The Magic Formula

  • Die Zauberformel-Strategie aus Joel Greenblatts aktuellem Buch THE LITTLE BOOK THAT BEATS THE MARKET(Deutsch: Die Börsen-Zauberformel)wurde zwar schon kurz im Thread STRATEGIEN IM VERGLEICH angesprochen. Trotzdem würde ich gerne noch einmal eine Diskussion über die Auswahlkriterien von Greenblatt hier im Forum beginnen, da wir es hier mit Value-Investing in einer simplen aber effektiven Ausführungsform zu tun haben. Obwohl ich das Buch selber (noch) nicht besitze oder gelesen habe, kenne ich einige zusammenfassende Artikel darüber.


    Joel Greenblatt ist Harvard Professor und in Fachkreisen bereits eine Legende ähnlich Graham und Buffet. Seit 1985 ist er Geschäftspartner einer privaten und außerordentlich erfolgreichen Investmentfirma namens Gotham Capital, mit der er einen Hedge Fonds aufgelegt hat. Nach eigenen Angaben beruht der Erfolg von Greenblatt/Gotham Capital auf einer erstaunlich simplen Anlagestrategie, die seiner Firma angeblich jährliche Gewinne von durchschnittlich 30,8 % eingebracht hat, verglichen mit den 12,4 % des S&P 500. Eben diese Strategie offenbart er in seinem LITTLE BOOK THAT BEATS THE MARKET.


    Um es kurz und einfach zu beschreiben: Das zugrunde liegende Ziel von Greenblatts Methode ist natürlich, unterbewertete Firmen ausfindig zu machen. Für seine sogenannte Zauberformel reichen ihm dabei im Prinzip zwei Finanzkennzahlen, von denen eine seiner Meinung nach die Qualität einer Aktie bestimmt und die andere als Maß dafür dient, ob eine Aktie günstig ist: die Kapitalrendite und die Gewinnrendite.


    Die Kapitalrendite (Gewinne für investiertes Kapital) bemisst danach die grundlegende Qualität eines Unternehmens. Je höher die Gewinne auf das investierte Kapital, desto besser. Ein Unternehmen, das bei gleichem Kapitaleinsatz doppelt so viel Gewinn macht wie ein anderes, ist halt attraktiver und rechtfertigt einen höheren Kaufpreis, weil das Geschäftsmodell ganz offensichtlich besser funktioniert. Zur Berechnung der Kapitalrendite teilt Greenblatt den Unternehmensgewinn des letzten Jahres durch das Nettoumlaufvermögen plus das Nettoanlagevermögen (Buchwert).


    Die Gewinnrendite oder auch Ertragsrate zeigt auf, ob die Aktie/das Unternehmen zur Zeit günstig ist. Diese Zahl setzt den Gewinn eines Unternehmens in Bezug zu seinem Preis am Markt. Obwohl die Gewinnrendite bei Greenblatt etwas komplizierter berechnet wird, handelt es sich dabei im Prinzip um den Kehrwert des Kurs-Gewinn-Verhältnisses KGV.


    Greenblatt sagt also: Unternehmen mit niedrigem KGV und einer hohen Kapitalrendite sind kaufenswert. So ausgewählte Aktien sollen ein Jahr gehalten werden.


    Sein System scheint in der Tat zu funktionieren. Auf seiner kostenlosen Webseite magicformulainvesting.com zeigt er anhand einer Unternehmensrangliste, dass die besten 10% der anhand seiner Kriterien ausgewählten Aktien durchschnittlich 17,9% pro Jahr erbracht hätten. Das zweite Dezil brachte noch 15,6%, das dritte 14,8%, und das letzte 2,5%.


    Wir haben es hier also ganz ähnlich wie bei den erfolgreichen Anlagestrategien von O´Shaughnessy mit einer Zweikomponentenstrategie zu tun. Für mich stellt sich nun die Frage, ob Greenblatts oder O´Shaughnessys Strategie entscheidende Vorteile bietet, oder ob es nicht sogar sinnvoll wäre, beide miteinander zu kombinieren.


    Zur Erinnerung: Nach O´Shaughnessy ist es erfolgversprechend, Aktien anhand eines günstigen KUV, KBV, KCV oder KGV in Verbindung mit einer hohen Relativen Stärke auszuwählen. Kernaussage: Aktien müssen a) Günstig sein und b) im Trend liegen.


