Ukraine - wenn die Kanonen donnern

  • Leseempfehlung für jene, die den Ukrainern empfahlen sich schnell zu ergeben, um das Sterben zu senken:

    Nein, das wäre für sie noch blutiger geworden.


    Lest euch die aktuellen Berichte von Butscha und anderen Orten durch. Dort wurden nach der Befreiung reihenweise Beispiele von Massakern an der Zivilbevölkerung gefunden. Zivilisten, erschossen mit gebundenen Händen, erschossen in den Hinterkopf usw. Von diesen Massakern erfährt man natürlich weniger, solange Russland die Ortschaften kontrolliert und Bilder unterdrückt, aber deshalb sind sie nicht ungeschehen.


    Ein erfolgreicher Überfall wäre im Nachgang noch deutlich blutiger ausgefallen als dieser bereits sehr gruselige Krieg.

    Putin wusste genau, was er da passieren wird. Er sagte von Beginn an, dass nach der Eroberung die Ukraine "entnazifiziert" werden sollte. Ein Indiz, dass weitreichende "Säuberungen" an potentiellen Regimekritikern geplant waren.
    Dazu passt, dass fast zugleich mit der Armee (etwa 120 BTG ~ 120.000 Soldaten) auch die Anti-Aufstandspolizei der "Rosgardia" zu Zehntausenden einmarschierten.

    Weiterhin brachte Russland anscheinend 45.000 (!) Totensäcke sowie mobile Krematorien nach Russland mit. Man muss die Toten ja unauffällig entsorgen.

    Dazu passend: Im letzten Jahr wurden in Russland staatliche technische Standards zum Erstellen anonymer Massengräber festgelegt. Hier ein paar Bilder daraus.





    Saubere Vorbereitung auf größere Massaker.

    Erinnert mich an Katyn. Das Massaker an tausenden gefangenen polnischen Offizieren fand kurz nach dem russischen Einmarsch in Polen statt, Es konnte über Jahrzehnte unter der Decke gehalten werden, weil man ja die Macht und damit die mediale Lufthoheit hatte.


    Quelle und Leseempfehlung: https://twitter.com/sumlenny/status/1510168073831165956

    (Der Autor arbeitet bei der Böll-Stiftung als Osteuropa-Experte. Nicht der klassische Kriegstreiber)

  • Abartig. Der Mensch ist des Menschen Wolf.
    Das erinnert an die Einsatzgruppen in Babyn Jar.

    Dieses geplante Vorgehen spricht dagegen, dass Putin erwartete, die Ukrainer würden ihre Befreier freudig empfangen.


    Weitere glaubwürdige Beweise für Kriegsverbrechen:

    https://www.hrw.org/node/381662/printable/print


    Selbst russische Bekannte, nicht ungebildet, die hier in Potsdam leben, erzählen ihrem Kind, dass die Ukraine befreit wird, weil sie russische Kinder bombardiert hätten. Jetzt hat der Junge Angst, hier angegriffen zu werden, weil er auch Russe sei. So traurig alles…

  • Der Verweis zum Orginaldokument:

    ГОСТ Р 42.7.01-2021 Гражданская оборона. Захоронение срочное трупов в военное и мирное время

    Auf deutsch: "Zivilschutz. Notbeerdigung von Leichen in Kriegs- und Friedenszeiten"


    Das Dokument ist verfasst vom МЧС - entspricht unserem Technischen Hilfswerk und ist eine zivile Behörde.


    In dem Twitter-Link des Böll-Stiftungsmitarbeiters ist das letzte Bild weggelassen (unauffällige Entsorgung?).

    Screenshot 2022-04-03 at 19-16-57 ГОСТ Р 42.7.01-2021 Гражданская оборона. Захоронение срочное трупов в военное и мирное время. Общие требования.png

  • @AlSting: Ich habe auch gerade in der FAZ über die Meldungen zu Butscha bei Kiew gelesen. Mein erster Reflex dazu war die Erinnerung an die Erkenntnis "Das erste Opfer im Krieg ist die Wahrheit". Soll heißen: Wir wissen hier gar nichts, außer, dass beide Kriegs-Parteien Propaganda betreiben.


