Attraktive Branchen in einem zunehmend inflationärem Umfeld

  • Hallo Provinzler,


    danke, sehr interessant!


    Nun sind z.B. Allianz und Munich Re ja durchaus alte Unternehmen und haben beide die 30er Jahre, die Hyperinflation und den Währungsschnitt nach dem WK2 mitgemacht. Und überlebt.
    Da Du Dich hier extrem gut auszukennen scheinst, weißt Du wie man damals mit den Problemen umging?


    gruß,
    wp

    "Nicht Völker führen Kriege gegeneinander, sondern Regierungen führen Kriege gegeneinander"

    "If you act out of fear, anger, despair or suspicion - this will ruin everything." - Thich Nhat Hanh


  • Ich zitiere mal aus dem FAZ-Artikel "Aktien sind keine Profiteure von Inflation" (Quelle):


    Zitat

    Unter Branchenaspekten zeige die Geschichte außerdem, dass kapitalintensive Branchen wie Versorger, Energie und Telekomwerte aber auch Banken bei steigender Inflation besonders Probleme bekommen würden. Technologietitel, Verbrauchsgüterhersteller und Pharmaaktien würden sich dagegen verglichen damit besser schlagen, da sie relativ hohe freie Cash Flows generieren und wenig kapitalintensiv seien.


    Persönliche Ergänzung von mir: Man muss sich jedes Unternehmen genau anschauen. Ob bei einer erhöhten Inflationsrate Praktiker wieder auf die Beine kommt oder Hornbach davon profitiert, dass die Hausbesitzer ihr Geld schnell ausgeben, kann ich nicht vorhersagen. Und ob eine Gagfah mit Hilfe einer erhöhten Inflationsrate schneller von ihren Schulden herunterkommtm oder eine Deutsche Wohnen am Ende doch besser dasteht, hängt vom Management ab und wie es mit einer ungewohnten Situation umgeht.

    "Hey Du, möchtest Du ein A kaufen?" Standard & Poor's (zitiert aus: Marc-Uwe-Kling: Der falsche Kalender - 365 falsch zugeordnete Zitate)

  • Provinzler,


    Danke, das ist sehr interessant.
    Wenn ich mich recht erinnere waren die Turbulenzen 1930ff sogar die Zeit der größten Expansion der Allianz, da sie damals etliche andere Versicherer in Schieflage aufkaufte...


    wp

    "Nicht Völker führen Kriege gegeneinander, sondern Regierungen führen Kriege gegeneinander"

    "If you act out of fear, anger, despair or suspicion - this will ruin everything." - Thich Nhat Hanh


  • Vielen Dank erstmal fuer Eure Kommentare bzgl der Versicherer. Ich sehe ein, dass bei einer Lebensversicherung der Kunde der Dumme ist. Dann habe ich aber noch den Einwand, dass deswegen die Lebensversicherungen dann aus der Mode kommen sollten.


    Zweitens haben wir widerspruechliche Behauptungen zu kapitalintensiven Branchen.


    MMI schreibt:

    Zitat

    Historisch haben interesanterweise Anlagekapital intensive Branchen mit langen Abschreibungszeiträumen immer stark von Inflation profitiert.


    Der Grund ist recht einfach: Ein Konkurrent müsste sich die Anlagen zu deutlich höheren Preisen einkaufen und höhere Abschreibungen vornehmen (und damit niedrigere Gewinne, ROI etc erzielen).


    D.h. Telekom, Versorger, auch Energieverbraucher wie Stahl, Zement, Alumminum bekommen durch diese "Inflations Marktzutrittsbarriere" plötzlich mehr Pricing Power.


    Die FAZ schreibt laut Schnueffelnase:

    Zitat

    Unter Branchenaspekten zeige die Geschichte außerdem, dass kapitalintensive Branchen wie Versorger, Energie und Telekomwerte aber auch Banken bei steigender Inflation besonders Probleme bekommen würden. Technologietitel, Verbrauchsgüterhersteller und Pharmaaktien würden sich dagegen verglichen damit besser schlagen, da sie relativ hohe freie Cash Flows generieren und wenig kapitalintensiv seien.


    Ich verstehe MMIs Argument und gehe davon aus, dass die FAZ unrecht hat. Kennt vielleicht jemand die Rendite der Branchenindizes in den 70en, um das zu belegen?


    Balkenchart

  • Wenn die Firmen und die Aktienmarktanleger rational handeln würden, dann wäre das Argument von MMI totaler Unsinn. Die Abschreibungen sollten überhaupt keine Rolle spielen, und wenn, dann höchstens in dem Sinn, daß höhere Abschreibungen besser sind und nicht schlechter, weil sie die Steuern erstmal drücken. Entscheidend für eine Investition ist bekanntlich der Cashflow, und der ist davon nicht tangiert, wann ein Investitionsgut angeschafft wurde. Vor dem Hintergrund, daß die neuen Konkurrenten weniger Steuern zahlen dank ihrer höheren Abschreibungen, sollte es daher eher umgekehrt sein.
    Edit: Aber es kann natürlich sein, daß Anleger eher auf buchhalterische Größen schauen ... da kommt dann vieles durcheinander und liefert falsche Informationen.


