Ukraine - wenn die Kanonen donnern

  • Total übersehen: Bei MHP gefiel mir doch die Verschuldung nicht, hatte ich mir doch schon mal näher angeschaut. Net debt/EBITA jetzt auf 3,22 runter, aber Zinsdeckung 1,69. Egal wie betrachtet schlecht, da ist man gleich unter Wasser und kann die Zinsen nicht mehr bedienen, 2020 war noch knapper. Und obwohl sie schreiben, die Zinsen seien unter 7%, beträgt Zinsaufwendungen/Schulden gut 10%. Warum soll ich mich da als Aktionär mit weniger zufrieden geben? Kein chicken game für mich. Immerhin produzieren sie das Futter und weitere Feldfrüchte selbst und auch zum Verkauf an Dritte.


    So gesehen sind die Ukraine-Aktien derzeit alle nix. Wegen den politischen Risiken, und ich kaufe lieber, wenn die Agrrarrohstoff-Preise gerade niedrig sind (und nur das KGV10 gut). Oder drückt sich in dem Preisanstieg schon die kommende Inflation aus? Bei Eisenerz ähnlich, auch zu zyklisch derzeit. Obwohl Agrar eigentlich eine prima Idee wäre (Geflügel auch, vgl. rotes Fleisch).

    „Wir haben die gesamte Führung fast aller Berliner Sicherheitsbehörden ausgetauscht und dort ziemlich gute Leute reingebracht." – Benedikt Lux, Grüne Berlin

  • Große Reisewarnung der USA (20.12.2021)


    Verteidigungsminister Shoigu (21.12.2021):


    Zitat

    Russian Defense Minister Sergei Shoigu claimed on Tuesday that U.S. private military companies have stationed troops in the Donetsk region of eastern Ukraine and are preparing a “provocation using unknown chemical components.”


    Shoigu’s statements came during a Defense Ministry meeting in Moscow amid growing fears that Russia could launch an invasion of Ukraine.

    “We have identified the presence of over 120 members of U.S. mercenary groups in the cities of Avdiivka and Krasny Liman to commit provocations…Tanks filled with unidentified chemical components were delivered to the cities of Avdeevka and Krasny Liman to commit provocations,” the state-run TASS news agency quoted Shoigu as saying.

    Das wäre dann sozusagen das "Modell Damaskus".

  • Russland hat seine Position klar gemacht: Eine militärische Einbindung der Ukraine in den Westen, egal mit oder ohne NATO Mitgliedschaft, wird Russland nicht zulassen. Im Zweifel würde man das sogar durch eine Invasion unterbinden.


    Wie ich schon geschrieben habe: Ich halte das Anliegen nicht für komplett illegitim. Die USA macht das gleiche aus gleichen Gründen mit Kuba, und würde auch keine Einbindung Mexikos z.B. in ein Chinesisches Bündnissystem zulassen. Für die Ukraine eine denkbare Lösung wäre eine Neutralisierung wie z.B. Österreich im Kalten Krieg und der weitgehende Verzicht auf eigene Militärpolitik.

    „Das große Karthago führte drei Kriege. Nach dem ersten war es noch mächtig. Nach dem zweiten war es noch bewohnbar. Nach dem dritten war es nicht mehr aufzufinden.“

  • Das wäre nicht nur denkbar, sondern für die Ukraine sehr klug.

    Österreich fuhr damit hervorragend, die Ukraine könnte das (in ihrem Rahmen) auch.

    Die Alternative ist eine militarisierte Frontzone zu werden mit einem Nachbar der groß & richtig sauer ist.

    Im Interesse der Ukraine sehe ich das nicht wirklich, zumal vor Ort ja große Teile der Bevölkerung sogar den Russen gewogen ist.

    "Nicht Völker führen Kriege gegeneinander, sondern Regierungen führen Kriege gegeneinander"

    "If you act out of fear, anger, despair or suspicion - this will ruin everything." - Thich Nhat Hanh


  • Ich befürchte aber, das die Amerikaner andere Interessen haben. Für sie ist der Konflikt ein Triple Win: Zum einen würde die Ukraine abhängiger von den USA, zum zweiten sind die Russen damit in einen Konflikt gebunden, der politisches und reales Kapital verbraucht, und drittens treibt der Konflikt einen Keil zwischen Europa und Russland.


