Zinsniveau und Aktienbewertung

  • Hallo zusammen,


    Ich habe gerade ein paar Datenreihen von GlobalFinData.COM und Shiller zusammengetragen. Auf den ersten Blick kann ich absolut keinen Zusammenhang zwischen dem Kurs-Anleihe-Verhältnis und zukünftigen Aktienmarktrenditen erkennen. Muss Value und damit auch Smithers zustimmen. Leider habe ich sein Buch noch nicht gelesen. Value: hast du nen paar Nähere Infos zum Buch?


    a) Das Kurs-Anleihenverhältnis konnte Renditen in der Vergangenheit anscheinend nicht prognostizieren


    Klar kann man rückwirkend auch die 60er qualitativ mit hohen Gewinnerwartungen u.a. erklären, aber ob das just in time auch möglich ist...?


    b) das gleiche scheint für nominale und reale Betrachtungen zu gelten


    c) Dass steigende Zinsen schlecht für zukünftige Aktienrenditen sind? Tja: bin zwar erst am Anfang der Untersuchung - aber bislang konnte ich dieses Naturgesetz in der Vergangenheit sogut wie nie entdecken.. ;)


    Werde das alles nochmal überprüfen und erweitern aber ich bin skeptisch dass sich die theoretische Finanzwirtschaft auch empirisch irgendwie bestätigt...

  • thx value!


    Werde es mir bestellen, klingt interessant. Ich hatte letztens erst einen Artikel über Tobin's q in den Händen, dazu ein paar langfristige "q"-Zeitreihen. Muss mal schauen, ob ich das noch irgendwo finde...


    Investor

  • zurück zum Zusammenhang zwischen Zinsen und Aktienrenditen...


    Aus dem Bundesbank Monatsbericht Februar 2004, S. 29


    Im historischen Vergleich ist ein negativer Zusammenhang zwischen Aktienmarkt- und Rentenmarktentwicklung eher die Ausnahme. Im Durchschnitt zeigt sich seit Beginn der 80-iger Jahre eine positive Korrelation der wöchentlichen Rendten (Korrelationskoeffizient 0,28). Sinkende Aktienkurse gingen demnach überwiegend mit sinkenden Anleihenkursen und dementsprechend höheren Zinsen einher. Diese Abhängigkeit kann durch einen gemeinsamen Diskontierungsfaktor erklärt werden.
    In Krisenzeiten ist dagegen die Korrelation oft negativ, dies zeigt sich nach dem Börsencrash 1987, der Russlandkrise 1998. In solchen Zeiten (und wohl zwischen 03.2000 und 03.2003) scheint die Attraktivität "sicherer" Anleihen zu steigen.
    (gekürzter Text)


    Beigefügt ist eine Grafik zur Korrelation.
    Diese ist negativ (nicht im ganzen Jahr, sondern nur Abschnittsweise): 1985, 1987 (Börsencrash), 1989/1990 (Fall eiserner Vorhang,)1992 (Rezesssion), 1997 (Asienkrise) 1998 (Russlandkrise) und ab Anfang 2000 lange andauernd


    Wenn mal keine Krise ist, dann beträgt die Korrelation meist zwischen 0,3 und 0,8, dies ist doch recht hoch.

  • Hallo,


    anlaesslich der gerade wieder inversen Zinskurve im Euro-Raum ist in der Wochenend-Ausgabe der FT ein Chart mit den Zinskurven fuer USA, Euro-Raum und UK.


    Im UK sind die kurzfristigen Zinsen bei 5.0%, die 10-jaehrigen bei 4.5% und die 30-jaehrigen bei 4.0%. So stark habe ich noch nie eine Zinskurve fallen sehen. Im Text schreiben sie dazu "In the UK where structural factors distort the shape of the curve, there is less correlation" [mit zukuenftigen Rezessionen].


    Wieso soll man der Zinskurve nicht glauben? Was sind die 'structural factors'? Der Kurve nach muessten die Briten jedenfalls in eine ganz ueble Rezession geraten. Soll ich jetzt FTSE 100-Puts kaufen oder nicht?