    Greenblatt sagt, Aktien müssen a) günstig sein (niedriges KGV) und b) ein qualitativ hochwertiges und ertragsstarkes Geschäftsmodell aufweisen (hohe Kapitalrendite).


    Es liegt nun relativ nahe, beide Strategien zu koppeln und statt der ursprünglichen zwei drei Kriterien zu bemühen:


    a) niedriges KUV, KGV, KCV, KBV (vulgo: günstig)
    b) hohe Kapitalrendite (somit Qualitätsaktie)
    c) hohe relative Stärke (Trendfolgekriterium)


    Was sagt ihr dazu? Hat schon jemand das ganze Buch gelesen? Etwas Magie macht sich an der Börse bestimmt nicht schlecht, und vielleicht lässt sich die Magic Formula ja mit ein wenig Tüftelei noch verbessern. Es darf halt nur nicht zu lange dauern, bis man das Zaubern gelernt hat, siehe z.B. Herman van Veen:


    Könntest Du zaubern


    ...Doch wird ein Zaubertrick dir nicht geschenkt
    es kostet mehr Zeit als sich mancher denkt
    zehn Jahre sucht man nach dem Tuch
    und Fünzig nach dem Zauberbuch
    und bis man es gelesen hat
    ist man gebrechlich, alt und matt
    den Zauberkurs von A bis Z
    beherrscht man nicht mal als Skelett


    Und doch, mein Sohn versucht im Leben
    das Zaubern niemals aufzugeben!


    Gruß, Mickymoto

    An der Börse ist es am klügsten, sich dem Trend anzupassen und nur dann antizyklisch zu handeln, wenn die Situation wirklich extrem ist. (Jens Erhardt)

  • Ich habe das Buch zuhause liegen, habe es auch schon gelesen (ist nicht dick, heißt ja auch nicht umsonst "The little book ...").


    Einen eigenen Thread hat es hier auch schon (zugegebenermaßen gut versteckt):
    http://www.antizyklischinvesti…ad.php?threadid=2294&sid=

    "The only function of economic forecasting is to make astrology look respectable." - John Kenneth Galbraith

    Einmal editiert, zuletzt von cktest ()

  • Oops. Sorry, den Thread hatte ich übersehen.

    An der Börse ist es am klügsten, sich dem Trend anzupassen und nur dann antizyklisch zu handeln, wenn die Situation wirklich extrem ist. (Jens Erhardt)

  • Zitat

    Zur Erinnerung: Nach O´Shaughnessy ist es erfolgversprechend, Aktien anhand eines günstigen KUV, KBV, KCV oder KGV in Verbindung mit einer hohen Relativen Stärke auszuwählen. Kernaussage: Aktien müssen a) Günstig sein und b) im Trend liegen.


    Die hohe relative Stärke ist nicht unumstritten. Es gibt unabhängige Studien (Unabhängigkeit bezieht sich auf die Forscher, nicht auf den Zeitraum/Markt), die zum gegenteiligen Schluß kommen, sowohl mechanisch getestet als auch nach qualitativen Überlegungen: die größten Verlierer der Vergangenheit schneiden in der Zukunft besser ab als der Markt (oder als die größten Gewinner). Allerdings ist dort jeweils der Anlagehorizont länger, drei bis fünf Jahre.
    Und O'S Datenmaterial bestätigt das seltsamerweise (oder besser: logischerweise) eigentlich auch, wenn ich es richtig verstanden habe. Die schlechte Performance von den Verlierern gibt es nur auf Jahressicht.


    Zitat

    Etwas Magie macht sich an der Börse bestimmt nicht schlecht, und vielleicht lässt sich die Magic Formula ja mit ein wenig Tüftelei noch verbessern.


    Das aber nur, wenn man auch eine Möglichkeit zum Backtest hat. Und selbst dann sind die Ergebnisse mit Vorsicht zu geniessen. Erwischt man die falschen Kräuter, auch wenn sie noch so wohlriechend sind, wird aus dem Zaubertrank schnell ein scheußliches Gebräu.

