Hurra, eine neue Aktie, und zwar eine, die mir Kopfzerbrechen bereitet.
Es geht um Rana Gruber (zu deutsch vermutlich: die Rana-Grube), also ein norwegisches Minen-Unternehmen, das sich dem Schürfen, der Produktion und dem Verkauf von Eisenerz-Konzentrat widmet. Endkunden sind Stahlindustrie und chemische Industrie.
Formal ist die Aktie der Knaller: Im Value Composite-System von O'Shaughnessy (also einem Mix-System aus KGV, KUV, KCV, KBV, Divi) liegt die Aktie im 4. Percentil, also im obersten Zwanzigstel der billigen Aktien. Auch innerhalb der Minen-Firmen eine Top-Platzierung. KGV 3,3 * KUV 1,0 * KBV 3,0 (ok, naja) * KCV 2,1 (o lala) * alle mechanischen Qualitätsindikatoren (Z-Score, M-Score) im grünen Bereich. Dazu eine aberwitzige Dividendenrendite, welche Simply Wallstreet für dieses Jahr bei 32% erwartet, Comdirect bei 20% - mit steilem Abfall auf ca. 6% danach. Rückgang der Eisenerz-Preise, na klar.
Um weiter auf Wolke 7 zu schweben: Die gut gestaltete Homepage https://www.ranagruber.no/ kündigt an, dass die Firma anstrebt, in ein paar Jahren das weltweit erste Minen-Unternehmen zu sein, das CO2-neutrales Eisenerz fördert. Möglich soll das sein durch kurze Strecken, Elektrifizierung der Förderung und des Transports und durch regenerative Energie in Norwegen. [Nebenbemerkung: Rana Gruber erwähnt, dass Rio Tinto im Bereich Klimafreundlichkeit auch sehr gut abschneidet, dank "economies of scale".]
So weit, so gut. Leider kackt die Aktie trotzdem laufend ab, und jetzt kommen wir zur Lehrstunde und zum Lehrgeld:
1.) Der Börsengang ist noch keine 12 Monate her und erfolgte in einem Teilsegment der norwegischen Börse ("Euronext Growth Oslo"). Benjamin Graham hätte die Hände über dem Kopf zusammen geschlagen, angesichts seiner Regel, nur Aktien zu kaufen, die mindestens 10 Jahre gelistet sind. (NB: Rana Gruber wird auch in DE gehandelt, und soll im Frühjahr ins Hauptsegment der norwegischen Börse wechseln.)
2.) Die Firma liefert eine Reihe von Meldungen, die für sich genommen nicht dramatisch sind, aber in einer Art Salamitaktik die Gewinnerwartungen runterschrauben. Hier mal gestiegene Energiepreise, dort mal gestiegene Transportkosten, dann wieder niedrigere Hedging-Preise in den nächsten Quartalen. Leider immer nur Überraschungen mit dem falschen Vorzeichen.
3. Es gibt eine Quellensteuer von 25%, die in der Praxis (Comdirect) erst mal überhaupt nicht anerkannt wird. (Die Comdirect meint aber, zumindest die 10% jenseits von 15% zurückholen zu können - wenigstens das.) Beim Bundeszentralamt für Steuern, im PDF für Quellensteuer, liest sich das so: "Dividenden: Anteilseignern mit Wohnsitz im EWR wird die einbehaltene Quellensteuer auf Antrag ganz oder teilweise erstattet ("shielding deduction"), vgl. BMF-Schreiben vom 15.11.2011 (BStBl I S. 1113)".
Ich gestehe: Ich habe mich mit BStBI I S. 1113 noch nicht im Detail befasst. Erfahrungsberichte zur norwegischen Doppelbesteuerung von Dividenden: Bitte gerne. Sehr schwach war jedenfalls die Reaktion der IR-Abteilung von Rana Gruber auf meine Email-Anfrage: Da kam einfach keine Antwort.
Fazit: Man fragt sich: In welchem Film sitz ich da gerade?