    Viele Gruesse,


    Balkenchart

  • Ich sehe mir das auch gelegentlich an und versuche daraus schlau zu werden.


    Einerseits entstehen solche Situationen nur, weil viele sagen "Diesmal ist alles anders, die Regel gilt hier nicht"


    Das wurde auch angeführt, als in den USA mal die Zinskurve für ganz kurze Seit invers war (für 1 oder 2 Wochen), da haben sie bis jetzt recht behalten.


    Andereseits denke ich, inverse Zinsstrukturen als Rezessionsvorboten haben früher bei viel höheren Zinsen stattgefunden, oder?


    Was ich letztlich bedeutsamer finde, sind die extrem geringen Spreads zwischen guten und schlechten Anleihen (EM Länder, zweifelhafte Unterhehmen), darüber wurde an anderer Stelle im Forum schon mal geschrieben.


    Seeeehr viele Leute sind seeehr optimistisch. Ich fand es z.B. hochinteressant, dass der Putsch in Thailand keinerlei Auswirkung auf die Kurse meiner thailändischen Aktien hatte.

  • Um das Thema nochmals aufzuwärmen, ich hoffe ich stoße nicht auf taube Ohren ;-)


    Was hat value denn bewiesen? Daß in der statistischen Korrelationsanalyse kein signifikanter Zusammenhang zwischen Zins und KGV bzw. zwischen Zinshöhe und zukünftigen Kursveränderungen festgestellt werden konnte. Das wiederum kommt augenscheinlich durch einen begrenzten [Zeitraum] zustande, in dem der Zusammenhang genau umgekehrt war. Das versaut die Statistik. Man müßte mal einen Blick werfen auf die Grafiken - dazu am Ende des Beitrags mehr.


    Jedenfalls meine qualitativen Überlegungen:
    Wenn es einen Zusammenhang geben sollte, dann könnte der erstens auf die positive wirtschaftliche Auswirkung von niedrigen Zinsen zurückzuführen sein, welche den Unternehmen ermöglichen, mit billigem Geld zu expandieren oder durch die sich die Zinszahlungen allmählich reduzieren und sich damit der Gewinn erhöht. Das wäre eine fundamentale Rechtfertigung für steigende Kurse.
    Eine zweite gängige Erklärung besteht in der Anlegerpräferenz. Das GKV von Aktien, das Joe vergeblicherweise versuchte zu etablieren, steht in Konkurrenz zur Anleihenrendite.
    Eine dritte, die ich favorisieren würde, wurde beispielsweise in Horst Fuggers Buch von 1999 (Handbuch der erfolgreichen Aktienanalyse) gar nicht genannt, nämlich die Auswirkung der Liquiditätszuflüsse durch niedrige Zinsen in Form von Geldmengenausweitung. Dabei spielt dann aber - wenn überhaupt? - der Leitzins eine Rolle, nicht der Kapitalmarktzins. (Wobei ich davon ausgehe, daß beide relativ eng miteinander korrelieren) Der Liquiditätsüberschuß ist nach meinem Gefühl ganz klar eine der Hauptgründe für die derzeitige Blase an sämtlichen Märkten (siehe Lage-Thread). Zwar erscheint der jüngste Anstieg des Aktienmarktes durch die Wirtschaftsdaten im Nachhinein gerechtfertigt (teilweise bzw. gemessem am KGV), dennoch ist in den USA das KGV10 immer noch auf schwindelerregender Höhe, nämlich ungefähr das Doppelte des historischen Durchschnitts. Daneben haussieren ALLE mir bekannten Märkte, Rohstoffe, Kunst, teure Weine, Anleihen; lediglich bei deutschen Immobilien ist mir die Entwicklung nicht geläufig.


