Bewertung von Währungen, Kaufkraftparität

  • Für ein Investment außerhalb des Euroraumes ist die Frage nach der Über- oder Unterbewertung der jeweiligen Währung wichtig. Am besten ist es natürlich, wenn nicht nur der Aktienmarkt unterbewertet ist, sondern man dazu noch Rückenwind von der Währungsseite hat.


    Wonach bewertet man eine Währung fundamental?

    Ich kenne die Kaufkraftparität (PPP = Purchasing Power Parity), d.h. der Vergleich eines ausgewählten Warenkorbes. Leider wurde die mir bekannte Reihe - ich glaube vom statistischen Bundesamt - bereits vor vielen Jahren eingestellt. Hier ist eine Alternative basierend auf OECD-Daten, fortlaufend aktualisiert:

    https://fx.sauder.ubc.ca//PPP.html


    ppp-EUR.png


    Der Link dort auf die PPP-Daten der OECD führt leider ins Leere.


    Schön zu sehen: Die am meisten unterbewerteten Währungen sind, in dieser Reihenfolge: Türkische Lira, russischer Rubel und der Zloty. Das sind auch die am meisten unterbewerteten Aktienmärkte, ebenfalls in dieser Reihenfolge. Ein Glück. Hingegen haben die Schweiz, USA und Dänemark die teuersten Aktienmärkte und Währungen zugleich. Der Yen und das britische Pfund werden hier als leicht überbewertet gesehen, aber wie bei deren Aktienmärkten scheint es bei denen auch andere Einschätzungen zu geben, etwa auch beim Big-Mac-Index:

    http://www.economist.com/content/big-mac-index


    Die PPP ist aber wie das KGV nur eine Momentaufnahme und umfasst nicht die unterschiedliche Inflation, welche die Märkte vernünftigerweise einpreisen würden. Das soll wohl die relative PPP beheben - Daten dazu? Lediglich die Inflation ins Verhältnis zu setzen kann ja nicht Sinn der Sache sein. Es müßte doch die heutige absolute PPP die Ausgangsbasis sein, und dann müßten die Inflationserwartungen irgendwie eingepreist werden. Die sind aber ja auch nicht in alle Ewigkeit fix.

    „Wir haben die gesamte Führung fast aller Berliner Sicherheitsbehörden ausgetauscht und dort ziemlich gute Leute reingebracht." – Benedikt Lux, Grüne Berlin

  • Ich hab mir das nochmals überlegt - die absolute PPP als Momentaufnahme genügt eigentlich vollkommen. Die höhere Inflation im Zielland wirkt zwar der künftigen Aufwertung der Währung entgegen, oder besser gesagt: sie spricht dagegen, daß der Wechselkurs dauerhaft dort bleiben würde, wo er nach PPP heute stehen müßte, aber dafür werden die Firmen (hoffentlich) ihre Gewinne entsprechend steigern können, und damit auch die Kurse, die das wieder ausgleichen. Für die Ausgangsbasis genügt die Frage nach der heutigen Kaufkraftparität. Die Anpassung passiert offenbar nur langsam, über 4-10 Jahre, d.h. 15% pro Jahr der Differenz. Das wäre durchaus für ein paar Prozent Extragewinn pro Jahr gut bei hohen Unterbewertungen.


    Ach ja: Die Türkei mit über 80% Unterbewertung scheint extrem. Das könnte daher rühren, daß die OECD-Daten zum Preisniveau zuletzt 2019 ermittelt wurden, und seither nur die Wechselkursveränderung angepasst wurde? Anders kann es eigentlich nicht sein. Dann hat man natürlich falsche Daten. Ich fand aber anderswo auch schon die Angabe, daß die besagten Währungen - auch die Lira Mitte 2021 - unterbewertet seien.

    „Wir haben die gesamte Führung fast aller Berliner Sicherheitsbehörden ausgetauscht und dort ziemlich gute Leute reingebracht." – Benedikt Lux, Grüne Berlin

  • Winter

    Erstaunlich, dass deine Überlegungen nicht schon viel früher hier diskutiert wurden, jedenfalls nicht systematisch.