    Das Argument der FAZ dagegen, daß eine Branche x besonders hohe freie Cashflows generiert, ist von vorneherein unsinnig.
    Außerdem ist es so, daß gerade die kapitalintensiven Branchen relativ zu ihrem Börsenwert besonders viele Realgüter in der Bilanz haben, deren (echter, nicht bilanzierter) Wert sich (nominal) nach oben anpaßt, die typischerweise aufgenommenen Schulden dagegen nicht, so daß sie davon gehebelt profitieren können.

    „Wir haben die gesamte Führung fast aller Berliner Sicherheitsbehörden ausgetauscht und dort ziemlich gute Leute reingebracht." – Benedikt Lux, Grüne Berlin

    Einmal editiert, zuletzt von Winter ()

  • Ein wichtiger Aspekt ist noch die Frage, in welchen Branchen die Arbeiter und Angestellten in den Tarifverhandlungen eine starke Verhandlungsposition haben.


    Im Extrembeispiel der 1920er hatte das zur Folge, dass bei den Industriearbeitern (Kohle, Stahl usw) die Loehne angepasst wurden, aber bei vielen im Normalfall hoeher bezahlten Taetigkeiten (Arzt, Anwalt, Lehrer usw) ueberhaupt nicht.


    Balkenchart

  • Balkenchart,


    hochinteressant! Das heißt die Inflation führte zu einer Angleichung von Arm und Reich?
    Das würde dagegen sprechen, dass sich soziale Spannungen stark aufbauen während der Inflation.


    Nun gut, Einschränkung ist, man braucht erstmal einen Job. Hängt also auch davon ab wie die Sozialhilfen angepasst werden.
    Da schaut es für die USA ja nicht danach aus. Mal sehen ob die London folgen, dort wurden Einsparungen offenbar auch v.a. im Sozialbereich vorgenommen.


    Man sieht daran, dass sogar Reiche ein Interesse habe sollten, dass die Schere nicht zu sehr auseinander geht. Bin gespannt ob die Amis das kapieren - glaube aber nicht.


    ps. für Aktien hieße das, Nachteil von dieser Seite fürs verarbeitende Gewerbe?! Und Vorteil für Versicherungen?!

    "Nicht Völker führen Kriege gegeneinander, sondern Regierungen führen Kriege gegeneinander"

    "If you act out of fear, anger, despair or suspicion - this will ruin everything." - Thich Nhat Hanh


    2 Mal editiert, zuletzt von woodpecker ()

  • woodpecker ,

    Zitat

    hochinteressant! Das heißt die Inflation führte zu einer Angleichung von Arm und Reich?


    Ich vermute da mißt du einem Nischeneffekt unverdient große Wirkung bei.

    Gold functions like the sun, with all currencies as planets orbiting around it, with only the sun in fixed position (Zijstra)


  • Hm, da müsste man mal genauer recherchieren, wie sich das entwickelt hat.


    Zu irgendeinem Zeitpunkt muss die Schere geschichtlich auch mal tendentiell zu gegangen sein, sonst wäre sie heute unendlich.
    Kriege/Revolutionen gehören da wahrscheinlich dazu, aber ich kann mir schon vorstellen, dass große Vermögen während unruhigen Inflationszeiten/Finanzkrisen ebenfalls unter Druck kamen.

    "Nicht Völker führen Kriege gegeneinander, sondern Regierungen führen Kriege gegeneinander"

    "If you act out of fear, anger, despair or suspicion - this will ruin everything." - Thich Nhat Hanh


  • provinzler : Ok, aber wird der bilanzierte Wert der bestehenden Anlagegüter nach oben angepaßt? Das bleibt doch bei Industrieunternehmen fest der historische Anschaffungsbetrag minus die kumulierten Abschreibungen? Dann entsteht auch kein Gewinn, und der Buchwert bleibt unten, und das KBV steigt ggf.


    Kannst Du Deine zweite Behauptung mit einem Schaubild belegen? Ich meine nämlich, es war so, daß die Einkommensungleichheit nach dem Krieg bis Mitte der 70er Jahre abgenommen hat, und seither wieder zu. Die letzten 10-15 Jahre weiß ich es nicht mehr.

    „Wir haben die gesamte Führung fast aller Berliner Sicherheitsbehörden ausgetauscht und dort ziemlich gute Leute reingebracht." – Benedikt Lux, Grüne Berlin

    Einmal editiert, zuletzt von Winter ()

  • @mmi,

    Zitat

    Z.B. in Chinesische Agarwerte ?


