Von Ungleichgewichten und Minotauren...

  • Ich halte nicht viel von der Beschränkung auf die Nachfrage-Seite ("wir sollten mehr konsumieren"), sondern ich bin ein großer Verfechter der Angebots-Seite, d.h. wir sollten die Überschüsse vernünftig investieren.


    So ist es. Zumal es illusorisch ist, den Konsum "erfolgreich" steuern zu wollen. Planwirtschaft gab es ja schon einmal, hat super funktioniert wie wir wissen.
    Das Gros der Konsumgüter importieren wir doch bereits. Kameras, Fernseher, Steroanlagen, Handys, Bekleidung, Haushaltsgeräte, usw. werden doch in Deutschland im Prinzip gar nicht mehr hergestellt. Sollen wir mehr langlebige Investitionsgüter konsumieren? Mich würde immer noch interessieren, wie das in der Praxis funktionieren soll. Aber das weiß woodpecker offenbar auch nicht...

  • Ich weiß nicht. Ich habe bei Varoufakis immer den Eindruck, dass er viele intelligente und kreative Ideen hat und sie mit einer sehr guten rhetorischen Formulierungsgabe zu einem gewünschten Ziel führen will, aber immer wieder gerne wichtige Punkte komplett ausblendet, die mit seinen Thesen böse kollidieren.


    Zu seiner neuesten deutschsprachigen Buchveröffentlichung gab es in der ihm eigentlich wohlgesonnenen TAZ in der letzten Woche eine vernichtende Buchkritik, die diese Problematik des Ausblendens bzw. Ignorierens störender Fakten gut aufzeigt: http://www.taz.de/!5216561/

  • So ist es. Zumal es illusorisch ist, den Konsum "erfolgreich" steuern zu wollen. Planwirtschaft gab es ja schon einmal, hat super funktioniert wie wir wissen.
    Das Gros der Konsumgüter importieren wir doch bereits. Kameras, Fernseher, Steroanlagen, Handys, Bekleidung, Haushaltsgeräte, usw. werden doch in Deutschland im Prinzip gar nicht mehr hergestellt. Sollen wir mehr langlebige Investitionsgüter konsumieren? Mich würde immer noch interessieren, wie das in der Praxis funktionieren soll. Aber das weiß woodpecker offenbar auch nicht...


    Lies deinen eigenen Satz nochmal, der ist nämlich goldrichtig!
    Das Gros der Konsumgüter importieren wir bereits. Und dennoch haben wir einen immensen Handelsbilanzübschuss.
    Natürlich will ich nicht unbedingt noch mehr Konsumgüter importieren. WIr konsumieren mehr als genug, der Konsum quillt uns praktisch so aus den Ohren raus, das wir kaum noch wissen was wir noch zusätzlich konsumieren sollen. Und dennoch soll unsere Produktivität immer weiter steigen?! Das ist doch absurd.


    Du bist aber auf dem Holzweg, was meinen Vorschlag anbelagt. Daran ist vermutlich mein Avatar schuld:
    Ich will keineswegs den Konsum steuern oder gar eine Planwirtschaft einführen.


    Sondern etwas ganz anderes:


    Wie wäre es, einmal über den Horizont "gutes Leben = viel Konsum" hinauszudenken?


    Ihr vergesst nämlich dass das wichtigste und knappste "Gut" in einer materiell gesättigten Gesellschaft die Zeit ist. Niemand kann die vermehren oder kaufen. Niemand kann sie herstellen. Es gibt bei der Menge der Zeit keinerlei "Produktivitätsfortschritt".
    Klar, wir leben länger, aber ein Jahr ist heute ebenso lang wie vor 100 Jahren. (Von der Abbremsung der Erdrotation mal abgesehen, haha)


    Also:
    Warum nicht mehr Zeit verkonsumieren?
    Oder, wenn man so will: In mehr Freizeit und Gelassenheit "investieren".
    Das würde unmittelbar Mehrwert schaffen, viel mehr als jeder zusätzliche Konsum.
    Die Glücksforschung ist hier absolut eindeutig.


