Momentum-Strategie

  • Hallo,


    anbei ein Artikel aus dem Online-Angebot des Handelsblattes. Für den AZ-Ansatz ergeben sich daraus zumindest einige Fragen, von wegen Finger weg von "Fallen Angels". Außerdem gibt es einen Hinweis auf die Beurteilung unterschiedlicher Unternehmensgrößen, was hier im Forum ja immer mal wieder ein Thema ist.


    ralf


    [i]Momentum mal...



    Von HOLGER NACKEN



    Was gut ist, bleibt gut: Nach der Momentumtheorie fahren die Aktienrenner der Vergangenheit auch in der Zukunft vorne mit. In der Praxis sind jedoch einige Besonderheiten zu beachten.



    Was haben Tapetenproduktion und Software-Entwicklung gemeinsam? Jeweils ein Vertreter der beiden Branchen zählt zu den Königen des abgelaufenen Börsenjahres. Der Wandbekleidungshersteller A.S. Kreation verbuchte im Kleinwertesegment Smax 2001 ein Plus von 35 Prozent, die Softwareschmiede SAP brachte es bei den Standardtiteln im Dax auf ein Plus von über 26 Prozent – ein stolzer Zugewinn, vor allem vor dem Hintergrund des schlechten Börsenjahrs (siehe Grafik). Neben SAP schafften von 30 Dax-Unternehmen nur Adidas-Salomon, BMW und Daimler-Chrysler eine positive Kursentwicklung, der Index selbst verlor rund 20 Prozent.


    „Ist gut, bleibt gut“ oder „The Trend is your Friend“, mögen da manche Investoren denken und sich bei ihrer Anlage auf eben diese sturmerprobten Sieger konzentrieren. Im Fachjargon heißt diese Taktik „Momentum-Strategie“. Dabei landen die Aktien im Depot, die in einem vorher definierten Vergangenheitszeitraum die beste Kursentwicklung hingelegt haben. Hoffnung dabei ist, dass die Titel von diesem Schwung weiter profitieren. In der Fachwelt ist dieser Ansatz anerkannt, Experten raten jedoch dazu, bei der Auswahl der Aktien auch noch andere Kriterien zu beachten.


    Rückenwind erhält die Momentum-Strategie durch eine Untersuchung der beiden Mannheimer Wissenschaftler Heiko Zuchel und Martin Weber für den deutschen Aktienmarkt von 1973 bis 1997. Die Forscher fanden heraus, dass die Siegeraktien der vergangenen sechs Monate sich im folgenden Jahr über zwölf Prozent besser entwickelten als die Verliereraktien. „Gewinneraktien sollte man mittelfristig im Portfolio behalten oder sogar noch zukaufen“, schreiben die Wissenschaftler. „Und von Verliereraktien sollte man sich trennen, weil diese auch zukünftig eher schlechter rentieren.“ Keine Chance also für Spekulationen auf gefallene Börsenengel.


    Die Forscher fanden außerdem heraus, dass bei mittelgroßen Unternehmen der Momentum-Effekt stärker ausgeprägt ist. Ihr Erklärungsansatz: Diese Unternehmen werden von Analysten und Medien weniger stark beachtet, es dauert daher länger, bis positive Nachrichten bei der breiten Masse der Anleger bekannt werden, im Kurs werden gute Entwicklungen daher langsamer eingepreist als bei den Börsenriesen. Beispiel Microsoft: Wenn die Amerikaner ihre Jahresplanung anheben, redet darüber sofort die gesamte Finanzwelt. Eine ähnlich positive Mitteilung des Heizungbauers Buderus aus dem MDax erreicht zunächst dagegen ungleich weniger Akteure. „Gerade im MDax sind daher noch Unternehmen mit guter Nachrichtenlage zu finden, die aber noch Luft nach oben haben“, sagt Jörg Lanzen, Vermögensverwaltungsexperte bei der Privatbank Hauck & Aufhäuser. In diesem Zusammenhang gefällt den Experten der Baukonzern Hochtief recht gut.


    Doch ob großer oder kleiner Wert: Ein gutes Momentum allein ist noch kein ausreichendes Einstiegskriterium, die fundamentalen Zukunftsaussichten sollte niemand außer Acht lassen. „Wer nur in den Rückspiegel schaut, sieht nicht, was vorne auf der Fahrbahn los ist“, sagt Peter Knacke, bei der Commerzbank für die Anlagestrategie im Privatkundenbereich zuständig. Es kann zum Beispiel sein, dass ein Unternehmen in erster Linie auf Grund einer längst abgeschlossenen Übernahme ein Kursfeuerwerk gezündet hat.


    So schlug etwa vergangenes Jahr der Ultraschallgerätehersteller Kretztechnik die meisten anderen Unternehmen im Neuen Markt um Längen und legte über 20 Prozent zu. Grund für diese Outperformance war allerdings der Einstieg des US-Börsenriesen General Electric (GE), der die meisten Aktionäre mit einem Kursaufschlag abfand und Kretztechnik von der Börse nehmen will. Wer jetzt noch einsteigt, handelt sich ein illiquides Papier ein.


