Russische Aktien - die neuen Griechen?

  • Ein kürzlich erschienenes Geschichtswerk der beiden polnischen Historiker Włodzimierz Borodziej und Maciej Górny "Der vergessene Weltkrieg" stellt die These auf, dass der erste Weltkrieg eigentlich von 1912 bis 1923 verlief. Insbesondere werden die beiden Balkankriege vor 1914 und die staatliche Neuorganisation des Balkans und Russlands nach dem ersten Weltkrieg bis zur Gründung der Sowjetunion im Jahre 1923 als ein Gesamtpaket gesehen, in dem auch Großbritannien von Anfang bis zum Ende militärisch und diplomatisch wesentlich mitgemischt hat. Divide et impera! Nicht zufällig war der Enkel des griechischen Königs Georg I. und dessen Ehefrau, einer Romanowa, bis vor kurzem Ehegemahl des britischen Souverän.


    Hier eine Rezension der FAZ. Ich halte die beiden Bücher für sehr lesenswert, muss allerdings gestehen, dass sie bislang nur auf meiner todo-Liste sind.

    Nie zuvor gehört, klingt spannend.
    100€ ist aber nicht gerade ein Schnäppchen...

  • Die gegenseitige Abhängigkeit wird halt einseitiger, falls der Bedarf an russischem Ergas und Erdöl sinkt. Wenn die Alternativen weniger hohe zusätzliche Grenzkosten erfordern.

    Bin ich prinzipiell bei dir.

    Wobei man gegenrechnen muss dass Norwegen, UK und NL immer weniger liefern, das wird gerne mal vergessen.


    Übrigens sehe ich im Gegensatz zu dir das einseitiger werden der Abhängigkeit eher als ein Problem auch für uns, und nicht als eine Chance für uns.

    Warum?

    Man könnte zwar meinen, toll dann können wir Russland besser erpressen. Aber dabei vergisst man die russische Mentalität und den Berg an Waffen auf denen die sitzen.

    In die Ecke gedrängt werden sie mE eher noch aggressiver.


    Nein, eigentlich muss man Russland wünschen dass sie sich gut entwickelt. Und dass wir soviel fairen Handel mit ihnen führen und so viele Vernetzungen aufbauen wir möglich.

    DAS ist es was Frieden sichert.


    Die Amis gehen (auch ggü China aktuell) leider oft den gegenteiligen Weg.

    Der dann zu MEHR kriegerischen Versuchungen führt, wenn erst mal alle Brücken abgebrochen sind.

    "Nicht Völker führen Kriege gegeneinander, sondern Regierungen führen Kriege gegeneinander"

    "If you act out of fear, anger, despair or suspicion - this will ruin everything." - Thich Nhat Hanh


  • Puh, nehme an du meinst das halb scherzhaft?

    Ansonsten klingt ja fast schon etwas rassistisch alle Russen mal eben so in eine Schublade zu schicken.

    Ich denke Völker können sich auch zum Besseren wandeln...und m.E. auch ohne dass man sie mit der Knute dazu zwingt.


    Was wäre denn dein Vorschlag wenn nicht Reden auf Augenhöhe?
    The war to end all wars?

    "Nicht Völker führen Kriege gegeneinander, sondern Regierungen führen Kriege gegeneinander"

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  • Ich meine den Chef des Landes, Putin.
    Er ist maßgeblich für den politischen Kurs verantwortlich.

    Und ich bin nicht gegen reden. Natürlich nicht, Diplomatie sollte nie enden.
    Aber ich halte es für möglich, dass bei weiteren Grenzüberschreitungen auch Sanktionen gegen den Staatsbetrieb Gazprom, also gegen den Betrieb von NS2, gezogen werden.
    Das wäre weder Appeasement noch militärische Reaktion.
    (Und weil ich eine steigende Chance für derartige Sanktionen sehe, halte ich mich derzeit von Gazprom fern.)

  • (Und weil ich eine steigende Chance für derartige Sanktionen sehe, halte ich mich derzeit von Gazprom fern.)

    Ich glaube ganz im Gegenteil dass die Zeit der Sanktionen gegen Russland erstmal vorbei ist - weil Biden versuchen wird sie in sein Anti-China-Lager zu ziehen.