    Strategisch würde es aber Russland an die Seite der Chinesen drängen. Und eine Achse Moskau - Peking könnte für die USA langfristig gefährlicher sein als eine Annäherung Russlands an Europa

    „Das große Karthago führte drei Kriege. Nach dem ersten war es noch mächtig. Nach dem zweiten war es noch bewohnbar. Nach dem dritten war es nicht mehr aufzufinden.“

    Einmal editiert, zuletzt von nixda ()

  • Klappt so was 2x ?! :/


    Beim erstenmal hat es jedenfalls nicht geklappt. Damals hat Kerry am Freitag abend auf den vermeintlichen Giftgaseinsatz in Syrien verwiesen und einen Militärschlag angekündigt. Einen Tag später, am Samstag abend dann, ist Obama zurückgerudert, und dann ist der Militärschlag ausgefallen.


    Die spannende Frage ist, *wer* am Samtag früh in Washington angerufen hat und wie das Ultimatum lautete.


    Ich rate mal, China.


    Balkenchart

    PS: Ein bekannter aus dem UK, der im Iran den Gashalndel mit aufgebaut hat, sagte, dass der weitgehende Abzug der USA aus dem Irak nach 2008 auf chinesischen Druck hin erfolgte. Wenn das so stimmt, dann dürfen die Amis für Europa noch den "Big Bully" spielen, aber realiter ist das dann alles schon viel nüchterner.

  • Russland hat seine Position klar gemacht: Eine militärische Einbindung der Ukraine in den Westen, egal mit oder ohne NATO Mitgliedschaft, wird Russland nicht zulassen. Im Zweifel würde man das sogar durch eine Invasion unterbinden.


    Wie ich schon geschrieben habe: Ich halte das Anliegen nicht für komplett illegitim. Die USA macht das gleiche aus gleichen Gründen mit Kuba, und würde auch keine Einbindung Mexikos z.B. in ein Chinesisches Bündnissystem zulassen. Für die Ukraine eine denkbare Lösung wäre eine Neutralisierung wie z.B. Österreich im Kalten Krieg und der weitgehende Verzicht auf eigene Militärpolitik.


    Ich bin einerseits bei Dir, aber der Verzicht auf eigene Militärpolitik ist auch nicht ohne, nachdem Russland Aktionen in der Ukraine durchführt.


    An sich würde ich mir wünschen, dass sich die Regierungschefs da mal zusammensetzen und vernünftig reden. Scheint irgendwo zu haken, bei wem will bzw. kann ich nicht beurteilen. Ich sehe nur eine große Schwierigkeit und dafür sehe ich leider keine Lösung. Egal, wie, der Westen wird bei jeglicher Einigung kaum akzeptieren wollen, dass die Krim von Russland besetzt bleibt. Russland dagegen wird sie kaum wieder hergeben wollen. Und das scheint mir jeglicher Einigung da im Weg zu stehen.


    Ansonsten wäre meine Hoffnung:

    Die Ukraine bekommt die Krim zurück und Russland sorgt dafür, dass sich die "Seperatisten" aus den umkämpften Gebiete zurückziehen. Dafür bekommen diese Gebiete in jedem Fall große Autonomie und kulturelle Rechte. Ansonsten finde ich die neutrale Lösung eine sehr gute Idee. Dafür müssten beide Seiten zustimmen, dass man möglichst weitgehend auf Einflussnahme verzichtet.


    Es erscheint aber auch etwas heuchlerisch, wenn Russland fordert, dass friedliche Lösungen gefunden werden. Militärisch sind sie vorgegangen. Aber natürlich würde ich mir das trotzdem wünschen.


    Ich wundere mich schon, wie ruhig die Märkte sind, Gazprom etc. Ich sehe das nicht als ausgemacht, dass da nichts passiert.


    Generell, ist es sehr ineffizient. Und insofern, ich weiß nicht, wie die russische Regierung das kommuniziert, wäre es schon wünschenswert, wenn eine gewisse Pufferzone geschaffen wird und beide Seiten deeskalieren. Ich würde mir generell viel mehr Zusammenarbeit mit Russland wünschen, langfristig gesehen. Insofern, ja, ich habe eigentlich großes Verständnis für die russische Sicht, aber die Krim-Situation macht es meiner Meinung nach sehr, sehr schwierig. Wie gesagt, wenn es da Bereitschaft gäbe, die an Ukraine zurückzugeben, dann würde ich mir wünschen, dass man größtmögliche Zugeständnisse dafür macht. Kann ich mir aber leider kaum vorstellen.