    Die Zeit könnte in soziale Kontakte inverstiert werden, in Engagement, in Kinder und Altenpflege. Und nicht zuletzt für sich selber.
    Das ist die gesellschaftliche Weiterentwicklung die ich vorschlage.
    Und die wir uns in diesem extrem priviligierten, vor Überschuß strotzenden Land, eher als alle anderen leisten können.


    Und "steuern" ist relativ. Die Gesellschaft steuert ihre Entwicklung stets in verschiedene Richtungen, die Wirtschaft ist keine Maschine, sie ist aber sehr anpassungsfähig, kann also Veränderungen überleben, und hat es immer getan.


    Wenn die Gesellschaft erkennen würde, was für Möglichkeiten jenseits von Konsum uns unsere immense Produktivität hier in DE bietet, und wie sehr wir diese statt dessen für das Anhäufen von Schuldscheinen und nutzlosen Konsum vergäuden, dann würde die Gesellschaft auch einen Weg finden, wie wir alle einen Gang zurück schalten. Über weniger Arbeitszeit etwa.
    Wer das am Ende konkret durchsetzt, ob der Staat wie beim freien Samstag oder die Gewerkschaften, oder einfach ein schleichender Wandel, wie beim Erziehungsurlaub für Männer, da hab ich keinerlei Präferenz.


    Aber kommt mir bitte nicht mit dem Untergang des Abendlands. Arbeitszeit wurde seit 130 Jahren kontinuierlich verkürzt - hat nie geschadet, dank dem Wunder des Produktivitätszuwachses! Und mal ehrlich: Wir alle heute freuen uns doch, dass die Arbeitswoche nur 5 statt 6 Tage hat, dass man ordentlich in Urlaub fahren kann etc.


    Warum also soll mit der Ausweitung der Freizeit plötzlich Schluss sein - unsere Produktivität wächst schliesslich ungebremst weiter?!


    Wenn man mal WEIT in die Ferne blickt. Ist es so unvorstellbar, dass in 100, 200 Jahren die Menschen kaum mehr arbeiten müssen? Das war schliesslich immer schon der Traum der Menschheit.
    Einen weiteren Schritt in diese Richtung könnten wir hier und jetzt gehen. Würde uns nicht ruinieren.


    Was die Investitionen angeht:
    Das ist auch ok. Ich würde auf einem Mischung von weniger Arbeitszeit und mehr Investition plädieren.
    Ein Problem bringt die Investition übrigens mit sich:
    Denn die Investitionen die wirklich Mehrwert schaffen würden (neue Schulen, bessere Strassen, neue UBahn, würdige ALten und Kinderpflege), das alles müsste der Staat machen, ergo mehr Steuern.
    Und grade das fandet ihr ja nicht so gut.


    Investitionen in noch mehr Fabriken und noch mehr Produktion hierzulande bringt dagegen wenig, danach ist unsere Produktion nur noch höher und ich stehe vor dem selben "Problem": Wohin damit?


    Auch Anlage in Sachwerte (Aktien meinetwegen) im Ausland wären natülich besser als was heute passiert, und würde (hoffentlich) einen gesicherten Return garantieren.


    M.E. schließt das eine das andere nicht aus.
    Balkenchart hat die Zahlen besser als ich, aber unser Übschuß müsste so um die 200 Milliarden (!!) pro Jahr (!) liegen.
    Der zweite S-Bahn-Tunnel in MÜnchen, um den man sich seit 15 Jahren steitet, kostet mal eben 2 Milliarden oder so.
    Also:


    Das ist ein großer Haufen Schotter, alleine mit Investitionen und Aktienkäufen bekommt man das gar nicht untergebracht.
    Crazy, isn't it?


    wp

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    3 Mal editiert, zuletzt von woodpecker ()

  • Al Sting,


    Also ich lese die Bücher immer selbst und verlasse mich nicht darauf, was die TaZ dazu meint. Und die beiden oben verlinkten Vorträge sind erste Klasse, und "The Global Minotaur" habe ich gelesen, und es basiert defintiv nicht auf irgendwelchen "Anfängerfehlern", sondern es handelt sich um eines von ganz wenigen Werken, die die Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft seit 1971 in die Analyse einbeziehen.