    Das ist prinzipiell alles altbekannt. Dann ist die Frage, spielt die absolute Zinshöhe eine Rolle oder vielmehr nur die Tendenz der Veränderung? Ist es also noch unschädlich, wenn die Zinsen wie zuletzt von einem sehr niedrigen Niveau aus steigen, oder ist das durch Hebeleffekte genauso negativ zu werten wie von jedem anderen Niveau aus? Dieser Aspekt kam meiner Meinung nach bisher zu kurz. Schauen wir doch die Auswirkung für jede mögliche Erklärung an:
    Für die erstere spielt m.E. eher die Änderung eine Rolle, nicht die absolute Höhe, in Abhängigkeit davon, wie stark ein Unternehmen verschuldet ist. Meinungen?
    Für die zweite dagegen ist ganz klar nur die absolute Höhe relevant. Für den Anleger spielt es keine Rolle, ob Anleihen einen Prozent weniger hoch rentieren, wenn die Anleihenrendite immer noch doppelt so hoch ist wie die Gewinnrendite.
    Und für die dritte habe ich keine Idee.


    Was hier m.W. noch überhaupt nicht diskutiert wurde, was mit dem vorgenannten Punkt zusammenhängt und was eigentlich die wichtigste Frage überhaupt ist, sofern ein Zusammenhang überhaupt gegeben ist: wann ist der beste Einstiegszeitpunkt? Dann, wenn die Zinsen anfangen zu sinken - also auf dem Zinshöhepunkt -, oder dann, wenn sie einen niedrigen Stand erreicht haben? Die unterschiedliche Beantwortung dieser Frage führt zu nicht weniger als zu diametral entgegengesetzen idealen Zeitpunkten für den Einsteig am Aktienmarkt. Das nur nebenbei...


    Dann: kommt es auf den Nominalzins oder auf den Realzins an? Diese Frage scheint mir deutlich schwieriger zu beantworten. Anders gesagt: welche Rolle spielt die Inflation? Für den Vergleich von Aktien und Anleihen scheint mir die Inflation wichtig: bei Aktien kann ich ohne Berücksichtigung weiterer Umstände davon ausgehen, daß sich die Inflation langfristig auch im Kurs niederschlägt (wobei das wieder eine Frage für sich ist, die noch in den 60er Jahren laut Shiller genau umgekehrt beantwortet wurde wie heute), bei Anleihen nicht.


    Angehängt habe ich noch drei Statistiken. Alle Daten sind von Robert Shiller. Einmal die nominalen langfristigen Zinsen versus aktuelles KGV und in der zweiten Grafik versus KGV10 (jeweils monatliche Basis). Dann habe ich noch die Realzinsen zu berechnen versucht. Dazu wurde jeweils auf Monatsbasis der Consumer Price Index durch den Wert jeweils ein Jahr zuvor dividiert (Zinsen beziehen sich ja auch auf ein Jahr) und damit der Quotient gebildet. Der Realzins schwankt im zeitlichen Verlauf krass, vor allem zu Beginn der Aufzeichnungen, was auch durch eine Durchschnittsbildung auf Jahres- oder sogar Zweijahresbasis nicht hätte geglättet werden können.
    Ich muß gestehen, daß sich auf diesen Schaubildern ein Zusammenhang nicht gerade aufdrängt.


    Gruß
    Winter


    Edit: mit den Anhängen scheint es nicht zu klappen.
    49kB sind aber auch sehr geizig. Die sind auch noch dezimal gerechnet. Jetzt sind es halt recodierte JPEGs...

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  • Auf vieles wüßte ich auch gerne Antworten.
    Aber zumindest ob Realzins oder Nominalzins:
    Wenn Du Real-GKV mit Realzins vergleichst ist das wohl genauso i.O. als wenn wenn Du GKV mit Nominalzins vergleichst, oder?
    Nicht nur der Value'sche Zeitraum von 18 Jahren versaut die Statistik, auch die letzten 4 Jahre sollten wie folgt aussehen:
    Steigende Märkte bei steigenden Zinsen.
    Bestimmt ist der Vergleich besser mit dem GKV10 und dem Zinsniveau. Solange GKV10 höher ist als GKV-Anleihen, solange sollte die Märkte steigen. Ob sie es auch tatsächlich tun?
    Keine Ahnung. Aber für einen selbst wäre es doch immer besser mehr Rendite zu bekommen als weniger?


