Antizyklische Strategie bei Agrarrohstoffen

  • Hier soll es um antizyklische Strategien bei Rohstoffen, speziell Agrarprodukten gehen. Agrar deswegen, weil andere Rohstoffe oft von einem übergeordneten, allgemeinen Rohstofftrend bestimmt sind, der wiederum von der Weltkonjunktur abhängt, und weil ich vermute, daß Agrarrohstoffe eher ein Eigenleben führen aufgrund der Erntesituation, und daß deswegen auch die Rückkehr zur Normalität schneller funktioniert und daß sich zu jeder Zeit eine Chance bei irgendeinem Produkt findet.


    Bitte keine Storys, warum Olivenöl das Megainvestment des Jahrtausends ist, weil in China die Toskanafraktion wächst o.ä. Es sind Ausnahmen möglich, aber in den meisten Fällen funktioniert der Markt langfristig und der Preis kehrt zurück - bei Lebensmitteln gab es übrigens sogar preisbereinigt einen langfristigen Trend nach unten. Auch wenn das aufgrund der an die Grenzen kommenden Effizienz in der Landwirtschaft zukünftig nur noch nominal oder real stagnieren mag; mittelfristig erwarte ich dennoch, daß die bisherigen Strategien weiterhin funktionieren.
    Da die Entwicklung unabhängig vom Aktienmarkt sein dürfte, sind solche Spekulationen grundsätzlich interessant. Long und Short sind möglich, aber besonders Short ist interessant - es gibt bei der Ernte mehr Ausreißer nach unten als nach oben, folglich beim Preis umgekehrt.


    Mögliche Fragen sind:

    • Spezifische Marktsituation, Gründe für den aktuellen Preistrend
    • Überlegung zur Elastizität von Nachfrage und auch Angebot, evtl. zeitliche Verzögerung bei der Anpassungsreaktion
    • Zeiträume - sicher funktioniert auch hier der steigende Preis kurzfristig auf der Longseite und längerfristig auf der Shortseite
    • Instrumente - für mich kommen nur Derivate infrage; welche Unterschiede in der Preisentwicklung gegenüber dem Futurepreis sind zu erwarten und auf welche Frist
    • Unterschied Futurepreis und Spotpreis - sind saisonale Schwankungen schon im Futurepreis enthalten; inwiefern gibt es allg. eine Diskrepanz; welcher Kontrakt sollte gewählt werden
    • (Mechanische) Strategie allgemein, Stoppkurse, Ein- und Ausstiegszeitpunkt usw.


    Es soll ein Sammelthread sein. Aktuell steht Zucker auf der Watchlist.

    „Wir haben die gesamte Führung fast aller Berliner Sicherheitsbehörden ausgetauscht und dort ziemlich gute Leute reingebracht." – Benedikt Lux, Grüne Berlin

  • Hier vielleicht interessant: http://www.seasonalcharts.de/future_farmprodukte_wheat.html


    Saisonale Futurecharts.


    --> Insgesamt ist mir das Thema aber zu riskant, da man bei Rohstoffen eher auf Angebot/Nachfrage spekuliert als auf "wirtschaftlich tätige Unternehmen". Hinzu kommt, dass Rohstoffe völlig außerhalb meines "Circle of Competence" liegen. Ich könnte nicht sagen, ob z.B. der Kupfer/Reis/Sojapreis aktuell "günstig" oder "teuer" ist. Eine schlechte Vorraussetzung um darin zu investieren.

    Value investing is at its core the marriage of a contrarian streak and a calculator - Seth Klarman

  • Ich habe darin auch keinerlei Erfahrung, habe den Markt noch nie beobachtet und kenne mich auch sonst nicht damit aus. Klar, Rohstoffe gelten neben Devisen als sehr schwierig einzuschätzender Markt, und darin sind viele Profihändler unterwegs, die mit einem konkurrieren. Aber ich bin auch nicht auf die Welt gekommen mit dem heutigen Aktienwissen; durch Beobachtung/Diskussion läßt sich evtl. etwas daran ändern (-> Test-Musterdepot?); und vielleicht gibt es ja erfolgversprechende und umsetzbare Strategien.
    Der langfristig zu erwartende Aufwärtstrend fehlt hier, aber die Zyklik scheint dafür sehr ausgeprägt zu sein. Und es ist eine Diversifikation zum Aktienmarkt ... besonders wenn man dort nicht von einem nachhaltigen Bullenmarkt ausgeht.