    Mal sehen. Das Treffen nächste Woche wird hierzu sehr aufschlußreich werden.

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  • "Ich glaube ganz im Gegenteil dass die Zeit der Sanktionen gegen Russland erstmal vorbei ist - weil Biden versuchen wird sie in sein Anti-China-Lager zu ziehen."


    Wenn die amerikanische Führung strikt rational handeln würde, müssten sie sich so verhalten. Ich glaube aber, dass es noch antirussische Beißrefelexe aus den Zeiten des kalten Krieges gibt. Anders kann ich mir die amerikanische Politik in den letzten Jahrzehnten gegenüber China und Russland nicht erklären. So richtig viel Sinn ergab die unter dem Strich nicht.


    Aber vielleicht ändert sich ja jetzt tatsächlich etwas. Der böse Trump hatte ja schon mal den ein oder anderen Akzent diesbezüglich gesetzt. Jetzt kann der gute Biden ja in dieser Richtung weitermachen und dabei auf ein poitiveres Echo der Medien vertrauen.

  • In einem Punkt hat Putin bei seinen aktuellen Reden ja Recht:

    Es ist ganz offensichtlich dass die USA Russland kleinhalten wollen.

    Das ist ja auch nix neues, hat jede Supermacht immer so gemacht mit ungeliebter Konkurrenz.


    Und das - seien wir ehrlich - ist ja auch das Ziel mit China.

    Es geht darum die klein zu halten.

    Wer denkt die aktuellen Allianzen werden geschmiedet um den armen Uiguren zu helfen, der ist schon extrem naiv.


    Ich will jetzt erstmal gar nicht werten ob es manchmal sogar Sinn macht ein Land kleinzuhalten. Also für die Amis, die eigentlich nicht so mit Fleiß und Konkurrenzfähigkeit punkten können dafür aber mit Militär, Strahlkraft usw, macht das auf jeden Fall Sinn.

    Und oft befördert der Kleingehaltene derlei auch selber wenn er eben nicht bereit ist sich in eine Weltordnung einzuordnen und zu dolle am Boot rüttelt. So wie Russland. Oder jetzt China. Teilweise(!) auch Türkei.


    Aber es muss einem halt auch klar sein was das dauerhafte kleinhalten in den betroffenen Ländern auslöst.

    Auf Dauer Agression, Suche nach Auswegen, Abkoppeln von der Weltgemeinschaft, Rachegelüste und Misstrauen.


    In diese Richtung wird es mit China auch gehen.


    Friedlicher Handel wäre besser, aber das ist wohl keine Option für die Amis, weil die kleben egomäßig total an ihrem Weltmachtstatus. Die würden es nicht verkraften wenn plötzlich China Nummer 1 ist und die Regeln vorgibt. Das würde zu einer veritablen Krise in den USA führen, wenn nicht gar zum Auseinanderbrechen.

    In diesem Punkt sind sie den Russen garnicht so unähnlich.


    wp

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  • Balkenchart:

    Zitat

    Hör mal Putins Rede von 2002 (?) im Bundestag. Ist auf youtube.

    Woodpecker:

    Zitat

    In einem Punkt hat Putin bei seinen aktuellen Reden ja Recht

    Just wondering.

  • Ok das Wort aktuell kann man streichen.

    Ich bezog mich darauf dass er das kürzlich auf Al Ajzeera wiederholte. Ganz offensichtlich in Vorbereitung auf den Gipfel mit Biden.


    Ich denke die Message war:

    Hey, ihr (Amis) haltet uns seit Jahren klein, denkt nicht dass einmal Treffen und Händeschütteln reicht um alles zu vergessen und uns zu bewegen in euer Lager zu wechseln.


    In der Spieltheorie ist das optimale Verhalten in einem solchen Fall ja Tit for Tat.

    Ne zeitlang wurde nur "feindselig" gespielt.
    Wenn die USA das nun änder wollen, wird Russland erwarten dass sie zuerst "freudnlich" spielen, also handfest in Vorleistung gehen.

    Es wird spannend woraus diese Vorleistung besteht.

    Die Karte "NS2" hat Biden bereits verbraucht um den Ukraineschlamassel neulich beizulegen.


    Ich find es jedenfalls sau-spannend.