    PS:

    Aja, die Sache mit dem Gas seh ich ganz anders, als hier in den Medien gern dargestellt, aber ich glaube da gibt es ja hier im Forum allgemein eine andere Sicht. Alle Verträge werden, soweit ich das erkennen kann, erfüllt. Gleichzeitig wird Nord Stream 2 immer noch von vielen Seiten behindert, obwohl es eine Millarden-Investition ist und fertig da liegt. Von den aktuellen Gas-Preisen ganz zu schweigen. Scheinbar gesteht man Gazprom vielerorts nicht das Recht zu, angepisst zu sein, wenn es nicht das Gas so liefern kann wie es möchte und bereits vor Jahren mit Deutschland beschlossen hat. Bei NS2 geht's um die Logistik. Natürlich hat sowas immer auch eine geopolitische Dimension, aber die betonen m.M. nach vermehrt die, die wirtschaftlich dadurch verlieren. Das find ich nicht ok.

    Dann heißt es jetzt, wenn Russland in die Ukraine einmarschiert, darf NS2 aber nicht laufen. Ist erstmal naheliegend, ja, aber noch viel mehr ist es komplett unsinnig. Wenn man das nicht will, muss man in so einem Fall auf Gas aus Russland verzichten, nicht auf Gas aus Russland durch Nord Stream 2.. Einfach komplett unsinnig.


    https://www.washingtonpost.com…-pipeline-germany-scholz/

    When a management with a reputation for brilliance tackles a business with a reputation for bad economics, it is the reputation of the business that remains intact.


    W. B.


    Investment is most intelligent when it is most businesslike.


    B. G.

    2 Mal editiert, zuletzt von buccaneer ()

  • Wenn Du auf der Krim ein faires und geheimes Referendum abhältst, ob sie zu Russland oder zur Ukraine gehören wollen oder ganz was anderes, dann musst Du realistischerweise mit "Russland" als Antwort rechnen.


    Der Wille des Volkes. Hausaufgabe: Diskutiere den Zerfall Jugoslawiens, insb die Rolle von Slowenien und Kroatien, die traditionelle Interpretation der UN Charta und die Position der Bundesrepublik (und NATO) damals.

  • Eigentlich schon eine bissl arme Welt, in der niemand, aber wirklich NIEMAND an einem solchen fairen und geheimen Referendum ein Interesse hat (unabhängig davon was dabei rauskommt).


    Das Disney&Tagesschau-Weltbild (wir sind eine Insel des Guten plus paar Idioten drum rum) das man mit 20 oder so hatte war irgendwie angenehmer.

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  • Das zynische dabei ist, dass 1990 nach den Wahlen in den Teilstaaten z.B. Slowenien und Kroatien schnellere Reformen wollten, als es im serbisch dominierten Jugoslawien damals möglich war. Also wollten Slowenien und Kroatien immer größere teilweise Autonomie. Serbien war dagegen. Das wurde dann Ende 1991 durch ein Referendum in Slowenien auf die Spitze getrieben, die sich dann für die Unabhängigkeit Sloweniens von Jugoslawien aussprachen.


    Nach damaliger Interpretation des Völkerrechts hätten nur alle jugslawischen Teilstaaten gemeinsam eine Auflösung des Bundesstaates Jugoslawien und damit die Unabhängigkeit Sloweniens beschließen könen. Das war aber wegen Serbien unrealistisch bzw. hätte viele Jahre gedauert.


    Damals hat sich der Westen, ganz besonders die NATO und die damalige Regierung Kohl auf den Standpunkt gestellt, dass in diesem Falle der "Wille des slowenischen Volkes" (und kurz darauf des kroatischen) der einzige Maßstab sei und dass eine Loslösung von Jugoslawien auch durch enseitige Willenserklärung möglich sein müsse. Nach dem Amtsantritt der rot-grünen Regierung Schröder & Fischer in 1998 kam mit dem Kosovo eine weitere Teilrepublik Jugoslawiens dran, und die rot-grüne Regierung stellte sich ebenfalls hinter die "Der Wille des Volkes"-Theorie (und sendete sogar Bundeswehr-Einheiten, um das durchzusetzen).


