Türkische Aktien

  • Zitat

    Ich dachte immer, das Bild von dem "blood on the steet" wäre bei Börsianern im übertragenen und nicht im wortwörtlichen Sinne gemeint

    Das ist ganz sicher wortwörtlich gemeint.

    Allerdings ist die Herkunft recht umstritten. In den Mund gelegt wurde es diversen Mitgliedern der Rothschild-Familie


    https://www.grammarphobia.com/…04/waxing-rothschild.html


    Eine andere Variante (ebenfalls verschiedenen Rothschilds zugeschrieben) ist eher auf Immobilien bezogen und im französischsprachigen Raum verbreitet:

    "quand le sang coule dans les rues, il faut investir dans la pierre"

    (Wenn Blut in den Straßen fliesst, muss man in Steine investieren)

  • Ist das jetzt genial oder totale Verzweiflung:


    http://www.handelsblatt.com/po…evoelkerung/22607438.html


    Zitat


    Angesichts der Talfahrt der türkischen Lira hat Präsident Recep Tayyip Erdogan seine Landsleute aufgerufen, ihre Dollar- und Euro-Guthaben in die heimische Währung umzutauschen. „Meine Brüder, die Dollars oder Euros unter ihren Kissen haben“, wandte sich Erdogan am Samstag auf einer Wahlkampfveranstaltung in Erzurum im Osten an die Bevölkerung. „Geht und tauscht euer Geld in Lira um.“


    Wenn ich in einem Land wohnen würde wo der Präsident so was sagt, würde ich genau das Gegenteil tun und zwar so schnell wie nur irgendwie möglich....

  • Macht er alle Jahre wieder und keiner hört auf Ihn.

    (Januar 2017 / Dezember 2016)


    https://www.bbc.com/turkce/haberler-turkiye-38179921


    http://www.deutschlandfunk.de/…ml?dram:article_id=376667


    Immer wieder kommt Propaganda mässig Nachrichten wie der eine oder andere seine Dollars in Lira wechselt und ab jetzt nur noch Liras in seinem Geschäft akzeptiert. Alles bla bla bla.


    Es wird auch gemunkelt, dass die Regierung bewusst die Lira abwertet, damit die Wahlgeschenke (1000 Lira für jeden Renter zum Zuckerfest und Opferfest) irgendwie finanziert werden kann.

    Seit dieser Ankündigung stürzt die Lira und die Regierung hält sich mit Aktionen zurück.


    https://www.focus.de/finanzen/…essourcen_id_8862935.html


    https://www.memurlar.net/haber…ikramiyesi-verilecek.html

  • http://www.handelsblatt.com/po…evoelkerung/22607438.html



    Wenn ich in einem Land wohnen würde wo der Präsident so was sagt, würde ich genau das Gegenteil tun und zwar so schnell wie nur irgendwie möglich....

    Erinnert doch ein bisschen an die Kampagne in Deutschland im 1. Weltkrieg, Gold gegen Eisen einzutauschen ("Gold gab ich zur Wehr, Eisen nahm ich zur Ehr").


    Für mich das beste Beispiel dafür, dass "Patriotismus" in Wirklichkeit weniger ein Gefühl, als eine Technik ist, um die Naiven und Leichtgläubigen zu manipulieren und dazu zu bringen, das freiwillig zu tun, was die jeweils Mächtigen zu ihrem eigenen Vorteil von ihnen wollen.


    Wenn der große Präsident und Wirtschaftsexperte nach den Wahlen die Unabhängigkeit der Zentralbank beseitigt und die Inflation durch eine Nullzinspolitik bekämpft - also quasi den Brand mit Öl zu löschen versucht - kann die Inflation in der Türkei noch Ausmaße annehmen, die wir seit Jahrzehnten nicht mehr (oder nur noch aus Simbabwe) kennen. Das kann alles noch ziemlich heftig werden, wenn er das wirklich so umsetzt wie angekündigt.