    Gruß, Joe
    P.S. Deine Anhänge, sind die inzwischen da?

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  • Es geht ja nur jeweils ...

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  • ... ein Anhang. Den zweiten habe ich nochmals neu erstellt, und inzwischen bin ich sogar draufgekommen, daß man für Grafiken natürlich das GIF-Format nimmt.

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  • Die erste Grafik oben ist von Shiller selbst und zeigt den Zusammenhang zwischen Zinsen für langlaufende Anleihen und dem KGV10, immer bezogen auf den S&P500. Das KGV10 beginnt erst im Jahr 1880. Die Zahlen reichen aktuell zwar bis einschließlich Februar 2007, jedoch sind die Gewinne nur bis September 2006 nachgetragen, folglich enden alle Schaubilder dort.


    Die zweite und dritte ist von mir und hat zeigt jeweils das aktuelle KGV auf Monatsbasis.


    Wahrscheinlich ist das KGV10, wie für andere Zwecke auch, geeigneter als das aktuelle KGV.


    Meine Ausgangsüberlegung war: Statisik hin oder her, wenn außer in den von value genannten 18 Jahren der Zusammenhang sehr eindeutig besteht, dann könnte evtl. doch was dran sein (so wie seit Anfang der 80er bis zum Jahrtausendwechsel, wo ja nun wirklich fast jeder Zacken in der Zinskurve invers abgebildet wurde im KGV). Wobei ich auch denke, daß wenigstens über die gesamten 120 Jahre eine Korrelation nachweisbar sein sollte, selbst wenn es noch andere Faktoren gibt.
    Es ist klar, daß die Grafiken auch keine besonders klare Aussage liefern, aber ich wollte das Ergebnis dennoch veröffentlichen, auch wenn ich zu keinem eindeutigen Schluß gekommen bin. Bei Shillers Grafik kann man am ehesten noch einen Zusammenhang entdecken, aber auch nicht konsistent und nur über sehr lange Zeiträume von 20 Jahren hinweg. Woher soll ich aber die Zinsen in 10 Jahren kennen? Zuerst 20 Jahre sinkende Zinsen und steigendes KGV, dann 20 Jahre entgegengesetzt, dann die Turbulenzen um die Weltwirtschaftkrise, wo der Zusammenhang tendenziell auch erkennbar ist, dann bis 1966 gänzlich entgegengesetzt, seither sehr schöne Korrelation bis 2000. Dabei war der Ausschlag auf der Zinskurve mit der Spitze 1980 auch extrem, so etwas werden wir mutmaßlich nicht mehr sehen. Ob also die Zinsänderungen im moderaten Bereich wirklich relevant sind?
    Nebenbei: frühere Zeiten mit dem jetzigen Zinsniveau waren durchweg mit einem niedrigeren KGV10 verbunden.


    Noch mehr Überlegungen:
    Für die realwirtschaftliche Erklärung (die erste) spielt der Vergleich mit dem KGV überhaupt gar keine Rolle. Denn warum sollten verbesserte Fundamentaldaten deswegen höher bewertet werden? Wenn, dann braucht man nur die folgende Kursänderung zu untersuchen. Die Wirkung auf die Wirtschaft wird mit Verzögerung stattfinden. Bleibt nur offen, inwiefern das die Aktienmärkte wiederum vorwegnehmen. Jedoch geben die sehr guten Analysen aus diesem Thread - die ja bereits viele Fragen beantworten - keinen Zusammenhang her (Zinsänderung -> Folgerendite S&P500).