    „Wir haben die gesamte Führung fast aller Berliner Sicherheitsbehörden ausgetauscht und dort ziemlich gute Leute reingebracht." – Benedikt Lux, Grüne Berlin

  • Zitat

    Original von Winter
    Die hohe relative Stärke ist nicht unumstritten. Es gibt unabhängige Studien (Unabhängigkeit bezieht sich auf die Forscher, nicht auf den Zeitraum/Markt), die zum gegenteiligen Schluß kommen, sowohl mechanisch getestet als auch nach qualitativen Überlegungen: die größten Verlierer der Vergangenheit schneiden in der Zukunft besser ab als der Markt (oder als die größten Gewinner). Allerdings ist dort jeweils der Anlagehorizont länger, drei bis fünf Jahre.
    Und O'S Datenmaterial bestätigt das seltsamerweise (oder besser: logischerweise) eigentlich auch, wenn ich es richtig verstanden habe. Die schlechte Performance von den Verlierern gibt es nur auf Jahressicht.


    Im Prinzip bestätigt O´S mit seiner Berücksichtigung der Relativen Stärke nur die altbekannten Börsenweisheiten, a) nicht ins fallende Messer zu greifen, und b) the trend is your friend. Aktien können nämlich durchaus günstig sein, aber trotzdem über eine gewisse Zeitspanne weiter an Wert verlieren. Durch Einbeziehung der Relativen Stärke wird das Phänomen des fallenden Messers eliminiert und ein positiver Trendfolgemechanismus installiert.

    An der Börse ist es am klügsten, sich dem Trend anzupassen und nur dann antizyklisch zu handeln, wenn die Situation wirklich extrem ist. (Jens Erhardt)

  • Es gibt jetzt ein Zertifikat der ABN Amro das nach Greenblatt investiert. Genau gesagt gibt es sogar vier mit Anlageschwerpunkt Deutschland, Schweiz (hallo value), USA und Europa. Ich finde vor allem die Zertifikate für Schweiz und Europa interessant weil ich dazu keine Zahlen habe. Was das Ganze aus antizyklischer Sicht bedeutet, sollte klar sein. ;)


    Aber lest selbst:
    http://relaunch.abnamrozertifi…E/Showpage.aspx?pageID=83


    Deutschland:
    http://relaunch.abnamrozertifi…geID=35&ISIN=DE000AA0G6R9


    hier werden die 20 besten Unternehmen aus dem HDAX ermittelt. Es wird also nicht allzu stark in "unserem" Anlageuniversum gewildert. Alles außerhalb der DAX-Familie kommt für das Zertifikat nicht in Frage. Das bedeutet damit wohl auch einen noch größeren Schub wenn Value-Titel in einen der Indizes aufgenommen werden.


    Schweiz:
    http://relaunch.abnamrozertifi…geID=35&ISIN=DE000AA0G6S7
    Die Schweiz sieht schon viel interessanter aus. Hier wird aus dem Swiss Performance Index mit 224 Unternehmen ausgewählt (wieder 20). Ich überlage ernsthaft das Zertifikat zu kaufen, da ich keine Zahlen zur Schweiz habe.
    USA:
    http://relaunch.abnamrozertifi…geID=35&ISIN=DE000AA0G6T5
    Hier wird sogar der S&P500 als Grundlage ausgewählt. Auch wenn man die USA für überbewertet hält kann man doch sicher 20 interessante Unternehmen aus 500 auswählen. Wäre nicht das Währungsrisiko wäre auch das Zertifikat interessant.
    Europa:
    http://relaunch.abnamrozertifi…geID=35&ISIN=DE000AA0G6U3
    Das Europa Zertifikat enttäuscht mich etwas. Es wählt nur aus dem FTSE Eurotop 100 aus. Warum nehmen die nicht den Eurostoxx 600?



    Ob die Zertifikate einen Haken wie hohe Gebühren haben (vgl. aac) habe ich noch nicht überprüft.

    They did not know it was impossible, so they did it! --Mark Twain

    Einmal editiert, zuletzt von spud ()

  • EK Rendite bei 40%, KGV 6 bis 7 - Nucletron dürfte ein Blindkauf für Greenblatt sein

    Das Drehbuch für den Untergang steht fest - es geht nur noch um den Preis für die beste Maske (H. v. Buttlar)

  • Nicht schlecht, aber das Vorsteuerergebnis 2007 wird etwa auf Höhe der beiden Vorjahre liegen - damit KGV rund 10, unveränderter Steuerquote unterstellt.
    Nach GB 2006 hat die Aktie ein KBV von 13 (./. 75% Goodwill!) - da braucht sie auch eine hohe EK-Rendite. So relativiert sich das doch etwas. Wie bei vielen Werten, die ich mir in der letzten Zeit angeschaut habe (ich bin sehr kritisch geworden).


