Charterfirmen und Reeder antizyklisch

  • Hallo Joe,


    der Index ist in der Tat ziemlich tief, aber müssten wir nicht ein bisschen umdenken was den BDI betrifft.


    folgendes Beispiel:
    Früher hat man Filme auf Video- oder DVD Rekordern angeschaut. Diese Rohlinge oder Kassetten wurden vermutlich in Asien hergestellt und nach Europa rübergeschifft. Um diese Kassetten herzustellen, musste man Maschinen bauen, die wiederum aus Europa nach Asien verschifft wurden. Auch die Fernseher waren Riesenkästen, die zusätzlich verschifft werden mussten. Das Rohmaterial für dieses Konsumprodukt kam meistens aus Hollywood.
    Somit waren unzählige Menschen daran beteiligt, damit der Konsument seine Fime zu Hause anschauen konnte.


    Aber dann kam Netflix:


    Netflix bedient mit nur 3.500 Mitarbeiter (31.12.2015) fast die ganze Weltbevölkerung mit Filmen. Das Rohmaterial wird weiterhin aus Hollywood/Bollywood geliefert.


    https://www.sec.gov/Archives/e…016000047/nflx201510k.htm


    Aber es werden keine Abspielgeräte mehr benötigt. TV Kisten sind auch kleiner geworden bzw. die meisten nutzten sogar Ihr Tablets & Co als Ausgabegerät. Somit werden auch keine Maschinen zur Produktion dieser Abspielgeräte benötigt. D.h. doch das Netflix mit seinem Geschäftsmodell das bisherige Geschäftsmodell "Film-Konsum" komplett umgestaltet hat, dass dadurch eine Branche als Kunde der Transportbranche fast weggefallen ist.


    Ich denke der Konsum vieler Menschen driftet immer mehr in den digitalen Bereich ab. Als Kind habe ich mich über Geschenke, die ich "anfassen" konnte, gefreut. Heute wollen die jugendlichen irgenwelche Guthaben Karten, damit sie sich Ihre Lieder, PS4 Spiele, Add ons aus dem Netz runterladen können.


    Meinst Du nicht, dass wir in Zukunft generell keine hohen BDI sehen werden aufgrund des Wandels in das "digitale Zeitalter"?


  • Die Idee ist: Wenn die Frachtraten fallen bedeutet es, dass es wirtschaftlich abwaerts geht.


    Natuerlich sind Überkapazitaeten verantwortlich für die niedrigen Transport-gebühren. Allerdings gab es diese Überkapazitäten auch schon vor einem Monat. Kurzfristiger Natur ist eher angebot und nachfrage.


    Der BDI war auch schon in der Vergangenheit z.T. recht volatil. Klar wird sich Nachfragerückgang negativ auf die Raten auswirken. Aber ohne genauere Marktkenntnis halte ich Interpretationen nach dem Motto "BDI geht bergab - Wirtschaft geht bergab" für etwas gewagt (isoliert betrachtet).


    Die Frachtraten im Containerbereich markieren seit Jahren ständig neue Tiefs. Im Gegensatz dazu ist transportiere Menge aber ständig gestiegen...
    http://www.rwi-essen.de/containerindex

  • mobilpage :
    Stimmt schon was Du sagst, nur - vor 30 Tagen stand der BDI bei 473, also 50% höher als heute (=310). Das Transportvolumen wird doch nicht anhand der von Dir beschriebenen Effekte um sooo viel eingebrochen sein?!


    caedmon : Volatil schon. Aber Wenn Du den Chart Logarythmisch irgendwo findest (ich habe den Chart nicht logarythmisch finden können), dann wird einem der Preisverfall der letzten 30 Tage schon noch etwas mehr auffallen. Ist schon eine starke Schwankung, selbst für den BDI wenn es vor 30 Tagen mal eben 50% mehr waren, oder?
    Auf der anderen Seite, vielleicht ist es ab einem gewissen Preis tatsaechlich "nur" 163 USD unterschied. Mag viel prozentual aussehend sein, aber kostendeckend waren die Transport-raten bei weitem auch bei 473 nicht, und vielleicht macht das 310 auch keinen grossen Unterschied mehr?
    Gewissermassen vergleichbar mit: ob ich nun für 10 Cent pro Stunde Treppen putzen gehe oder für nur 5 Cent --> so oder so wäre es viel zu wenig um davon in Deutschland ohne Sozialhilfe leben zu können.

