Market-Timing

  • Nachtrag: Die lebende Legende in Sachen Divergenz zwischen Data-Mining und Live-Entwicklung ist John Hussman. Und das nicht nur, weil der Crash halt nicht kommt, weil die Blase sich nicht abbaut, sondern wenn man seine Fonds anschaut. Der älteste Growth Fund (HSGFX) hat seit 2000 30% verloren. Der Strategic Allocation (HSTRX) seit 2003, also seit dem Tief, gerade mal +35%, weit hinter dem S&P500, der seither +436% plus Dividenden. Auch der neueste (HSAFX), der im August 2020 aufgelegt wurde, ist im Minus.


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    Joe sagt immer, man kann ein guter Analyst sein, aber ein schlechter Investor. Das ist sicher so, namentlich bei vielen Profis, bloß sind deren Analysen dann halt eben deswegen auch wertlos! Daß man wertvolle Analysen macht und dann trotzdem nicht entsprechend handelt, ist schon schwerer zu erklären. Umgekehrt wird freilich allemal ein Schuh daraus: Man kann ein guter Investor sein, ohne irgendetwas von Analyse zu verstehen, z.B. als Mechaniker.

    Hussman investiert in Wachstumsaktien. Alleine das läßt schon zweifeln. Aber daß er dann selbst damit, nach über einer Dekade der Outperformance von solchen Aktien, trotzdem eine negative Rendite über 23 Jahre erwirtschaftet hat, und noch viel mehr seit der GFC, ist unglaublich. Zugleich weist er immer wieder darauf hin, die Blase 2007 richtig vorhergesagt zu haben. Das hatte ich unabhängig vom ihm auch erkannt, hier nachzulesen. Aber er hatte nicht danach gehandelt, wenn man sich den Einbruch des HSGFX bis 2008 anschaut (im HSTRX schon). Er schreibt auch immer wieder, er hätte seine Strategie 2017 angepasst an die Nullzinspolitik, bloß kann man an der Kursentwicklung nichts davon erkennen. Es ging bis Corona weiter runter. Auch dazwischen oder seither ist die Performance mau. Man kann heute wohl gesichert sagen: Er wird die vergangene Underperformance nie mehr aufholen.


    Was eine Alternative zum Market-Timing sein könnte (technisch ist es auch taktische Asset-Allocation), so wie auch z.B. Peter Huber das praktiziert:

    - Aktien in unterschiedlichen (günstigen) Ländermärkten, auch außerhalb der westlichen Welt - Problem: gewisse Korrelation (gerade in Crashs, die ursächlich mit vorangegangenen Blasen korreliert sind), und dann überproportional.

    - Idiosykratische Ideen, die wenig korreliert sind zum Gesamtmarkt, die entweder nicht von der allg. Konjunktur abhängen oder Spezialsituationen.

    - Edelmetalle. Kaum oder sogar negative Korrelation (nicht jedoch Industrierohstoffe). Nachteil jedoch: bescheidene langfr. Renditeerwartung, zahlt keine Zinsen; bei Industrierohstoffen sogar gar keine bzw. negative Rendite (+ Lagerkosten). Für Goldminenaktien gilt das gleiche, dazu haben sie etwas Korrelation.

    - Langfristige Anleihen: Im Falle von sicheren Anleihen keine Korrelation, dafür aber nur mäßige langfr. Rendite, erst recht im Vergleich zu kurzfristigen, die dafür kein Kursrisiko tragen. Im Falle von Hochzinsanleihen: Korrelation in Crashs, derzeit auch keine ausreichenden Risikoaufschläge.

    - REITs, die es in Deutschland aber kaum gibt, vielleicht im Rest der Eurozone? Immerhin sind die derzeit antizyklisch. In den USA heißt es, sie hätten wenig Korrelation mit dem Gesamtmarkt, das kann ich aber nicht verifizieren, z.B. für Realty Income oder auch Hamborner in Deutschland 2008/09. Zur generellen Diversifikation aber interessant. Siehe Immobilienthread.