    Mitunter haben jedoch auch professionelle Investoren Schwierigkeiten damit, den richtigen Zeitpunkt zu treffen: 2001 lag die Dresdner Bank etwa mit ihrem neuen Dax-Momentum-Zertifikat (WKN 575749) gründlich daneben. Das Papier wählt jeweils die fünf Aktien aus dem Dax aus, die im Vormonat am stärksten gestiegen waren. Anleger verloren mit dieser Taktik rund 14 Prozentpunkte mehr als der Dax. 2001 war kein gutes Jahr für die gewählte Momentum-Strategie, weil die Anlage-Trends so häufig gewechselt haben, sagt Günter Schärtl, zuständiger Produktentwickler der Dresdner Bank. Damit eine Aktie richtig an Fahrt gewinne, müsse sie über einen längeren Zeitraum Schwung aufnehmen. Für 2002 sind die Aussichten aber besser, weil es Anzeichen dafür gibt, dass die Themen Technologie und Telekommunikation langfristig wieder angesagt sein könnten. Das Produkt läuft im November allerdings bereits aus. Aus dem gleichen Haus gibt es ein ähnlich konstruiertes Zertifikat auf den Euro Stoxx 50 (WKN 604337), das ein Jahr länger gehandelt wird und zuletzt besser lag als der Referenzindex.



    HANDELSBLATT, Donnerstag, 10. Januar 2002, 19:02 Uh

  • Hallo ralf,


    danke, dass Du den Artikel hier reinkopiert hast. Ueber den Sinn oder Unsinn des Momentums sind hier im Forum schon einige heisse Diskussionen gelaufen - schau z.B. mal in `Witchdream in Japan' oder in die Threads zu witchdreams Leserdepot.


    In dem Buch von O'Shaughnessy (Link zur Buecherliste) wird Momentum alleine und in Kombination mit anderen Kriterien ueber lange Zeitraeume getestet.


    Der Konsens hier im Forum war, dass Momentum (oder relative Staerke) die Aktienauswahl verbessert, dass der Effekt aber oft in guten Jahren positiv und in schlechten Jahren negativ ist (`Turbo'). Das Resultat in dem von Dir zitierten Artikel passt ins Bild, naemlich dass die Momentum-Strategie in 2001 nach hinten losgeht. Die japanische baisse ist ein anderes Beispiel, wo Momentum versagt. D.h. Momentum scheint Deine Chance zu erhoehen, wenn es gut laeuft, aber auch dein Risiko, sollte es abwaerts gehen.


    Viele Gruesse


    Balkenchart

  • Die Studie ging nur bis 97. Wer im März 2000 danach angelegt hätte, würde sich jetzt sicher die Augen reiben.
    In letzter Konsequenz bedeutet die Momentumstrategie nichts anderes, als das zu einem endlichen Zeitpunkt weltweit nur ein einziges Unternehmen übrig bleibt, weil von den Großen immer mehr auf der Strecke bleiben und die Kleinen - Schlechten eh nie auf einen grünen Zweig kommen.
    Momentum kann funktionieren, wenn man kurzfristig agieren will oder in einer Börsenphase wie bis 2000; aber wehe man verpasst den Paradigmenwechsel!

    Das Drehbuch für den Untergang steht fest - es geht nur noch um den Preis für die beste Maske (H. v. Buttlar)

  • Hi value,


    da haben wir uns um ein paar Sekunden verpasst. Noch eine Ergaenzung: Meine persoenliche `Erklaerung', warum Momentum in guten Phasen so erfolgreich ist: Wenn es nach oben geht, gibt es oft Trends ueber Zeitraeume von 1 Jahr oder laenger. Mit Momentum haengst Du Dich an solche Trends dran. Wenn Du Momentum mit fundamentalen Daten kombinierst, so wie witchdream, dann passt Du zusaetzlich auf, dass Du nicht zu teuer einkaufst, also moeglichst nicht kurz bevor der steigende Trend aufhoert.


    In schwachen Phasen scheint es dagegen oft keine Trends zu geben, die ueber laengere Zeit stabil sind (siehe Japan-Daten oder auch die ganzen Mini-Ralleys 2000 und 2001).


    Bis dann


    Balkenchart

  • Obwohl ich das Momentum ja auch benutze: Als Indikator, daß der Abwärtstrend beendet ist, setze ich ein 25 Wochen Momentum ein. Man verpaßt so zwar die ersten Aufwärtsprozente aber - und das ist wichtiger für mich - auch die letzten Abwärtsprozente.
    Randstad wollte ich z. B. schon bei 17 Euro kaufen, es ging aber noch runter bis auf 10, jetzt  habe ich sie bei 14,x bekommen. Ich weiß nicht, ob ich die minus 41% so einfach ausgesessen hätte. Jetzt habe ich mit dem low bei 10 einen schönen Stopp mit 28% maximalem Verlust.

