antizyklisch auf fallenden CHF setzen?

  • Normalerweise bin ich kein großer Freund des Devisentradings. Aber ich glaube, momentan eine antizykische Tradingchance beim schweizer Franken zu erkennen.


    Der Franken kennt seit Jahren gegenüber vielen anderen Währungen entwickelter Märkte eigentlich nur den Aufwärtstrend. Da die Kaufkraft des Franken (wie ich gestern festellen musste ;- ) gegenüber z.B. Dollar oder Euro stetig zunimmt und der CHF in der Wahrnehmung vieler Marktakteure als "sicherer Hafen" gilt, macht ein stetig im Außenwert steigender Franken absolut sinn. Doch jede Aufwärtsbewegung findet mal ein Ende. Da sich der Franken in der Zeit des großen Mißtrauens gegen Dollar und Euro besonders stark, oder besser zu stark, entwickelte, könnten die aktuellen Franken-Wechselkurse übertrieben sein, selbst jetzt, wo der Franken zum Teil dank Euro-Kopplung wieder knapp 20% an Wert verloren hat (die Abwärtsbewegung begann schon vor der Euro-Kopplung und setzte bei grob 1,00 EUR/CHF ein, Freunde von psychologischen Kursmarken wird's freuen).


    Die halbseitige Euro-Kopplung der Schweizerischen Nationalbank SNB bietet eine schöne Gelgenheit für besonders risikoaverse Devisentrader: Da beim Wechselkurs 1,20 EUR/CHF eine Untergrenze gezogen wurde, könnte man z.B. bei Unterschreiten von 1,185 EUR/CHF mit minimalen Verlusten verkaufen. Einen theoretisch möglichen Anstieg auf z.B. 1,35 EUR/CHF würde die SNB natürlich nicht verhindern wollen, da dies nur gut für die schweizerischen Exporteure wäre.


    Ich selbst halte den Franken für unterbewertet, da sein Außenwert unter der Kaufkraftparität gehandelt wird. Allerdings besteht eine sehr große Uneinigkeit darüber, wo die KKP verläuft. Auf Grundlage von europäischen und schweizerischen Verbraucherpreisindizes kommt man auf Werte von zwischen 1,30 und 1,40. Der Big-Mac-Index ergibt eine KKP von 1,90, allerdings beruht der Big-Mac-Index auf nur einer einzigen Ware und ist somit nicht gerade repräsentativ. Wer online nach der KKP sucht, wird schnell auf viele andere Werte, von 1,27 bis 2,25 stossen. Es lebe die Meinungsvielfalt.


    Was ich mangels professioneller Devisentradingerfahrung nicht weiß: Ist es sehr wahrscheinlich, daß bei einem möglichen "Spekulationskrieg" zwischen Hedgefonds und der SNB, der Wechselkurs EUR/CHF von einer Sekunde auf die andere mit einem riesengroßen Gap von z.B. 1,211 auf 1,155 springt? In diesem Fall wäre ein Stop-Loss bei z.B. 1,185 ziemlich nutzlos. Allerdings halte ich einen derartigen "Spekulationskrieg" für eine relativ unwahrscheinliche Sensationsphantasie der Wirtschaftspresse, die sich natürlich sofort an Soros und das brit. Pfund erinnert hat.


    Wie gesagt bin ich kein Freund des Devisentradings. Aber zur Absicherung des Fremdwährungsrisikos von (hoffentlich antizyklischen) Investments in z.B. schweizerische Aktien, ist die obige Überlegung sicher nicht ganz uninteressant.

    "Il y a à parier, que toute idée publique, toute covention recue, est une sottise, car elle a convenue au plus grand nombre!" (Sébastien-Roch Nicolas, aka Chamfort)

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  • Es wird hier immer der Vergleich des CHF heute zum GBP und dem Angriff Soros' damals gezogen.


    Bin auch kein Experte bei Währungen.
    Aber das war doch ein fundamentaler Unterschied:
    Soros & Co spekulierten auf Abwertung des Pfund, die britische Notenbank mußte mit Stützungskäufen dagegenhalten, mithin Devisenreserven einsetzten die nur begrenzt vorhanden waren. Die Munition der Notenbank war also begrenzt.