  • Zitat
    Wenn der große Präsident und Wirtschaftsexperte nach den Wahlen die Unabhängigkeit der Zentralbank beseitigt und die Inflation durch eine Nullzinspolitik bekämpft - also quasi den Brand mit Öl zu löschen versucht - kann die Inflation in der Türkei noch Ausmaße annehmen, die wir seit Jahrzehnten nicht mehr (oder nur noch aus Simbabwe) kennen. Das kann alles noch ziemlich heftig werden, wenn er das wirklich so umsetzt wie angekündigt.

    Die Türkei kennt das aus den 90ern und Anfang 2000er. Die "Neue Türkische Lira" gibts seit 2005 und dann wurden damals 6 Nullen gestrichen. Die aktuelle Lage mit 10% Inflation ist historisch gesehen eher die Ausnahme.

  • Die Türkei kennt das aus den 90ern und Anfang 2000er. Die "Neue Türkische Lira" gibts seit 2005 und dann wurden damals 6 Nullen gestrichen. Die aktuelle Lage mit 10% Inflation ist historisch gesehen eher die Ausnahme.

    Das ist wahrscheinlich der Grund dafür, dass die Appelle nicht so recht fruchten wollen. Die Erinnerung der Menschen ist einfach noch zu frisch, so dass der gesunde Menschenverstand über Patriotismus und die Liebe zum Präsidenten siegt.

  • Halb-OT: Disclaimer: Hat zwar nix mit Aktien zu tun und wohl mehr mit Deutschland als mit der Türkei, aber diese Doku über Deutschtürken hat mir sehr gut gefallen!
    "Türken, entscheidet Euch!"

    Zitat

    Das Leben von viereinhalb Millionen Deutsch-Türken ist den meisten im Land wenig vertraut. Die Reportage nimmt die Zuschauer mit in eine zerrissene Welt voller Verunsicherung, seit die Türkei sich mehr und mehr von Europa entfernt.


    https://www.ardmediathek.de/tv…25442&documentId=52720720

    PS: Die hier beschriebene Zerrissenheit und das Gefühl, unter ständigem Verteidigungszwang zu stehen, erinnert mich persönlich etwas an die Ossi-Wessi-Debatten.

  • Moin, Gruß von vor Ort - aus Konya.

    Ist wirklich eine interessante Tour, ich schreib später mal mehr dazu.


    Wollte nur schnell was zu Koc hier reinstellen.

    Vor Ort stellte ich nämlich witzigerweise fest, dass unser Hotel in Ankara der Koç-Gruppe gehört.

    Und nebenan: Das Koç-Museum! :)

    Bin ich natürlich direkt rein, das ist sehr nett. Eine Art Technikmuseum in einer umgebauten Karawanserei.

    U.a. gab es auch ein paar Räume zum alten Herr Koç, und ich muss sagen: Ein überaus sympathischer Typ.

    Es war der Krämerladen seines Vaters nachgestellt, und viele liebenswürdige Devotionalien aus seinem Leben.

    U.a. war er 2011 bei der Queen zum Dinner und strahlt auf dem Foto wie ein Honigkuchenpferds vor dem Weihnachtsbaum. Sogar die Menükarte, die Einladung usw ist alles ganz stolz ausgestellt.

    Auch nett: Seine Wanderstiefel von einer Großwildsafarie. Und dazu seine Safarie-Photokamera und Tier-Bilder statt Trophäen.


    Fazit: Sehr sehenswert und Herr Koç Note 1+ beim Gesichts-Check.


    Das Unternehmen ist mir somit nochmal sympathischer geworden...wirklich eine Schande dass dort Investieren wohl aktuell nicht ratsam ist :(


    Aber ich werd sie auf dem Radar behalten.867B2973-6111-4A84-BE18-A97526ECF8AD.jpeg

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  • Klar haben wir!

    und im Lunapark jedes Fahrgeschäft gefahren, je 5 TL :thumbsup:.


    Morgen geht der Flug zurück daher heute nochmal ne Nacht in Ankara. Diesmal wohnen wir in Çancaya...sehr schick hier alles.