    Es ist ein Problem, daß wir uns im Gegensatz zu Aktien schwer tun, eine fundamentale Bewertung vorzunehmen. Theoretisch wären's wohl die Produktionskosten, aber die kennen wir nicht. Der Preis dürfte sich langfristig irgendwo mit fester Marge darüber einpendeln. Liegt er deutlich darüber, weil vielleicht die Nachfrage so stark anzog, reagiert das Angebot mit einer Ausweitung, und das drückt die Preise. Fällt er darunter, dann geben einige Betriebe die Produktion auf und es geht in die andere Richtung. Daß die Produktionskosten sich in wenigen Jahren nachhaltig verdoppeln, halte ich für unwahrscheinlich. Eher dürften zeitlich begrenzte Sonderfaktoren dafür verantwortlich sein, temporäre Marktstörungen.
    Der Markt könnte natürlich trotzdem effizient sein ... aber ich glaube es nicht so recht. Anlaß für meinen Glauben sind vor allem die Charts von Markt-Daten. Bei keinem einzigen Rohstoff kann ich einen Aufwärtstrend erkennen, der zu einem nachhaltig höheren Niveau geführt hat. Beispiele für relative Rekordpreise in jüngster Zeit, die wieder verschwanden: Erdnüsse, Kokosnußöl, Kautschuk, Mais, Orangensaft - im Mittel etwa eine Halbierung seither. Chancen gibt es evtl. bei Bananen (800, Rückkehr auf 400), oder nach oben bei Shrimps, aber beides ist nicht extrem ausgeprägt.


    Nichtsdestoweniger leitet sich daraus gleich die wichtigste Frage ab: woher weiß man, wann man einsteigen soll? Ansatz: Preis insgesamt auf absolut tiefem/hohem Niveau relativ zu den letzten 30 Jahren. Evtl. noch in Kombination mit anziehendem Preis in den letzten 6 oder 12 Monaten. Mangels Daten könnte ich wenigstens letzteres nur aus dem Chart ablesen.
    Beruhigend zu wissen wäre es auf jeden Fall, wenn die antizyklische Strategie mit längerfristigem Rückblick nicht besonders verbreitet wäre, sondern vor allem Momentum- und Storyzocker ("Megachance", "Superzyklus", "...boom" usw.) unterwegs wären.
    P.S. Wobei ein paar Forumsteilnehmer und Börsenbriefleser sehr wahrscheinlich diesen Markt nicht bestimmen, im Gegensatz zu Nebenwerten.

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  • Zitat

    Original von Winter
    Nichtsdestoweniger leitet sich daraus gleich die wichtigste Frage ab: woher weiß man, wann man einsteigen soll? Ansatz: Preis insgesamt auf absolut tiefem/hohem Niveau relativ zu den letzten 30 Jahren. Evtl. noch in Kombination mit anziehendem Preis in den letzten 6 oder 12 Monaten. Mangels Daten könnte ich wenigstens letzteres nur aus dem Chart ablesen.


    Das hört sich für mich irgendwie nach einer mechanischen/technischen (?) Strategie an. Gut, man kann natürlich auch bei historischen Tiefs "long" und bei historischen Hochs "short" gehen (so man denn als Kleinanleger diese Möglichkeit hat). Aber ist das bei Rohstoffen praktikabel/sinnvoll?


    Ich habe den Eindruck, dass bei Rohstoffen die Preise zum einen sehr stark von reiner Spekulation beeinflusst werden und zum anderen von Einflüssen, die ein recht spezielles Marktwissen und Recherche erfordern. Wenn man das ganze nicht gerade hauptberuflich macht, mag das für ein oder zwei Rohstoffe noch gehen. Darüber hinaus erscheint mir der Aufwand doch recht hoch. Oder ist das ganze Thema gar nicht so komplex wie ich vermute?

