Buchwert und Goodwill

  • Hallo !


    Nocheinmal zum Buchwert. Hier gibt es meiner Meinung nach zwei Betrachtungsweisen für den Investor:


    1) Kauf von Unternehmensanteilen, die unter dem Buchwert gehandelt werden, wobei man Goodwill / Intangibles Posten eventuell abziehen sollte. Dahinter steht die Idee 100 Euro Scheine zu 70 oder 80 Euro zu kaufen. So wie es Ben Graham in seinem Buch: Der intelligente Investor beschreibt..


     2.) Niedriges KBV als indirekter Indikator für Unterbewertung. Nehmen wir z.B. eine Firma, die im Schnitt 12% auf den ausgeweisenen Buchwert (in etwa = equity) verdienen kann (ROE=12%), und z.Z mit KBV=1 gehandelt wird. Dies wäre wirklich eine lukrative Sache, ich könnte dann nämlich mit mindestens 12% Rendite rechnen, wahrscheinlich sogar mehr nämlich dann, wenn Gewinne einbehalten werden und damit das Eigenkapital erhöhen und in den darauf folgenden Jahren eine ROE von ca. 12% gehalten werden kann.


    Als zusätzlichen Effekt hätte man bestimmt ein wachsendes KBV. Und in diesem Fall ist es mir egal ob der Buchwert oder das Eigenkapital einen Goodwill Posten erhält, wenn die Firma zukünftig auf das ausgewiesene Eigenkapital 12% verdient.


    Solche Gelegenheiten wird man allerdings nicht häufug finden, im Prinzip wäre das eine Firma mit einem guten Geschäftsmodell, die im Prinzip noch wachsen kann, aber im Moment eine *vorübergehende* Krise hat und damit zur Zeit die ausgewiesenen Gewinne so gedrückt sind, dass der Kurs auf Buchwertniveau gerutscht ist.
    Zurück zu 1)
    Wenn man es hier mit einem Unternehmen zu tun hat, das sagen wir nur 4% Return on Equity schafft dann werde ich langfristig auch nur etwa 4% Rendite erhalten wenn ich dieses zum Buchwert kaufe, selbst wenn ich es zu 80% Buchwert kaufe kann es sein dass das jahrelang so bleibt ...

    Ich bin eher auf der Suche nach Fall 2)


    spud >>>


                Hallo Dak,


                sehr interessantes Thema. Grundsätzlich gebe ich dir recht habe aber noch zwei Anmerkungen.


                zu 1.) Solche Firmen von Investmentqualität findest du auch extrem selten. Zur Zeit nach mehrjähriger Bässe erfüllen gerade 4 Unternehmen diese Bedingung: USU UFI CGO MEOH <= Vieleicht sind die eine nähere Betrachtung wert  


    Aus allen Unternehemen habe ich die mit P/S <1 CurrentR >1 Quick Ratio > 1 MarcetCap > 150mio DailyVolume > 90.000 gefiltert. Läßt man das QuickRatio als Bedingung weg so müßte noch Dillard auftauchen die ich auch im Depot habe.


    Ich gebe dir auch recht, wenn du sagst das diese Unterbewertung noch eine Weile anhalten kann. Du mußt dann halt auf die Softfaktoren schauen. Wie Restrukturierungen, wechsel im Management usw.


    Ich vermute die Gruppe 1. Aktien sind echte Turnarounds während Gruppe zwei echte Antizykliker sind.



     Zu 2)
     Das Eigentkapital(E) berechnet sich Total Assets(A)-Total Liabilities(L). D.h. also das E läßt sich nur steigern wenn Entweder L vermindert wird. (Schulden zurückzahlen, Kostenkürzungsprogramme) oder das A gesteigert wird. (Aus  Überschüssen neue Assets kaufen, die Gewinnsituation verbessern => gut oder Inventories aufstocken => schlecht)
     Du gibst mir sicher Recht das man nicht ewig bei den L einsparen kann sondern das das Potential dort begrenzt ist.  Echte Wertsteigerung ist nur über Aufbau der Assets möglich. Nun ist der Goodwill kein echter Wert und steigt damit auch nicht im Wert. Es sei denn es werden weitere teure Übernahmen getätigt.


    Worauf ich nun hinaus will: Steht ein großer Goodwillposten in der Bilanz wirkt das wie eine Bremse auf das ROA. Weil eben nur der Rest der Assets wachsen kann.


                Ein kleines (extremes) Rechenexempel:


                - Total Assets 100mio
     

  • Hallo,


    was dak beschreibt, sind Faelle, in denen die Aktivierung von Firmen- oder aequivalentem Wert (Goodwill) sinnvoll ist, um die Lage des Unternehmens moeglichst realistisch darzustellen.


