JustEat Takeaway.com (JET)

  • Ich bin jetzt auch bei JustEat Takeaway eingestiegen und habe die Gedanken in Form einer Unternehmensvorstellung zusammengefasst. Fühlt euch eingeladen zu Kommentaren und Verrissen. Und natürlich, vieles habe ich MMIs Blogartikel (Link siehe unten) und auch Diskussionen aus diesem Forum entnommen. Das ist eine einleitende Vorstellung, keine tiefgreifende Analyse.


    - Im Gegensatz zu neueren Lieferdiensten wie Deliveroo, Doordash und UberEat setzt JET in erster Linie auf ein "Marktplatzmodell".

    Dabei verdienen sie eine Marge (kommuniziert werden etwa 13%) für die Vermittlung von Kunden an Restaurants. Ein klassisches Plattformgeschäft, sehr gut skalierbar und bei Erreichen einer starken Marktstellung sehr profitabel.


    - Das Logistikgeschäft der Zulieferung (Marge für Marktplatz+Lieferung ca. 30%) ist eher ein Zusatzgeschäft, um den Kunden auch die Restaurants ohne eigene Lieferanten bieten zu können, die Marktdurchdringung zu vertiefen und damit die "Burggräben" zu auszubauen und eben Lieferkonkurrenten wie Deliviery Hero, Deliveroo, Uber Eats und Doordash abzuwehren. Ich halte dieses Geschäftsmodell für schlecht skalierbar und auch perspektivisch für wenig profitabel. Aber als Mittel zum Zweck ist es vernünftig. Wenn es in etwa kostenneutral betrieben werden kann, die eigene Marktstellung festigt und der Profit über die Kundenvermittlung (Marktplatzmodell) erzielt wird, stärken auch die Lieferdienste das Gesamtgeschäft. Analog zu Amazon, die mit der Logistik, ja insgesamt mit dem Verkaufsgeschäft eher kein Geld verdienen, aber an Marktmacht zur Sicherung und zum Ausbau profitabler Nischen gewinnen.


    - Die Profitabilität von Plattformmodellen steigt massiv mit der Marktmacht. Der Marktführer ist oft hoch profitabel, der Zweite verdient auch noch Geld, danach wird es so langsam schwierig.

    JET hat seinen niederländischen Heimatmarkt stets erfolgreich gegen "Eindringlinge" verteidigt und sich im deutschen Markt 2019 mit dem Aufkauf von Lieferheld & Co. nach einem harten Markt erfolgreich durchgesetzt. In vielen anderen umkäpften Märkten ist JET bereits Marktführer, hat also gute Karten für eine langfristige Profitabilität. Der holländische Markt ist bereits hoch profitabel, Ebdita-Margen von 50%. Der deutsche Markt geht auch in diese Richtung.


    - Mit den Gewinnnen aus diesen Ländern kann JET den teuren Marktkampf in anderen Ländern wie UK (Deliveroo und UberEats) und bald den USA (Übernahme Grubbs, Konkurrenten DoorDash, UberEats u.a.) führen und finanzieren.


    - JET ist zweifellos Corona-Profiteur, und ein Teil der Umsatzgewinne verlieren sie später wieder. Aber wie viel ist Corona, wie viel ist allgemein steigende Marktdurchdringung?

    In den letzten Tagen kamen Quartalszahlen heraus, sehr stark, dank Corona. Die für mich interessanteste Zahl kam aus Australien: Wachstum +200%, und das ohne Lockdown.


    - JET ist in der westlichen Welt stark vertreten (Westeuropa flächendeckend, Kanada, Australien, Israel, bald auch mit der Grubb-Übernahme auch in den USA), wo aufgrund des hohen Einkommensniveaus die erzielbaren Umsätze besonders hoch sein dürften. Das deutsche DAX-Unternehmen Deliviery Hero hat den deutschen Markt aufgegeben und ist schwerpunktmäig in Schwellenländern weit weg vom Heimatmarkt vertreten. Finde ich schwieriger.


    - Die Regierungen gehen zunehmend gegen die Scheinselbstständigkeit in der Lieferbranche vor. Das kann manches Geschäftsmodell zerlegen, das auf einer Ausbeutung der Lieferanten basiert.