    Die Idee wäre nicht etwas wie das Ivy Portfolio von Mebane Faber, also stets diversifizieren in verschiedene Anlageklassen, sondern nur als Alternative zum Gesamtmarktausstieg und Halten von Cash. Problem dabei für mich: Man will diese Alternativen nur temporär halten, und für die zu erwartende kurze Haltezeit fallen erstens Gebühren an und zweitens ist die Vola hoch im Gegensatz zu Tagesgeld, bei einer langfristig bescheidenen Renditeerwartung. Das hält mich davon ab, eben mal 20% in Xetra-Gold zu stecken und dann wieder zurück.

    Auch ein neomarxistisches System erkennt man daran, daß es die Kriminellen verschont und den politischen Gegner kriminalisiert.

  • Joe hat im Lage-thread eine interessante Diskussion zu Saisonalität (Sell in May...) losgetreten:

    Die Lage


    Hier ist das vermutlich besser wiederzufinden.


    Weitere Details: Link von cktest zu Saisonalitätsdaten: http://www.seasonalcharts.com


    Eigene Berechnungen, die eine deutliche Saisonalität des DAX zeigen:

    Die Lage


    Siehe auch die Kommentare von Lando , dev , Winter und woodpecker im Lagethread zum Thema.

  • Habe meinen Portfolioverlauf nun also auf Saisonalität hin untersucht.


    Das war recht einfach, weil ich quartalsmäßig tracke.

    Allerdings entsprechen halt auch nur die Auswertung nach Quartalen, somit nicht präzise 15.Mai - 15.Sept. ablesbar.

    Aber wenn es starke Saisonalität gäbe, müsste man die Sommer-Underperformance wohl auch in der Quartalsauswertung sehen.


    Tun man in meinem Fall nicht.


    Wenn überhaupt etwas auffällig ist, dann der deutliche Ausreißer nach oben im Mittelwert der Q4s.

    Ich könnte also überlegen zu Beginn von Q4 immer voll in den Wertpapierkredit zu gehen ;-).

    Naja, eher als Scherz gemeint, für mich ist das Takeaway:

    Ich kann getrost beim Dauer-All-In bleiben, auch die schlechteste mittlere Quartalsperformance von 1,6% im Q2 werde ich kaum mit Bonds schlagen können. Vom Aufwand ganz zu schweigen.


    Durchschnittliche Performance der letzten 15 Jahre pro Quartal:


    Q1 +2,2%

    Q2 +1,6%

    Q3 +2,5%

    Q4 +3,9%


    ps. Ganz präszise ist das alles nicht, da es auch phyisches Gold und Cash beinhalten (Cash aber praktisch immer unter 5% Anteil bei mir), sowie Wertpapierkredite (auch immer unter 5% Anteil). Reicht aber für meine Zwecke.


    wp

    "Es ist nicht der Stärkste, der überlebt, auch nicht der Intelligenteste, sondern der, der sich am besten anpassen kann" - nach Charles Darwin

    "If you act out of fear, anger, despair or suspicion - this will ruin everything." - Thich Nhat Hanh


  • Nuja, mehr als 100% Rendite-Unterschied zwischen April/Mai/Juni und Oktober/November/Dezember sind schon ganz schön knackig und bestätigen eigentlich die Saisonalität. Einen Verkauf im Mai bestätigen sie aber tatsächlich nicht - wer würde 1,6% Rendite verschenken? ;)

  • Du hast natürlich Recht, es gibt erhebliche Saisonalität in meinem Depot!


    Nur ist dieses, im Gegensatz zum DAX, siehe unten, jederzeit deutlich über der Nulllinie.