    “It’s the little things that matter. It’s one thing to tell someone they look like the first day of spring. It’s another thing to tell them they look like the last day of a long, hard winter.” - Zig Ziglar

  • Mal als Überblick, was im Containerbereich so abgeht:


    Laut "Täglicher Hafenbericht" (www.thb.info) erreichten die Ablieferungen von Containerschiffen in 2015 mit 1,71 Millionen TEU einen neuen Rekordwert und übertrafen die bisherigen Rekorde von 1,52 Millionen TEU in 2008 und 1,46 Millionen TEU in 2014. Das ist ein Kapazitätszuwachs der weltweiten Containerflotte um 8,3%.
    Außerdem stehen bei den Werften aktuell allein für Containerriesen über 18.000 TEU Kapazität 109 Einheiten in den Orderbüchern. Das sind nochmal mind. 2 Millionen TEU allein Großcontainerschiffe. Dazu kommen noch Orders für kleinere Einheiten wie die neuen Neo-Panamax.


    Gleichzeitig erreichte die aufgelegte Flotte (beschäftigungslose Frachter) Ende 2015 mit 311 Schiffen (1,36 Millionen TEU) ein neues Fünf-Jahres-Hoch. Zu den ohnehin massiven Überkapazitäten kommt also noch mehr Kapazität hinzu. Das nimmt mit Sicherheit kein gutes Ende...

  • Gleichzeitig erreichte die aufgelegte Flotte (beschäftigungslose Frachter) Ende 2015 mit 311 Schiffen (1,36 Millionen TEU) ein neues Fünf-Jahres-Hoch. Zu den ohnehin massiven Überkapazitäten kommt also noch mehr Kapazität hinzu. Das nimmt mit Sicherheit kein gutes Ende...


    Na ja, den ersten Pott (19 k TEUR) haben sie ja vor Wedel schon mal auf Grund gesetzt, kann ja liegenbleiben als Touristenattraktion... ;-)


    http://www.n-tv.de/panorama/Ri…rund-article16924501.html

    “Investment is most intelligent when it is most businesslike.” -Benjamin Graham

  • Ich kann nur empfehlen das Buch "The Shipping Man" zu lesen. Dann versteht man recht gut wie die Leute da ticken.

  • Zitat

    die Ablieferungen von Containerschiffen in 2015 [...] einen neuen Rekordwert [...] Das ist ein Kapazitätszuwachs der weltweiten Containerflotte um 8,3%


    Zitat

    Gleichzeitig erreichte die aufgelegte Flotte (beschäftigungslose Frachter) Ende 2015 mit 311 Schiffen (1,36 Millionen TEU) ein neues Fünf-Jahres-Hoch. Zu den ohnehin massiven Überkapazitäten kommt also noch mehr Kapazität hinzu.


    Ich frage mich: wer hat denn zusätzliche Containerschiffe geordert, das macht doch alles keinen Sinn?


    BDI bei nur noch 290 USD. Heutzutage wundert man sich jedoch über gar nichts mehr. Sollte der BDI oder der Dax negativ werden, würde man das vermutlich auch nur mit einem Schulterzucken quittieren?
    Negative Strompreise gabs auch schon, warum also nicht?


    Edit:
    Hier ein Chart zur Anzahl der gebauten Schiffe:

    “It’s the little things that matter. It’s one thing to tell someone they look like the first day of spring. It’s another thing to tell them they look like the last day of a long, hard winter.” - Zig Ziglar

    Einmal editiert, zuletzt von Joe ()

  • Ich frage mich: wer hat denn zusätzliche Containerschiffe geordert, das macht doch alles keinen Sinn?


    Irgendwie scheint das ein Gesetz zu sein, dass in Low-Tech-Branchen (niedrige Eintrittsbarriere, nur Geld nötig) generell Baisse herrscht, unterbrochen von nur kurzen Hausse-Phasen.

    Auch unsere Gedanken sind wircksame Factoren des Universums. Novalis


    Everything will be allright!

  • Ich frage mich: wer hat denn zusätzliche Containerschiffe geordert, das macht doch alles keinen Sinn?


    Alle großen Marktteilnehmer haben geordert. Hapag-Lloyd ist extra an die Börse gegangen, um beim Wettrüsten im Segment der ganz großen Pötte mit bis zu 20.000 TEU Kapazität mitmischen zu können.
    Der Chart mit der Anzahl der gebauten Schiffe in deinem Beitrag ist leicht irreführend, denn die Schiffsgrößen haben deutlich zugenommen. Bis ca. 2005 waren Containerschiffe mit 8.000 TEU "Containerriesen". Mittlerweile sind wir aber bei bis zu 20.000 TEU angelangt (keine Ahnung wie die Entwicklung bei Bulkern oder Tankern aussieht).
    Schiffe dieser Größenordnung sind effizienter zu betreiben (so sie denn genug Ladung haben), die Transportkosten pro Container also geringer. Darum muss hier natürlich jeder dabei sein, niedrige Frachtraten hin oder her. Und vermutlich spielt das Thema Prestige (vulgo Schwanzvergleich) auch eine Rolle. Dazu kommt, dass die Neubauten nach wie vor problemlos zu finanzieren sind. Die Zinsen sind immer noch niedrig, und das Eigenkapital kann auch beschafft werden. Die Werften in Korea bekommen staatliche Milliardenhilfen, da muss man natürlich Schiffe schon allein deshalb bestellen, weil sie so billig sind.