    Du meinst Chaoda?
    Definitiv! Ich bin grade schwer am kämpfen mit mir ob ich nachkaufen soll.

    Gold functions like the sun, with all currencies as planets orbiting around it, with only the sun in fixed position (Zijstra)

  • Ja, ich meinte Chaoda. KGV von 1,7. Da muss man nachkaufen wenn man daran glaubt.


    Das macht den Einstandskurs günstiger und den prozentualen Verlust geringer.

  • Zitat

    Original von Winter
    Wenn die Firmen und die Aktienmarktanleger rational handeln würden, dann wäre das Argument von MMI totaler Unsinn. Die Abschreibungen sollten überhaupt keine Rolle spielen, und wenn, dann höchstens in dem Sinn, daß höhere Abschreibungen besser sind und nicht schlechter, weil sie die Steuern erstmal drücken. Entscheidend für eine Investition ist bekanntlich der Cashflow, und der ist davon nicht tangiert, wann ein Investitionsgut angeschafft wurde. Vor dem Hintergrund, daß die neuen Konkurrenten weniger Steuern zahlen dank ihrer höheren Abschreibungen, sollte es daher eher umgekehrt sein.
    Edit: Aber es kann natürlich sein, daß Anleger eher auf buchhalterische Größen schauen ... da kommt dann vieles durcheinander und liefert falsche Informationen.


    Hallo Winter, danke für die Blumen ;-)


    Eine kleine anmerkung: FREIER Cashflow ist definiert als Operativer Cashflow abzgl. (Ersatz)-Investitionen.


    Habe ich in stark Inflationären Zeiten ein sehr langlebiges Wirtschaftsgut (das ich nicht zu den teureren aktuellen Kosten ersetzen muss), habe ich einen deutlich besseren FREIEN Cashflow als jemand der sich die Maschine neu kaufen muss und mit mir konkurieren will.


    Somit habe ich bis zum Ende der Laufzeit des Anlagegegenstandes sowohl einen höheren buchhalterischen Gewinn wie auch einen höheren freien Cashflow.


    Erst wenn die Nutzungszeit abgelaufen ist, besteht dann "Chancengleichheit".


    MMI

  • Eine Anmerkung noch zu den Versicherern:


    Wir gingen ja bisher davon aus, dass ein Inflationsanstieg auch mit einem Zinsanstieg einher geht.


    Wäre das nicht der Fall (Financial Repression), dann wäre das natürlich sehr blöd insbes. für die Sachversicherer.


    Insbesondere bei den Schadensrückstellungen für längerfristigem Versicherungsfälle ergibt sich ein negativer Zinseszinseffekt bei den Inflationsannahmen.


    Grob gesagt: Wenn ich für eine langfristige Rückstellung (z.B. Produkthaftpflicht) für einen Zeitraum von z.B. 10 Jahren eine Inflationsrate von 2% p.a. annehme habe ich einen bestimmten Wert für diese Rückstellung in der Bilanz.


    Muss ich aber plötzlich mit 3% p.a. rechnen, ergibt sich aus dieser Erhöhung um 1% p.a. plötzlich eine Erhöhung der Rückstellungen um >= 10%.


    MMI

  • Hallo MMI,


    das verstehe ich nicht. Meinst Du damit, daß der Punkt sei, daß bei sehr langlebigen Anlagergütern keine Investitionen mehr nötig sind, nachdem es einmal angeschafft wurde, erst wieder in fernerer Zukunft? Dann gilt erst recht, daß der freie gleich dem operativen Cashflow ist, nach der einmaligen Anschaffung. Meine Idee ist, daß das gleiche Anlagegut auch den gleichen Cashflow erzeugt. Der Unterschied besteht lediglich in der einmaligen Anschaffung beim neuen Konkurrenten (das ist ja immer so, egal ob Inflation oder nicht!), die aber den gleichen realen Wert hat. Der neue Konkurrent könnte zur gedanklichen Vereinfachung eine gebrauchte Maschine mit der gleichen Restlebensdauer kaufen, und die rationalen Anleger bewerten die erste Firma nicht nach dem niedrigeren Wert in der Bilanz, sondern nach dem mittlerweile gestiegenen Realwert. Dann ist alles identisch, nur kann der neue Konkurrent höhere steuermindernde Abschreibungen geltend machen (hat also tatsächlich etwas höheren FCF), und die buchhalterischen Kennzahlen unterscheiden sich.
    Edit: Sonst müßten wir Beispielrechnungen bemühen.

    „Wir haben die gesamte Führung fast aller Berliner Sicherheitsbehörden ausgetauscht und dort ziemlich gute Leute reingebracht." – Benedikt Lux, Grüne Berlin

    Einmal editiert, zuletzt von Winter ()