    Zusammenfassung, was hier bisher erforscht wurde:
    +Zinsveränderung 5J -> Kursänderung im S&P500 (vielleicht noch jährliche Basis?)
    +Gewinnrendite vs. Anleihenrendite, nominal und real
    +KGV10 vs. Zins
    Fehlt noch: evtl. Zinshöhe -> Kursänderung im S&P500


    Joe :
    Statt beidesmal preisbereinigte Werte zu vergleichen, kann ich die Inflation dann auch gleich vergessen und nur die nominalen Werte vergleichen, da die Bereinigung ja beidesmal gleich ist. Ich meine aber, die Inflation sollte ja früher oder später auch einen Einfluß auf die Gewinnhöhe haben, weil ja alles teurer wird: Einkaufspreise, Verkaufspreise usw. Langfristig sollten auch die Aktienpreise mitziehen. Anleihenkurse dagegen haben keinen Grund dazu: die Zinszahlungen bleiben auf einem fixen absoluten Niveau.


    GKV10 ist mit rund 3,4% deutlich niedriger als die nominale Anleihenrendite mit 4,8%. Die Märkte wären also auch demzufolge überbewertet. Jedoch ergab auch das dazu äquivalente Verhältnis von KGV und Anleihen-KGV (bei Investor: KAV) keinen Einfluß auf die Folgerendite am Aktienmarkt.
    Wenn die Zinsen eine Rolle spielen, dann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur eine negative (absolute Höhe, globale Leitzinserhöhungen der letzten Jahre). Offenbar ist der Liquiditätszufluß trotzdem noch lange nicht versiegt, nach der ubiquitären Hausse zu urteilen.


    Ist die Leitzinshöhe ein geeignetes Maß für den Liquiditätszufluß? Müßte nicht viel sinnvoller die Geldmengenausweitung oder etwas ähnliches beachtet werden?


    Sorry, daß es so lang wurde.

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  • Zitat

    Ist die Leitzinshöhe ein geeignetes Maß für den Liquiditätszufluß?


    Ich hätte hier die USA-Leitzinshöhe für einen längeren Zeitraum. Vielleicht kannst Du damit etwas herauslesen?



    Gruß, Joe

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  • Danke Joe. Die Langfristzinsen haben in den USA offenbar nur wenig zu tun mit dem Leitzins, entgegen meiner Erwartung. In der Phase der hohen Inflation ging natürlich beides hoch, aber sonst wird das auch mit folgender Grafik deutlich:


    Wir haben eine krasse Leitzinserhöhung hinter uns, von extrem niedrigen 1% bis auf gutes Mittelmaß, und was machen die Langfristzinsen? Sie sinken sogar noch. Ich dachte immer, die beiden würden aufgrund Arbitrage längerfristig parallel laufen. Andererseits spielt für die nominale Zinshöhe die Inflationserwartung eine Rolle, und diese sinkt mit steigenden Leitzinsen (was zu sinkenden Kapitalmarktrenditen führen würde). Andererseits könnte man auf die Idee kommen, daß auch die Leitzinsen sich wiederum an der Inflation orientieren, d.h. bei hoher Inflation wird die Notenbank kaum den Leitzins auf ein niedriges Niveau senken.


    Die Daten sind in der dargestellten Form nur schwer interpretierbar, da mehr die Aktienrendite der Folgejahre interessiert. Per Augenschein drängt sich für mich ein zwingender Zusammenhang ebenfalls nicht auf. Während der schwierigen Zeit ab etwa Mitte/Ende der 60er Jahre war der Leitzins auch nicht anders als in den 90ern, und die Hausse zu Beginn der 80er Jahre zeigte sich unbeindruckt von hohen Zinsen.


    Mit den aktuellen Shillerdaten (1871-2006) habe ich folgende Punktwolke erstellt: Rendite in % des Folgejahres (y-Achse) in Relation zu den langfristigen Zinsen; jeweils nominal und auf monatlicher basis. Ich könnte die Daten noch auf Jahresbasis aggregieren, dann wären es aber nur weniger Punkte. Übermäßige Mühe habe ich mir damit nicht gemacht; methodische Einwände bitte melden. Ergebnis: Eine fast perfekt symmetrisch anmutende Verteilung, deren Mittellinie etwas über 0% liegt (wegen durchschnittlich positiver Rendite seit 1871). Der Korrelationskoeffizient liegt bei 0,07. Die lineare Regression lieferte sogar noch eine ganz leicht ansteigende Gerade in Richtung steigender Zinsen (Bestimmtheitsmaß = 0,005), also nichts.