    Beim CHF heute sieht es doch völlig anders aus:
    Wie sollen denn Hedgefonds auf ein Aufwerten des CHF spekulieren?!
    Die SNB kann doch wirklich unbegrenzt dagegen andrucken wenn sie will. Hat also unendlich Munition.


    Oder hab ich hier irgendwie einen Denkfehler?


    wp

    "Nicht Völker führen Kriege gegeneinander, sondern Regierungen führen Kriege gegeneinander"

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  • woodpecker


    Grundsätzlich stimme ich Dir zu, ich halte derartige Spekulationen gegen die SNB für unwahrscheinlich.
    In der Tat hat die SNB in diesem Fall theoretisch unbegrenzte Mittel und kann somit jeden "Großangriff" locker abwehren. Das weiß wohl auch jeder Hedgefondsmanager.


    Kann sie (die SNB) das aber in jeder einzelnen Sekunde oder könnte es im Extremfall (durch hohes und schnelles Volumen überlastetes Handelsystem o.ä.) zu "Aussetzern" kommen, die einen Dammbruch auslösen (den Hedgefonds reicht es ja schon, wenn das ganze Spiel wenige Sekunden dauert, bevor der EUR/CHF wieder auf 1,20 geht)? Hierfür müssten sich aber mehrere Hedgefonds zusammenschließen und gemeinsam nahezu ihr gesamtes Kapital riskieren. Daher wirklich sehr unwahrscheinlich.


    Wenn man ein solches Szenario ausschließen kann, dann kann man nicht nur einen sehr engen Stop-Loss (auch schon bei 1,195) setzen, sondern hat auch eine Spekulation, die fast nicht schief gehen kann, da der Franken dann gar nicht steigen kann, sondern nur fallen. Das einzige Risiko wäre dann, daß EUR/CHF lange Zeit an der 1,20 kleben bleibt, was je nach Investmentvehikel natürlich sehr teuer (bis zum Totalverlust) werden kann.

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  • Falls die SNB untypisch hohe Handelsvolumina sieht, werden sie darauf achten, dass es eine heftige Achterbahnfahrt gibt, bevor sich der CHF wieder bei 1.20 einpendelt, damit diejenigen, die auf Margin traden, nicht so schnell wiederkommen. Also wuerde ich ebenfalls die Finger davon lassen.


    Balkenchart

  • Ich würde bei so einer lang angelegten Spekulation die Finger von Futures, Optionen und erst Recht Zertifikaten lassen - alles viel zu teuer. Stattdessen kann man schauen, ob man einen Frankenkredit zu günstigeren Konditionen als in Euro bekommt und damit solide Anleihen kaufen.
    Die aktuellen Konditionen kenne ich nicht. Falls aber die Zinsmarge nach Steuern stimmt und der Kredit nicht zu umfangreich im Vergleich zum Gesamtportfolio ist, kann man damit auch Schwankungen aussitzen.
    Jeder Hedgefondsmanager weiß, dass er in dieser Konstellation nicht gegen die SNB gewinnen kann, auch nicht zusammen mit seinen Kollegen. Und jeder Devisenhändler weiß, dass er viel verlieren kann, wenn er gegen die SNB spekuliert, aber viel gewinnt, wenn er (falls der EUR wieder unter 1,20 CHF rutscht) sich auf die Seite der SNB stellt. Deshalb rechne ich nicht damit, dass der Markt die SNB ernsthaft prüft.

    "Hey Du, möchtest Du ein A kaufen?" Standard & Poor's (zitiert aus: Marc-Uwe-Kling: Der falsche Kalender - 365 falsch zugeordnete Zitate)

  • Die bisherigen Antworten zum Thema "Angriff der Hedgefonds" sprechen eine klare Sprache: unwahrscheinlich. Sehe ich auch so. Ist eine schöne Schauergeschichte mit Soros-Nostalgie um die Auflage (der inhaltlich von Jahr zu Jahr schwächeren Wirtschaftsblätter) zu steigern.


