Versicherungen - old and boring oder geht da noch was?

  • Wow, kann es wirklich sein dass es bislang keinen Faden für Versicherungen gibt hier im Forum?! Oder bin ich schlicht zu blöd zu suchen.


    Anyway, ich finde es ist an der Zeit den Sektor mal wieder zu beleuchten.


    Seit einiger Zeit laufen sowohl Versicherer als auch Rückversicherer - recht unbemerkt - ziemlich gut.


    zB meine Depotwerte Hann.Re und Talax eilen sehr erfreulich von Hoch zu Hoch.

    Mein dritter Wert, Admiral, schwächelt dagegen, trotz unbestrittener Qualität des Unternehmens.


    Ich könnte mir aber vorstellen dass die gute Performance des Sektors sich noch weiter fortsetzt.


    Gründe:


    - optisch sind viele Versicherer nach wie vor sehr günstig

    - die Dividenden sind hoch und oft recht stabil. Das könnte sie für Flüchtlinge aus den Tagesgeldkonten attraktiv machen

    - Im Gegensatz zu den Banken haben die Versicherer m.E. bereits viele Hausaufgaben gemacht. Es wird vermehrt auf Profiabilität des operativen Geschäfts geachtet als sich bequem auf die Anlageergebnisse zu verlassen

    - Die Exponierung ggü. Handelskrieg, Rezession etc., zumindest auf der Umsatzseite ist begrenzter als bei anderen Unternehmen

    - Der Sektor war lange genug aus der Mode, hat aber im Gegensatz zu zB. Versorgern dann doch nicht den befürchteten Bauchlander hingelegt


    Risiken sind m.E. v.a. die weiter abnehmenden Erträge aus der Investment-Seite.

    Und die Wachstumschancen sind sicherlich eher begrenzt.

    Allerdings ist beides seit Jahren / Jahrzehnten (?) bekannt. Hier dürfte viel schon eingepreist sein.


    Alles ein Sektor dessen Kurse aktuell recht unbemerkt im Schatten einer Mauer aus Angst vor sich hin steigen - also genau mein Ding.

    Dummerweise tue ich mir immer etwas schwer Versicherer (und Banken) zu bewerten.

    Man muss sich dafür recht intensiv mit den einzelnen Unternehmen beschäftigen und das ist als mechanischer Investor eher nicht so mein Ding.

    Aber vielleicht habt ihr ja ein paar Einsichten die ihr teilen möchtet.


    Angesehen habe ich mir bislang:


    Hann.Re. und Talanx

    beide ist im Depot, Kennzahlen trotz starkem Anstieg noch gut, RS sehr gut, Divi gut, werde ich halten


    Admiral

    wurde bereits ausreichend besprochen


    Mapfre

    Mechanisch das höchste Potential in meinem Modell - for what its worth.

    Was hier aktuell sehr stört (und für mich ein K.O. Kriterium ist) ist die miese RS und der üble Chart


    Generali

    Kennzahlen sehr gut, RS sehr gut, Divi sehr interessant. Ebenfalls hohes Potential im Modell.

    Dividendenproblematik und Zinsexposure wurde bereits angesprochen.

    Kandidat für die Kaufliste.


    AXA

    Ebenso.

    Vielleicht sogar interessanter als Generali, da breiter aufgestellt?


    Mutui

    Ist ja ein Favorit hier.

    Ich wünschte ich wäre auch an Bord gegangen vor ein paar Jahren.

    Mir aber mittlerweile zu teuer / als growth Unternehmen nicht mein Beuteschema


    Edit/Nachtrag:

    Allianz

    m.E. ein hervorragendes Unternehmen in dem Sektor.

    Kennzahlen auch gut.

    Ist allerdings schon sehr gut gelaufen und die RS schwächelt jüngst etwas.


    Meinungen?


    Woodpecker

    "I swear by my life and my love of it that I will never live for the sake of another man, nor ask another man to live for mine." - John Galt in "Atlas Shrugged"

    "If you act out of fear, anger, despair or suspicion - this will ruin everything." - Thich Nhat Hanh


    Edited once, last by woodpecker ().

  • jetzt bin ich doch ein wenig enttäuscht dass du dir die Rheinland Holding noch nicht angesehen hast ^^.

    Muss es in Europa sein?

    In Deutschland gibt's noch die Nürnberger und W&W die man betrachten könnte.

  • Als Gegenargument könnte man m.E. anführen:


    - evtl. haben die Versicherungen gar nicht Ihre Hausaufgaben gemacht, sondern haben nur Glück dass die Industrie sehr viel langsamer tickt und z.B. die Digitalisierungswelle (inkl. neuer Konkurrenten) erst kommt


    - die aktuellen Ergebnisse beruhen größtenteils auf deutlich gestiegenen Risiken in der Kapitlanlage, das Exposure zu einem schlechten Kapitalmarkt ist deutlich höher wie vor ein paar Jahren


    - die aktuellen Preiserhöhungen im Industrie/Rückversicherungsbereich sind nur temporär


    - die gezahlten Dividenden sind nicht nachhaltig, da selbst in den frisierten Modellen die Risikokapitalpuffer stark schrumpfen



    Aber was weiss ich schon von der Materie ?