    Jetzt gehts zum Segmenler Park...und dann noch etwas shoppen und schön lecker Essen! Hmmm!


    @MMI: Keine Sorge zwecks des Zoll, die Freigrenzen sind bei den Preisen kaum zu erreichen ;).

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  • Ich finde den Artikel sehr interessant.

    Denn dieser verdeutlicht doch, dasss der AUfstieg in der Türkei nur durch Regierungsnähe möglich ist.

    Bis vor Erdogan brachte die Türkei wohlhabende Menschen aus dem Umfeld der CHP heraus . Danach kamen die Anhänger der AKP.

    D.h. Würden wir in dieser Zeit leben, wären die MEdien voll gegen die Regierung um Atatürk und den Profiteuren wie KOC & Co.

    ''

    Wirtschaftlicher Aufstieg dank Enteignung von Nicht-Türken


    Koc leitet den Familienkonzern in dritter Generation. Der Aufstieg des Familienunternehmens ist eng mit der alten kemalistischen Elite des Landes verbunden. 1926, drei Jahre nach der Gründung der Türkischen Republik, eröffnete Großvater Vehbi Koc einen Lebensmittelladen in der neuen Hauptstadt Ankara.


    Schnell stieg er in den Handel mit Glühbirnen, Autoteilen und Baustoffen ein und wurde reich. Beim Aufstieg half die damalige Politik des Staatsgründers Mustafa Kemal. Der „Vater der Türken“ ließ in den ersten Jahren der Republik zahlreiche Unternehmen von nicht-türkischen Minderheiten enteignen. Koc und andere übernahmen viele der kollabierten Firmen.''

  • Dem stimme ich bei, Mobilpage.

    Atatürk war m.E. einer der brilliantesten Staatsmänner des 20.Jahrhunderts und hat unglaubliches für die Türkei geleistet.

    Aber demokratische Mittel hat er oft nicht verwendet. Er hat Säuberungen durchgeführt, damals eben unter den alten osmanischen Eliten, der theologischen Kaste etc. Er war stark militaristisch ausgerichtet, hat den Westen zwar bewundert aber sich gegen jeglichen Einfluss fremder Mächte gewehrt. Er hat das Nationalistische stark bedient, um das Volk statt über Religion über die Nation zu einen.

    In seinem Fall hat das der Türkei sehr gut getan, aber du hast Recht, die Methoden hätte man ebenso kritisieren müssen.


    Im Urlaub habe ich dazu eine Menge nachgedacht und kam zu dem Schluss, dass bei aller berechtigter Kritik man doch drüber nachdenken muss ob nicht andere Kulturen auf andere Fasson glücklich werden könnten als über den klassischen westlichen Weg. Oder ob unser Weg dort einfach nicht funktioniert weil die Werte und Präferenzen andere sind.


    Ich wollte ja noch ein paar Worte über unsere Türkei-Reise verlieren:

    (Disclaimer: Nein, ich werde nicht vom Erdogan bezahlt)


    Tourismus


    Erstmal: Fahrt bitte hin! Eine der besten Reisen seit Jahren!
    Es ist der perfekte Zeitpunkt. Von Abneigung gegen Deutsche habe ich nicht das Geringste gespürt. Sogar mit einem Typ vom AKP-Stand hab ich mich unterhalten (weil es da nach Sonnenuntergang Gratis-Ramadan-Eis für meine Kids gab...). Der sagte glatt: "Alemania great". Ich glaube das ist wie mit dem Trump. Der poltert auch gegen Deutschland und die EU und überhaupt alle. Aber selbst Trump-Wähler pöbeln einen in den USA deswegen noch lange nicht an, nur weil man Deutscher ist.

    Das es einfach unverschämt billig ist, brauch ich nicht zu sagen, oder? Und dass alles schön leer ist, auch nicht. Und sicher nach wie vor.

    Am Besten hat mir gefallen: Kappadokien. Wandern in herrlicher Landschaft, praktisch alleine. Hattussa - tolle Ausgrabung, dito leer. Und Konya - ist eine richtig lebenswerte Stadt. Ankara ist aber auch viel besser als ich dachte.