    Balkenchart


    So weit hatte ich gar nicht gedacht, aber das hört sich nach einer plausiblen Verteidigungs-Taktik für die SNB an.


    schnueffelnase


    Ich bin mir nicht sicher, ob diese Spekulation (man sollte hier eher vom Trading sprechen, denn für eine echte Spekulation fehlt in diesem Fall ein wenig die intellektuelle Substanz) unbedingt besonders lang angelegt ist. Wie im "value in der Schweiz"-Thread angedeutet, glaube ich bestenfalls (sehr) kurzfristig an ein "Klebenbleiben" an der 1,20er Marke. Schon klar, ist nicht gerade eine konkrete Zeitangabe...


    Edit: Ein Beispiel für eine wirklich langfristige Währungsspekulation wird gerade im Währungsthread (den ich zu spät entdeckt habe, sorry :- ) diskutiert, nämlich ein Zertifikat mit hohen Finanzierungskosten auf die Aufwertung des Yuan.


    Aber natürlich hast Du insgesamt vollkommen recht, wenn der Trade zu viel Zeit in Anspruch nimmt, sind Investmentvehikel mit Zeitwertverlust und/oder hohen Finanzierungskosten eine sehr schlechte Wahl und der von Dir vorgeschlagene klassische carry trade ist dann ganz eindeutig vorzuziehen.


    @all


    Das inhaltliche Niveau im antizyklischen Forum ist so hoch, daß ich hier vermutlich niemanden extra auf die hohen Risiken des Tradings hinweisen muß. Ich selbst werde diese Gelegenheit nur indirekt nutzen, indem ich das Fremdwährungsrisiko meiner schweizerischen Wertpapiere von nun an beginne abzusichern.

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  • Je stärker der Franken fällt (heute kostet ein Euro bis zu 1,238 Franken), desto mehr Gerüchte um eine Anhebung der Kopplungsmarke bei aktuell 1,20 gibt es. Erste Gerüchte lauteten noch auf 1,25, gestern brachte z.B. die Spaßkasse Aachen 1,30 ins Spiel. Wieder mal ein schönes Beispiel dafür, wie Kursveränderungen die Realitätswahrnehmung der Marktteilnehmer und -beobachter beeinflussen können. Vielleicht letztlich sogar die Realität selbst.


    Je hartnäckiger sich diese Gerüchte halten, desto mehr verliert der Franken seinen Nimbus als "sicherer Hafen" und "alles" wird gut - aus Sicht der Eidgenossen, versteht sich. ;-)

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  • in der jetzigen Situation ist eine Baufinanzierung in schweizer Franken eine Möglichkeit - also genau das Konstrukt, welches jetzt vielen Ungarn und Polen um die Ohren geflogen ist. Mit der 1,20er Schwelle dürfte vorerst das Risiko gering sein, im Falle eines Falles müsste man den Kredit eben schnell hedgen.

    Das Drehbuch für den Untergang steht fest - es geht nur noch um den Preis für die beste Maske (H. v. Buttlar)

  • Zitat

    Über 1,1 Millionen Ungarn gerieten in den letzten Monaten in die Schuldenfalle. Sie hatten billige Kredite in Schweizer Franken aufgenommen. Als der Kurs des Franken gegenüber dem Forint in der Euro-Krise nach oben schoss, wurden die Kredite unbezahlbar. Die Lösung: Premier Viktor Orbán will den Wechselkurs des Forint einfach festschreiben. Die Schuldner könnten dann ihre Kredite zu einem extrem günstigen Wechselkurs zurückzahlen, 180 Forint je Franken fast ein Viertel weniger als der reguläre Kurs! Die Verluste sollen die Banken tragen. Orbán bezeichnete das Vorgehen als Lastenteilung. Das ungarische Parlament hat ein entsprechendes Gesetz bereits gebilligt, Beschwerden gibt es von zahlreichen Banken und der EU-Kommission.

  • Prima, dann würden meine Aktien von Magyar Telecom in Euro mehr wert werden. Das würde dem fairen Wert des HUF vermutlich auch eher entsprechen.

    „Wir haben die gesamte Führung fast aller Berliner Sicherheitsbehörden ausgetauscht und dort ziemlich gute Leute reingebracht." – Benedikt Lux, Grüne Berlin