    Das andere Buch kenne ich nicht - ich weiß gar nicht, ob das zum Thema gehört. Wenn Du (oder die TaZ) jetzt mit ad hominem-Argumenten gegen Varoufakis ankommt und es nicht schafft, im "Global Minotaur" einen sachlichen Fehler zu benennen, dann diskreditiert das Dich bzw. die TaZ und nicht den Varoufakis.


    Balkenchart

  • Was die Investitionen angeht:
    Das ist auch ok. Ich würde auf einem Mischung von weniger Arbeitszeit und mehr Investition plädieren.
    Ein Problem bringt die Investition übrigens mit sich:
    Denn die Investitionen die wirklich Mehrwert schaffen würden (neue Schulen, bessere Strassen, neue UBahn, würdige ALten und Kinderpflege), das alles müsste der Staat machen, ergo mehr Steuern.
    Und grade das fandet ihr ja nicht so gut.


    Investitionen in noch mehr Fabriken und noch mehr Produktion hierzulande bringt dagegen wenig, danach ist unsere Produktion nur noch höher und ich stehe vor dem selben "Problem": Wohin damit?


    Hallo woodpecker,


    freut mich, dass du auch CIV-Fan bist :D


    Was das leidige Thema "Außenhandelsüberschüsse" betriffft: Da bin ich zunächst mal ganz auf der Seite Balkencharts - kein Außenhandelsüberschuss muss zwangsweise als Konsumentenkredit in GR landen.


    Abgesehen davon bin ich voll bei dir, dass es uns als Individuen gut tun würde, mal etwas kürzer zu treten (bzw. in deinem Jargon: downzusizen). Die gute Nachricht: Niemand hindert einen daran. Jeder kann sich nach gusto einen Teilzeitjob suchen, oder ein sabbatical nehmen, oder in Frührente gehen, oder eine Vier-Tage-Woche vereinbaren. Die meisten Leute trauen sich nur nicht, solche Ziele mal anzusteuern, aber hierfür darfst du nicht die Exportüberschüsse verantwortlich machen.


    Die Exportüberschüsse finden auf einer völlig anderen Ebene statt, nämlich auf der Ebene der Unternehmen. Was deine Forderung nach Rückführung der Überschüsse in Kombination mit mehr Freizeit de facto bedeutet, ist ein Herunterfahren der Produktion - z.B. durch Maschinenstillstand - bis die Produktion die Nachfrage der Kunden nicht mehr bedienen kann. Hallo? Es ist nicht der Zweck eines Unternehmens, die Wünsche der Kunden nicht zu erfüllen! Sehr wohl aber kann man sich ein Unternehmen vorstellen, das jede Menge exportiert (Überschüsse!), das aber Mitarbeiter mit einer 20-Stunden-Woche beschäftigt. Da braucht es halt einfach doppelt so viele Mitarbeiter wie bei einer 40-Stunden-Woche.


    Kurz gesagt: Du hast einen Fehler in deiner Gleichung, dass effizientere Firmen gleichbedeutend sind mit weniger Freizeit der Mitarbeiter. Eher im Gegenteil: Wie ich weiter oben schon zitiert habe, sind die Deutschen nicht nur Exportweltmeister, sondern auch Freizeitweltmeister. Das letztere verdanken sie vermutlich dem ersteren.


    Und last not least: Was die sinnvollen Investitionen in bessere Schulen, bessere Straßen, bessere Pflege usw betrifft: Wie kommst du darauf, dass "das alles der Staat machen muss, ergo mehr Steuern" nötig seien? Die besten Schulen, Unis, Straßen und Pflegeheime sind i.d.R. privat betriebene. Da wäre massiv weniger Staat genau der richtige Weg, um einen Investitionsboom in DE auszulösen.