    Die Ursache kann sein:


    (a) Meine Auswahl an Aktien mit oft "komischen" Märkten (gilt Saisonalität weltweit und in alles Segmenten? Gibt er hierzu Untersuchungen?)


    oder


    (b) mein persönliches Alpha


    oder, wahrscheinlich, eine Mischung aus beidem.


    Spannende Übung jedenfalls.


    Da vermutlich / hoffentlich die meisten hier ein positives Alpha generieren sollte man jedenfalls weder vorschnell Strategien implementieren die im Q2 verkaufen und Ende Q3 zurückkaufen oder Cash das in Q1 anfällt zurückhalten.


    Wenn das Muster irgendwie ähnlich ist wie bei mir, dann ist jederzeit All-In die Devise!


    Saisonalität versuchen auszunutzen würde ich erst wenn eine persönliche Quartalsperformance dauerhaft (deutlich?) unter Null ist, weil es gilt ja Kosten, Spread, Steuer auf realisierte Gewinne und Aufwand zu beachten.

    Und selbst dann wäre die eigentlich spannendere Frage warum das eigene Depot so saisonal agiert, oder ob man nicht das persönliche Alpha noch steigern könnte 8o


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    Eine weitere spannende Beobachtung ist, dass meine gesamte Outperformance ausgerechnet im Crashquartal Q3 generiert wird!

    Mein Depot performed also immer dann besondes gut out wenn der Gesamtmarkt sinkt - eine Bestätigung für das Gefühl dass ich schon lange habe, und dass mich immer fast freuen läßt wenn der Gesamtmarkt mal taumelt, wohlwissend das eigene Depot läuft dann oft zumindest relativ gesehen besonders gut.


    4% Unterschied in Q3, jedes Jahr, das ist schon ein Wort.

    Das kann eigentlich nur an der Aktienauswahl liegen, weil warum sollte mein persönliches Alpha sich verändern über die Quartale?


    Man kann also sagen:


    Mein Alpha rührt daher dass ich offenbar Aktien auswähle, die grade im Q3 deutlich besser als der Gesamtmarkt performen, während sie in den anderen Quartalen nur in line oder in Q4 sogar schlechter als der Markt laufen.


    Wirklich sehr, sehr interessant. Wie kann das sein?

    Da muss ich nochmal weiter drüber nachdenken.


    wp

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    "If you act out of fear, anger, despair or suspicion - this will ruin everything." - Thich Nhat Hanh


  • Eventuell sollte man auch die Dividendenausschüttungen mit einbeziehen, denn in DE werden die meisten Dividenden in Q2 ausgeschüttet, somit könnte der reine Kursabschlag zu Q3 passen.

    »In meinem Alter begreife ich, dass Zeit mein kostbarster Besitz ist.«
    »Freiheit bedeutet, dass man nicht unbedingt alles so machen muss wie andere Menschen.«
    »Eine Aktie zu verkaufen die fällt, ist in etwa so, als ob man ein Haus für 100.000 Dollar kauft und es verkauft, sobald jemand 80.000 Dollar dafür bietet.«
    Buffett

  • Interessante Überlegungen. Ich hab auch mal meine Performance auf Quartalsbasis ermittelt, allerdings nur für die Jahre 1999-2014, weil ich da voll investiert war und konsistente Daten habe. Die Resultate sind je nach Berechnungsmethode unterschiedlich - am saubersten ist wohl die CAGR, also das geometrische Mittel. Zum Vergleich auch noch der Median und das (eigentlich unzulässige) arithmetische Mittel.


    1999-2014 CAGR Endwert Median Mittelwert





    Q1 5,96% 238,36 6,41% 6,42%
    Q2 5,52% 223,93 3,68% 5,17%
    Q3 -2,30% 70,54 3,40% -1,31%
    Q4 1,66% 128,04 4,95% 2,61%





    zu Vergleich: CAGR der Gesamtjahre: 9,63%




    Ich bin selbst überrascht, wie ausgeprägt die Saisonalität ist. Vermutlich erklärt sich das dadurch, dass ich damals sehr stark mit deutschen Smallcaps unterwegs war, bei denen die Dividenden-Problematik von dev besonders stark gilt. Auf jeden Fall ist das ein völlig anderes Muster als bei woodpecker .