    JET rollt international die Festanstellung seiner Fahrer aus, mit einem Lohngefüge über Mindestlohn und inklusive der resultierenden Sozialleistungen. Damit setzen sie auch in Märkten, wo das noch nicht vorgeschrieben ist (z.B. UK, Australien) die Konkurrenz unter Druck, in der öffentlichen Wertschätzung (Firmenimage bei Endkunden) ebenso wie im Wettbewerb um die Mitarbeiter. Auch ich als Aktionär schätze ein Unternehmen ohne derartige Ausbeutung.

    Da im Geschäftsmodell die fairen Lohn- und Sozialkosten bereits abgebildet und eingepreist sind, besteht auch hier kein wirtschaftliches Risiko durch absehbare Veränderungen.


    - Die Marktkapitalisierung von 13 Mrd€ relativiert sich, wenn man bedenkt, dass alleine der 33%-Anteil an der brasilianischen Beteiligung iFood auf über 2 Mrd. geschätzt wird. (JET ist zu einem Verkauf der Beteiligung bereit, hat aber Angebote von bis zu 2,3 Mrd als zu unattraktiv abgelehnt). Wenn dazu das allgemeine Marktpotential, das Marktwachstum im coronafreien Australien und das Profitabilitätspotential am Beispiel der Niederlande gesehen wird, sehe ich für die Marktbewertung viel Potential.


    - Ich traue JET zu, zum globalen Marktführer aufzusteigen. Dafür werden sie noch lange, teure Marktkämpfe durchstehen müssen, bis sie eine Marktposition wie in Deutschland erreichen, und auch noch einige teure Übernahmen stemmen müssen. Aber das Potential ist beachtlich.


    - Der Chart hatte mich bislang von einer Aufnahme ins Musterdepot abgehalten - habe ich etwas übersehen und greife in fallende Messer?

    Jetzt wurde die 55-d-Linie überwunden, diese Sorge streiche ich also ein Stück weit.


    Ich war lange Uber short (mit relevanter Tochter UberEats) und gehe jetzt beim Teilkonkurrenten JustEat Takeaway long. Ist das ein Widerspruch? Ich denke nicht.

    - Bei JET sehe ich den klaren Fokus auf ein profitables Geschäftsmodell, das ausgebaut und auch agressiv verteidigt wird.

    - Bei Uber sehe ich den klaren Fokus auf Umsatzwachstum ohne einen für mich erkennbaren oder gar fokussierten Pfad in Richtung Profitabilität.


    Lese- und Sehempfehlungen:

    1. Analyse des immer lesenswerten Blogs von MMI vom 11.01.21: "Just EAT Takeaway.com – Just another roll-up or long term growth opportunity?" http://valueandopportunity.com…-term-growth-opportunity/

    2. Der Blog von Newmoon Capital mit mehr als 10 (!) lesenswerten Analysen zu Just Eat Takeaway und den in UK agierenden Konkurrenten Deliveroo und Uber Eats: http://newmooncap.substack.com/archive?sort=new

    3. Zum Hören/Sehen ganz nett: "Just Eat Takeaway - Die Lieferando Aktie vor Fusion mit Grubhub -2. grösster Essenslieferer der Welt" (Dezember 2020) http://www.youtube.com/watch?v=KkOxxxelekw

  • Danke für die Zusammenfassung!

    Klingt echt ganz interessant, muss ich mir auch mal ansehen.

    "Nicht Völker führen Kriege gegeneinander, sondern Regierungen führen Kriege gegeneinander"

    "If you act out of fear, anger, despair or suspicion - this will ruin everything." - Thich Nhat Hanh


  • Al, super Zusammenfassung. Vielleicht noch 3 Anmerkungen:


    - Der CEO und 10% Aktionär Jitse Groen ist ein interessanter Typ. Es ist was den Wettbewerb angeht ultra aggressiv und versucht ähnlich wie Amazon oder Facebook aktiv die Konkurrenz platt zu machen. Das hat auch Risiken aber bislang ging das immer gut. Deliveroo musste das z.B. beim IPO spüren. M.E: war z.B. Uber nicht aggressiv genug und hat in veilen Märkten der Nummer 2 erlaubt groß zu werden-


    - USA /Grubhub ist m.E. das größte Risiko. Grubhub ist ein relativ dicker Brocken und der Wettbewerb in USA ist ultra hart. Das muss man genau beobachten wenn wieder "normale" Zeiten anbrechen.