    Nun listen wir einmal auf:

    * In Schottland gibt es laut Umfragen immer wieder fast eine Mehrheit für eine Loslösung vom vereinigten Königreich. Die Regierung in London stellt sich aber auf den Standpunkt, dass das ohne Zustimmung Londons nicht möglich sei. Wille des Volkes? Das UK hat 1991/92 den Standpunkt vertreten, dass sich Slowenien einseitig für unabhängig von Jugoslawien erklären kann. Wieso dann nicht Schottland vom Königreich?

    * In Katalonien gab es ein Referendum für die Loslösung von Spanien. Madrid erklärt das für nichtig und illegal und hat Haftbefehle gegen die katalonischen Politiker erlassen, die damals das Referendum organisiert hatten. Wille des Volkes? Spanien hat 1991/92 in Sachen Jugoslawien die NATO-Linie vertreten. Wieso kann sich dann nicht Katalonien einseitig für unabhängig erklären?


    und nicht zuletzt:


    * Putin sagt, die Bevölkerung der Krim wünsche die Loslösung von der Ukraine. Es gab hoppla-hopp ein Blitz-Referendum mit genau diesem Ergebnis. Aber selbst, wenn man nochmal eine sauber durchgeführte Volksabstimmung organisieren würde, ist dieser Ausgang wegen des hohen russischen Bevölkerungsteils auf der Krim durchaus wahrscheinlich.


    Putin verweist im Zusammenhang mit der Krim ausdrücklich auf die Präzedenzfälle Slowenien und Kroatien und wirft der NATO Scheinheiligkeit vor.

  • Mei, das ist aber schon schwierig, das ganze Thema. Denn dieses Recht müsste man dann theoretisch ja jeder Region zugestehen müssen. Und natürlich auch jeder Subregion, oder nur historisch gewachsenen Gebilden?


    Krim, Taiwan, Katalonien, Schottland, Südtirol? Etc. etc. Und wenn es dort Teile gibt, z.B. Landkreise, die es anders sehen als der ganze Teil, dann haben die Pech gehabt? D.h., es kommt am Ende darauf an, wie man den Zuschnitt macht.. Also, ich weiß nicht. Ich persönlich bin dafür, dass möglichst wenig Grenzen neu gezogen werden. Das liegt sicher auch daran, dass ich keinen ausgeprägten Nationalismus habe, sondern Staaten eher als Verwaltung, bzw. Organisationen sehe. Und ich außerdem glaube, dass es generell nicht toleriert werden sollte, das Grenzen neu gezogen werden, damit es auch keine Motivation in die Richtung gibt.


    Was jetzt die Krim betrifft, ich denke nicht, dass ich da blind alles glaube, was hier berichtet wurde und ich bin auch weder in Völkerrecht noch Jura sonderlich bewandert, aber was ich im Hinterkopf hatte, war, dass in der Sowjetunion die Krim offiziell an die Ukraine abgegeben wurde. Also hätte ich gesagt, Pech gehabt. Und außerdem, hatte Russland meines Wissens langfristige Verträge, um dort z.B. Marinestützpunkte zu betreiben. D.h. offensichtlich hatten sie es als ukrainisch anerkannt, sonst bräuchte man keine Verträge machen, um dort Stützpunkte haben zu können. Und tatsächlich muss ich sagen, ist dann für mich nicht unbedingt entscheidend, was die Mehrheit der Leute dort abstimmt. Solange sie nicht ausdrücklich schlecht behandelt werden, unterdrückt werden, usw. Das ist für mich tatsächlich das entscheidende. Ich hab wenig Verständnis, wenn Leute etwas an Strukturen ändern wollen, obwohl sie menschenrechtlich etc. gut aufgestellt sind. Z.B. Katalonien. Dafür hab ich wenig Verständnis, offen gesagt. Ich seh die Argumente, klar. Aber es ist Spanien, es ist eh EU, was soll das. Da sollte man sich m.M. nach auf wichtigeres konzentrieren. Aber gut, das ist rein subjektiv.

    Aber eins ist auch klar und das hatte ich im letzten Post erwähnt. Was ich verstehen kann, ist, dass man weitgehende Autonomie fordert, was z.B. Kultur und Sprache betrifft. Wenn kulturell das z.B. sehr russisch geprägt ist. Oder, wie dann z.B. in Südtirol geschehen.