  • Du hast recht: Über das Marktwissen werde ich keinen Vorteil daraus ziehen können, das wäre vermessen, will ich aber auch gar nicht. Dennoch wäre es prinzipiell interessant, die Marktsituation zu kennen, die allgemein diskutiert wird. Lieber will ich eine simple Strategie, die auf eine Rückkehr zum früheren Preis setzt, auch wenn es "überzeugende" Gründe dagegen gibt. Man könnte sich durchaus diejenigen Rohstoffe ausfiltern, bei denen die Story am plausibelsten klingt und sich auf die anderen konzentrieren.


    Ja, das ist eine mechanische Strategie, und rein technisch. Es wäre wichtig, sich einen Stoppkurs zu setzen, für den Fall, daß man sich doch täuscht. Der Abstand müßte "passend" gewählt werden, um nicht von den "normalen" Schwankungen erfaßt zu werden.
    Unter diesem Voraussetzungen kann ich mir vorstellen, es mit initialen 2000 Euro zu riskieren. Vier mal hintereinander mit 25% Verlust ausgestoppt würde dann dazu führen, daß ich endgültig draußen bin (oder dreimal mit 30%).


    Eine heiße Sache ist es sicherlich. Man kann nicht aussitzen, man hat langfristig keine Rendite zu erwarten wie bei Aktien und Anleihen, und man wird Disziplin benötigen. Eine reine RS-Strategie wäre auch bei Aktien ein heißer Ritt ...
    Aber wenn Zucker tatsächlich mal auf 35 gestiegen ist und dann langsam auf 30 fällt, dann ...

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  • Zitat

    sehr stark von reiner Spekulation beeinflusst werden und zum anderen von Einflüssen, die ein recht spezielles Marktwissen und Recherche erfordern


    Beides zusammen wäre doch die Voraussetzung für die antizyklische Spekulation. Würde der Markt nur von reiner Spekulation getrieben, dann gäbe es keinen Grund für irgendeine "mean reversion". Würde er nur von zweitgenanntem Punkt getrieben, dann wäre er effizient und es gäbe folglich keine ausnutzbaren Ineffizienzen.
    Kurzfristig die Spekulation, langfristig die Fundamentaldaten als treibende Kraft - das ist die benötigte Melange!


    Soweit zur Theorie. Jetzt fehlt aber noch ein bißchen Praxis ... - ich würde mich freuen, wenn jemand bei Gelegenheit was beisteuern kann.
    Geeignet für Zucker Short wäre z.B. der Short-ETC mit der WKN A0V9X9 (http://www.etfsecurities.com/d…oads/ETFS_Sugar_sh_de.pdf). Auch hier das von mmi07 entdeckte Problem (Stichwort: daily). Alternativ vielleicht die "Unlimited Turbo Bear"-Zertifikate der Coba (z.B. CM2N17).

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  • Wenn die Märkte eine sich normalisierende Erntesituation einpreisen würden, dann müßten die Futures mit entsprechenden Laufzeiten deutlich niedriger notieren und nur die kurzlaufenden dürften die höheren Preise reflektieren; was dann nicht ausnutzbar wäre für eine Spekulation.


    Bei Zucker gibt es fast keinen Unterschied zwischen der Laufzeit Oktober 2009 und Juli 2010. Symbol: F2:SB\V09.CEC und F2:SB\N10.CEC (SUGAR NO.11 (SB)). Die Preise nehmen bis zum März-Kontrakt zu, später wieder ab. Die Volatilität steigt:



    Der Short-ETC hat praktisch gar nicht auf den Rückgang reagiert, wohl aber das Turbo-Bear-Zertifikat.

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  • Mist - ich habe den Einsteig bei Zucker verpaßt (bzw. den Ausstieg, wenn man so will). Ich konnte den benötigten Ansstieg auf über 30 Cent(?) gar nicht nachvollziehen; Markt-Daten hat nur Monatsdaten, dort ist noch der Rekord bei 25 Cent zu sehen, und die comdirect zeigt die Futurepreise gar nicht mehr an. Aber Shortspekulationen sind halt auch, wie gehabt, problematisch.