    Entwicklung


    Ich war nun insgesamt 8x in der Türkei. Das erste Mal vor 20 Jahren. Das letzte Mal in Zentralanatolien vor 9 Jahren.

    Der Fortschritt des Landes ist wirklich beeindruckend.

    Ich habe noch eine 20 Jahre alte Straßenkarte, es ist einfach frapierend, wie die Infrastruktur seitdem ausgebaut wurde. Nicht nur die (extrem gepflegten) Autobahnen (davon gibts eher wenige), sondern v.a. das Schnellstraßennetz hat sich enorm entwickeln. Selbst in der Pampa ist alles ausgebaut, selbst kleine Käffer haben riesige Umgehungen, Kreuzungen mit Blumenrabatten, Beleuchtung. Alle größeren Verbindungsstraßen sind mittlerweile 4-Spurig oder es wird mir Hochdruck gebaut, schicke Tunnels, große Brücken. Null Schlaglöcher oder so. Ich kann gerne Bilder einstellen.

    Dazu habe ich mehrere nagelneue Bahntrassen gesehen, alles elektrifiziert. In Konya fahren Batterie-Trams rum, es gibt Radwege, viele sehr gepflegte Parks, im Taurus-Gebirge wird großflächig aufgeforstet. An der Küste war ich am Bauplatz des russischen AKW (hier geht allerdings wenig voran).

    In den Orten sind viele Plätze schön neu gemacht. Etliche Moscheen sind in Bau. Hochhäuser werden nach wie vor in Massen hochgezogen. Nicht mein Ding, aber immerhin sieht das neue Zeug deutlich edler aus als die Kästen vor 15 Jahren. In den Agrarregionen stehe neue Logistikzentren und Silos rum.
    Auf den Straßen gibt es keine Eselskarren mehr, selbst in der Pampa töffeln jeder Bauer mit so kleinen Dreirad-Traktoren mit Ladefläche rum.
    Die PKW sind viel moderner als früher (viel Peugeot und Renault).

    Den neuen Flughafen Istanbul haben wir überflogen. Sieht verdammt groß und recht fertig aus. Und würd mich nicht wunder wenn der vor BER fertig wird. Klar, Umwelt und Arbeitsbedingungen ist ein anderes Thema. Aber voran kommen sie.


    Islamisierung

    ...wird sich glaube ich auch ihre Grenzen haben. In Ankara hat höchstens mal ne Oma ein Kopftuch. In der Pampa vielleicht auch mal ne Mittelalte. Nur in Konya sieht man viele Kopftücher, vielleicht 50%. Dort sind auch die Moscheen voll. Sonst so leer wie die Kirchen bei uns (war in einigen Gottes-Diensten...oder heißt das Allah-Dienst?!). Auch wird der Erdogan keinen neuen Kalifen haben wollen der wirklich Macht hat. Also da hab ich wenig Angst vor. Ramadan habe viele gemacht, aber war auch kein Problem selbst in Konya jederzeit was Essen zu gehen. Und die Fastenbrecher-Mahlzeiten sind wirklich mal ein tolles Erlebnis (wir haben sogar einen Tag mitgefastet, auf Antrag von meinem Sohn der das faszinierend fand...).


    Fazit:

    Ich habe keine Ahnung ob die Quartalszahlen des GDP auf die Nachkommastelle stimmen, aber im großen und ganzen ist der Aufschwung der letzen 15 Jahre nicht "gegriecht" sondern absolut real. Das Wachstum dort war in den letzten 15 Jahre sehr wahrscheinlich deutlich höher als in jedem europäischen Land und auch als in jedem muslimischen Land. Das sollte man anerkennen.
    Die einzigen Bremsspuren die ich sehen konnte waren schwächerer Tourismus (der aber zunehmend von Chinesen, Russen, Georgen usw kompensiert wird), und in Ankara klagten ein paar Wirte drüber dass es weniger Gäste gäbe.