    Bei meinem Versuch, die Berichte zu Butscha einzuordnen, fiel mir Folgendes ein:

    1.) Die ukrainischen Berichte im Internet erscheinen nach Abzug der russischen Truppen, also von russ. Seite nicht widerlegbar.

    2.) Die Befragung von 10 Ortsansässigen durch eine unabhängige NGO klingt schlimm genug, aber weit entfernt von den Gräuel-Berichten (Quelle FAZ)

    3.) Die Breitseite des ukrainischen Botschafters Melnyk gegen die deutsche Bundesregierung bzw. gegen Steinmeier passt zeitlich perfekt zu den Vorwürfen bez. Butscha (Quelle wiederum FAZ).


    Ohne mich gemein mit Putin machen zu wollen: Den offiziellen Berichten aus ukrainischen Quellen zu glauben wäre in dieser Situation blau-äugig. Wir erinnern uns alle noch an US-amerikanische Berichte über irakische Krankenschwestern, die Babies ermorden...


    edit: Eben in der Tagesschau drei Minuten völlig ohne Abstand Berichte über Gräueltaten in Butscha. Dann ein Halbsatz darüber, dass die eben gesendeten Nachrichten nicht überprüfbar sind. Und noch ein Zusatz, dass ausländische Medien von ukrainischer Seite keinen Zugang zur Ortschaft erhalten, "damit Beweise für die russischen Kriegsverbrechen dokumentiert werden können."

  • Das ist das Problem.
    Die Kriegsmaschine läuft auf vollen Touren, der Propaganda-Zylinder ist einer der Wichtigesten davon.


    Das heißt NICHT dass es nicht sein kann dass diese Gräueltaten stattfanden.

    Aber wie witch schreibt, wir wissen es nicht.


    Würdet du in Russland wohnen Al Sting , und die dortige Propaganda lesen, und wärst ähnlich bereitwillig das übelste Böse im anderen zu vermuten wie du das aktuell bist, dann würdest du eben die Stories mit den bombardierten russischen Kindern glauben und den Westen verteufeln, nach mehr Härte rufen.

    Ist leider so, so tickt die Kriegs-Psyche.


    Anekdote 1:

    Kinder und Schwangere tauchen IMMER irgendwann auf - auf beiden Seiten der Propaganda. Da kann man drauf wetten.

    zB auf dem Berg Bental, in den Golanhöhen, aktuell Isreal, da fahren Touris und Isrealis hin weil da noch Panzer aus dem Krieg gegen Syrien etc rumstehen.

    Dort sah ich einen radikalen Isreali, der gegen die Araber hetzte. Er hatte Bilder von angeblich ermordeten israelischen Kindern ausliegen.

    Ein Jahr später war ich auf der anderen Seite, im Libanon, dort besuchte ich das Hizzbollah Museum (schräge Sache). Dort hingen Bilder von angeblich ermordeten libanesischen Kindern. Mich würde nicht wundern wenn es die selben Bilder waren.

    Ich glaube beides war Fake und weder die Israelis noch die Araber haben systematisch Kinder ermordet.

    Es ging nur darum Emotionen zu wecken um die jeweils eigenen Gräueltaten zu rechtfertigen.


    Anekdote 2:

    Als die Amis in Bagdad ankamen wunderten sie sich dass in jedem zweiten Haus (sie waren alle zerstört) eine Klinik war. Es gab Dutzende Kliniken! Alle in den (relativ wenigen) total zerstörten Gebäuden der Stadt! Stellte sich raus: Die Irakis hatte für die Propaganda-Fotos immer dann wenn ein x-beliebiges Haus zerstört wurde, dort ein Krankenhausschild installiert und die halt keine Zeit gehabt die wieder abzumachen.


    Nochmal: Heißt nicht dass die Russen nicht grausam sind. Kann sein, ist gut möglich, will ich keinesfalls schön reden. Wissen wir im Detail aber einfach nicht.

    Umgekehrt, was die Ukrainer betrifft ebenso wenig.


    Also natürlich muss man den Krieg verdammen, keine Frage!

    Aber passt echt auf, was ihr glaubt!

    Nochmal meine Signatur schauen - in diesem Fall "Anger" and "Suspicion".

    Ihr werdet aufgehetzt.

    Und die Russen werden aufgehetzt.