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  • Der Putin wird da sitzen, zuhören und muss dann hinterher gar nichts tun. Russland ist an vielen Stellen automatisch der Gewinner einer weiteren Annäherung auf dem Kontinent. Sie werden auch nach und nach die USA als Schutzmacht der Golfstaaten ablösen. Russland muss bloß geduldig abwarten.


    Sie machen Politik, wie sie Schach spielen. Geschlossene Stellung. Du reibst Dir die Augen, was dieser oder jener Zug genau ausrichten soll, und 10 Züge weiter geht Dir dann ein Licht auf, dass sie auf einer Seite des Brettes mittlerweilr eine handfeste Überlegenheit haben.


    Ich tippe, die USA müssen recht bald eine Neuauflage des ABM-Vertrags, des START2 und des Open Skies anbieten.

  • Ja, so in etwa wird es laufen.


    Die Zeit der immer neuen Sanktionen gegen Russland ist wohl vorbei.

    Ansonsten hätte sich der Biden gleich sparen können nach einem Treffen zu fragen.


    Muss mal überlegen ob ich noch etwas aufstocke.

    Nach wie vor einer der günstigsten Märkte der Welt, und noch haben die Meisten nicht gemerkt dass das Tunnelende in Sicht ist.

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  • Ich tippe, die USA müssen recht bald eine Neuauflage des ABM-Vertrags, des START2 und des Open Skies anbieten.

    Fällt mir grad ein wo ich von G7 lese:
    Rehabilitierung von G8 wäre auch noch eine Maßnahme die Vertrauen schaffen könnte.

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  • In den letzten Jahrzehnten gehörte Russland netto zu den großen Zuwanderungsgewinnern der Welt - insbesondere aus anderen Republiken der Ex-SU mit niedrigerem Lebensstandard wanderten seit dem Zerfall der SU Millionen Menschen zu. Wesentlich mehr als beispielweise nach Deutschland auswanderten.

    Ein Nachlassen der Nachfrage an Öl und Gas bringt Russlands Geschäftsmodell in eine massive Bredouille.
    Meines Erachtens schon deutlich früher als es rein von den Einnahmen zu erwarten ist - einfach weil die Abhängigkeit Europas von russischen Öl und Gas nachlässt. Bei einem Angebotsüberhang sinken die Grenzkosten, um auf eine Alternative zu wechseln.
    Siehe NS2: Die USA haben zwar aufgehört, die Fertigstellung zu unterbinden. Aber der Preis könnte sein, dass die Pipeline jetzt als Druckmittel gegenüber Putin genutzt wird, mit Zuckerbrot und Peitsche: Bist du willig, fließt das Gas. Bist du unwillig, ist eine Pipeline-Blockade ein weiteres Sanktionsmittel.

    Interessante These: "Nord Stream 2 wird Putin alles kosten"

    https://www.t-online.de/nachri…r-putin-alles-kosten.html

    Offenbar sterben die Einheimischen so schnell weg, dass alle Einwanderung aus Gustistan nichts nützt.


  • Naja.

    Russland hat trotz aller heftigen Brüche seit Perestroike (Rückgang der Lebenswerwartung um 5 Jahre (!) von 1987 bis 1994, starke Auswanderungswellen beispielsweise nach Deutschland, sinkende Geburtsraten...) insgesamt die Bevölkerungszahl gehalten. Anders als die meisten osteuropäischen Länder, anders als die meisten ostdeutschen Regionen.

    Das ist nicht direkt "nichts".


    Zum Vergleich zwei Zufallsstichproben:
    - Ukraine: https://de.wikipedia.org/wiki/…ei:Ukraine_population.svg
    - Rumänien: https://de.wikipedia.org/wiki/…_demography_1961-2010.svg

  • Ein ganz interessanter aktueller Artikel zu Biden udn Russland:


    https://www.politico.com/news/…a-putin-love-story-492195


    Hier die Essenz:


    Zitat

    One thing is unlikely to have changed since Bush met with the Russian leader back in 2001: Biden still does not trust Putin.

    If anything, Biden’s public comments about Putin over the past two decades, as well as accounts from current and former U.S. officials, suggest that the U.S. president harbors a deep, lasting skepticism of the former KGB officer who found himself atop the Kremlin at the turn of the century.

    Man solte die Ewartungen also vielleicht nicht allzuhoch ansetzen.