    - ganz aus dem Cashflow finanzieren sie Ihre Expansion nicht, JET hat ja eine 1,1 Mrd Wandelanleihe begeben


    Klar ist JET jetzt kein klassisches Value Investment aber es gibt da eine Menge Potential.


    MMI

  • memyselfandi007

    Vielen Dank für deine Anmerkungen!

    Du bist ja viel tiefer im Thema als ich.
    Und klar, das ist kein Value-Investment, das fällt in die Growth-Kategorie.
    Aber zumindest sehe ich hier die Profitabilität des Geschäftsmodells und ich finde rationale Begründungen für die Bewertung.


    Apropos mangelnde Agressivität: Noch überzeugender finde ich das Verdrängen von pizza.de in Deutschland. Die waren mit ihrem Marktplatzmodell auch klarer und dominanter Marktführer, bis die Lieferdienste (2. Generation) mit viel viel Spielgeld auf den Platz traten.
    Nach meinem Verständnis hatte pizza.de sein Wachstum stets aus dem eigenen Cashflow finanziert und keine/kaum Wagniskapitalgeber ins Boot geholt. Mit der Ausgabenpower der Angreifer konnten sie nicht mithalten und haben ihr Geschäft dann an Deliviery Hero verkauft. Soll immer noch 300 Mio gebracht haben, aber sie haben ihren Markt halt verloren.

  • Der Fehler wird mit Jitse nicht passieren. Der spielt so lange Jui Jitsu mit dem Gegenüber bis entweder er oder der Gegner platt ist.
    (was in Verbindung mit Grubhub) einer der Risiken des Invesments ist. Klein klein denkt er bestimmt nicht.

    Value investing is at its core the marriage of a contrarian streak and a calculator - Seth Klarman

  • Das ging schnell:


    Uber Eats kommt nach Deutschland


    https://www.ft.com/content/b9d…b1-402b-abb1-d8ad8a95e970



    Allerdings versuchen sie es mit dem "Sub-Unternehmer" Modell und wie üblich starten sie in Berlin. Uber Eats als Retter der armen Restaurantbesitzer ist auch in "drolliger" Gedanke. Wie alle wissen macht Uber keine Gefangenen. Allerdings können sie sich auch nicht mehr die Verluste leisten wie früher.


    Dass wird spanned und ich denke dass u.a. das der Grund war für die 1,1 Mrd Wandelanleihe.


    MMI

  • Ich beobachte JET ja durchaus interessiert.

    Bin bei euch, traue denen zu eine dominante Rolle in Europa zu erlangen, die gehen sehr geschickt vor.

    Wirkt ja auch fast so dass sie sich die Welt mit Delivery Hero aufteilen, also JET Europa, DH Asien. Oder halluziniere ich da?


    Wo ich skeptischer bin, und was mich noch vom Kauf abhält, ist das Marktvolumen von Deliveries in Zukunft.


    Ich selber bestelle ja kaum, bin also ne schlechte Benchmark.

    Daher frage ich bei sowas immer die "hipperen" Bekannten, u.a. auch die Reddit-Leute, jüngere Kollegen, chronische Singles, technisch versierte usw.

    Meine Blitzumfrage war leider eher ernüchternd: Allen steht home delivery bis oben, sie planen das alle massiv runter zu fahren und freuen sich auf Restaurants und sogar Kantinen.


    Gut, derlei ist natürlich nicht representativ und auch nur eine Momentaufnahme.

    Aber ich denke es ist nicht eilig bei JET einzusteigen, es kann gut erstmal Kurs-Rückschläge geben wenn nach Covid mal schlechtere Quartale reinkommen.


    Ich beobachte erstmal von der Seitenlinie weiter, wollte diesen Datenpunkt nur mit euch sharen.


    wp

    "Nicht Völker führen Kriege gegeneinander, sondern Regierungen führen Kriege gegeneinander"

    "If you act out of fear, anger, despair or suspicion - this will ruin everything." - Thich Nhat Hanh


  • ....

