Als Normalsterblicher mit gutem Abi kann man sich in Harvard zwar bewerben, die Chancen, dass man einen Studienplatz bekommt, sind aber fast gleich null. Gleiches gilt nach meinem Kenntnisstand für britische Eliteuniversitäten wie Oxford und Cambridge (an der Uni, an der ich gearbeitet habe, war das nicht so). Um dort einen Platz zu bekommen, trainiert man in speziellen Auswahlseminaren (bzw. wenn man vorher auf eine Eliteschule gegangen ist, hat man dieses Training dort erhalten).
In Deutschland kann man sich mit seinem Abitur sowohl an der LMU oder in Heidelberg bewerben als auch an irgendeiner drittklassigen Fachhochschule. Ob man genommen wird oder nicht, hängt ausschließlich von der Abiturnote ab (und evtl. der Wartezeit, die aber gerade höchstrichterlich kassiert worden ist; eine Ersatzregelung gibt es meines Wissens bisher noch nicht). Man muss nicht in irgendeinem elitären Klub gewesen sein, um eine Chance auf einen Studienplatz an einer deutschen Spitzenuniversität zu haben.
Ganz so einfach ist das nicht mit der Zulassung zum Studium in Deutschland. Es gibt mehrere Aspekte:
- Viele Studiengänge haben keine Zulassungsbeschränkung. Jeder Hochschulberechtigte (d.h. jeder mit Abitur) hat einen Rechtsanspruch auf Zulassung zu einem derartigen Studiengang. Beispiele sind Physik, Mathematik oder Geschichte an den meisten Unis.
- Einige Studiengänge haben einen NC. Hier entscheidet tatsächlich die Abiturnote über die Reihenfolge, in der die Plätze den Bewerbern angeboten werden.
- Dann gibt es die Studiengänge mit Zugang über örtliche Zugangskriterien (hier die der LMU)
- Zuletzt gibt es da noch die Stiftung für Hochschulzulassung, die die Vergabe der medizinischen Studiengänge organisiert. Aber auch hier gibt es je nach Universität Sonderregeln wie z.B. Eignungstests (Heidelberg).
Die deutschen Spitzenuniversitäten bekamen vor einigen Jahren jeweils neue Plaketten "Eliteuniversität" und werden seitdem mit mehr Geld bedacht, als andere Universitäten. Auch dort kann sich jeder Abiturient in jedem nicht zulassungsbeschränkten Fach einschreiben und gehört dann zur deutschen Studentenelite. Egal, welche Abiturnote zum Beispiel in Mathematik jemand vorweisen kann, er kann sich, solange er nur das Abitur hat, für Mathematik an der Eliteuniversität LMU einschreiben.
In Großbritannien kann sich nicht jeder, der das A-level vorweisen kann, in Oxford für Mathematik einschreiben. Zufällig kenne ich jemanden aus Deutschland, der in Oxbridge zum Mathematikstudium zugelassen wurde: Mehrfacher Bundessieger im Bundeswettbewerb Mathematik, Goldmedaille in der Mathematikolympiade. Das allein hätte nicht für eine Zulassung ausgereicht. Darüber hinaus wurde ein Notendurchschnitt von (so genau erinnere ich mich nicht mehr, aber es war ≤ 1,3) in den harten Fächern (Sprachen, Geschichte, Naturwissenschaften). Nicht gefordert oder gefragt war irgendeine Mitgliedschaft in elitären Klubs, aber die sportlichen Ambitionen wurden mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen.
Ich finde, der Verweis auf ominöse elitäre Klubs verunglimpft die Leistung, die jemand bringen muss, um an einer angelsächsischen (oder auch französischen, russischen) Eliteuniversität aufgenommen zu werden. Und die Ausbildung, die jemand dort erfährt, ist auch nicht vergleichbar, weder im Umfang noch im Anspruch, mit einer Ausbildung an einer deutschen Spitzenuniversität, die letztlich nur eine Massenuniversität ist, die zusätzlich einige Spitzenforscher vorweisen kann. Der normale Student an einer deutschen Spitzenuniversität meidet im Allgemeinen die anspruchsvolleren Veranstaltungen, der normale Student an einer angelsächsischen Spitzenuniversität sucht sie.
Ein deutscher Spitzenbeamter in Brüssel brachte es im privaten Gespräch mal auf den Punkt: Sobald sich bei einer Ausschreibung ein Absolvent einer Grand École bewirbt, schaut er sich die anderen Bewerber nicht mal mehr an.
An der LMU gibt es das Maximilianeum. Die 400 besten Abiturienten aus Bayern werden von den Schulen vorgeschlagen. Zwischen 6 und 9 davon werden jährlich ins Maximilianeum aufgenommen. Das heißt, auf jeweils 2 Millionen Einwohner Bayerns kommt jährlich ein Zugänger ins Maximilianeum.
Am Harvard College studieren derzeit 41 Deutsche. Das heißt, grob kommt auf je 2 Millionen Einwohner Deutschlands ein Student, der es ans Harvard College schafft. Da sich die Studienzeit über mindestens drei Jahre erstreckt, heißt dies: Es ist für einen Bayern dreimal so schwer, ans Harvard College zu kommen, wie ans Maximilianeum.