Von Ungleichgewichten und Minotauren...

  • Ich mache einmal einen neuen Thread auf, um die Diskussion über Exportüberschüsse und -defizite und andere Ungleichgewichte zusammenzuführen.


    Offenbar denkt auch Ben Bernanke neuerdings über das Thema nach:
    http://www.brookings.edu/blogs…5/07/17-greece-and-europe


    Zitat

    Nobody is suggesting that the well-known efficiency and quality of German production are anything other than good things, or that German firms should not strive to compete in export markets. What is a problem, however, is that Germany has effectively chosen to rely on foreign rather than domestic demand to ensure full employment at home, as shown in its extraordinarily large and persistent trade surplus, currently almost 7.5 percent of the country's GDP.


    Within a fixed-exchange-rate system like the euro currency area, such persistent imbalances are unhealthy, reducing demand and growth in trading partners and generating potentially destabilizing financial flows. Importantly, Germany's large trade surplus puts all the burden of adjustment on countries with trade deficits, who must undergo painful deflation of wages and other costs to become more competitive. Germany could help restore balance within the euro zone and raise the currency area's overall pace of growth by increasing spending at home, through measures like increasing investment in infrastructure, pushing for wage increases for German workers (to raise domestic consumption), and engaging in structural reforms to encourage more domestic demand. Such measures would entail little or no short-run sacrifice for Germans, and they would serve the country's longer-term interests by reducing the risks of eventual euro breakup.

    Und irgendwann werden sie feststellen, dass man gendergerechte Sprache nicht essen kann (fefe).

  • Der Bernanke musste leider seine ganze Amtszeit darüber nachdenken, denn die USA fahren seit Anfang der 1970er (!) ein Handelsbilanzdefizit (habe leider keinen Chart mit logarithmischer y-Achse).



    Er musste z.B. QE1 einrichten, damit die Chinesen ihre Anleihen von Fannie und Freddie abgeben konnten. Was man nicht alles für sein Defizit tut!


    Alleine mit inländischer Wirtschaftsleistung hätten die USA ihre überdimensionierte Armee unmöglich so lange finanzieren können. Da muss auch der Schäuble seine Ärmel hochkrempeln und mitarbeiten! Und der Herr Watanabe natürlich.


    PS: Die Tatsache, dass die Saudis Mitte letzten Jahres den Ölpreis so runtergeprügelt haben, deutet darauf hin, dass die Tage des Dollars gezählt sind. Ich kann auch nicht hellsehen und weiß nicht, in welcher Form und in welcher Reihenfolge es passieren wird, aber die beiden großen Defizitländer UK und USA werden auf absehbare Zeit in Zahlungsbilanzkrisen enden, wie man sie vorher von Argentinien & Co gewohnt war.


    Balkenchart

  • Lösungsvorschlag für die äußeren Ungleichgewichte: Die EZB guckt die Kapitalbilanz der Eurozone an und teilt sie in Handel mit realem Kapital gegenüber Handel mit Schuldtiteln auf. Erwirbt die Eurozone fremde Schuldtitel (egal in welcher Währung), dann druckt die EZB die gleiche Summe an Euros und kauf dafür am Markt Gold.


    Das Problem ist genauso weg wie es vor 1922 nicht da war.


    Das wird so oder so ähnlich kommen. Sagen wir mal, max. 10 Jahre.


    Die Amis würden allerdings toben. Daher wird die EZB es nicht als erste tun, sondern erst, wenn der Sachzwang so groß ist, dass man ihr nicht mehr die Schuld für die darauffolgende Dollarkrise geben kann.


    Balkenchart

  • Also das mit der Dollar-Krise, da glaube ich nicht dran.


    Die USA sind schlicht zu mächtig, um sich die Leitwährung nehmen zu lassen.
    Erst wenn ihre geopolitische Macht sinkt, kann der Dollar dann als Leitwährung angegriffen werden, nicht andersrum.


    Und dass die USA an Macht verlieren kann ich nicht feststellen, das scheint mir eher Wunschdenken zu sein.
    Europa, auf das ich meine Hoffnung setzte, schießt sich grade um locker 10 Jahre nach hinten. Außerdem ist unsere Demografie grottig, auch das wird gegen uns arbeiten (die Demografie der USA ist hervorragend).
    China hat auch ne miese Demografie, außerdem einen Haufen typischer Probleme einer frisch industrialisierten Nation. Auch fehlt ihnen als Kultur die Strahlkraft, die die USA haben. Und die alle Weltmächte der Vergangenheit aufweisen konnten. Sogar die Russen mit dem Sozialismus früher (als der noch Strahlkraft hatte).