    Meine Blitzumfrage war leider eher ernüchternd: Allen steht home delivery bis oben, sie planen das alle massiv runter zu fahren und freuen sich auf Restaurants und sogar Kantinen.


    ...

    wp

    Ich denke, die erste Zeit werden die Restaurants überrannt werden , aber dann wird man merken wie stressig das doch ist und sich doch lieber das Essen nach Hause bestellen.


    Erst wenn der Stress mit Reservieren anfängt, 1 Stunde auf die Pizza im Restaurant warten , 4,50€ für ne 0,4 Apfel-Schorle, 4,80€ für einen doppelten Espresso im Portemonnaie spuren hinterlässt .... werden die meisten sich wieder zurückziehen und das entspannte zu Hause zusammen Essen und Trinken ohne "Kosten-Druck" wieder geniessen.


    Das Essen liefern wird bleiben.


    Ich denke die Gastronomen sollte sich Gedanken machen , wie sie in Zukunft überleben wollen.

  • Zufällig gefunden aus dem letzten Jahr:


    https://holyeats.de/holyeats-5…wer-im-magen-liegen-wird/


    Zitat


    Man muss sich das Hauptquartier von Europas expansionshungrigstem Liefervermittler für Restaurantessen als eine Art Todesstern unter den Delivery-Schaltzentralen vorstellen. Bloß kantiger. Und aus Beton. „Takeaway.com“ steht – fast bescheiden – in dritter Zeile am zugigen Eingang des Amsterdamer Neubaufelsens, der sich an die Gleise der daneben gelegenen Centraal Station herangeschoben hat. Und man muss sich schon sehr anstrengen, im Zentrum der holländischen Hauptstadt einen unwirtlicheren Ort zu finden. Aber das ändert nichts daran, dass genau hier, zwischen Mediamarkt und Autovermietung, darüber entschieden wird, wie sich der Markt für digital bestelltes Lieferessen in Zukunft entwickelt. Nicht bloß der in Europa.

  • Nach Uber kommt nun auch delivery Hero zurück nach Deutschland.

    Das Geschäft an Justeat verkauft und nun zurück mit foodpanda.

    Soweit ich das verstanden habe, kopieren die Just eat und versuchen das Plattformgeschäft streitig zu machen.

    Mal schauen wie weit sich diese Firmen bekämpfen.


    "Nach mehr als zweieinhalb Jahren will Delivery Hero hierzulande wieder ins Liefergeschäft einsteigen - zunächst in Berlin und dann in anderen Großstädten. Das Ziel: Zustellung in nur sieben Minuten."


    https://www.sueddeutsche.de/wi…ery-hero-corona-1.5291884

  • Der Deutsche Markt ist einfach zu groß um alles einem Player kampflos zu überlassen.


    Dass JET jetzt ins Lebensmittel Geschäft einsteigt ist auch interessant. Da scheint sich jetzt einiges zu treffen.


    Der heisse Bereich ist ja jetzt der "Dark Supermarket" bzw. die Kühltruhe im Keller ala Gorillas.


    Die werden gerade mit Geld nur so zugesch....üttet.


    https://www.businessinsider.de…n-6-milliarden-euro-an-a/


    Zitat

    Der Lebensmittel-Lieferdienst Gorillas plant eine neue Investorenrunde, bei der 500 Millionen Euro eingesammelt werden sollen. Das berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf Unternehmensquellen. Gorillas strebe demnach eine Bewertung von 6 Milliarden Euro an. Die Vorbereitungen für die Investorenrunde seien jedoch noch im Anfangsstadium, die Zahlen könnten sich noch ändern.

    Auf Anfrage von Bloomberg sagte ein Sprecher des Berliner Startups, es gäbe „nichts zu bestätigen“. Details über kommende Investorenrunden seien „Spekulationen“.

    Gorillas sammelte erst Ende März 245 Millionen ein

    Erst Ende März stieg Gorillas zum Unicorn auf. Bei einer Investorenrunde sammelte der Online-Supermarkt 245 Millionen Euro ein. Unter anderem investierte der chinesische Tech-Konzern Tencent. Nur neun Monate nach Auslieferung seiner ersten Bestellung erreichte Gorilals damit eine Bewertung von einer Milliarde.


    Amazon hat sich da interessanterweise trotz first mover advantage nicht so richtig durchsetzen können.