    Und (ganz vereinzelt) hat mal einer sich zur Inflation geäußert. Weiß aber nicht ob das für die Türken so schlimm ist wie es für uns wäre. Denn EUR und USD (und "altin" = Gold) bekommt man überall, ich habe den Eindruck die Türken benutzen die Lira nur als Transaktionswährung und haben ihre Reserven komplett in Devisen.


    Nur um es nochmal klarzustellen:
    Ich persönlich mag den Erdogan nicht, und ich mag sein System nicht. Genauso wenig wie das chinesische.

    Aber man muss als Westler aufpassen, dass man nicht in einen Bias verfällt: "Es kann nicht sein, was nicht sein darf" und nicht wahrhaben will, dass es neuerdings übel autokratische Systeme gibt die dennoch (aktuell) wirtschaftlich erfolgreicher sind als wir.

    Und da gehört die Türkei m.E. dazu und natürlich China. Daher vorsicht, wenn man dort den Crash herbeiredet, hier kann der geheime Wunsch Vater des Gedanken sein. Siehe angeblich bevorstehendes China Hard-Landing seit 20 Jahren.


    Einen Wehmutstropfen gab es allerdings:

    Lego war nicht so billig wie erwartet ;).

    ich fürchtete schon wir fahren unbeladen zurück....bis wir dann beim Abflug den Toys-Laden am Flughafen Ankara entdeckten...

    mit 25% Rabatt auf Lego-City :thumbsup:.


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    Einmal editiert, zuletzt von woodpecker ()

  • Danke für die Eindrücke. Eine Anmerkung:


    Man muß meiner Erfahrung immer ein bischen aufpassen, rein von Urlaubseindrücken auf alles andere zu schliessen. Ein Bauboom an sich istz.B. keine Garantie für langfristigen Erfolg. Wer 2006/2006 nach Spanien/Portugal/Irland gefahren ist und das mit 10-20 Jahren früher verglichen hat, ist exakt zu den gleichen Schlüssen gekommen.


    Das Ergebnis kennen wir jetzt. Heute behauptet jeder dass das alles absehbar ist, damals war es das sicher nicht.

  • Das Ergebnis kennen wir jetzt. Heute behauptet jeder dass das alles absehbar ist, damals war es das sicher nicht.


    Mittlerweile gehört es aber zum Erfahrungsschatz, dass Immobilienbooms oft zu einer privaten Schuldenkrise und dann zur Bankenkrise führen, oder, wenn die Verschuldung in Fremdwährungen passiert, auch gerne zur Währungskrise. Das weiß man spätestens seit den 90er Jahren aus Japan.


    Immobilien unterliegen eben einen Schweinezyklus von Über- und Unterversorgung, und sofern es sich nicht um (vernünftige) Infrastrukturprojekte handelt, auch keine volkswirtschaftliche Rendite in Form höherer Produktivität.


    Allerdings sind diese Risiken mit den in den letzten 20 Jahren zunehmend überdehnten Bankbilanzen auch deutlich gestiegen.

    Und irgendwann werden sie feststellen, dass man gendergerechte Sprache nicht essen kann (fefe).

  • @mmi,


    ich bin voll bei dir was Immo-Boom betrifft.

    Nur, wie ich versucht habe darzulegen, nach meiner Beobachtung findet in der Türkei Fortschritt in vielen wirtschaftlichen Bereichen und in vielen Regionen statt, nicht nur Immos.

    Auch machen die Türken eigentlich überall im Land einen sehr fleissigen, recht gut organisierten und „hungrigen“ Eindruck.


    In Spanien war ich nicht, wohl aber in Griechenland (Rundreise 4 Wochen mit dem PKW, also auch etwas intensiver) ein Jahr vor der Finanzkrise.

    Im Gegensatz zur Türkei stankt es dort damals förmlich nach Gier, Korruption, Ineffizienz, Faulheit und Boom auf Pump.


    Auch die Demographie der Türkei ist übrigens hervorragend, auch das stützt bekanntlich das GDP.