  • Eventuell sollte man auch die Dividendenausschüttungen mit einbeziehen, denn in DE werden die meisten Dividenden in Q2 ausgeschüttet, somit könnte der reine Kursabschlag zu Q3 passen.

    Jein.


    Wie du sagst, die Ausschüttungen sind in Q2, somit auch der Abschlag und somit müsste das Q2 runterziehen, nicht Q3.


    Wobei das sowohl auf den DAX als auch auf mein Depot nicht zutrift.

    Der DAX ist ein Performance Index und enthält Dividenden. Und bei mir ist es so dass ich Dividendenzuflüsse immer sehr schnell wieder reinvestiere. Ich halte es (und die Daten zeigen: zurecht!) nicht lange aus mit Cash auf dem Konto.



    Dass die Saisonalität bei dir, witch, soviel anders ist, ist interessant.


    Vielleicht liegt das wirklich am Segment.

    Mein Betrachtungszeitraum beginnt ja erst 2010, also zu dem Zeitpunkt wo ich zunehmen international investierte.

    Davor war ich wie du v.a. in deutschen small caps. Vielleicht müsste ich diese Zeitraum auch noch mal auswerten, nur leider war damals meine Datenerfassung noch mehr als miserabel.

    "Es ist nicht der Stärkste, der überlebt, auch nicht der Intelligenteste, sondern der, der sich am besten anpassen kann" - nach Charles Darwin

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  • Es wird immer spannender.

    Soeben dieses Paper hier gefunden.


    Zitat

    Highlights

    • •Stocks in 21 advanced markets show significant return seasonality but stocks in 21 emerging markets do not.
    • •Exploiting return seasonality is economically meaningful in advanced markets but not in emerging markets.
    • •Statistical, rational and behavioral reasons, including regression bias, size, risk premiums and January effect, all can partly explain this difference in seasonality between advanced and emerging markets.

    https://www.sciencedirect.com/…abs/pii/S092753981830077X


    Voila, hier kommen wir einer Erklärung näher.


    Falls das so stimmt, und falls man unbedingt optimieren möchte, dann wäre also


    "Sell ADVANCED markets in May and don't go away, but reinvest in EMERGING markets over the summer"


    angesagt.

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  • Das ist eigentlich verrückt. Man sollte doch denken, dass die 'advanced' Märkte effizienter und rationaler sind als die 'emerging' Märkte. Offensichtlich ist das Gegenteil der Fall.


    Mein erster Gedanke dazu: Vielleicht haben sich saisonale Phänomene hier als 'self-fulfilling prophecy' verselbständigt und werden durch Mechaniker (wie mich), automatisierte Anlage-Programme und KI-Programme geradezu verstärkt? Das wäre dann eine Markt-Ineffizienz auf der Meta-Ebene, warum auch nicht.

  • Jein, passt ;-)

    »In meinem Alter begreife ich, dass Zeit mein kostbarster Besitz ist.«
    »Freiheit bedeutet, dass man nicht unbedingt alles so machen muss wie andere Menschen.«
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    Buffett

  • Hat die Saisonalität nicht vor allem damit zu tun, daß im Januar das Weihnachtsgeld investiert wird und im Sommer das Geld eher für Urlaub benötigt wird?

    Die westlichen Börsen sind praktisch alle auf der Nordhalbkugel (Australien ist kein so bedeutender Markt) und diese Märkte geben weltweit den Takt vor. Emerging Markets weichen teilweise davon ab, z.B. Südamerika.

    Auch ein neomarxistisches System erkennt man daran, daß es die Kriminellen verschont und den politischen Gegner kriminalisiert.