    Bei einem meiner Tools wird der Währungs-Einfluss im Depot separat ausgewiesen. Für mein Depot sind das knapp 2%, obwohl ich aus Faulheit viele ausländische Aktien in Euro mit Handelsplatz Deutschland eingegeben habe. Bei systematischer Eingabe der Kaufkurse in der Heimatwährung würden vermutlich eher 4% Rendite ausgewiesen.


    Speziell meine britischen Aktien, bei denen wegen des Brexit das Pfund gedrückt war, dürften dazu beigetragen haben.


    Deine Überlegung ist jedenfalls ein zusätzliches Argument, Länder-Rankings zu berücksichtigen. Denn es ist nachvollziehbar, dass dort, wo die Aktienmärkte unterbewertet sind, auch die Währung unterbewertet ist. Russland ist da aktuell der King.

  • dak427

    Wenn die Währungsabwertung rein inflationär bedingt ist, hast du sicherlich recht.


    Wenn die Währung aber aufgrund von politischen oder sonstigen Krisen belastet ist, dann würde ich ein "reversal to the mean" erwarten.


    So eine "Krisen-Schwäche" war m.E. die Pfund-Schwäche beim Brexit, und die haben wir m.E. auch bei der Rubel-Schwäche wegen der Ukraine-Konfrontation. Keine Ahnung, wie man eine "Krisen-Schwäche" systematisch von einer "Inflations-Schwäche" abgrenzen könnte - zu dem Thema gibt es aber sicherlich schon einige Doktorarbeiten.. ;o)

  • Interessante Frage. Das folgende Link lässt vermuten: Polen ist 2004 in die EU beigetreten, hat sich aber geweigert, bei der Gelegenheit den Euro einzuführen. Da haben sich wohl im Vorfeld einige Währungs-Spekulanten verspekuliert:


    https://www.zdf.de/nachrichten…t-nicht-den-euro-100.html


    edit: Die resultierende Schock-Reaktion und Unterbewertung des Zloty wäre demnach eine antizyklische Super-Chance gewesen, weil politisch bedingt, und nicht inflationär bedingt.

  • Also langfristig wertet die Währung bei hoher Inflation im Zielland immer mehr ab, ob das die inflationären Gewinne ausgleichen können, keine Ahnung, bezweifle ich eher.


    Das verstehe ich nicht. Gerade langfristig würde ich erwarten, daß die Währung im gleichen Maß wie die Inflation abwertet, nicht mehr und nicht weniger. Warum sollten die Kurse oder die Gewinne weniger stark steigen wie die Inflation?

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  • Ja stimmt schon, die Währung sollte im gleichen Maß wie die Inflation abwerten, ich meinte nur dass Unternehmern im allgemeinen bei hoher Inflation Probleme haben diese 1:1 weiterzugeben, und das daher eher etwas auf die Gewinne drückt, und wenn es mit der Inflation auch noch hohe Zinsen gibt, wird das die Kurse bzw KGVs niedrig halten.


    Wenn aber die Inflation und Zinsen am langen Ende über Jahre in dem Land wieder zurückgehen sollten wäre das eine günstige Einstiegschance. Nur ist wie immer die Frage wird das passieren und wann..

  • Ich würde zur fundamentalen Einschätzung einer Währung eher die Handelsbilanz als die Kaufkraft nehmen. Danach wäre die türkische Lira den Währungen der Handelspartner gegenüber nun etwa fair bewertet. Ein ganz anderes Resultat als bei Betrachtung der Kaufkraft.


    Kaufkraft: wieviel man bekommt, wenn man den gleichen Warenkorb als Verbraucher hätte

    Handelsbilanz: wieviel man bekommt, bei dem Warenkorb, der tatsächlich international umgesetzt wird.

  • dak427 : Es ist eine Sache, wenn eine hohe Inflation erst Fahrt aufnimmt.