    Nein, ich denke das 21.Jahrhundert wird nochmal ein amerikanisches sein, und damit wird auch der USD mehr oder minder ungebrochen überstehen. Wie, und mit welchen Tricks und Druckmitteln, sei dahingestellt.
    Aber man sollte nicht drauf hoffen dass die Amis den Löffel abgeben. Sie werden weiterhin in der Position der Weltmacht sein und ihre entsprechende "Weltmachtdividende" kassieren.


    An diesen Gedanken sollte man sich gewöhnen.
    Und das positive daran sehen: Es gäbe schlimmere Weltmächte.


    Also sollte man lieber schauen, dass man nicht zuviel dieser Zeche zahlt.
    Und hier macht Bernanke erstaunlicherweise die selben Vorschläge, wie andere und ich sie im anderen Thread auch erwähnten:


    . Germany could help restore balance within the euro zone and raise the currency area's overall pace of growth by increasing spending at home, through measures like increasing investment in infrastructure, pushing for wage increases for German workers (to raise domestic consumption), and engaging in structural reforms to encourage more domestic demand. Such measures would entail little or no short-run sacrifice for Germans


    Der letzte Satz ist der interessanteste:
    Das würde uns als Nation nix kosten, im Gegenteil, es würde unsere Wohlfahrt erhöhen!
    (außer natürlich derjenigen, die rein von Kapitalverzinsung leben, die profitieren natürlich von der aktuellen Situation, v.a. von den zu niedrigen Löhnen).


    wp


    ps. warum Minotauren?! Den versteh ich nicht...

    "Nicht Völker führen Kriege gegeneinander, sondern Regierungen führen Kriege gegeneinander"

    "If you act out of fear, anger, despair or suspicion - this will ruin everything." - Thich Nhat Hanh


  • ..
    ....
    Europa, auf das ich meine Hoffnung setzte, schießt sich grade um locker 10 Jahre nach hinten. Außerdem ist unsere Demografie grottig, auch das wird gegen uns arbeiten (die Demografie der USA ist hervorragend).
    ...


    Ich denke gegen das Demographie-Problem geht die Regierung "aktiv voran.
    Wenn ich mir das Thema rund um "Flüchtlinge" anschaue, dann habe ich meine Zweifel, ob diese Menschen nicht zur Flucht gezwungen wurden. Nicht nur durch die eigenen Regierung.
    Denn wir leben ja in einer Demokratie und da ist ja Sklavenhandel verboten ;-)


  • Ich denke gegen das Demographie-Problem geht die Regierung "aktiv voran.
    Wenn ich mir das Thema rund um "Flüchtlinge" anschaue, dann habe ich meine Zweifel, ob diese Menschen nicht zur Flucht gezwungen wurden. Nicht nur durch die eigenen Regierung.


    Finde ich weder witzig noch zutreffend.

  • Ich denke auch nicht dass die Aussage von mobilpage zutrifft.


    Aber, leider, es sollte jedem bewußt sein, dass die Demografie derlei krasse "Völkerwanderungen" in Zukunft immer wahrscheinlicher macht, indem dem Push-Faktor noch ein Pull-Faktor hinzugefügt wird.


    Man sollte nicht so naiv sein zu denken, "schön, werden wir weniger, haben wir hier gemütlich mehr Platz".


    Nein, es ist eher wie bei einem Diffusionsprozess:
    Das Gefälle steigt, somit auch der Druck zur Einwanderung.


    Das muss langfristig nicht schlimm sein, wird aber für Deutschland (das ethnisch immer relativ wenig fraktioniert war) einen Kulturschock bedeuten.


    wp


    ps. Das Buch von Varoufakis klingt ja richtig interessant! Hat das wer gelesen?

    "Nicht Völker führen Kriege gegeneinander, sondern Regierungen führen Kriege gegeneinander"

    "If you act out of fear, anger, despair or suspicion - this will ruin everything." - Thich Nhat Hanh


    Einmal editiert, zuletzt von woodpecker ()


  • Man sollte nicht so naiv sein zu denken, "schön, werden wir weniger, haben wir hier gemütlich mehr Platz".


    Nein, es ist eher wie bei einem Diffusionsprozess: Das Gefälle steigt, somit auch der Druck zur Einwanderung.


    Glaube ich nicht. Ich habe noch nichts davon mitbekommen, dass gerade die dünnbesiedelten Regionen Deutschlands überrannt würden. Ganz im Gegenteil ist dort die Abwanderung teils besonders heftig.