  • Die besten Schulen, Unis, Straßen und Pflegeheime sind i.d.R. privat betriebene.


    Das würde ich so pauschal nicht stehen lassen. Es gibt sowohl im privaten als auch im staatlichen Bereich exzellente Schulen und Unis als auch kompletten Schrott. Bei Straßen und Pflegeheimen dürfte es ähnlich aussehen. (Weil ich gerade privat betriebene Straßen in F erleben durfte: da gab es sowohl welche, die ausgezeichnet im Schuss waren, als auch solche, die mit westdeutschen Autobahnen lässig konkurrieren konnten.)
    Beispiel Unis, weil ich mich da am kompetentesten zu äußern kann: natürlich fallen einem als privat betriebene exzellente Unis immer Harvard und Stanford ein. Aber Oxford und Cambridge sind nicht privat betrieben, und auch in den USA gibt es ausgezeichnete staatliche Unis, z.B. die University of Michigan. In Deutschland wage ich zu behaupten, dass die staatlichen Unis im Schnitt besser sind als die privat betriebenen. Das hat insgesamt mehr mit der geschichtlichen Entwicklung zu tun (staatliche Unis in D gibt es schon seit Jahrhunderten, privat betriebene erst seit kurzer Zeit) als mit "staatlich" vs. "privat".

    "The only function of economic forecasting is to make astrology look respectable." - John Kenneth Galbraith

  • @witchdream
    ok, schön dass wir die Diskussion nun sachlich weiterführen.
    Ich schließe mich selber explizit ein, werde auch versuchen mich am Riemen zu reissen.


    Also, dass Effizienz an sich gut ist, da bin ich absolut bei dir.


    Effizienz bedeutet hoher Output bei relative wenig Einsatz. Das ist toll, und da sind wir in DE zum Glück Spitze drin!
    Gegen die hohe Produktivität habe ich also nicht im Geringsten was einzuwenden, sie ermöglicht erst die Überlegungen die ich versuche hier rüberzubringen.


    Wo unsere Überlegungen offenbar auseinander gehen (so scheint es mir zumindest), ist der Zweck der hohen Produktivität und deren Verwendung.


    Natürlich ist es superwichtig, materielle Güter herzustellen und seine Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Das ist die Basis von Wohlstand.
    Aber man darf nicht vergessen dass das alles Mittel ist und nicht Zweck!


    Die Kür, oder der Zweck, geht einen Schritt weiter:
    Es ist das Wohlergehen der Menschen. Und zwar nicht nur einiger Menschen, sondern das Wohlergehen möglichst vieler Menschen. Und nicht nur materiell (was leider heute oft angenommen wird), sondern insgesamt.


    Meine Kritik richtet sich also darauf, dass Wachstum oder Wettbewerbsfähigkeit oft zum Selbszweck erklärt wird.
    Es wird also einseitig darauf geschaut, wie sich Wachstum entwickelt, ob das BIP steigt, ob unsere Marktanteile steigen etc.


    Als Unternehmer kannst du diese Dinge im Vordergrund haben, du musst das sogar. Hier wiederspreche ich dir garnicht. Das bitte nicht verwechseln, keiner wirft das dem Unternehmer vor.


    Aber als Gesellschaft darf man die Welt nicht so einseitig betrachten.
    Hier muss man sehen, wie man Elemente in die Wirtschaft einfügt, die den Zweck, also möglichst viele Menschen glücklich zu machen, erfüllen.
    Und einige / etliche dieser Elemente stehen naturgemäß der Wachstumsmaximierung entgegen.