    Meistens geht es doch eher um Währungen, in denen schon lange Zeit eine nur moderat höhere Inflation herrscht, d.h. es sollte sich alles bereits darauf eingestellt haben - auch die Firmen? Wenn die Aktienmarkt-Bewertung bereits günstig ist, dann spricht doch nichts dagegen.

    Das Problem einer möglicherweise steigenden Inflation und/oder steigenden Zinsen bei normaler bis hoher Bewertung haben wir in Europa oder in den USA auch. Bei Dollar-Anlagen frägt seltsamerweise niemand danach.


    Balkenchart : Ausgeglichene Handelsbilanz bedeutet also fair bewertete Währung. Aber bei nachhaltig unausgeglichener Handelsbilanz läßt sich nur die Tendenz erahnen, d.h. überbewertet im Falle eines Überschusses und unterbewertet im Falle des Defizits, aber nicht um wie viel, oder?


    Bei der Aktienbewertung gibt es ja auch nicht nur eine Kennzahl, nicht nur KGV, sondern auch KBV usw.


    Der Unterschied beim Zinsniveau soll auch noch eine Rolle spielen, wobei dafür dann doch der Realzins herangezogen werden müßte? Aber es gibt sicher noch eine Reihe von weiteren Faktoren, die auf unterschiedliche Frist eine Rolle spielen werden. Devisenspekulationen sind die Königsdisziplin für Anleger.

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  • Handelsbilanzdefizit -> überbewertete Währung


    Bei Devisen ist es extrem schwer, eine Anlagestrategie zu finden, die überhaupt nachweisbar funktioniert. Also ich kann das jedenfalls nicht.


    Die Handelsbilanz ist auch nur ein grober Anhaltspunkt. Sie kann schnell ausgeglichen werden (Chile, Argentinien, Zimbabwe), aber Defizite können auch über Jahrzehnte fortbestehen (GB, USA), wenn genug Kapitalströme da sind (ich würde sagen "motivated buyers"), die die überbewertete Währung trotzdem stützen.

  • Äh genau, umgekehrt natürlich. Also der US-Dollar sollte demnach überbewertet sein. Türkei, Polen, UK und Japan neutral, Rußland unterbewertet.

    „Wir haben die gesamte Führung fast aller Berliner Sicherheitsbehörden ausgetauscht und dort ziemlich gute Leute reingebracht." – Benedikt Lux, Grüne Berlin

  • Winter und ich haben hier eine interessante Frage angerissen:


    Ich hab mich gefreut, die China-Aktie CNOOC, die in HKD notiert, in einer unterbewerteten Währung gekauft zu haben ("Als Schmankerl: Der HK$ gilt beim BigMac-Währungsvergleich als eine der am meisten unterbewerteten Währungen weltweit.")


    Worauf Winter meinte: "Bei Ölaktien muß man sich keine so großen Sorgen machen um die lokale Währung. Diese Rohstoffe werden eh immer in USD abgerechnet. Und da sie sogar ihren Sitz in Peking haben, gehe ich davon aus, daß wenn überhaupt, man sich nicht den HKD anschauen müßte."


    Kurz gesagt ist die Frage: Bringt es eine (potenzielle) Zusatz-Rendite, wenn man Aktien in einer unterbewerteten Währung kauft und die Währung dann aufwertet? Oder ist das für die Rendite sogar schädlich, wenn im konkreten Fall der HKD oder der CNY (die Währung für die lokalen Gehälter und Kosten) zum USD (der Öl-Handelswährung) aufwertet? Oder ist eine Währungs-Aufwertung egal, wenn das von CNOOC geförderte Öl und Gas im eigenen Land verbleibt?


    Ich bin da jetzt etwas verunsichert. Gibt es da volkswirtschaftliche Theorien oder Erfahrungen?

  • sind die HKD nicht einfach durchlaufend?


    Kosten in Yuan

    Ertrag in USD

    Was haben die in HKD?

    Aktienkäufer wechseln von x nach HKD, kaufen, verkaufen, wechseln von HKD nach x


    -> ungehedged kombinierst du eine Aktienwette mit einer Währungswette, jeweils auf deiner Meinung nach günstige Assets