    FTD: Crash am Zuckermarkt


    Das war sooo vorhersehbar. Normale Preisspanne sei 10-15 Cent. Der zitierte Rohstoff-Trottel Eugen Weinberg war im Februar beim Höchststand allerdings noch vom genauen Gegenteil überzeugt, nämlich daß Zucker Potential hätte und auf über 40 steigen könne ;D:
    http://www.welt.de/finanzen/ar…lohnenden-Investment.html

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  • Wird's bald mal wieder so weit? Dow Jones-UBS Sugar Sub-IndexSM, auf den es das o.g. Zertifikat gibt, leider mit "Daily"-Problematik, daher nur zum Zuschauen geeignet:


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  • Ich wollte warten, bis der Trend gebrochen ist, um evtl. mal ein wenig mit dem Shortzertifikat zu zocken - wobei die offenbar alle punktgenau ausgeknockt wurden.
    Da dachten wohl einige das gleiche - der Kurssturz fand im wesentlichen an einem einzigen Tag statt.

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  • Auch eine Überlegung wert wäre Kaffeebohnen der Sorte "arabica". Oberhalb der 200 $-Cent/Pfund hat es nie gehalten, ging dann recht schnell wieder auf 100 runter. Aktuell bereits 217.



    Hier vermutlich Spekulanten am Werk:
    http://www.faz.net/s/Rub58BA8E…Tpl~Ecommon~Scontent.html
    Es gibt wohl Optionsscheine darauf.

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  • Baumwolle auch mit parabolischem Anstieg in den letzten Monaten:



    Der inflationsbereinigte Preis stieg langfristig natürlich auch bei Baumwolle nicht - nominal ist er jetzt aber auf Jahrhunderthoch (Rethfeld hat ein Allzeithoch aus dem Jahr 1864 bei 189 gefunden, das er jetzt als Widerstand ins Spiel bringt). Immerhin eine Halbierung wäre drin, um wieder auf das Niveau von vor einem Jahr zu kommen (bzw. noch Juli). Vor einem Monat begann eine heftige Abwärtsbewegung, die aber wie bei Zucker wieder drehte:


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  • Wenn man mangels Daten nur die Entwicklung seit 1980 nimmt, dann ist einiges auf dem Rekordhoch, kurz davor oder bereits kurz dahinter, z.B.
    Bananen (noch unterhalb des vorherigen Rekordhochs ca. 2007)
    Kakao (schon wieder auf dem fallenden Ast vom Rekordhoch)
    Kautschuk (Rekordhoch)
    Palmöl (noch knapp unter dem 2007er Rekordhoch)
    Sojabohnen und Derivate (ähnlich)

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  • Zitat

    Original von Winter
    Rethfeld hat ein Allzeithoch aus dem Jahr 1864 bei 189 gefunden, das er jetzt als Widerstand ins Spiel bringt.


    Alle, die in 1864 Baumwolle gekauft haben und seitdem auf Buchverlusten sitzen, werden jetzt beim Erreichen ihres (nominalen) Einstandskurses erleichtert verkaufen. Ist doch klar.


    Balkenchart

  • ;D Typisch Rethfeld eben.
    Sein realer Chart reicht sogar bis 1750 zurück, da ist der Widerstand jetzt erreicht.

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  • Tja, 1864 wurde Schießbaumwolle entdeckt, während noch der US Bürgerkrieg und hier im Norden der Dt.-Dänische Krieg tobte, deshalb wohl das Allzeithoch...solange es also an der dt.dänischen Grenze noch ruhig ist, würde ich erstmal nicht verkaufen...


    Gruß Paul


    http://de.wikipedia.org/wiki/Cellulosenitrat

    Wer selbst nichts weiß, muss alles glauben...Wikipedia.

    4 Mal editiert, zuletzt von Paul8 ()

  • Wenn ein Jahreschart schon oben ausbricht, dann juckt es mich schon in den Fingern!


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