    So auch die Freizeit.
    Mehr Freizeit, weniger Output.
    Aber möglicherweise dennoch mehr Wohlfahrt (=terminus aus der Ökonomie, nehme an der ist bekannt).
    Auf dem Leven materieller Sättigung den wir erreicht haben, bringt Freizeit (und weniger Stress) sogar sehr sicher mehr Wohlfahrt als zusätzlicher Konsum. Siehe Glücksökonomie und das welfare paradox (Wohlstand in den letzten 50 Jahren ver-x-facht, Zufriedenheit keine Änderung, eher leicht sinkend).


    Und wir können uns (als Gesellschaft) mehr Freizeit ohne weiteres leisten, da die Produktivität so hoch ist, dass wir Überschüße bereits in sinnlose Dinge stecken, etwa den Ankauf von Schuldscheinen.


    Zudem wird die hohe Produktivität bereits zu einem hohen Preis erkauft, nämlich sehr hoher "Stesslevel" in der Bevölkerung. Nicht zu Letzt durch die Intergration der Frauen ist die Menge an geleisteter Erwerbsarbeitszeit massiv gestiegen in den letzten 20 Jahren.
    Diese Zeit fehlt irgendwo.
    Nämlich im Bereich soziales Zusammenleben.


    Also ist mein Punkt, dass wir als Gesellschaft uns neu besinnen sollten, und den Fokus von maximierung materieller Werte (was heute passiert) auf andere Dinge verschieben sollten.
    Wir können uns das leisten.
    Und, ja, das werden die Unternehmer nicht alleine machen, da sie eine andere Sichtweise haben (müssen).
    Wie die Gesellschaft das macht, ob über Staatliche Regelung oder über Individuelles Handeln, ist ihr überlassen. Sie ist der Souverän. Mir geht es im ersten Schritt um das Propagieren einer neuen Sicht auf die Dinge.



    Das zweite Thema (m.E. von dem Thema oben zu trennen):


    Investition in Infrastruktur, etwa was private Investitionen in Pflege und Bildung anbelangt.
    Wenn das ohne Staat laufen soll, möchte ich ein Konzept sehen, das allen zu gute kommt und grade denen die es brauchen, nicht nur den Reichen.
    Also hier in München ist das Gegenteil der Fall.
    Privatschulen, tolle Pflegeheime etc. gibt es alles, mögen auch gut sein. Aber 80% der Bevölkerung sind absolut davon ausgeschlossen.


    Ich habe eine Beobachtung:


    Seit der Staat sich zunehmend raushält, also seit den 90ern, wächst explosionsartig die Schere zwischen Arm und Reich. Weltweit. Keine Umkehr in Sicht.
    Daher habe ich den Glauben in den Markt ohne Staat ziemlich verloren (stell dir vor, ich hatte diesen Glauben tatsächlich mal!), und mit mir denke ich viele andere.
    Das hat "der Markt" schlicht sehr vergeigt.


    Wenn ich in die Vergangenheit schaue, das selbe:
    Gesellschaftliche Errungenschaften wurden vom Staat und Gewerkschaften eingeführt Ende des 19ten Jh. Nicht von den reichen Unternehmern und Junkern in ihren Villen.


    Ich sehe das als ein Konzert von Kräften.
    Beide Seiten sind nötig, der Unternehmer und der Staat. Beide haben eine Berechtigung müssen aber im Gleichgewicht sein.
    M.E. ist der Staat ins Hintertreffen geraten und hat das Primat der Politik zu sehr verloren.
    Ich nehme an das siehst du anders und das mag der Grund für unsere Unstimmigkeit sein.


    wp

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  • Welche Personen haben den gesagt das Wachstum ein Selbstzweck sei? Stelle doch bei mal ein paar Links und Zitate rein.


    Für mich ließt sich dein Beitrag so:
    "Große Teile der Bevölkerung sind so dumm, daß sie nicht wissen was das beste für sie ist. Ich weiß es besser, das beste für sie ist:..."

  • M.E. ist der Staat ins Hintertreffen geraten und hat das Primat der Politik zu sehr verloren.


