nach den Schnitten bezueglich KUV,KBV bleiben dann zwischen 15 und 80 uebrig. Wenn ich zusaetzlich 0 <= KCV <= 12 verlange, werden es noch weniger. Fuer weitergehende Rechnungen habe ich einfach zu wenig Daten.


    Noch etwas: Nach den Schnitten KUV <= 0.6, KBV <= 1.2 und 0 <= KCV <= 12 bleiben in den Jahren 1994 und 1995 besonders wenige Firmen uebrig. Das sind genau die Jahre, in denen die Strategie die meisten Verluste macht (mit 2000 ist der Vergleich schwerer, weil dort die Anzahl der Firmen in der Datenbank nicht mehr vergleichbar ist). Es koennte sein, dass man so einen Hinweis bekommt, wann man besser Anleihen kauft... Aber alles noch nicht signifikant.


    Jedenfalls habe ich jetzt mehr Vertrauen in die Ergebnisse von O'Shaughnessy, nachdem einmal eine Menge selbst gerechnet habe.


    Gruesse


    Balkenchart [br][size=1](Diese Nachricht wurde am 04.01.02 um 02:12 von Balkenchart geändert.)[/size]