    ;-)

  • Na dass Deine Meinung mich da interessiert, da kannst Du aber schwer von ausgehen! ;-)


    Wobei deine kritische Haltung zu der Branche mir natürlich bereits bekannt ist.


    Mal zu Deinen Punkten:


    Die Digitalisierung/Disruption sehe ich nicht als so große Gefahr wie in anderen Bereichen.

    Das betrifft bei Versicherern eher das Retail, und wenn sie sich nicht ganz dämlich anstellen, werden sie dort erfolgreiche neue Modelle schnell kopieren können.

    Zudem ist Versicherung chronisch unsexy, mehr ein lästiges Übel als lustvoller Kauf. M.E. nicht das optimale Ziel für digitale Angreifer, die ja oft auch die Sexyness/das Spielerische neuer, smarter Produkte mitverkaufen um (in vielen Fällen) über mangelnden echten Zusatznutzen hinwegzutäuschen.


    Ob Preiserhöhungen temporär oder nachhaltig sind wage ich nicht zu beurteilen. Momentan läuft es besser als lange gedacht, wann das dreht, keine Ahnung.

    Hast Du da handfeste Indikatoren für?


    Die anderen Punkte teile ich. Mit der Einschränkunge dass es halt sehr von der Makro-Entwicklung abhängt, muss also nicht zwangsweise schnell zum Problem werden.


    Die Frage ist doch letztlich was in den Kursen bereits eingepreist war.

    Momentan zeigt der Markt doch ganz offensichtlich dass er von Schlimmerem ausgegangen war.

    Und diese Meinung teile ich, da die Stimmung im Sektor eigentlich schlecht ist seit ich denken kann. ;-)

    Was mir daran gefällt ist, dass ich - etwa im Gegensatz zu Autobauern - kaum mehr Hybris sehen kann.


    wp

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  • Preiserhöhungen temporär oder nachhaltig

    Anekdotisch:

    die Haftpflicht unserer beiden PKW sinkt für 2020 jeweils um gut 25% - einmal von knapp 300 auf gut 200 und einmal von 150 auf 115. Natürlich nicht ganz freiwillig sondern nach angekündigter bzw. vollzogener Kündigung.


    Gibt es verfügbare Daten zu den mittleren Preisentwicklungen der div. Versicherungsteilmärkte?


    Edit: peinlicher Tippfehler :-)

  • chfin

    Auf Ihrem Branchentreffen in Baden Baden waren die dtsch.

    Rückversicherer diesbezüglich guter Dinge.


    https://versicherungswirtschaf…-rueckversicherer-bringt/


    Ähnlich auf dem internationalen Branchentreff in Monte Carlo.


    https://www.spglobal.com/marke…t-news-headlines/53890546


    Natürlich wird bei derlei Veranstaltungen auch Stimmung gemacht.

    Dennoch klang das viele Jahre hindurch deutlich pessimistischer.

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  • Danke.


    Ziemlich widersprüchlich die Aussagen. Einerseits angeblich immer mehr klimabedingte teure Großkatastrophen, andererseits sagen die Kostenzahlen, dass die immer weniger kosten. Zumindest die jeweils 1.HJ 2019 und 2018 waren diesbezüglich ausnehmend billig.


    "Swiss Re estimated that catastrophes cost the insurance industry $19 billion in the first half of 2019, down from $26 billion in the same period of 2018, and well below the 10-year average of $36 billion."

    https://www.spglobal.com/marke…t-news-headlines/53890546
  • Ja, wie gesagt, da wird auch Stimmung gemacht. Jammern über steigende Risiken ist v.a. an die Kunden gerichtet...


    Ansonsten geben die RV immer Reports zu den Niveaus der "renewals" also den Vertragserneuerungen, google mal danach. das spiegelt oft auch die Entwicklung der EV Prämien wieder.


    Gibt auch Branchenblätter online:

    ZB

    https://www.reinsurancene.ws/p…hird-quarter-marketscout/


    Für die Prognose zukünftiger Preisniveaus ist das natürlich nur bedingt hilfreich.

    Für den Moment scheint der >10 Jahre andauernde Abwärtstrend aber gestoppt.

    Vermutlich einer der Gründe warum der Sektor an der Börse aktuell outperformed.