    (Edit, aktuellere Zahlen hochgerechnet: KUVe=0,76, operativer Cash-flow im Halbjahr negativ, im Vorjahr KCV>10, bereinigtes KBV>7, KGV07e>10)

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    Einmal editiert, zuletzt von Winter ()

  • Zitat

    Original von value
    EK Rendite bei 40%, KGV 6 bis 7 - Nucletron dürfte ein Blindkauf für Greenblatt sein


    Sie sind nach dem Kursanstieg noch gerade in den top 10% nach der magic formula. Aber gleichzeitig auch in den top 20% nach witchdream (ohne RS), und das ist eher selten.


    Balkenchart

  • Die "magic formula" erwischt manchmal ungeeignete Aktien. Gründe werden in diesem Artikel diskutiert. Der verweist gleichzeitig auch auf eine kommerzielle Seite mit einem mglw. interessanten Blog, in dem amerikanische "magic formula"-Aktien diskutiert werden (das Blog ist kostenlos, der Service dahinter nicht).

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    Einmal editiert, zuletzt von cktest ()

  • Zitat

    EK Rendite bei 40%, KGV 6 bis 7


    EK-Rendite = ROE = KBV/KGV
    ROE = 40% = 0.4 = KBV/(6 bis 7)
    --> KBV = ROE * KGV --> hohes KBV

    “It’s the little things that matter. It’s one thing to tell someone they look like the first day of spring. It’s another thing to tell them they look like the last day of a long, hard winter.” - Zig Ziglar

  • Marktphasen wie diese sind immer eine Zäsur. Ein guter Zeitpunkt, um auf die Wertentwicklung bestimmter Strategien zurückzublicken.
    Was die Magic Formula betrifft ist nicht viel von der überragenden Performance der Jahre vor der Veröffentlichung des Buches übrig geblieben. Hier der Link zu einem interessanten Blog von einem amerikanischen Investor, der die Strategie jetzt seit 6 Jahren durchzieht: http://justadrone.blogspot.com/


    Ernüchternde Bilanz: "So after almost six years, I am down about 10%. I think you can assume I am not real excited by that result. My broad MFI index is down about 1% after all these years, so it just isn't me."


    Kann mich erinnern, dass Greenblatt sich sicher war zumindest innerhalb eines 5 Jahres Zeitraums den S&P klae zu schlagen.


    Das Zertifikat scheint es noch zu geben, aber kein Verweis auf die Magic Formula: http://markets.rbs.de/DE/Showp…eID=179&isin=DE000AA0G6R9

  • Dank an MMI für den folgenden Link, der belegt, daß der Hype um die Magic Formula wohl unberechtigt war:
    http://greenbackd.com/2012/05/…sis-of-the-magic-formula/


    Kurz gefaßt: EV/EBIT + ROA funktioniert zwar, die außergewöhnlich hohe Rendite konnte aber nicht unabhängig bestätigt werden, und es funktioniert auch nicht besser als EV/EBIT alleine. Daß letzteres gut funktioniert, ist auch u.a. durch O'S bestätigt (nur marginal schlechter als die beste Strategie EV/EBITDA). Vielleicht liegt es an der geringen Portfoliogröße, an Micro-Caps oder an einfach Datenfehlern (survivorship bias), daß Greenblatt zu anderen Zahlen kam. Der im Vorgängerposting verlinkte Blog liegt aktuell nochmals ein Jahr hinter dem Index, jetzt schon im siebten Jahr.


    Es war für mich immer schon schwer nachvollziehbar, warum die Kombination von zwei Faktoren, von denen einer für sich alleine nicht funktioniert (außer im negativen Bereich, aber das sind die Unternehmen, die Verlust machen und folglich auch zwingend ein negatives und damit schlechtes KGV haben), besser sein soll als der funktionierende alleine. Vielleicht kann man damit einfach nur bessere Geschichten erzählen...

    „Wir haben die gesamte Führung fast aller Berliner Sicherheitsbehörden ausgetauscht und dort ziemlich gute Leute reingebracht." – Benedikt Lux, Grüne Berlin

  • Was haltet ihr von folgender These? Die unter Greenbackd genannten Studien scheinen nicht ganz die RoIC Definition von Greenblatt zu verwenden. Greenblatt bereinigt ja sein invested capital um alle immateriellen Vermögenswerte, dadurch sehen Unternehmen mit hohem Goodwill, die zuvor nur durchschnittlich aussehen, plötzlich sehr gut aus.