    Inwiefern kann man davon sprechen, dass der Staat in Deutschland ins Hintertreffen geraten sei bzw. sich seit den 1990ern zunehmend heraushält (woraus auch immer), wenn doch die Staatsquote von 1990 bis 2014 mit damals 43,6% und heute 44% praktisch identisch ist. Angesichts des Kaufkraftzuwachses seit 1990 bis heute scheint mir eher das Gegenteil zuzutreffen.


    Quelle Staatsquote siehe Montatsbericht Bundesfinanzministerium
    http://www.bundesfinanzministe…lung-der-staatsquote.html



    Edit: PS mir scheint die lokale reich/arm Scheere eher auf die Globalisierung
    zurückzuführen wg. Konkurrenz gerade der weniger qualifizierten Kräfte
    mit Ausland und Automatisierung.

  • wächst explosionsartig die Schere zwischen Arm und Reich. Weltweit.


    Einfach zu erklären dadurch, dass die früher global sehr unterschiedlichen aber lokal relativ einheitlichen lokalen Einkommen im Rahmen der Globalisierung miteinander vermengt werden. Plötzlich hast Du in Ländern mit früher sehr niedrigem Einkommen aufgrund der Exportmöglichkeiten und der wirtschaftlichen Weiterentwicklung eine deutlich breitere Schicht "Reiche", siehe Indien, China. Und in Ländern mit höherem Einkommensniveau steigen die niedrigen Einkommen nicht mehr so stark, siehe westliche Länder.


    Mit Staats oder Marktversagen hat das m.E. absolut nichts zu tun. Und solange es den ärmeren Schichten in den westlichen Ländern besser geht als vor z.B. 50 Jahren, gibt es daran m.E. auch nichts zu meckern.

  • Mir scheint, in der Betrachtung von @woodpecker werden Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft vermischt.


    Die Betriebe und Privaten tragen ihre Überschüsse zu den Kapitalsammlern mit dem Willen, diese so zu sparen, dass sie "in der Not" verfügbar sind. Die Kapitalsammler (zB LVs) haben dann die Böcke geschossen, und den minder produktiven Südländern zuviele zu billige Kredite gewährt - teilweise unter sanftem Druck und "incentives" der Politik, die ja prinzipiell meint, mit genug Geld wird aus jedem lahmen Gaul ein Rennpferd.


    Ich glaube schon, dass die Betriebe und die Privaten in "wertvollen" Assets sparen wollen, die sind ja nicht blöd. Bloß darf man dann sein Geld nicht unspezifiziert zu Banken und Versicherungen tragen - das müssen sie noch lernen.


    Das kann nur besser werden, wenn man bspw. mal in den Schulen anfänge, den lieben Kleinen statt exotischer Sexualkunde lieber was über Wirtschaft beizubringen.

    Auch unsere Gedanken sind wircksame Factoren des Universums. Novalis


    Everything will be allright!

  • Das Hauptproblem ist wie immer das sich der durchschnittliche Bürger das leisten könnte, aber 80% wieder nicht ;-)

    »In meinem Alter begreife ich, dass Zeit mein kostbarster Besitz ist.«
    »Freiheit bedeutet, dass man nicht unbedingt alles so machen muss wie andere Menschen.«
    »Eine Aktie zu verkaufen die fällt, ist in etwa so, als ob man ein Haus für 100.000 Dollar kauft und es verkauft, sobald jemand 80.000 Dollar dafür bietet.«
    Buffett

  • Welche Personen haben den gesagt das Wachstum ein Selbstzweck sei? Stelle doch bei mal ein paar Links und Zitate rein.


    Wenn wir zu diesem Punkt wirklich einig sind, ist das schon mal ein Start!
    Dann können wir über die Frage nachdenken:


    Was ist denn der Zweck?
    Wie komme ich dem näher?
    Gibt es Lebensqualität die nicht durch "mehr Materielles" erzeugt warden kann?


    Meine ersten Überlegungen dazu stehen oben.
    Gerne höre ich die Euren.