    Ich will nur sagen, ich finde das insgesamt immer sehr schwierig. Es gibt immer Leute, die in der Minderheit sind und lieber einen anderen Staat drüber hätten. Egal wie es gemacht wird und wie abgestimmt wird. Wenn man da zu tolerant ist, kann man alle paar Jahre wieder ne Abstimmung machen usw. Gibt auch nur Chaos.

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    W. B.


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    B. G.

  • Einen Staat Ukraine in der heutigen Form gab es zum ersten mal mit der Auflösung der Sowjetunion. Die Krim wurde 1954 auch nicht einem souveränen Staat zugeschlagen, sondern - zudem ziemlich willkürlich - einer Sowjetrepublik und war damals faktisch bedeutungslos. In etwa so, als ob man den Bodeseekreis von Baden-Württemberg nach Bayern umgliedern würde. Historisch ist die Krim nach einer wechselvollen Geschichte seit vielen Jahrhunderten ein Teil Russlands. Ca. 60% der Einwohner sind ethnische Russen, nur ein Viertel Ukrainer. Vor der Eroberung durch Russland lebten dort im wesentlichen Krimtartaren, die heute noch ca 12 % der Bevölkerung ausmachen. Der russische Standpunkt ist also absolut nachvollziehbar. Und wie Balkenchart schon sagte: eine Volksabstimmung der dortigen Bevölkerung würde mit Sicherheit immer wieder zu Gunsten Russlands ausfallen.

  • Ich finde Bucc hat gute Aspekte, aber Balkenchart / Gulbenkian auch.


    Das ist halt das Problem wenn man Dinge qua "überlegener Moral" entscheiden will.

    Das geht nicht so einfach, weil außer dem lieben Gott keiner ganz ungetrübt und ohne Bias aufs ganze Bild schaut (oder auch nur dazu bereit ist aufs ganze Bild zu schauen).


    Man kann auch sagen:

    Die Geschichte der Menschheit ist generell meist unmoralisch, und nicht von Ethik sondern von Macht getrieben (wer kann der kann, und schiebt dann Moral zur Rechtfertigung nach).

    Das gilt auch für das Handeln fast aller einzelner Menschen. Der streng moralisch lebende Mensch ohne Widersprüche, den findet man vielleicht im Buddhakloster, aber doch nicht in der Realität.
    Also ich zumindest würde mich und fast alle die ich kenne da nicht reinzählen. Außer meine Frau natürlich :saint:


    Das heißt jetzt nicht, man sollte sich keine Gedanken um Moral oder Recht machen, auf keinen Fall!


    Also ich fand zB den Move von Putin damals nicht korrekt. Ja, die Gründe sind nachvollziehbar, aber nein, das ist nicht ok irgendwo mit Soldaten einfach rein, nur weil man grade kann, hier bin ich echt bei bucc.


    Andererseits ist das nun mal ein Faktum mit der Krim.
    Es ist mittlerweile lange her, die Russen zahlen auch nen Preis (sind mächtig gedisst worden vom Westen und der neue Prügelknabe, außerdem kostet die Krim die Milliarden). Wir sind als Nachbarn nolens volens aufeinander angewiesen. Und sie werden die Krim auf keinen Fall wieder hergeben, das ist doch sonnenklar.


    Und hier kommt halt die heuchlerische Seite des Westens, das ist der Punkt wo ich dann bei balken bin.
    Israel hockt auf den Golanhöhen und Palästina. Irgendwelche anderen Länder werden auch irgendwo völkerrechtlich zweifelhaft unterwegs sein.

    Alles unschön, aber eben oft fast schon "Sachzwänge" aus Sicht des betreffenden Volkes.

    Das rechtfertigt zwar nix, macht aber deutlich dass auf Moralebene nichts zu lösen ist.

    Und wenn alle wissen da ist nix zu drehen, dann muss irgendwann der Punkt kommen wo man dennoch wieder in den Dialog geht.

    Weil die Wahrheit ist doch auch:

    Allen im Westen hier, auch jedem von uns, ist doch persönlich total latte wem die Krim gehört oder welcher Ukrainer da jetzt arg getroffen in seinem Nationalstolz traurig in Kiew am Tresen sitzt.

    Und das muss man erkennen:

    Geht es eigentlich noch um die Sache oder wird sie zum Vorwand, zum casus belli. Dann ist nämlich keine Linderung in Sicht sondern nur noch mehr Leid programmiert.


