• Aus russischer Seite eine verständliche Taktik, aber einerseits sind die ja selbst haushaltsseitig sehr abhängig vom Ölpreis, aber vor allem, sind die Saudis nicht der US-verbündete Gegenpol? Inwiefern sollten die da also eine ähnliche Strategie haben?


    Oder hab ich Dich falsch verstanden?


    Ich frag mich eher ob "Big Oil" nicht generell die Erneuerbaren soweit es geht im Zaum halten will und deshalb keine allzu hohen Preise mehr möchte. Elektroautos, Strom, Wärme, alles wird doch im Endeffekt vergleichen..

    When a management with a reputation for brilliance tackles a business with a reputation for bad economics, it is the reputation of the business that remains intact.


    W. B.


    Investment is most intelligent when it is most businesslike.


    B. G.

  • Nun, im Sonner 2014 passierte etwas, das es bis dahin nicht gegeben hatte. Der Saudische Außenminister (damals noch der alte al Saud) war jedes zweite Wochenende in Moskau. Davor hatte es nie bilaterale Kontakte auf höchster Ebene gegeben. Im Herbst 2014 crashte dann der Ölpreis zum erstenmal. Ist einfach eine Beobachtung.


    Was war denn an Herbst 2014 sonst noch besonders? Der alte König, Abdullah, lag im Sterben und der Salman-Clan bereitete sich auf die Machtübernahme vor. Der Tod Abdullahs wurde zwar erst im Januar 2015 bekanntgegeben, aber es scheint, die Öl-Politik wurde schon im Vorfeld geändert.


    Dann habe ich die Pressenkonferenzen nach den OPEC-Treffen in WIen verfolgt (zweimal im Jahr). Seit Oktober oder November 2015 wird die Konferenz immer ganz frech von zweien moderiert, dem saudischen Ölminister und dem Herrn Novak, und das obwohl Russland gar nicht OPEC-Mitglied ist.


    Was die Preispolitik der "alten" Ölförderer angeht, also der Kern-OPEC mit Russland, folgende Überlegung. Irgendwann ist ein Punkt erreicht, da wissen sie, dass Öl als Energiequelle in 50+ Jahren abgelöst werden wird (einfach wegen des technischen Fortschritts) *und* gleichzeitig, dass sie noch genug billig zu förderndes Öl im Boden haben, um die Welt bis dahin zu versorgen. An diesem Punkt ist es attraktiv, auf maximalen Marktanteil zu zielen und den Preis an diese Vorgabe anzupassen. Damit ist auch der USD als Ölwährung raus, denn wenn Öl nicht mehr knapp ist, wird der USD ein Problem bekommen. Das wissen die Saudis deit den 1970ern, weil sie ja Teil des Abkommens mit den USA waren.


    Ich behaupte, der Punkt, an dem die optimale Strategie für die Araber die Maximierung des Marktanteiles ist, der war schon Ende der 1990er erreicht. Aber sie sind ja nicht alleine auf der Welt. Wenn den Amerikanern die neue Strategie gegen den Strich geht, würden die ja mehr oder weniger direkt mit Krieg drohen, ala Irak 2003. Also müssen die Saudis sich Schritt für Schritt lösen, und das dauert.


    Wir beobachten, dass die USA im mittleren Osten allmählich von Russland als Schutzmacht abgelöst werden. Syrien ab 2014 ist das beste Beispiel. Der Sieg der vom Iran unterstützten Truppen im Irak über den islamischen Staat ist noch so ein Beispiel. Die USA haben es seit Ende der 1980er geschafft, die irakische Ölproduktion einzudämmen, mit Kriegen, Sanktionen, Zerstörung der stattlichen Infrastruktur, subventioniertem Bürgerkrieg, usw. Geht nicht mehr. Die schiitischen Kräfte im Irak zusammen mit iranischer und russischer Unterstützung schaffen es nach und nach, das Land zu stabilisieren. Die irakische Produktion steigt immer weiter.


    Ihr findet das vielleicht verquer, aber zur Zeit ist es so, dass Russland im mittleren Osten als Friedensmacht auftritt, vermittelt und schlichtet, während die USA als Störfaktor dastehen. Putin muss gar nicht viel tun. Nur abwarten und einsammeln, was ihm in den Schoß fällt.


    Balkenchart

  • Das mag alles plausibel klingen und gibt natürlich auch ne tolle Story ab.
    Mag sein dass sich Leute treffen und auch Phantasien haben, aber ich würde das nicht überanalysieren.

    Diese ganzen Theorien schwirren wie bei Gold und Euro auch seit 15 Jahren hier rum und haben kaum zur Vorhersage getaugt.