    Ein Blick zu den dünnbesiedelten Landkreisen in Brandenburg, jenen an der Peripherie:
    Prignitz: 36 EW/km², Bevölkerungsentwicklung von 1990 und 2013: -28,8%.
    Uckermark: 39 EW/km², Bevölkerungsentwicklung von 1990 und 2012: -28,1%
    Ostprignitz-Ruppin: 39 EW/km", Bevölkerungsentwicklung von 1990 und 2012: -16,7%
    Elbe-Elster: 56 EW/km², Bevölkerungsentwicklung von 1990 und 2013: -25,6%


    Die Tendenz ist in all diesen Landkreisen weiter fallend. Nix von Diffusionsprozess. Falls du günstig Bauland suchst: Hier wirst du fündig. ;-)


    Brandenburg hat diese Bevölkerungsverluste nur deshalb besser gepuffert als MeckPom, Sachsen-Anhalt, Sachsen oder Thüringen, weil der eh schon dichter besiedelte Speckgürtel um Berlin deutliche Zuwächse erzielte.


  • Glaube ich nicht. Ich habe noch nichts davon mitbekommen, dass gerade die dünnbesiedelten Regionen Deutschlands überrannt würden. Ganz im Gegenteil ist dort die Abwanderung teils besonders heftig.
    ...


    OK, da hast du Recht.


    Aber sicher sind wir uns einig, dass ein Diffusionsprozess in Richtung verfügbare Arbeitsplätze stattfindet.
    Wo also Pflegekräfte, Erzieher, Bauarbeiter, Handwerker usw. zunehmend fehlen, wird das Zuwanderung als Pull-Faktor begünstigen.
    Aber stimmt schon, wahrscheinlich kommen diese Zuwanderer dann auch in die eh schon vollen Großstädte.


    Frage (däfetistischer Natur) : Wird Flüchtlingen eigentlich auch Bauland geschenkt oder kloppen sich alle nur darum wo die paar deutschen Familien hinziehen?!


    wp

    "Nicht Völker führen Kriege gegeneinander, sondern Regierungen führen Kriege gegeneinander"

    "If you act out of fear, anger, despair or suspicion - this will ruin everything." - Thich Nhat Hanh


  • Zusammen mit dem Buch von Varoufakis empfehle ich dringend das Video mit dem Stinkefinger, und zwar den ganzen Vortrag plus Diskussion. Stammt von irgendeiner Konferenz in Kroatien und ist auf youtube.


    Gruß,


    Balkenchart
    PS: Ob des USD die Reservewährung bleibt, entscheiden nicht die USA. Diese Entscheidung ist schon gefallen, und die Antwort lautete 'nein'.
    PPS: Hier ist der Vortrag:



    PPPS: Angesichts solcher Vorträge eigentlich kein Wunder, dass auf allen Kanälen versucht wird, ihn zu irgendwie diskreditieren.

  • PS: Ob des USD die Reservewährung bleibt, entscheiden nicht die USA. Diese Entscheidung ist schon gefallen, und die Antwort lautete 'nein'.




    Soso, die Entscheidung soll also schon gefallen sein. Ich halte das für noch gar nicht entschieden und hoch unsicher. Deiner Meinung wird der Dollar nicht mehr die Welt-Reservewährung sein, ist schon eine Entscheidung gefallen, was der Nachfolger sein wird ?

    beati pauperes spiritu


    "we shall fight on the landing grounds, we shall fight in the fields and in the streets, we shall fight in the hills; we shall never surrender.“ W.C.


    “Facts do not cease to exist because they are ignored.” – Aldous Huxley



  • Vielleicht
    hat Woodpecker morgen während der Arbeit mal Zeit, die entsprechenden
    Beiträge in den anderen thread zu kopieren.


    Wäre nett. Danke im Voraus.


    Na sowas, das kling ja fast als wolltest du mich provozieren? Dachte derlei lehnst du ab?


    Also mach lieber du, du als Rentner hast doch viel Zeit.


    ps.
    ich bin der absolute CIV Fan! Ich wage zu sagen Experte.
    Spiele das seit Version 1 in den frühen 90er Jahren.