    Am Ende macht ihr alles mit nur um den Gegner zu vernichten, ihm zu schaden, ihn zu töten, weil er böse ist und keine Gnade verdient.

    Und die Russen machen ebenso alles mit um euch zu vernichten.

    So entstehen die übelsten Kriege. War immer so.


    wp

    "Nicht Völker führen Kriege gegeneinander, sondern Regierungen führen Kriege gegeneinander"

    "If you act out of fear, anger, despair or suspicion - this will ruin everything." - Thich Nhat Hanh


  • @AlSting: Ich habe auch gerade in der FAZ über die Meldungen zu Butscha bei Kiew gelesen. Mein erster Reflex dazu war die Erinnerung an die Erkenntnis "Das erste Opfer im Krieg ist die Wahrheit". Soll heißen: Wir wissen hier gar nichts, außer, dass beide Kriegs-Parteien Propaganda betreiben.

    Wir wissen etwas mehr: Dass Russland sehr rabiat gegen die letzten freien Medien vorgeht und selbst das Wort "Krieg" zensiert.
    Und dass mehrere Journalisten von russischen Truppen ermordet wurden, bislang aber anscheinend nicht von ukrainischen Truppen.

    Die Ukraine hat die Meinungsfreiheit auch eingeschränkt, aber auf deutlich niedrigerem Level.


    Will sagen: Die Intensität der Propaganda und der Verheimlichung gewisser Nachrichten gegenüber unabhängigen Medien, die die Propaganda herunterdrehen könnten, ist krass unterschiedlich.

    Es dürfte Gründe dafür geben.

    Mir fallen spontan Mariupol, Buschta, aber auch die wahllosen Raketen auf Wohnhäuser in Kharkiv etc ein. Das passt in ein gemeinsames Bild, das wir schon von Grosny und Aleppo kennen.
    Putins Handschrift halt.

  • Würdet du in Russland wohnen Al Sting , und die dortige Propaganda lesen, und wärst ähnlich bereitwillig das übelste Böse im anderen zu vermuten wie du das aktuell bist, dann würdest du eben die Stories mit den bombardierten russischen Kindern glauben und den Westen verteufeln, nach mehr Härte rufen.

    Ich wuchs in der DDR auf. Einzugsgebiet der sowjetischen Propaganda.

    Nach meiner Erinnerung, wie wir die Propaganda verarbeiteten, glaube ich fest widersprechen zu können.

  • Politisch korrekt ist es ja neuerdings, selbst auf frischer Tat ertappte Mörder mit dem Adjektiv "mutmaßlich" vorsorglich zu exkulpieren. In diesem Sinne meine Frage: Sollte sich etwa hinter dem mutmaßlichen Pseudonym witchdream die mutmaßlichen Traumgebilden nachhängende, mutmaßliche Hexe Ursula Haverbeck verbergen? Die mutmaßliche Argumentationslinie dieser mutmaßlichen Hexe klingt nämlich mutmaßlich sehr ähnlich.


    @ monopole: Sorry, aber diesen Schuh zieh ich mir nicht an. Man könnte deine Anschuldigung als Rufmord werten, aber ich führe deine Reaktion mal auf politische Exaltation und ein Glas Wein jenseits der Grenze zurück. Nochmal: Die heutigen Meldungen zu Butscha sind nicht belegt und belegbar - und exakt darauf habe ich hingewiesen. Darauf hinzuweisen bedeutet nicht, Putins Überfall zu rechtfertigen oder auch nur ansatzweise gut zu finden. Es heißt vielmehr: AUDE SAPERE, also: Wage es, zu denken, oder etwas vulgärer: Glaub nicht jeden Scheiß, den man dir vorsetzt.

  • Wir wissen etwas mehr: Dass Russland sehr rabiat gegen die letzten freien Medien vorgeht und selbst das Wort "Krieg" zensiert.
    Und dass mehrere Journalisten von russischen Truppen ermordet wurden, bislang aber anscheinend nicht von ukrainischen Truppen.

    Die Ukraine hat die Meinungsfreiheit auch eingeschränkt, aber auf deutlich niedrigerem Level.


    Will sagen: Die Intensität der Propaganda und der Verheimlichung gewisser Nachrichten gegenüber unabhängigen Medien, die die Propaganda herunterdrehen könnten, ist krass unterschiedlich.