    Edit: Trendlinie hinzugefügt.
    Edit: Gleichung der Regressionsgeraden aus Excel hinzugefügt.

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  • Aus dem selben Datenmaterial habe ich auch Analysen gemacht.
    Die Gewinne schwanken von Jahr zu Jahr erheblich, darum soll das KGV10 ja abhilfe schaffen und die Gewinne soweit glätten, dass man von der durchschnittlichen Ertragskraft ausgehen kann.
    Ich habe nun die absoluten Gewinne über 10 Jahre gemittelt. Das ist ein Teil der KGV10-Kennzahl, nur eben ohne die Kurshöhe der Börse.
    Grüne Linie: absolute Höhe der Gewinne aller S&P500 AGs (Skala rechts)
    Schwarze Linie: = grüne Linie gemittelt mit 10 Jahresdurchschnitt.
    Hier der Chart:

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  • Nun die Fragestellung:
    Um wieviel weicht ein extrem gutes Gewinnjahr (Spitze oben in der grünen Linie) vom Mittelwert ab?
    und zu wie oft kommen solchen Jahre vor (Prozentuale Verteilung)
    Hier die Grafik dazu, mit folgender Erläuterung:
    Anstelle von 0 bis 100% steht die X-Achse von 0 bis 1000, was also 0,0 bis 100,0 darstellen soll.
    Y-Achse: Abweichung vom Mittelwert (z.B. 1,5 entspricht 150%, also 50% mehr als der Mittelwert erwarten lassen würde.)
    Befund der Analyse:
    Wenn die Gewinne um mehr als 50% (also 1,5) vom Mittelwert abweicht, so gehört es zu den 5% der extrem guten Jahre. Ausserdem ist nicht zu erwarten, dass auf so extrem gute Gewinn-Jahre nicht irgendwann das langfristige "Reversion to the mean" Eintritt.
    Und von besonders großem Interesse: wo stehen wir 2006-September? (weiter reichen die Daten nicht)
    2006-September weicht 53% ab (also in der Grafik bei 1,53 zu suchen.)
    Auch zum Zeitpunkt 2000-März wich der Gewinn um 53% vom 10-Jahre-geglätteten Mittelwert ab.
    Damit befindet sich der Zeitpunkt 2006-September als Extrem gutes Jahr definitiv im oberen 5% Bereich. Es ist nach der großen Chartgrafik leicht optisch zu sehen dass man in 2006 ganz deutlich abweicht, doch anhand der Analyse sieht man, dass es eine extreme Abweichung ist, anders als bei sonstigen Schwankungen.
    Gruß, Joe

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  • Hier die gleiche Grafik für die Entwicklung des S&P500 nach 5 Jahren.


    Das Ergebnis:
    Korrelationskoeffizient nach Bravais-Pearson: 0,25
    Wenn es einen Zusammenhang gibt, dann offenbar eher den, daß ein Depot, daß zu Zeiten hoher Zinsen zusammengestellt wurde, in den folgenden 5 Jahren besser abschnitt. Das könnte daran liegen, daß auf Zeiten hoher Zinsen (beispielsweise die 80er Jahre) Zinssenkungen folgten und der Aktienmarkt diese Entwicklung positiv begleitete. Das wiederum wurde von Investor bereits untersucht (s.o.), mit dem Ergebnis: keine Korrelation. Man könnte noch die Zinsänderung auf die Rendite des Folgejahres untersuchen (kürzerer Zeitraum).


    Hat jemand Ideen für Verbesserungen, oder wie die Daten anders analysiert werden müßten?


    Erstaunlich, oder? Ich hätte das jedenfalls nicht erwartet.