    M.E. ist es ist viel einfacher:

    Es gab damals ein Überangebot und es gibt heute eins, vor allem wegen der Fracker als Game Changer.


    Und das drückt auf die Preise, und weil der Ölmarkt halt chronisch nervös ist und wegen der Lagerthematik "at the margin" priced, gehen die Bewegungen häufig heftig zur Sache.


    Und DANACH werden dann Erklärungen gesucht.
    Die Kurse machen die Nachrichten.
    Wie beim Gold, wie bei Tesla etc auch.

    Wenn man schon unbedingt Vorhersagen machen will muss man v.a. das Verhalten der Fracker ansehen, die sind der neue swing producer. Alle anderen reagieren bloss auf die.


    wp

    "Nicht Völker führen Kriege gegeneinander, sondern Regierungen führen Kriege gegeneinander"

    "If you act out of fear, anger, despair or suspicion - this will ruin everything." - Thich Nhat Hanh


  • Ich bin was den Ölpreis angeht auch eher ein Anhänger von Occams Razor:


    Die einfachste Erklärung ist dass Russland und Saudi Arabien die Ölkohle für den Staatshaushalt brauchen und bei sinkenenden Preisen die Menge erhöhen müssen um den gleichen Cash einzufahren. Zudem hat Corona den Cashbedarf eher erhöht.


    Das große Vermögen der Saudis dürfte für den normalen Haushalt nicht zur Verfügung stehen.

  • So sehe ich es auch und bin aber schon immer verwundert, wenn die das so machen, also Mengenerhöhungen bei sinkenden Preisen. Sie könnten es ja auch genau andersrum machen. Das wäre doch theoretisch einfacher, oder?


    Deswegen sehe ich es schon als logisch an, wenn man nach anderen möglichen Motivationen sucht. Z.B. eben USA ärgern (bzw. Druckmittel) oder aber woran ich am ehesten glaube, die relativen Kosten zu Erneuerbaren niedrig zu halten. Denn im Gegensatz zu kurzfristigen Preisspielen beim Öl, sind das da oft langfristige Entwicklungen und wenn die Katze mal aus dem Sack ist, nun ja. Also wenn z.B. eine Regierung ein Förderprogramm beschlossen hat, oder Elektroauto-Quoten, etc. Und eben genau wie von Euch oben geschrieben, vor dem Hintergrund dass ja nur noch ein Teil des Öls weltweit gefördert werden soll, da will natürlich jeder sein verkaufen und entweder setzt sich der billigste durch oder jemand der sich politisch durchsetzen kann (vergleichbar Nord Stream 2).


    Außerdem würde ich aber noch die Saudis, Russland und USA da nicht als große Gegenpole sehen. Im Endeffekt sind die alle produzierende Länder. Ja, klar, die USA hat auch viel Verbrauch und ist da ausgeglichener. Aber wer m.M. nach wirklich einfach einen niedrigen Ölpreis will, ist China. Oder Länder wie Japan, die mehr oder weniger nur importieren. Wobei es da dann schon komplizierter wird. Ein hoher Ölpreis führt natürlich zu allen möglichen Investitionen, Maschinenbau, Pipes, Stahl, etc. Aber ich würde meinen das volkswirtschaftlich vor allem diese Importeure einen niedrigen Ölpreis bevorzugen und die Saudis, Russen und USA nicht.


    Insofern kann man sich natürlich schon auch mal die Frage stellen ob die USA die einzigen sind die Einfluss in ihrem Interesse ausüben können. China z.B. dürfte über die "Kraft Sibiriens" inzwischen recht großen Einfluss nach Russland haben:


    https://www.handelsblatt.com/u…rien-stockt/25878548.html


    Witzig übrigens, müssten die Amerikaner konsequenterweise nicht auch China vor russischem Gas schützen so wie sie es mit Europa versuchen? Oder nur NATO-Mitglieder.. Apropos, ein Interview das ich gestern gelesen habe, die Schwesig hat da finde ich völlig recht (bin ja nicht unbedingt ein SPDler, aber sollten sie's mal lieber mir ihr oder Maas versuchen):


    https://www.spiegel.de/politik…76-401c-aa77-fb5449b94244


    Und auch beim Öl ist China natürlich Großabnehmer und allein durch die Verhandlungspositionen wohl oft in der Lage Rabatte zu verlangen. Z.B. hieß es ja aktuell dass die Saudis Rabatte gaben. Und das chinesische Raffinerien sich seit März, etc. schon total vollgelagert hatten. Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich mir damals gewünscht hätte, dass die dt. Regierung (oder auf EU-Ebene) ordentlich Öl einkauft, einerseits um zu stabilisieren und andererseits um die niedrigen Preise zu nutzen. Hatte es auch hier geschrieben. Und natürlich nichts dergleichen, aber in China macht man sowas würde ich meinen.