    Da aber über diese Dinge so wenig gesprochen wird, stattdessen immer über Wachstum, BIP etc, liegt der Schluss nahe, dass letztere zu einem Selbstzweck, zu einem "Götzen" geworden sind.


    Zitat


    Für mich ließt sich dein Beitrag so:
    "Große Teile der Bevölkerung sind so dumm, daß sie nicht wissen was das beste für sie ist. Ich weiß es besser, das beste für sie ist:..."


    Das könnte ich vielen eurer Einträge ebenso unterstellen, denn große Teile der Bevölkerung wollen auch nicht unbedingt was ihr empfehlt.
    Aber dann sind wir schon wieder beim Persönlichen, für den Fall dass wir ernsthaft diskutieren wollen wird uns das keinen Zentimeter weiterbringen...


    wp


    Zitat


    Und solange es den ärmeren Schichten in den westlichen Ländern besser geht als vor z.B. 50 Jahren, gibt es daran m.E. auch nichts zu meckern.


    Doch, das gibt es offenbar.
    Den Grund kann ich dir nennen: Zu hohe Ungleichheit wird als ungerecht empfunden (und ist es auch, wenn sie sich verfestigt, also Durchlässigkeit schwindet). Der Mensch strebt aber nach einem gewissen Maß an Gerechtigkeit.
    Zurecht: Die Glücksöknomie sagt, dass deine Zufriedenheit (ab einem gewissen Grundlevel) nicht von deinem absoluten Level an Wohlstand abhängt, sondern von deinem Relativen.

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  • Das kann nur besser werden, wenn man bspw. mal in den Schulen anfänge, den lieben Kleinen statt exotischer Sexualkunde lieber was über Wirtschaft beizubringen.


    100%



    Zu hohe Ungleichheit wird als ungerecht empfunden


    das sehe ich auch so.


    und ist es auch,


    Nein, sorry, da bin ich nicht dabei. Ungleichheit ist dann ungerecht, wenn Gleiches ungleich bewertet/belohnt etc wird. Ungleiche Einkommen hast Du aber in erster Linie wegen ungleicher Fähigkeiten.

  • Ungleiche Einkommen hast Du aber in erster Linie wegen ungleicher Fähigkeiten.


    Nö, das hat auch noch was mit Angebot und Nachfrage sowie Vermarktungsfähigkeit zu tun. Ich denke z.B., dass ich was kann, was viele andere Leute nicht können, aber trotzdem deutlich weniger Geld verdiene. Das liegt daran, dass es mehr Interesse an beispielsweise Steuerberatung gibt als an dem, was ich mache. Ich finde das auch nicht ungerecht.
    Mit Vermarktungsfähigkeit meine ich beispielsweise, dass Damien Hirst für einen in Formalin eingelegten Hai weitaus mehr Geld erhält als das zoologische Institut um die Ecke, wo man das Gleiche schon fünfzig Jahre früher gemacht hat. Blöderweise ist man aber nicht auf die Idee gekommen, es als Kunst zu vermarkten.

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  • Zitat


    Gibt es Lebensqualität die nicht durch "mehr Materielles" erzeugt warden kann?


    Ich glaube es gibt nicht einen einzigen Menschen auf der Welt der dies bezweifelt, mir ist schwer begreiflich wieso du das vielen Menschen trotzdem unterstellst.

    Zitat

    Was ist denn der Zweck?


    Ich würde sagen glücklich zu sein, aber das ist wie mit der verwandten Frage nach den Sinn des Lebens. Diese Frage kann jeder für sich selber beantworten. Wenn jemand zu einer anderen Antwort kommt als ich ist mir das auch egal, ich habe in diese richtig schon lange nicht mehr den geringsten Diskussionsbedarf. Ein absoluten Konsens wird die Menschheit bei der Beanwortung dieser Fragen ohnehin nicht erzielen. Irgendwie machen deine Beiträge aber den Eindruck, du willst einen Konsens herbeiargumentieren.