    Das Drehbuch für den Untergang steht fest - es geht nur noch um den Preis für die beste Maske (H. v. Buttlar)

  • Hi,


    von Momentum / relativer Stärke halte ich überhaupt nichts. Wenn ich günstig einkaufen will, kaufe ich doch nicht nachdem der Preis gestiegen ist.


    Es muss andere (fundamentale) Gründe geben, um zu kaufen, ob der Chart nun gerade im Steigen oder fallen ist sollte egal sein.


    Von randstad z.B. hätte ich schon gern ein paar im Depot. Für ca. 13 Euro oder weniger hätte ich gerne welche gekauft, habe ich leider verpasst, bei 16 Euro und den geschätzten Gewinnen für 2002 u 2003 ergibt sich schon wieder folgendes Bild: KGV 2002: 24 , KGV 2003 16, was angemessen sein könnte, aber kein Schnäppchen mehr ist.
    Sollten sie wieder auf 14 Euro fallen, würde ich eine Position wagen.

  • Hallo dak,


    im Prinzip gebe ich Dir Recht. Aber, und da hat value auch wieder recht, bei einem positivem Moment, ersparst Du Dir die Stressituation, die Wende ins positiv herbeizittern zu müssen. Den Griff ins "fallende Messer" nicht zu vergessen. Ja,ja, ich weiss, schon hundertmal drauf rumgeritten...Aber Trendindikatoren, finde ich, sind etwas was man zumindest nicht ignorieren sollte. Ich spreche aus leidvoller Erfahrung...


    Das verleitet mich zu einer kleinen Umfrage, die ich im kleinen Kreis mal hätte, was sind denn eigentlich sonst noch Eure bevorzugten Techno-Indikatoren ? Gibt es eventuell auch ein Buch, was irgendeiner empfehlen kann ?


    Grüsse


    deaf ear

  • Hallo Defear,


    ich glaube, so allgemein kannst Du nicht fragen.
    Bei der Vielzahl von Indikatoren ist wohl erst einmal wichtig, welchen generellen Ansatz man verfolgt (kurz- / langfristig etc.).


    Liege ich da falsch?


    cu
    Mino

  • Hallo,


    erstmal vielen Dank für die Infos und Hinweise an value, Balkenchart, dak427, minotaurus und deafear. Da bin ich ja echt an die Profis geraten. So weit wie Ihr bin ich noch nicht beim Analysieren und Finden meiner „eigenen“ Strategie. Mir fehlt auch die Zeit für entsprechende Untersuchungen, wie sie dankenswerterweise hier im Forum auch schon vorgestellt worden sind.


    Ich hatte an anderer Stelle schon mal erwähnt, daß ich in den letzten Jahren primär auf Hightech gesetzt habe. Angesichts der Börsenentwicklung war dies bis 2000 wohl so etwas wie eine Momentum-Strategie. Der Zug ist abgefahren ... davon bin ich geheilt (fast :-)).


    Ich bin von dem antizyklischen Ansatz noch nicht ganz überzeugt, was aber nicht an seinem grundsätzlichen Konzept liegt, sondern mehr an der Anwendung. Ich habe einfach zuviele Fälle gesehen, wo man trotz angeblicher Bodenbildung immer noch in das fallende Messer gegriffen hätte. Daher schaue ich im Moment noch nach Unternehmen, deren operatives Geschäft gut läuft, die aber auf Grund außergewöhnlicher Umstände im Kurs gedrückt werden (Beispiel FME; siehe Andere Aktien).


    Auf der antizyklischen Schiene denke ich aber weiter. Ich fürchte, es gibt nur eine Lösung. Erstens Bilanzanalyse, zweitens muß ich den Anlagehorizont verlängern (ich habe bisher keine Aktie länger als zwei Jahre gehalten). Die Bilanzanalyse vermeidet die Investition in ein nicht überlebensfähiges Unternehmen, der verlängerte Anlagehorizont gibt bei unerwarteten Kurseinbrüchen die Chance einer Kurserholung. Zum letzten Punkt: Ich habe mich schon vor meinem Hightech-Wahn an der Börse getummelt (so ca. 15 Jahre Aktion in Blindheit :-)). Auch damals habe ich die eine oder andere Aktie über Stop-Loss mit Verlusten verkauft. Es hat mir die Augen geöffnet, als ich mir kürzlich diese Aktien noch einmal mit ihren heutigen Kursen angesehen habe. Ich wäre heute überall gut im Plus! Das mit dem „Liegenlassen und Schlaftablette schlucken“ halte ich zwar auch nicht für das Nonplusultra, aber irgendwie muß man es in volatilen Zeiten wohl auch als kleinen Baustein in der Strategie berücksichtigen.


    In diesem Sinne viel Spaß an alle beim Finden der eigenen Strategie und Glückwunsch an alle, die sie schon gefunden haben.


    ralf