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  • Im Bereich der Lebensversicherungen sieht es nicht gut aus:


    https://www.brn-ag.de/36620-Uw…icherungen-Pensionskassen

    "Uwe Eilers: "Das Risiko einer Insolvenz bei Lebensversicherungen und Pensionskassen ist sehr hoch!" - BaFin 31 Lebensversicherer

    Veröffentlicht: 25.11.2019 um 13:35

    Herr Uwe Eilers (Vermögensberater) im Gespräch mit Peter Heinrich

    Uwe Eilers: Die Frage ist nicht ob, sondern wann die Pensionskassen und Lebensversicherer pleitegehen. "31 Lebensversicherer und Pensionskassen sind unter strenger Aufsicht der BaFin." So hat die BaFin auch der Deutschen Steuerberater-Versicherung-Pensionskasse das Neugeschäft untersagt! "Auch die Allianz hat die Gewinnabführung im Jahr 2017 gekündigt, das heißt auch, dass die Allianz nicht mehr für Ihre Lebensversicherungstochter einsteht und keine Haftung mehr übernimmt." Der Bundesverband der Versicherten (BdV) kommt in einer Studie zum Schluss: Bei rund einem Viertel der Anbieter sieht es düster aus. Probleme mit Solvenzen haben: Zurich Deutscher Herold, Stuttgarter LV, DeBeKa Leben, DEVK, R+V, …"

    First focus on risk, before focus on return! (Seth Klarman)

  • Ist eine spannende Frage was eigentlich passiert wenn Lebensversicherer im großen Stil pleite gehen.


    Typischerweise werden die ja dann von der Protektor aufgefangen / übernommen.


    Was passiert aber wenn zB die Allianz Leben pleite geht (und der Konzern ja offenbar keine Haftung mehr übernimmt) und Protektor entsprechend überfordert ist?

    Müssen dann die anderen Gesellschafter nachschießen? Das sind ja auch alles LVs und somit vermutlich ähnlich klamm.

    Gibt es einen Lender of last ressort?

    Kommt dann nach der großen Bankenrettung die große Lebensversicherungsrettung durch den Staat? Wäre ja eigentlich easy, denn Kredit bekommt der Staat zu negativem Zins, also würde er sogar noch Gewinne machen... ;-)


    Hätte das überhaupt Auswirkungen auf zB die Allianz Aktie, wo die Allianz doch die Gewinnabführung gekündigt hat?

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  • Nun ja, Protektor hätte schon Probleme mit deutlich kleineren Lebensversicherungen.


    In japan wurde das "elegant" durch Garantiekürzungen geregelt.

  • - Was hätte es für Auswirkungen auf die Reputation der Allianz?

    - Könnte der Allianz-Verkäufer seinen Kunden noch Krankenversicherungen, Autoversicherungen, etc. verkaufen oder war das Ganze Geschäft rund um die Lebensversicherung aufgebaut?

    - Was würde mit den Rückversicherungen auf Lebensversicherungen passieren? Würde dieses Geschäft komplett wegbrechen?

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  • Ich habe vor einigen Jahren gelesen, dass eine gesetzliche Vorschrift eingeführt wurde, wonach die Versicherungsaufsicht kriselnde LVs verpflichten kann, Leistungen zu kürzen während die Versicherten ihre Leistungen (Beiträge) unverändert weiterzahlen müssen.

    § leider auf die Schnelle nicht gefunden.

    “Investment is most intelligent when it is most businesslike.” -Benjamin Graham

  • Meines Wissens kann der Versicherte die Lebensversicherung beitragsfrei stellen, d.h. er muss nicht unverändert weiter zahlen:


    https://de.wikipedia.org/wiki/Beitragsfreistellung

    "Im Versicherungswesen beschreibt die Beitragsfreistellung die Umwandlung eines Lebensversicherungsvertrages, bei dem regelmäßige Beitragszahlung vereinbart ist, in einen Vertrag mit gleichem Ablauftermin, aber ohne weitere Beitragszahlung."

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  • Ich denke nicht dass es zu einem Ausfall kommen wird.

    In irgendeiner Weise wird der Staat einspringen da einfach zu viele Schicksale dranhängen.

    Die interessante Frage ist daher m.E. nicht was passiert wenn eine LV ausfällt, sonder welche Lösungen gebastelt werden werden um sie zu retten.


    Dass das Kollateralschäden für den jeweiligen Konzern bedeutet ist natürlich dennoch möglich.

    Außer die staatliche Rettungs-"Lösung" wird schon unauffällig im Vorfeld einer etwaigen Pleite gebastelt - das ist ja auch nicht grade unwahrscheinlich.


    wp

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  • Auch wenn es nicht zu einem Ausfall kommt, wird es meiner Ansicht nach bei Lebensversicherungen für den Aktionär schwierig sein eine gute Rendite zu bekommen.


    Anderer Punkt:

    Meiner Ansicht nach wird bei deutschen Versicherungen IT nicht als Kernkompetenz betrachtet, sondern als Kostenfaktor. In Zukunft werden sie es womöglich gegen Alphabet (Deepmind) und Amazon/Berkshire/JP Morgen (Healthcare Joint-Venture) schwer haben, da diese über die Technologie Kostenführer werden könnten. Da helfen auch die paar Labs mit Kickern nichts, welche in den letzten Jahren von deutschen Versicherern installiert wurden um als innovativ zu gelten.

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