    Krim ist m.E. nun noch klarer Vorwand für den Westen.

    (Was NICHT heißt Russland handelt nicht genauso unsauber oder gar noch unsauberer. Ein verdammter Saustall die ganze Geopolitik, das ist nunmal so).


    Leider kommt dazu: Auf dem Niveau wie wir unterhalten sich da wenig Leute drüber.
    90% der Bevölkerung hier und dort wird von der jeweiligen Propaganda eingefangen und vor sich her getrieben.

    Auch das muss man als Investor auf dem Schirm haben, Vernunft ist rar gesät, da kann man sich nicht drauf verlassen. Verlassen kann man sich nur auf Machteffekte aka Spieltheorie.


    wp

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  • Einen Staat Ukraine in der heutigen Form gab es zum ersten mal mit der Auflösung der Sowjetunion. Die Krim wurde 1954 auch nicht einem souveränen Staat zugeschlagen, sondern - zudem ziemlich willkürlich - einer Sowjetrepublik und war damals faktisch bedeutungslos. In etwa so, als ob man den Bodeseekreis von Baden-Württemberg nach Bayern umgliedern würde. Historisch ist die Krim nach einer wechselvollen Geschichte seit vielen Jahrhunderten ein Teil Russlands. Ca. 60% der Einwohner sind ethnische Russen, nur ein Viertel Ukrainer. Vor der Eroberung durch Russland lebten dort im wesentlichen Krimtartaren, die heute noch ca 12 % der Bevölkerung ausmachen. Der russische Standpunkt ist also absolut nachvollziehbar. Und wie Balkenchart schon sagte: eine Volksabstimmung der dortigen Bevölkerung würde mit Sicherheit immer wieder zu Gunsten Russlands ausfallen.


    Also das sehe ich eben als sehr schwierig an. Es wird immer irgendwelche Begründungen geben, warum etwas historisch dorthin oder dorthin gehört. Warum nicht zu den Krimtataren? Oder, wie es scheinbar auch manche gerne hätten, gleich einen unabhängigen Staat. Übrigens, je mehr ich darüber nachdenke, vielleicht wäre das ein Kompromiss. Hergeben will es ja keiner. Müsste dann aber ebenfalls höchst neutral sein, was aber kaum vorstellbar ist, nachdem Russland dort stationiert ist.


    Dazu auch nochmal, Russland hatte auf der Krim Land gepachtet, also das spricht für mich sehr dafür, dass sie anerkannt hatten, dass es nicht ihr Staatsgebiet ist.


    Ansonsten, klar, den Standpunkt nachvollziehen, das kann ich ja auch. Aber die Frage ist halt dann, wie geht es weiter. Wp hatte irgendwo kürzlich das Beispiel mit dem Schulhof, das war zwar glaube ich bzgl. Türkei, aber passt hier auch. Da mag auch jemand einen nachvollziehbaren Standpunkt haben, aber wenn er deshalb jemanden zusammenprügelt, macht es das vertretbar? Also sowohl das Verprügeln als auch sein Anliegen vertretbarer?

    Ich meine nein. Und das ist für mich der entscheidende Punkt und auch das, was ich gemeint hatte, dass ich generell gegen neue Grenzziehungen bin. Das bezieht sich vor allem auf Grenzziehungen, die mit Gewalt durchgesetzt werden.

    Musterbeispiel ist für mich Schottland. Das ging sauber durch die Parlamente und man hatte eine Abstimmung. Friedlich. Ob man dann nach EU-Austritt nochmal eine bekommt, dahingestellt. Aber es geht friedlich zu.

    Bei Katalonien ist dagegen, nach meinem Eindruck, zum Teil schon deutlich mehr Aggression im Spiel. In der spanischen Verfassung steht meines Wissens nach eindeutig, dass eine Abstimmung nur zulässig ist, wenn alle anderen zustimmen. Egal wie, ich finde es nicht gerechtfertig, dass Gewalt ausgeübt wird, um sowas durchzusetzen. Dafür geht es uns hier einfach zu gut, wird ja keiner unterdrückt meine ich.