    Anmerkung: Es muß die Folgerendite untersucht werden und nicht der absolute Indexstand, da der Indexstand im Zeitverlauf ansteigt und die zeitlich späteren Zinswerte sonst mit höheren Indexständen assoziiert wären, was aber nichts mit der Zinshöhe zu tun hat.

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  • Welche Aussagekraft hat das? Daß zu erwarten ist, daß die Gewinne wieder auf den Wert des 10-Jahresdurchschnittes fallen (plus zu erwartendes zwischenzeitliches Wachstum für jedes Jahr in der Zukunft). Für eine Kursprognose würde man dann ein mittleres KGV auf die daraus erwarteten jährlichen Gewinne anlegen. Da diese aber wie gesagt fast gleich sind wie der 10-Jahresdurchschnitt, geht es auch einfacher: dann kann man gleich das durchschnittliche KGV auf den 10-Jahresgewinn anlegen. Anhand des KGV10 von 30 kann man sich den Korrekturbedarf ausrechnen. Das hat zwar nichts mehr mit Zinsen zu tun, aber auch das könnte man ja mal entsprechend aufbereiten, um zu sehen, wie (deutlich) sich der (augenscheinlich vorhandene) statistische Zusammenhang darstellt.

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  • Das KGV10 läßt aber keine Aussage zu ob die Kurse bei KGV10= 40 einbrechen oder schon bei KGV10= 20
    Hingegen (vermute ich) wird es just dann jäh platzen, wenn die erwartungshaltung der Gewinnsteigerungen nicht mehr erfüllt werden können. Da die Schwankung um den Mittelwert (kreuzung der schwarzen Linie) ca. alle 5 -10 Jahre passiert ist stark anzunehmen, dass 2007 zu derzeit ca. 95% Wahrscheinlichkeit kein gutes Jahr werden wird.
    (Anmerkung: Dennoch bin ich in Aktien investiert, denn am Schluss einer Blase sind die Steigerungen enorm!)


    Gruß, Joe
    P.S. Man siehe: die rosa Linie stellt das KGV10 dar. Nicht so hoch wie 2003 und daher sieht es auch nicht so gefährlich aus.
    PPS: fast immer kommt es nach Tops der grünen Linie zu einer Kreuzung der schwarzen. Es ist zu erwarten, dass die jetzigen Gewinne innerhalb 1-3 Jahren sich halbieren werden.
    PPPS: nicht ganz uninteressant ist, dass die schwarze Linie zwischen ca. 1975 bis 1997 die absoluten Gewinne sich kaum verändert hatten, wohl aber die Kurse. Seit 10 Jahren nun ein steiler G-10 Anstieg (Also die G-Variabel vom KGV-10).
    Wenn man noch genauer hinschaut, dann fällt die G-10 Kurve sogar im Zeitraum von ca. 1982/83 bis 1994/95. In diesem Zeitraum fielen auch die Leit-Zinsen. Möglicherweise sind die Zinsen eine Teilkomponente vom Gewinn der großen Firmen?

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    5 Mal editiert, zuletzt von Joe ()

  • Ja, da hast Du recht, so hatte ich das gar nicht gesehen - daß der Markt sich natürlich am aktuellen KGV orientiert. Das ist aber momentan noch relativ moderat, es müßte also schon abwärts gehen damit. So eine Analyse der Regression der Mitte hatte ich auch schon länger mal im Hinterkopf, welche Prognosen man damit herleiten kann. Das KGV10 alleine war leider überhaupt kein guter Indikator für die mittelfristige Aktienmarktentwicklung! Es hat mich daran gehindert, 2003 bei unter 3000 DAX-Punkten zu investieren, weil es da ja immer noch hoch war. Dabei wäre speziell der deutsche Markt auch nach anderen Kriterien günstig gewesen.


    Auch dazu habe ich Grafiken. Die erste zeigt das KGV10 vs. Aktienmarktrendite nach 1 Jahr. r=-0,17.

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