    Das Problem ist natuerlich, dass beim Goodwill-Posten in der Bilanz ein viel groesserer Ermessensspielraum besteht als bei Sachanlagen.


    In den meisten Faellen, bei denen wir bisher ueber Goodwill gestolpert sind, wurden in der Vergangenheit Firmen zu einem Preis ueber dem Buchwert aufgekauft - die Differenz zwischen Kaufpreis und Buchwert erscheint dann in den Bilanz des Kaeufers auf der Aktivseit unter `Firmenwert'. Die Frage ist, ob der Preis fair war und welche Werte man damit wirklich erworben hat.
    Man glaubt normalerweise einen `strategischen Vorteil' zu haben, somit ist der Goodwill-Posten zunaechst gerechtfertigt. Sollte er abgeschrieben werden? Wenn ja, ueber welchen Zeitraum? (Neuerdings muss er nach US-GAAP ja nicht mehr abgeschrieben, sondern nur noch regelmaessig ueberprueft werden.) Ich finde das absurd. Wenn ich zu einem ueberhoehten Preis eine Firma kaufe, habe ich ja vielleicht einen Vorteil, aber der haelt nicht ewig an. Nicht abschreiben ist definitiv Unfug. Auch der Anleihenbesitzer aus dak's Beispiel muss den Goodwill spaetestens abschreiben bis die Anleihe zurueckgezahlt wird, sonst hat er Luft in der Bilanz. Als Aktionaer habe ich zudem noch das Risiko, dass sich das Management spaeter doch entschliesst, etwas abzuschreiben, und dann sind evtl die Gewinne weg, obwohl das operative Geschaeft prima laeuft. Fuer die Aktionaere bedeutet das neue Unsicherheiten. (Waere schoen, wenn die Maerkte dadurch ineffizienter werden, denn nur dadurch kann man den Markt schlagen ;). Ich fuerchte aber, das ist erstmal nur Theorie ...)


    Ach ja, und Firmenwert ist ja nur ein Teil der moeglichen immateriellen Vermoegensgegenstaende. Was kann da sonst noch auftreten? Patente und Lizenzen. Die sind oft handelbar, d.h. wenn meine Firma aufgeloest wird, kann ich sie noch weiterverkaufen. Solche Werte gehoeren zum Zerschlagungswert, und es waere fuer die Firmenbewertung okay, wenn man sie ueber die ganze Laufzeit des Patents abschreibt.


    Es gibt aber auch Lizenzen, die erloeschen, weil sie an einen bestimmten Lizenznehmer gebunden sind - so z.B. Rechte an Kino- oder Fernsehfilmen. Wenn z.B. VCL oder wie sie alle heissen, pleite sind, verfallen diese Rechte. Aus der Sicht von VCL wuerde ich die Filmrechte genauso ueber die ganze Laufzeit abschreiben wie ein Patent - naemlich so lange, wie ich davon profitieren kann. Wenn ich mir allerdings das KBV so einer Aktie ansehe, weil ich glaube, dass der Aktienkurs bei KBV=1 nach unten abgesichert ist, dann darf ich solche Rechte nicht mitzaehlen. Sie gehoeren nicht zum Zerschlagunswert.


    Der Wert eines Markennamens liegt irgendwo zwischen den beiden Beispielen. Die Presifindung
    ist wesentlich weniger objektiv als bei einem Patent oder z.B. Oel-Bohr-Konzessionen, allerdings sind moeglicherweise Konkurrenten auf die Marke scharf und wuerden viel Geld dafuer bezahlen. Ich kann aber nicht sinnvoll einen bestimmten Wert dafuer in die Aktiva schreiben.


    Gruesse


    Balkenchart
    [br][size=1](Diese Nachricht wurde am 24.02.02 um 22:06 von Balkenchart geändert.)[/size]

  • Hallo dak, Hallo Balkenchart,


    danke fuer den Anstoss.


    Ich denke, die hohen Goodwill-Positionen bei den Unternehmen könnten tatsächlich in der Zukunft zu einigen AZ-Chancen führen, wie Balkenchart schon angedeutet hat.


    Die meisten Firmen haben bei zu teuren Übernahmen einiges an Vermögen in den Sand gesetzt und haben deswegen auch sehr grosse Goodwill-Positionen.


    Die Fehler, sprich das zu teure Einkaufen, sind aber schon in der Vergangenheit passiert.
    Reduziert sich nun der Goodwill (ob nun wegen Abschreibung oder Überprüfung ist egal) sinken die Unternehmensgewinne, obwohl sich faktisch ja nichts an den Gewinnen des Unternehmens geändert hat. Wir AZler rechnen den Goodwill eh immer raus, deswegen sind uns auch Abschreibungen auf den Goodwill egal.
    Wer kennt interessante Unternehmen mit hohem Goodwill (ausser WCOM) ?