    @ Al Sting: Da wird dir keiner widersprechen. Es heißt aber umgekehrt auch, dass man nicht ungeprüft alles glauben sollte, was von ukrainischer Seite verlautbart wird. Ich denke, da sind wir uns einig.

  • politisch korrekt ist es ja neuerdings, selbst auf frischer Tat ertappte Mörder mit dem Adjektiv "mutmaßlich" vorsorglich zu exkulpieren

    Edit - Emotion raus


    Nennt man Unschuldsvermutung

    und gilt auch für Mörder, selbst wenn sie auf frischer Tat ertappt werden.

  • Ursula Haverbeck, soviel ist sicher, glaubt nicht alles, was man ihr vorsetzt. Ob sie das auch mit dem lateinischen Leitspruch der Aufklärung begründet oder auf vulgäre Weise, interessiert mich wenig.

    Nach dem Politologen Norbert Seitz gehört „die Nazi-Analogie […] seit Gründung der Bundesrepublik zum probaten Totschlagarsenal in der politischen Auseinandersetzung“


    Ehrlich gesagt fühle ich mich derzeit überfordert damit mir da eine Meinung zu dem Vorfall zu bilden. Unsere Medien haben sich in den letzten Wochen selber komplett diskreditiert und sind auch nicht glaubwürdig: Keine der Medien hat jemanden vor Ort, und die Berichterstattung war strikt einseitig und von einer Dauerempörung geprägt und jedes Stöckchen, das die westliche oder ukrainische Propaganda ihnen hingehalten hat wurde dankbar übersprungen.


    Fog of War.


    Aber wenn der Vorfall so stattgefunden hat, sollte die Konsequenz die nachdrückliche Erinnerung daran sein, dass man endlich zu einer Lösung dieses Konfliktes kommen muss. Eine weitere Empörungs-Feel-Good-Eskalation wäre kontraproduktiv.

    „Das große Karthago führte drei Kriege. Nach dem ersten war es noch mächtig. Nach dem zweiten war es noch bewohnbar. Nach dem dritten war es nicht mehr aufzufinden.“

  • Unsere Medien haben sich in den letzten Wochen selber komplett diskreditiert: Keine der Medien hat jemanden vor Ort,

    Paul Ronzheimer, Stv. Chefredakteur @ BILD-Zeitung, hat seine Berichte aus Kiev und Irpin sowie seinen kompletten Twitter-Kanal wahrscheinlich auch nur gefaked. https://twitter.com/ronzheimer


    Beeindruckende Absolutheit mancher Aussagen bei gleichzeitig sehr mangelhafter Treffsicherheit in den Fakten.
    :facepalm:


    Zitat

    Aber wenn der Vorfall so stattgefunden hat, sollte die Konsequenz die nachdrückliche Erinnerung daran sein, dass man endlich zu einer Lösung dieses Konfliktes kommen muss. Eine weitere Empörungs-Feel-Good-Eskalation wäre kontraproduktiv.

    Und wie? Indem man freundlich zu Putin sagt:
    "Junge, du hast zwar brutale Kriegsverbrechen gemacht, das war nicht lieb.
    Aber jetzt lass uns reden und die Friedenspfeife rauchen und dann vergeben wir alles, sind wieder engste Buddies und verkaufen dir alles, was du zur Aufrüstung deiner Armee für den Überfall auf den nächsten Nachbarn brauchst.
    Denn Sanktionen sind doof und bringen ja nichts. Außer vielleicht die Finanzierung und Ausrüstung deiner Armee zu bremsen. Aber das ist nicht relevant, solange wir billig tanken können."


    Ich habe einerseits nicht den Eindruck, dass sich Putin derzeit auf Gespräche einlässt. Weiterhin: Worüber freundlich reden?
    Seine letzten Worte waren, dass die Ukraine keine Existenzberechtigung habe, er selber ist davon noch nicht zurückgewichen.
    Dem kann man natürlich zustimmen. Und die Ukraine opfern (Hinter der Abschirmung sehen wir nicht, was passieren wird - Holomodor 2.0?).
    Und danach Moldavien, das Baltikum, Polen - ups, und schon sind sie an der deutschen Grenze. Wann wohl der Appetit endet?