    Auf der Krim nun, will ich keinen Standpunkt abweisen, aber wer Krieg führt und militärisch aktiv wird, der macht sein Anliegen bei mir damit nicht vertretbarer. Auch wenn eine Abstimmung offensichtlich unter Druck durchgeführt wird und auch gefälscht (will nicht den Ausgang generell anzweifeln, aber die Durchführung war nicht in Ordnung und das Ergebnis zu hoch). Wie gesagt, die Nachvollziehbarkeit des Anliegens mal ganz dahingestellt, deshalb finde ich Krieg als Durchsetzung nicht vertretbar. Wir sind nicht mehr im Mittelalter, auch wenn es vielleicht naiv klingt. Aber man sollte schon trotzdem Ideale haben meine ich.

    Und dann bin ich eben gegen neue Grenzziehungen, vor allem militärisch. Denn wenn sowas funktioniert, sehen es andere und denken sich, ja toll, dann kann ich mir auch was holen. Finde nicht, dass man sowas tolerieren oder noch fördern sollte, indem man das anerkennt oder stillschweigend akzeptiert.


    Ich bin da auch bei wp, ich sehe da kaum ein richtig und falsch, fair oder unfair. Es ist in der Realität fast immer das Recht des Stärkeren und der Rest sind Argumentationen. Man kann für fast alles Argumente finden. Ist es schräg, dass das mehrheitlich kulturelle und deutschsprachige Südtirol zu Italien gehört? Ja, sicher. Aber es passt. Sie haben ihre Autonomie bekommen, ich glaube die Leute sind zufrieden. Trotzdem, Österreich hätte doch ein ähnlich nachvollziehbares Anliegen wie Russland bei der Krim, wenn es Südtirol gern hätte, nein? Oder viele Leute dort. Aber das ist nicht die einzige Dimension meine ich. Ganz oben ist Stabilität und Frieden, nicht ob irgendjemand meint, er hätte Anspruch auf ein Gebiet und setzt das gewaltsam durch. Meine Meinung.


    Aja, Abstimmung. Ich persönlich bin da gar nicht so sicher. Ich sage, dass ich es einfach nicht weiß. Aber eins mal. Wenn die Ukraine irgendwann in die EU kommen würde (was natürlich durch die Entwicklungen sowieso extrem zurückgeworfen wurde und auch egal, was man generell davon halten mag), dann hätten die Leute auf der Krim eine Aussicht auf Grundwerte und Grundfreiheiten der EU gehabt, also z.B. freier Personenverkehr. Das war alles natürlich noch Zukunftsmusik, aber ich halte es für durchaus vorstellbar, dass vielen diese Optionen evtl. mehr zugesagt hätten, als ein anderer Staat und eine andere Verwaltung, der in der Mehrheit angeblich etwas mehr ihrem Nationalitätsgefühl entspricht. Ich will damit sagen, dass ich unterstelle, dass viele Leute mehr auf ihren Geldbeutel und ihre materielles Wohlergehen schauen, also es mehr darum geht, was sie sich davon versprechen. Das war damals Zukunftsmusik, aber natürlich ging der Konflikt in seinem Ursprung um Orientierung an EU vs. Russland.


    Lange Rede, kurzer Sinn. Ich finde es sehr schwierig. Ich verstehe Russlands Standpunkt, aber der verliert für mich mit jeder Aggression weiter an Plausibilität. Natürlich, es ist für mich mit dem was man hier mitbekommt, nicht unbedingt leicht, das umfassend zu beurteilen. Jeder behauptet, die andere Seite ist aggressiv. Aber was die Krim betrifft, das war offensichtlich. Da sind Leute gestorben, das war Krieg. Und natürlich auch in den umkämpften Gebieten im Osten der Ukraine.


    Aja, und wenn dort immer gesagt wird, die NATO muss sich zurückziehen, etc. Die dürfen da nichts aufstellen, weil das zu nahe an Moskau ist, usw. Das gilt dann sicher auch für die andere Seite? Da kann man dann sicher auch verstehen, dass sich viele Länder in Osteuropa da ebenfalls bedroht fühlen? Nur, viel verständlicher und ernsthafter, weil sie viel kleiner sind und militärisch nicht ansatzweise vergleichbar. Also, wie gesagt, naja, ist alles was für'n Debattierclub.