    Und deshalb würde ich meinen, das die üblichen Verdächtigen da eher gleichgerichtete Interessen haben. Und es komplizierter ist.

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    B. G.

  • Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich mir damals gewünscht hätte, dass die dt. Regierung (oder auf EU-Ebene) ordentlich Öl einkauft, einerseits um zu stabilisieren und andererseits um die niedrigen Preise zu nutzen. Hatte es auch hier geschrieben. Und natürlich nichts dergleichen, aber in China macht man sowas würde ich meinen.


    da braucht man keine EU für, der Ölmarkt war im April im Supercontango. Da wurde ALLES voll gemacht was mehr wie 10L Fassungsvermögen hatte.

  • Man sollte das wie die Schweizer machen: Über 10 Jahre gestaffelt jedes Jahr etwas mehr. Das lässt ausreichend Zeit um sich anzupassen.

    „Das große Karthago führte drei Kriege. Nach dem ersten war es noch mächtig. Nach dem zweiten war es noch bewohnbar. Nach dem dritten war es nicht mehr aufzufinden.“

  • Ganz guter Artikel zu Exxon im WSJ:


    https://www.wsj.com/articles/e…00037243?mod=hp_lead_pos5


    Fazit: Wer eine harte Wette auf fossile Brennstoffe machen will ohne das ganze "Erneuerbaren Gedöns" der liegt bei Exxon genau richtig....


    Die Diskussion in den Kommentaren ist auch interessant. Man sieht dass das Thema schnell religöse Züge annimmt. "SIgn of the times"....


    So richtig viel besser läuft es kursmässig bei Shell und BP auch nicht:



    Schon brutal wie die alle weggebrochen sind.

  • Also BP hat gerade einen größeren Capital Markets Day gemacht.

    Sie sind sich jetzt ziemlich sicher, dass wir "Peak Demand" haben.


    Ich finde die Folien zur Öl-Nachfrage spannend - auch wenn ich die Annahmen (~50% der weltweiten Flotte bis 2040 elektrisch + Robotaxis 2040 50% der Kilometer) teilweise steil finde.


    https://www.bp.com/content/dam…0-presentation-slides.pdf


    https://www.bp.com/en/global/c…bp-week-2020-day-one.html


    Hat-Tip an Optivalue :thumbsup:

    Value investing is at its core the marriage of a contrarian streak and a calculator - Seth Klarman

  • Klar, der Abgesang ist verfrüht.

    Öl wird schon noch ne ganze Zeit nachgefragt werden.


    Die Frage ist aber doch wie wird man in einem Markt mit konstant sinkender Nachfrage UND gefährlich innovativer Konkurrenz (Fracking) als angegrauter riesiger Multi noch groß Geld verdienen können?


    Banking wird ja auch noch nachgefragt, Versorger, Telekom etc auch.
    Dt.Bank, EOn und Dt.Telekom können dennoch nicht an alte Zeiten anknüpfen...


    wp

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  • Die Frage ist aber doch wie wird man in einem Markt mit konstant sinkender Nachfrage UND gefährlich innovativer Konkurrenz (Fracking) als angegrauter riesiger Multi noch groß Geld verdienen können?

    u.a. mit Zahlungsdienstleistungen für Energie, Maut, Verkehr. Was heute die Tankkarte ist, ist morgen (bzw. bereits heute) die direkte Abrechung des Dienstwagens an der heimischen oder strassenseitigen Ladestation.

  • Jetzt mal eine völlig doofe Frage:


    Ich habe gerade die Werbung für den VW Id3 gesehen und mich über den Verbrauch gewundert. VW gibt 14,5 kwH pro 100km an.

    Bei mir kostet die KwH rund 25 Cent. Sprich 100km kosten mich reinen Stromverbrauch rund 3,62 Euro.


    Der Golf 7 2.0 TDI gibt den Durchschnittsverbrauch mit 4,1 Litern auf 100km an. Das sind bei aktuellen Preisen von 1 Euro pro Liter Diesel dann auch "nur" 4 Euro auf 100km.


    Ich hatte immer gedacht, dass der Spread zwischen den reinen Energiekosten VIEL VIEL VIEL höher ist.

    Ja ist mir klar, dass der Dieselpreis aktuell niedrig ist - und mir ist auch klar dass das schlecht für die Umwelt ist.

    Aber ich hatte schon gestutzt weil ich mit einem viel niedrigeren Strom-Kostenanteil für Elektrofahrzeuge gerechnet hatte.


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