    Als Beispiel mal Bayer auf Basis Geschäftsbericht 2011:


    coreEBIT 6.403m¤
    InV (ohne immaterielles) 21.834m¤ => RoIC = 29%
    InV (inkl. immaterielles) 41.289m¤ => RoIC = 16%


    Damit verschiebt man den Fokus auf die zukünftige Ertragskraft vs. was habe ich investiert (inkl immaterielles) um die aktuellen Erträge zu erzielen. Vielleicht ist dies ein Grund für die unterschiedlichen Ergebnisse...

  • @ Balkenchart,


    Zitat

    Original von Balkenchart
    meine derzeitige Strategie ist die Schnittmenge aus den top 30% nach Witchdream und den top 30% nach Greenblatt. Sonst nichts.


    Du hast mich mit deiner Bemerkung in Donglengcha's Depotthread animiert, nochmal in das Buch von Greenblatt zu schauen. Meine Frage: Fährst du die Greenblatt-Strategie wie im Buch beschrieben?


    Falls ja, frage ich mich, ob da nicht ein doppelt-gemoppelt-Effekt auftritt. Greenblatt kombiniert ja zwei Screening-Ansätze: die Suche nach sowohl billigen als auch qualitativ guten Firmen.


    Die von dir netterweise "witchdream-Strategie" genannte Strategie (die auf O'S basiert) deckt letztlich den Bereich "billig" ab.


    Mir leuchtet es nicht ein, dann bei Greenblatt den "billig-Faktor" nochmals mit einer 50%igen Gewichtung einzubringen. Würde es nicht genügen, als Ergänzung zu den KxV-Werten den Greenblatt'schen "Qualitäts-Faktor" puristisch einzubringen?


    Das Resultat könnte dann so ähnlich aussehen, wie es Mickymoto in seinem Eingangsposting skizziert hat.


    Dass die Greenblatt'sche Formel allzu sensibel auf Modifikationen reagieren würde, glaube ich nicht. Quant hatte im gut-und-billig-Thread am 02.03.2007 eine Alternativ-Analyse von Bob Haugen verlinkt, die mit diversen ähnlichen Kennzahlkombinationen wie Greenblatt ebenfalls hohe und robuste Überrenditen nachweisen konnte. (Diese Studie ist ohne Tabellen noch hier abrufbar).


    Langer Rede kurzer Sinn: Ich denke, man kann sich das Bilanzgewühle mit den Original-Greenblatt-Formeln tatsächlich sparen und statt dessen einen Billig-Faktor (z.B. in Form der "witchdream-Strategie") direkt mit einem der üblichen Rendite-Faktoren (z.B. RoA oder RoE oder RoIC) koppeln. Der Recherche-Aufwand dürfte deutlich geringer sein und die Ergebnisse könnten prägnanter geraten.


    Gruß, witchdream


    edit: Näheres zu den Ergebnissen der Haugen-Studie findet sich hier auf S. 12-14.

  • Dein Einwand ist berechtigt.


    Erstmal die technischen Details:


    "Gut": EBIT/(tangible capital employed)


    Laut Buch ist "tangible capital employed" = Bilanzsumme minus immaterielle Aktiva minus Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen.


    Laut Balkenchart: = Bilanzsumme minus aktivierter Firmenwert minus Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen.


    Die meisten, die die Greenblatt-Strategie getestet haben, setzen "tangible capital employed" falsch um. Entweder ignorieren sie "tangible" und vergessen zumindest den aktivierten Firmenwert abzuziehen (oder im Original sogar alles immaterielle), oder sie ignorieren "employed". Die Verbindlichkeiten aus LuL ist ja Kapital, das mir meine Lieferanten zur Verfuegung stellen und das ich nicht selbst aufbringen muss.


    "Billig": EBIT/(enterprise value)


    Dabei ist "enterprise value" = Marktkapitalisierung plus verzinsliches Fremdkapital minus Cash. Das ist die Summe, die ich aufbringen muesste, wenn ich die Firma uebernehmen wollte. Bei mir ist, um allen Missverstaendnissen vorzubeugen, "verzinsliches Fremdkapital" = "Bilanzsumme minus Eigenkapital minus Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen", d.h. alle Posten, die ich nicht genau zuordnen kann, werden so gerechnet wie Finanzverbindlichkeiten.