    Kann schon sein dass auch mal ne Krise kommt oder das Defizit ein Problem bereitet. Aber wenn ich auf das künftige 10-Jahres Wachstum der EU oder der Türkei setzen müsste, würde klar die Türkei das Rennen machen. Sogar trotz Erdogan.


    Ich frage mich eher, kann man daran antizyklisch partizipieren?! Vermutlich nicht so einfach. Obwohl Koc ja langsam in echt interessante Regionen kommt...


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  • Nun ja, wenn man antizyklisch in der Türkei investieren will, dürfte Koc wirklich erste Wahl sein.


    Als größter Exporteur profitiert Koc am meisten von einer schwachen Lira.

  • Wer hat denn eigentlich bestritten, dass die Türkei (und auch China) in den letzten 15 (oder noch mehr) Jahren wirtschaftlich sehr erfolgreich waren? Kann es sein, dass Du da einer These widersprichst, die überhaupt niemand aufgestellt hat? (Ich wüsste jedenfalls nicht wer.) Und wer hat behauptet, dass autokratische Systeme nicht wirtschaftlich erfolgreich sein können?


    Allerdings sieht man ja, worauf MMI schon hingewiesen hat, in der Gegenwart immer nur den wirtschaftlichen Erfolg der Vergangenheit bis zum aktuellen Zeitpunkt. Und das lässt offen, wie es in Zukunft weitergeht. Ich frage mich in diesem Zusammenhang ob der Aderlass durch die Verhaftungen und Entlassungen in 2016 und der Umstand, dass die Mehrzahl der intelligentesten und gebildetsten Türken jetzt im Gefängnis sitzt, Berufsverbot hat oder ins Ausland geflohen sind, sich nicht langfristig negativ auf auf den wirtschaftlichen Fortschritt der Türkei auswirken wird. Vielleicht nicht - Deutschland hat einen entsprechenden Aderlass in den 30er Jahren ohne erkennbaren Einbruch der ökonomischen Leistungsfähigkeit wegstecken können - allerdings war es dort auch nur eine kurze Periode, unzureichend für eine Langfristaussage - die DDR hatte mit dem intellektuellen Aderlass hingegen auf einer längeren Zeitachse offensichtlich ein erhebliches und mit der Zeit sogar zunehmend sichtbares Problem... Ich kann es nicht beurteilen, wie gravierend das ist, wäre aber alleine aus diesem Grund für die wirtschaftliche Zukunftsperspektive der Türkei etwas skeptisch, wenn es nicht zu einer Korrektur der gegenwärtigen politischen Verhältnisse kommt.


    Was ich aber wirklich problematisch finde, ist die Aussage zu dem "klassischen westlichen Weg", auch und gerade wenn sie, oberflächlich betrachtet, gut und tolerant klingt.

    Erst einmal: Woran misst Du denn den Erfolg der Türkei den Du anscheinend so bewunderst? Am Glück der Menschen? Das erwähnst Du gar nicht (schon gar nicht das der Menschen in den Gefängnissen). Sondern am wirtschaftlichen Erfolg. Scheint mir schon mal ein typisch "westlicher" Maßstab zu sein, nein?

    Wenn es um die Kultur, Religion, die Art des Wirtschaftens etc. geht, bin ich ja ganz bei Dir, dass kein Kulturkreis einem anderen seine Prinzipien aufdrängen sollte.

    Aber tut das denn seit dem Ende der Kolonialzeit (und seiner Nach-Phase im kalten Krieg) denn noch jemand, abgesehen vielleicht von den Kreditauflagen des IWFs für hoch verschuldete Länder, die aber jetzt nicht der Normalfall sind?

    Sind nicht vielmehr, wenn das Überstülpen westlicher Prinzipien und Werte angeprangert wird (z.B. immer wieder von der chinesischen Regierung) meist solche "westlichen" Werte wie Demokratie, Menschenrechte, Rechtstaatlichkeit und Gleichberechtigung von Mann und Frau gemeint?

    Aber sind das wirklich "westliche" Werte oder nicht vielmehr kulturübergreifende Errungenschaften menschlichen Fortschritts?