    Zitat

    Da aber über diese Dinge so wenig gesprochen wird, stattdessen immer über Wachstum, BIP etc, liegt der Schluss nahe, dass letztere zu einem Selbstzweck, zu einem "Götzen" geworden sind.


    Ich habe da eine total andere Wahrnehmung als du. Die meisten Menschen machen sich meiner Meinung nach, überhaupt keine Gedanken über Wachstum und BIP. Wenn im Handelblatt das Thema "wie wird der Mensch glücklich" nicht angerissen wird, dann aus den selben Grund warum es im Playboy, Tattoomagazin, und im Anglermagazin nicht angerissen wird: weil es spezialisierte Zeitschriften sind, und der Leser wenn er zur Zeitschrift greift, nur über ein spezielles Thema informiert werden will.


    Zitat

    denn große Teile der Bevölkerung wollen auch nicht unbedingt was ihr empfehlt.


    Mir ist nicht bewusst, daß ich in nennswert Empfehlungen ausgesprochen habe. Aber falls mich meine Wahrnehmung täuscht, kannst du mich ja gerne zitieren.


    Ich bin mit den Ergebnissen der Glücksforschung/Glücksökonomie durchaus vertraut, und versuche die Erkenntnisse daraus zu berücksichtigen. Was mich aber absolut auf die Palme bringt ist, wenn andere versuchen vermeintliches Glück zu verordnen.

  • Ich denke z.B., dass ich was kann, was viele andere Leute nicht können, aber trotzdem deutlich weniger Geld verdiene.


    Ein klassisches Beispiel für unterschiedliche Fähigkeiten, die unterschiedlich bezahlt werden :-)
    Genau das war meine Aussage.


    Edit
    Und selbstverständlich spielt da Angebot und Nachfrage mit rein und auch Vermarktung. Und?

  • Glücksempfinden


    Das ist so vielschichtig wie es Menschen gibt!


    Meiner Tochter reicht es ein Smartphone mit Netzzugang & Kopfhörern den ganzen Tag zu nutzen - das wäre mir zu langweilig.
    Ein Workaholic kann oft mit freier Zeit nichts anfangen, mehr als 3 Wochen Urlaub sind eine Qual.
    Andere können sich den ganzen Tag auf eine Parkbank im Park setzen ohne sich zu langweilen, andere nicht mal eine Minute.
    ...


    4 Statt 5 Tage arbeiten, wie stellt man sich das bei einem "Fließbandjob" vor?
    Schließlich soll die Maschine möglichst lange voll genutzt werden ( am liebsten 7/24).


    Viele Ärzte sind jetzt schon zeitlich überfordert, weil es nicht in jeder Region genug Ärzte gibt.


    Man wird also nie alle Berufsgruppen, Lebensverhältnisse, Lebensbedürfnisse usw. unter einen Hut bekommen - im Durchschnitt würde es gehen!

    »In meinem Alter begreife ich, dass Zeit mein kostbarster Besitz ist.«
    »Freiheit bedeutet, dass man nicht unbedingt alles so machen muss wie andere Menschen.«
    »Eine Aktie zu verkaufen die fällt, ist in etwa so, als ob man ein Haus für 100.000 Dollar kauft und es verkauft, sobald jemand 80.000 Dollar dafür bietet.«
    Buffett

  • Das kann nur besser werden, wenn man bspw. mal in den Schulen anfänge, den lieben Kleinen statt exotischer Sexualkunde lieber was über Wirtschaft beizubringen.


    Offtopic:


    Was ist "exotische Sexualkunde"? Ich hatte in der Schule nur die gewöhnliche, sehr sinnvolle Sexualkunde, aber lerne gerne dazu! PS: Sexualkunde (und eine relativ geringe Teenagerschwangerschaftsquote) sind meiner Meinung schon sehr sinnvoll..

    beati pauperes spiritu


    "we shall fight on the landing grounds, we shall fight in the fields and in the streets, we shall fight in the hills; we shall never surrender.“ W.C.


    “Facts do not cease to exist because they are ignored.” – Aldous Huxley