    Der konzeptionelle Unterschied zwischen Greenblatt und O'S ist, dass Greenblatt die Zahlen so normiert, dass die Bewertungs unabhaengig davon wird, ob die Firma mit Eigenkapital oder mit Frendkapital finanziert ist. Das wird sowohl im Zaehler (EBIT statt Gewinn) als auch im Nenner (enterprise value statt Marktkapitalisierung) beruecksichtigt.


    Das wird insb von Haugen missverstanden. Wenn er schreibt, dass (E+I)/(P+D) von E/P und I/D bestimmt ist, dann muss er vielleicht nochmal die fuenfte Klasse wiederholen.


    Die Tatsache, dass Greenblatt seine Analyse von der Finanzierung unabhaengig macht, ist natuerlich sehr gut, weil die Vergleichbarkeit verschiedener Firmen deutlich besser ist. Aber es ignoriert natuerlich auch moegliche Probleme durch Ueberschuldung oder ungeschickte Finanzierung mit zu hohen Kapitalkosten.


    Deshalb brauche ich ein weiteres Kriterium. Ich kann nicht sagen, was es genau ist, ausser mir bezahlt jemand ein halbes Jahresgehalt plus die Kosten der grossen Datenbank dafuer, dass ich alle Varianten im Detail zurueckrechne.


    Aber ich weiss aus Erfahrung, dass die Schnittmenge mit den Witchdream-gewichteten O'S-Strategien das Problem loest. Es schliesst aber wahrscheinlich zu viele Firmen aus. Aber RS alleine ist, meine ich, nicht ausreichend. Wer Zahlen sehen will, muss mir die entsprechende Datenbank besorgen.


    Fazit: Dein Einwand ist berechtigt, aber meiner Meinung nach reicht RS nicht aus, sondern man muss idealerweise Finanzierung und Kapitalkosten irgendwie beruecksichtigen. Die Schnittmenge mit Witch/O'S tuts in etwa, ist aber konzeptionell nicht veruenftig motiviert.


    Balkenchart
    PS: Da ich die Schnittmenge aus den Top 30% nach beiden Strategien bestimme, gewichte ich nicht das "billig" ein zweitesmal, sondern verlange nur einen Schwellenwert.
    PPS: Und es macht auch ein bisschen Sinn, das Witch/O'S-Kriterium zu verlangen, denn Greenblatt sagt nur "billig ohne Ruecksicht auf die Finanzierung" waehrend Du/O'S sagen "billig so wie die Firma tatsaechlich finanziert ist".

  • Erst mal danke für die ausführliche Antwort. Technisch ist das für mich alles nachvollziehbar, und ich beneide dich um deine detaillierte Datenbasis, die du für diese Analysen brauchst.


    Womit ich konzeptionell bei Greenblatt ein Problem habe, ist in der Tat das EBIT. Aus dem Bauch heraus bin ich darauf gepolt, Firmen mit niedriger Verschuldung zu bevorzugen - im Sinne von Solidität. Denn es kann - wie du selbst schreibst - bei hoch verschuldeten Firmen mit hoher Zinsbelastung ein sattes EBIT zu einem mageren "E" verkümmern. Und als Aktionär interessiert mich ausschließlich das "E", nicht das EBIT.


    Gut finde ich dagegen den Grundgedanken, das Konzept der "Billigkeit" mit dem der "Qualität" zu paaren, wobei Greenblatt den schwammigen Qualitätsbegriff durch "Rentabilität" in den Griff bekommt. So weit, so gut.


    Die Daten aus der Haugen-Studie legen aber nun nahe, dass diese "Rentabilität" letztlich beliebig definiert werden kann, selbst als ROIC, ROE oder ROA, also irgendein Return auf irgendeinen Kapitaleinsatz. (Mir kam heute der Gedanke, warum nicht einfach Return auf die Bilanzsumme....?)


    Aus meiner heutigen Perspektive könnte ich mir folgenden Ansatz vorstellen:
    Schritt 1: Dezil 1+2 nach witch/OS
    Schritt 2: innerhalb dieser Teilmenge die Aktien nach "Rentabilität" sortieren und im oberen Drittel fischen
    Schritt 3: die letzte Auswahl nach gusto: Charttechnik, RS, Branchenzyklik, oder was auch immer.


    Du siehst schon: Ich halte die mechanischen Modelle für ausgesprochen robust... ;o)


    Gruß, witchdream