    Gibt es irgendeine (nationale) Kultur, in der Menschenrechte und Demokratie kulturell tief verankert sind, also z.B. im Mittelalter schon in mehr als Ansätzen vorhanden waren? Haben nicht z.B. die Nazis Demokratie sowie Gleichberechtigung von Mann und Frau mit dem Argument abgelehnt, dass sie nicht der deutschen Kultur und Tradition entsprechen würden, während sich heute alle Parteien in Deutschland darüber einig sind, dass diese Werte unverzichtbarer Kernbestandteil unserer Kultur sind?

    Ich denke, man muss sehr aufpassen, dass man nicht der Argumentation von autokratischen Regimen auf dem Leim geht, die aus ihrem eigenen Herrschaftsinteresse heraus universelle, kulturübergreifende Werte wie Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte als westlichen Kulturimperialismus zu diffamieren versuchen.


    Überhaupt erinnern mich Deine begeisterten Berichte von den positiven Eindrücken und den schönen Straßen fatal an die Berichte von englischen und amerikanischen Besuchern in Deutschland Mitte/ Ende der 30er Jahre wie gut alles läuft, erfolgreich, ordentlich, sauber, wohlgeregelt, tüchtig, effizient und der Anerkennung für die schönen Autobahnen. Die Menschen in den Konzentrationslagern haben die nicht zu sehen bekommen, genauso wenig wie Du die Menschen in den Gefängnissen gesehen oder erwähnt hast, aber auch nicht die Menschen in den Kurdengebieten, die tagtäglich unter dem Staatsterrorismus von türkischem Militär und Polizei zu leiden haben.


    Kein Vorwurf aber - man kann ja nicht in jedem Bericht über alles schreiben und Du hast es ja auch nicht geleugnet, dennoch m.E. zweischneidig, denn mit jeder Aussage schwingt immer ein unausgesprochener Unterton zwischen den Zeilen mit und kann auch zu Missverständnissen führen.

  • HI Quercus,


    ich verstehe viele Deiner Punkte.

    Ist ne sehr komplexe Kiste, vorallem schriftlich. Aber ich versuche mal meinen Standpunkt zu erläutern, denn spannend ist das schon.


    Ganz wichtig: Mir geht es erstmal garnicht drum, irgendwas moralisch zu beurteilen. Ich versuche eigentlich nur Handlungsweisen zu verstehen und mich reinzuversetzen in die jeweiligen Länder. Moralisch bewerden würd ich höchstens, nachdem ich beide Seiten meine verstanden habe. Und soweit ist es noch nicht.


    Also was ich primär sagen wollte ist erstmal dass der Aufschwung in der Türkei m.E. sehr real, nicht "gegriecht", und auch recht fundiert ist.

    Dass somit m.E. die Chancen gut stehen, dass der auch weitergeht, sogar trotz Erdogan.

    Und dass man somit die Türkei für Investments auf dem Radar behalten sollten. Wie man die Risiken dabei umgeht, weiß ich allerdings leider auch nicht.


    Sekundär gebe ich gerne zu, dass ich den Fortschritt dort beachtenswert finde. Man kann dort live beobachten wie ein Land aus einem Entwicklsunglandzustand bis zum Industrieland vorgerückt ist, innerhalb von nur 15 Jahren. Wer sollte das nicht bewundern?

    Und sehr wahrscheinlich ist das - bei allen Ungerechtigkeiten, Korruption, Unterdrückungen usw. - auch für sehr viele Millionen Türken ein toller Fortschritt.


    So erkläre ich mir halt die Wahlergebnisse von Erdogan.

    Und so erkläre ich mir auch die Abwendung von Europa.

    Aus türkischer Sicht könnte man sagen: "Warum sollen wir noch die EU anstreben? Das ist ein zerstrittener Haufen, der sich um sich selber dreht, wo viele Länder null Fortschritt haben. Und wo wir so oder so als Fremdkörper gelten und letztlich nicht gewollt werden. Und entwickeln können wir uns nachgewiesen selber. Sollten wir uns nicht lieber Asien/China zuwenden?!"