    Oder man hilft dabei dass der aktuelle Braten schon zu einer gehörigen Magenverstimmung führt. Die Ukrainer bitten um Hilfe, um genau das zu erreichen.

  • Allgemeiner Gedanke (deshalb vom PS des obigen Beitrags ausgekoppelt)


    Ich habe zunehmend den Eindruck, keine (!) der ehemaligen europäischen Kolonialmächte konnte ohne heftige, die eigene Gesellschaft ernüchternde Niederlagen auf seine Ex-Kolonien verzichten. Manchen genügte die Niederlage in WW2 aber viele europäische Ex-Kolonialmächte führten und verloren Entkolonialisierungskämpfe nach dem 2. Weltkrieg (Frankreich in Algerien, Niederlande in Indoniesien...).

    Vielleicht haben diese jeweilig schmerzhaften, individuellen militärischen Niederlagen vieler ehemaliger europäischer Kolonialmächte erst die pazifistische Grundhaltung ermöglicht, die eine ideelle Grundlage der europäischen Friedensordnung und der europäischen Union bilden?

    UK, damals relativ zurückhaltend mit chancenlosen Kriegen, träumt ein Stück weit immer noch vom lost Empire - eine Brexit-Ursache.


    Vielleicht muss Russland, die russische Gesellschaft, diese Erfahrung schlicht und ergreifend auch noch durchmachen und möglichst schmerzhaft gegen eine Ex-Kolonie verlieren, gegen die Ukraine, um mit der kolonial-imperialen Denkweise brechen zu können?

    Ein zentrales Argument der deutschen Dolchstoßlegende zum 1.WK lautete sinngemäß "Im Feld ungeschlagen, bei Verhandlungen von den eigenen Politikern verraten."

    Die SU hat sich friedlich aufgelöst, so dass Russland seine Kolonien (nahezu) ohne solche Kriege gehen ließ. Ich fand das damals grandios und bin Gorbi dafür ewig dankbar. Aber wie ich lernte, sieht man das in weiten Teilen der russischen Gesellschaft bis heute anders.

    Einer ähnlichen Denkweise wie der deutschen Dolchstoßlegende folgt nach meinem Verständnis die Empörung von Putin, aber auch ganz vielen anderen Russen über Gorbatschow, der heute vielfach als Verräter bezeichnet wird.

    Putin bezeichnete die Auflösung der SU, diese Freilassung ehemaliger Kolonien als größte Tragödie des letzten Jahrhunderts, und die russische Gesellschaft steht in guten Teilen hinter Putins Versuchen, die alte Imperialmacht wieder herzustellen. Entsprechend wurden die militärischen Erfolge der Vergangenheit in den letzten Jahrzehnten immer weiter propagandistisch aufgewertet.


    Braucht die russische Gesellschaft eine blutige Niederlage in der Ukraine, um das Ende als Kolonialmacht zu akzeptieren, und sich an die neuen Zeiten anzupassen? Vielleicht gelingt so ein gesellschaftlicher Lernprozess einfach nicht ohne blutig-schmerzhafte Niederlagen?


    Edit: Umformuliert

  • Paul Ronzheimer, Stv. Chefredakteur @ BILD-Zeitung, hat seine Berichte aus Kiev und Irpin sowie seinen kompletten Twitter-Kanal wahrscheinlich auch nur gefaked. https://twitter.com/ronzheimer

    Stimmt, die Bildzeitung hat tatsächlich jemanden vor Ort. Die gehört normalerweise nicht zu meinen gelesenen Medien, aber vielleicht sollte ich diesmal eine Ausnahme machen, weil sie die einzigen mit First-Hand-Informationen sind.

    „Das große Karthago führte drei Kriege. Nach dem ersten war es noch mächtig. Nach dem zweiten war es noch bewohnbar. Nach dem dritten war es nicht mehr aufzufinden.“

  • Stimmt, die Bildzeitung hat tatsächlich jemanden vor Ort. Die gehört normalerweise nicht zu meinen gelesenen Medien, aber vielleicht sollte ich diesmal eine Ausnahme machen, weil sie die einzigen mit First-Hand-Informationen sind.