    Vielleicht sollten wir ein Match austragen.
    Wer gewinnt darf die Wirtschaftspolitik der nächsten 30 Jahre bestimmen und sagen welche Partei der andere fortan zu wählen hat. :D


    pps.
    Ob CIV als Gesellschaftsmodell taugt wage ich zu bezweifeln, höchstens in einem mechanistischem, wettbewerbsbesessenen neoliberalen Weltbild.
    In der Realität besser nicht, da sollten Zivilisationen garnicht erst gegeneinander antreten, sodern gemeinsam arbeiten.
    Eine meiner Lieblingsstrategien ist z.B. der Axe-Rush: Zu Spielbeginn Kultur, Aufbau etc völlig vernachlässigen und alle Ressourcen in die sofortige Auslöschung der noch kleinen Nachbarn pumpen (mittels der ersten guten Einheit, dem Axtkämpfer) um erstmal Platz für die spätere Expansion zu schaffen. Wenn die doof genug waren ihre Ressourcen in zB ein Weltwunder zu stecken, dann war es das für sie. :-)
    Ohne weiteres kann man dort auch als volksunterdrückender Faschist oder als atombombender Kommunist gewinnen.
    Im Spiel big fun, in der Realität, nun ja.


    Aber man lernt bei CIV viel über die Verlockungen der Geopolitik, des Militär und der Macht allgemein, das auf jeden Fall.

    "Nicht Völker führen Kriege gegeneinander, sondern Regierungen führen Kriege gegeneinander"

    "If you act out of fear, anger, despair or suspicion - this will ruin everything." - Thich Nhat Hanh


    3 Mal editiert, zuletzt von woodpecker ()

  • Balkenchart :


    Wow, der Varoufakis gefällt mir immer besser (und jetzt versteh ich auch den "Minotaur").


    Ich hab das ja nicht von ihm, aber er sagt ja exakt was ich auch denke:
    Unsere Produktivität in DE kommt nicht uns zu gute, sondern wird von den Defizit-Nationen (den Säufern) verkonsumiert, daher lohnt es nicht, sich tot zu rackern um unsere Produktivität und Export NOCH stärker zu steigern. Lieber sollten wir mehr davon selber konsumieren.


    Schade nur dass sich trotz dem Griechenland-Desasters irgendwie immer noch keiner für diese Zusammenhänge zu interessieren scheint. Und für Varoufakis als Ökonom auch kaum.


    Daher sehe ich im Gegensatz zu dir leider nicht warum sich an der Rollenverteilung in naher Zukunft viel ändern sollte.
    Die Kombi amerikanische hybrisgetriebene Dreistigkeit dort und deutsche angstgetrieben Arbeitswut hier scheint mir leider sehr stabil. Dazu noch die Fähigkeit der USA, ihre Bevölkerung unter einem Banner zu sammeln, im Vergleich zur uneinigen EU.


    Falls da aber doch was passieren sollte - und zwar ohne dass es dabei zu einem gloablen Knall oder globaler Instabilität kommt (denn bei aller Kritik wird diese aktuell am ehesten von den USA garantiert, wie ja sogar Varoufakis sagt) - würde ich es sehr begrüßen!
    Bin da halt zunehmend pessimistisch, diese Erkenntnisse scheinen leider eher Generationen zu brauchen als Jahre.


    wp

    "Nicht Völker führen Kriege gegeneinander, sondern Regierungen führen Kriege gegeneinander"

    "If you act out of fear, anger, despair or suspicion - this will ruin everything." - Thich Nhat Hanh


  • Unsere Produktivität in DE kommt nicht uns zu gute, sondern wird von den Defizit-Nationen (den Säufern) verkonsumiert, daher lohnt es nicht, sich tot zu rackern um unsere Produktivität und Export NOCH stärker zu steigern. Lieber sollten wir mehr davon selber konsumieren.


    Ich würde das andersherum formulieren. Wenn wir unsere Überschüsse vernünftig anlegen würden, anstatt sie gleich wieder an die Konsumenten zu verleihen, dann wären die Konsumenten von Anfang an gezwungen, wettbewerbsfähiger zu werden und dann würde uns das System nicht am Ende um die Ohren fliegen inclusive dem Verlust unserer "angesparten", naja verliehenen, Überschüsser.


    Ich halte nicht viel von der Beschränkung auf die Nachfrage-Seite ("wir sollten mehr konsumieren"), sondern ich bin ein großer Verfechter der Angebots-Seite, d.h. wir sollten die Überschüsse vernünftig investieren. Selbst wenn uns am Ende kein Projekt einfällt, dann sollen wir eben Rohstoffe, Gold, etc. kaufen. Wenn Du krampfhaft den Konsum förderst, dann endest Du wie das UK.


    Balkenchart