  • Ich habe die Werft von Hyundai mal im Anflug auf Ulsan von oben begutachten können. Das war schon beeindruckend groß (Die Photos sind nicht von mir).




    Hyundai Motors, auch in Ulsan, ist auch beeindruckend. Das weiße links und im Vordergrund sind übrigens Neuwagen, die auf die Verschiffung warten.


    Und irgendwann werden sie feststellen, dass man gendergerechte Sprache nicht essen kann (fefe).

    3 Mal editiert, zuletzt von nixda ()

  • Irgendwie scheint das ein Gesetz zu sein, dass in Low-Tech-Branchen (niedrige Eintrittsbarriere, nur Geld nötig) generell Baisse herrscht, unterbrochen von nur kurzen Hausse-Phasen.


    Für den Reeder ist ein Schiff, sofern er die Finanzierung bekommt, eine Option.Wenn es gut läuft, casht er aus, wenn es schlecht läuft hat die Bank ein Problem.


    Die Frage ist eher, warum werden die Schiffe nach wie vor finanziert ? Tja, da muss man wohl Draghi und Co. fragen....

  • Mal eine Verständnisfrage:
    Neugebaute Schiffe werden immer größer, damit die Kosten pro Einheit/Container sinken. Damit sinken auch die Grenzkosten je Einheit/Container.
    Warum wird es dann als Überraschung kommuniziert, wenn die Preise (z.B. Baltic Dry Index) immer mal wieder neue Tiefstkurse erreichen?
    Ist das nicht der logische und erwartbare Effekt bei sinkenden Neu- und Grenzkosten?


    Gibt es belastbare Schätzungen, wo bei den am effizientest designten neugebauten Schiffen mitsamt der für den Bau erzielbaren Subventionen etwa der Baltic Dry Index liegen müsste, um in der Gesamtkostenkalkulation eine schwarze Null zu erreichen?

  • Wenn man dazu noch niedrige Zinsen und niedrige Bunker Preis nimmt, sollte es einen eigentlich nicht wundern, dass es da evtl. eine gewisse Kostendeflation gibt.


  • Ging ja schnell. Al sting hatte es ja bereits gesagt, dass es "fischy" ist :-)


    http://www.manager-magazin.de/…ger-bangen-a-1095322.html

  • Ich wünsche deinem Bekannten, dass er rechtzeitig den Ausstieg geschafft hat!
    Hohe Renditen gibt es halt nicht ohne entsprechendes Risiko. Und wenn man keine Ahnung hat, warum die Rendite so hoch ist, also wo die Risiken liegen (aus dem Prospekt war es nicht ersichtlich), dann sollte man vorsichtig sein.


    Es gibt beim Pokern sinngemäß den Spruch: Wenn du nicht ahnst, wer in einer Runde das Opfer ist - dann bist höchstwahrscheinlich du es.
    Gilt in diesen Bereichen ganz ähnlich: Wenn du nicht ahnst, wo das Risiko liegt - dann liegt es wahrscheinlich bei dir und ist viel größer als du ahnst.

  • ich habe keinen link, erinnere mich aber das ich vor 1-2 jahren mal eine shortthesis zu einer großen aktiennotierten kreuzfahrtgesellschaft gelesen habe. das unternehmen war seit den neunzigern börsennotiert und der aktienkurs hatte sich in der gesammten zeit gut entwickelt. die kernthese des shortens war aber das das unternehmen über die gesammte börsennotierte zeit einen negativen operativen cashflow hatte. alle paar jahre gab es mal wieder eine kapitalerhöhung mit der vor allem die immer währende expansion bezahlt wurde und wohl auch das operative geschäft bezuschußt wurde. wirklich gute zahlen (einkommenstechnisch) hatte das unternehmen nur jeweils am höhepunkt des zyklus. ist alles aus dem gedächtnis, aber ich wäre vorsichtig mit kreuzfahrtbetreibern.

  • negativer Operativer oder Free Cashflow ? Der operative CF ist bei den Cruisern eigentlich sehr positiv. Bei Carnival z.B. ist auch der Free CF sehr ordentlich, bei Royal Carribean eigentlich auch OK.