    Unabhängige, neutrale Krim. Das wär noch was schönes. Aber, da muss man eben auch mal ehrlich sein, aus russischer Seite. Man will das nämlich scheinbar auch nicht. Dass sich eine solche Region selbst aussucht, sie würde sich gerne Richtung EU orientieren. Naja, die Lage ist ja sicher nicht so schwierig, weil die Hintergründe so simpel sind.. Aber es würde mal sinnvoll sein, sich Zusammenzusetzen und ganz umfassend zu reden und Abkommen zu verhandeln. Aber evtl. ohne Armee an der Grenze, um nebenher ein bißchen zu drohen. Ich bin ein großer Fan des Spruches: "Speak softly and carry a big stick." Dazu gehört aber auch "speak softly" und "carry", nicht laufend drohen und den Stock schon ausholen..

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    W. B.


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    B. G.

  • Im Spiegel-Online steht ja seit ca. 10 Jahren nicht mehr das, was gerade passiert ist, sondern das, was wir denken sollen. Und denen sind jetzt sowohl Biden als auch Selenskij zu lasch:


    Wie die USA Putin noch stoppen können


    Zitat

    Präsident Joe Biden wirkt im Konflikt mit Russland unentschlossen.

    und


    Selensky kämpft lieber gegen die Oligarchen als gegen Putin


    Zitat

    Während Russland Streitkräfte in der Grenzregion zur Ukraine zusammenzieht, ist Präsident Selensky anderweitig beschäftigt.


    Ich vermute mal, das aktuelle Game of Chicken ist gegessen. Getretene Hunde bellen.

  • Ich vermute mal, das aktuelle Game of Chicken ist gegessen. Getretene Hunde bellen.

    Ja.

    Das schöne am Chicken game ist ja: Verliert eine Seite eines, verliert es die Wiederholung erst recht.

    Und jetzt hatten wir nur die Wiederholung von letztes Jahr.


    Ich denke ein drittes Mal gibt es nicht, so doof ist keiner.

    Biden wird mit Putin bei den geplanten Gespächen zu irgendeiner Art der Einigung kommen wo beide leidlich ihr Gesicht wahren können. Und Bärbock wird säuerlich dreinschauen und dennoch brav nicken wie es von ihr halt erwartet wird.

    Wird ja auch Zeit.


    Wer noch kein Gazprom hat kann die aktuelle Schwäche noch nutzen zum Einstieg...

    (keine Investment-Empfehlung, do your own research! )

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  • Gestern Call Biden - Putin.


    Je nachdem welche Medien man liest hat entweder Biden Putin vor einem Einmarsch gewarnt oder Putin Biden vor Sanktionen.


    Das klingt alles in allem gut für mich, bedeutet es doch dass jede Seite einen Narrativ vorbereitet am Ende vor seinen Leuten als Gewinner dazustehen.


    Man muss also nur überlegen welche Lösung hier eben beide zu Hause als Sieg verkaufen können.


    Ein proaktiver Einmarsch der Russen sicher nicht.

    Da sähe Putin übel aus und Biden müsste hart reagieren.

    Der wird also nicht kommen.


    Eine Rückgabe der Krim oder Rückzug aus dem Donbass ebenso wenig.


    Richtig fiese Sanktionen auch nicht weil dann müsste Putin militärisch reagieren und Biden sitzt in der Tinte.


    Eine sofortige Garantie für Russland bzgl. Nato wird es auch nicht geben, hier wäre der Sieg für Russland zu offensichtlich.


    Aber der Weg zu einer Art neutraler Sonderstatus der Ukraine, der ist durchaus offen. Und für beide gut, weil auch der Biden will das Thema glaube ich los werden.

    Unter Verzicht auf die Krim allerdings, was aber keiner so offen sagen wird. Die wird halt wie die Golanhöhen einfach dauerbesetzt bleiben.


    Biden wird dann sagen:

    Einmarsch dank Drohung mit Sanktionen verhindert.

    Putin wird sagen: Sanktionen und Krimrückgabe mit Drohung von Einmarsch verhindert.

    Alle happy.


    Denke 2022 wird gut werden für russische Aktien.

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  • Aus


    Biden admin weighs offering Russia cuts to U.S. troops in Eastern Europe


    Zitat

    The discussions could potentially address the scope of military drills held by both powers, the number of U.S. troops stationed in the Baltic states and Poland, advance notice about the movement of forces, and Russia’s nuclear-capable Iskander missiles in the Russian territory of Kaliningrad between Poland and Lithuania, the sources said.