    Die Lage ist diesbezüglich also sehr anders als noch vor 15 Jahren (als die EU im Saft stand, die Türkei arm war und Erdogan übrigens auch schon regierte und der Liebling der EU war).


    Ich finde die Beschränkung der Meinungsfreiheit usw. auch fürchterlich. Ich finde auch abscheulich was in China passiert, mit der Überwachung. Ich würde es persönlich völlig anders machen - wenn man mich denn endlich mal liesse ;). Ich habe damals auch hier geschrieben, ich wünschte der Putsch wäre geglückt.

    Aber letztlich können weder du noch ich beurteilen ob das die Menschen vor Ort auch so fürchterlich finden, oder ob die das als Preis akzeptieren für ihren starken ökonomischen Aufschwung oder kulturell eben andere Bedürfnisse haben. Ich finde einfach vor Ort wenig Anzeichen dass die Menschen unglücklich, gespalten, deprimiert sind oder so. Eher weniger als in Deutschland komischerweise.


    Natürlich hast du Recht, die Kurden und die Gefängnisse habe ich nicht besucht. Zumindest bezüglich der Kurdengebiete plane ich das demnächst nachzuholen...der nächte Trip muss nach Ost-Anatolien gehen...

    Aber in den Medien sieht man halt immer nur die Kurden und die Gefängnisse und die zwei verhafteten Deutschen, daher ist es schon spannend auch die andere Seite zu sehen.


    Der letzte Punkt den ich versuchte anzudeuten ist der westliche Bias, für derlei unschöne Regime oft den nahenden Niedergang zu vermuten. Das beobachte ich seit über 20(!) Jahren bei China. Wo eigentlich sehr selten der Aufschwung anerkannt wird ohne den Zusatz: "Aber so kann es nicht weitergehen. Die Quittung / das hard landing stehen kurz bevor."


    Natürlich ist das nur meine Meinung, aber hier identifiziere ich eine Art Selbstschutz des Westens, der nicht so recht wahrhaben will, dass er seine Vormachtstellung in der Welt verliert. Und zwar zugunsten von derlei autokraten Regimen (also in diesem Fall natürlich nicht die Türkei, sondern China).

    Das selbe gilt für Trump, wo sich viele hier einig sind: Zweite Amtszeit schafft der nicht. Das ist mehr Wunschdenken als Fakten m.E.


    In beiden Fällen gilt wiederum: Das heißt NICHT dass ich mir eine zweite Amtszeit von Trump wünsche. Und ich will auch NICHT das China die neue Weltmacht wird. Aber dennoch denke ich beides wird passieren.


    In Bezug auf die Türkei erwarte ich (nicht wünsche ich):


    - Erdogan wird gewählt werden. Knapp, aber ich fürchte es wird reichen.

    - Der Aufschwung wird dennoch weitergehen und Erdogan wird ein sensationeller "pain in the ars" bleiben für Europe.

    - Die Türkei wird daran aber nicht untergehen und auch kein neues 3.Reich oder eine evil no-go area werden.

    - Klar sollte man weiter auf die Einhaltung der Menschenrechte drängen. Aber die Türken sind ein sehr selbstbewußtes Volk geworden. Ich habe daher meine Zweifel ob die Mehrheit der Bevölkerung unsere deutschen Tipps aus der Ferne interesssiert. Wie bei China halt.

    - Man muss es schlucken: Unser Arm in der Welt ist verdammt kurz geworden.

    In 10-20 Jahre wird es dann andersrum sein, dann wird China uns wohlgemeinte Tipps geben. Da sollte man sich schonmal drauf einstellen.

    (Übrigens sehr auffällig wieviel chinesische Touristen in Kappadokien rumrennen. Göremehat bereits komplett umgestellt von Schnitzel auf Chinafood. Zum Glück wandern die Chinesen nicht gerne, daher stört es nicht so)



    Frage: Wie würdest du dich verhalten wenn du die Türkei wärst?


    wp

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