    Also die Bildzeitung braucht man sich wirklich nicht antun. Was hetzerische "Berichterstattung" angeht, sind sie inzwischen wieder auf dem Niveau angekommen, für das sie seit Jahren zurecht von den gebildeteren Schichten verachtet werden. Obwohl aus dem gleichen Hause kommt die "Welt" dagegen erstaunlich seriös daher - mit eigenen Korrespondenten in Russland und in der Ukraine. Der Moskaukorrespondent stellt auch hin wieder den Mist richtig, der von der Bild - und auch anderen Medien - immer wieder verzapft wird.

  • Ich wuchs in der DDR auf. Einzugsgebiet der sowjetischen Propaganda.

    Nach meiner Erinnerung, wie wir die Propaganda verarbeiteten, glaube ich fest widersprechen zu können.

    Mal sein, Al.


    Aber dennoch, nachdem du dieses Zivilischutzding offenbar Glauben schenktest, pass bisschen auf.


    Kriegspropaganda hat zwei Ziele:


    1) Die eigenen Bevölkerung auf Härten und Opfer vorzubereiten.
    Die Entbehrungen werden als Alternativlos dargestellen und notwendig im "Endkampf gegen das Böse" (das wird von jeder Seite in jedem Krieg immer behauptet). Das Nachdenken über alternative Auswege soll unterbunden werden, alle Energie soll auf die Kriegsanstrengung gerichtet werden.


    2) Den Gegner zu entmenschlichen.
    Ziel: Das eigene und das Gewissen der Bevölkerung (und der Soldaten!) zu beruhigen, das sich eben doch leise rührt weil es mit den Folgen doch nicht so glücklich ist. Vermutlich auch deines nicht.
    Stichwort: Armut, Hunger, Leid bei ukrainischer, russischer, dritter Welt Zivilbevölkerung, Inflation, Umverteilung von Arm nach Reich, Renaissance Atomkraft, Fracking, Qatar, Aufrüstung, Waffenlieferung.

    Man war unfähig und unwillens sich diplomatisch zu einigen, und nun wird die Liste der grauseligen Konsequenzen mit jedem Tag länger.


    Aber wie ich sagte: Die Reaktion der Kriegmaschine auf das zunehmende Grauen ist IMMER:

    Weiter, jetzt erst Recht, bis zum Sieg, mehr, brutaler. Bei den Russen natürlich auch. Auf beiden Seiten.
    Weil nur der Sieg erlaubt den Blick nicht auf die eigenen Fehler der Vergangenheit und das schlechte Gewissen richten zu müssen.


    Aber immer noch kann man umkehren!

    Man kann zu jedem Zeitpunkt aussteigen aus dem Kreislauf der Eskalation.
    Statt den Hass und die Wut in dir zu füttern (selbst wenn sie berechtigt sein mag!) kann man sich zwingen weiterhin auf Menschlichkeit, Reden und Diplomatie zu setzen. Man muss nicht Auge um Augen spielen.

    Man muss versuchen es zu Beenden und die Hand ausgestreckt halten, so schwer es auch ist.


    Jeder muss sehen welchen Wolf in sich er füttert.


    wp

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    "If you act out of fear, anger, despair or suspicion - this will ruin everything." - Thich Nhat Hanh


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  • Hier bin ich voll bei dir.

    Es stimmt, der Verlust der Weltmacht ist schmerzhaft, nur wenige gehen würdevoll damit um.

    Russland hätte besser daran getan das zu akzeptieren und sich den USA unterzuordnen.


    Eine Ergänzung:

    Wir sehen grade zwei Nationen die dabei sind ihre Weltmachtstellung zu verlieren.

    Russland wie gesagt. Hat sie bereits verloren.

    Und die USA. Denen steht das noch bevor.


    Die beiden kloppen sich quasi gemeinsam auf dem Weg in den Abstieg.

    In Peking knallen die Korken, die nutzen die Ablenkung und reisen überall in der Welt rum um unauffällig Allianzen zu schmieden und Verträge zu schließen.


    Schade ist es halt um Europa, das wird da instrumentalisiert und wird m.E. nicht mehr aufstehen.

    Also Aufstehen im Sinne von politischer Macht in der Welt. Da müssen wir wohl auch Abschied nehmen, keiner wird sich mehr von uns belehren lassen in Zukunft.

    Aber gut, so be it. Ökonomisch wird es uns weiter gut gehen, da habe ich wenig Sorge.

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