    MfG Schwarzgeld

  • Ich koennte mir folgendes Szenario vorstellen: Eine Firma hat teuer eingekauft. Nach ein paar Jahren ist Gras darueber gewachsen, das operative Geschaeft laeuft, und nur der hohe Goodwill-Posten erinnert noch an die Uebernahme. Ein neuer VV wird berufen, und der will erstmal reinen Tisch machen, sich von Altlasten befreien und moeglichst viel noch dem Vorgaenger in die Schuhe schieben. Er schreibt also moeglichst viel von dem Goodwill ab (um in Zukunft selbst mehr Spielraum zu haben). Jetzt tauchen auf dem Papier ploetzlich Verluste auf und die Firma getaet in Verruf wegen ihrer Bilanzierungspraxis, die zu so hohen Abschreibungen gefuehrt hat. Und all das, ohne dass sich operativ aendert.


    Balkenchart

  • Hallo an alle,


    vielen Dank für die Aufklärung die Problematik war mir nicht so bewußt gewesen. Für mich waren immaterielle Vermögenswerte bisher Geld das bei Firmenübernahmen zuviel gezahlt wurde oder Markennamen. Das da auch Patente bzw. Filmrechte oder das Anleihe-Szenario von Dak dazugehören war mir nicht bewußt.


    Bleibt noch die Frage wie man erfahren kann um was es sich im Einzelfall denn nun handelt ???
    Denn bis ich das nicht weiß bleibe ich Pessimistich was den Wert des Goodwill angeht. Bzw. rechne ihn lieber raus wie das Schwarzgeld macht.


    schwarzgeld weiteroben habe ich mal ein paar Firmen mit viel Goodwill genannt. Schau dir mal PWR,PRGX und SFN an..


    Viele Grüße Spud


    P.S. Ich bin immer wieder begeistert davon wieviel Fachwissen hier im Forum versammlt ist.

    They did not know it was impossible, so they did it! --Mark Twain

  • Investments in Werte mit sehr hohen Goodwill-Positionen würde ich nur eingehen, wenn sehr gute Chancen auf ein (hohes) Gewinnwachstum bestehen. Es muß ja schließlich etwas da sein, was einen Kursanstieg fundamental rechtfertigen kann. So eine Art Katalysator. Ein Nettovermögensüberschuß unter Wert ist ja hier u.U. nicht vorhanden. Bei WCOM fehlt mir da z.Z. der rechte Glaube.

  • Hallo !
    aus Security Analysis: (S. 355 in meiner Ausgabe)


    >>
    Den Buchwert je Aktie findet man, indem man alle Vermögenswerte addiert, die Vebindlichkeiten und etwaige Vorzugsaktien (?) abzieht und durch die Aktienanzahl teilt.


    ...


    Der Ausdruck Buchwert ist etwas zweideutig. Manchmal meint er, dass damit alle ausgewiesenen Vermögenswerte gemeint sind, und manchmal sollen immaterielle Werte ausgeschlossen sein. ... Wir sind dafür, alle die immateriellen Werte zu berücksichtigen, die einen bekannten oder schätzbaren Verkaufswert haben oder einen unmittelbaren Strom von Erlösen erzeugen, wie Lizenzen, Patente, Tantiemen,...


    Beispiel:
    1985 führte Philip Morris Goodwill von 4,4 Milliarden Dollar, der über 40 Jahre linear abgeschrieben wird. Ungefähr 3,9 Milliarden ergaben sich aus dem Erwerb von General Food. Das Eigenkapital von Philip Morris Ende 1985 betrug 4,75 Milliarden Dollar. Eine sofortige vollständige Absetzung des Goodwill hätte das Eigenkapital der Aktionäre praktisch ausgelöscht.
    >>


    und wie sich leicht nachprüfen lässt, war wohl der Goodwill Posten, der vom Kauf von General Food herrührte sein Geld wert, und hat bis heute eher an Wert gewonnen als an Wert verloren, so dass es völlig sinnlos war diesen abzuschreiben !


    Abschreiben sollte man nur Dinge, die über die Jahre an Wert verlieren, wie Maschinen, Technik, meiner Meinung nach auch Patente, denn die laufen irgendwann aus.


    Ich denke die Kunst liegt darin, abzuschätzen, ob der ausgewiesene Wert des Goodwill real ist oder wirklich abgeschreiben werden sollte.


    dak


    P.S:
    ich bin schon mehrfach darüber gestolpert, dass in der amerik. Literatur Vorzugsaktien nicht als Aktien (Unternehmensanteile) betrachtet werden, sondern als eine Art Verschuldung, weiss jemand näheres ?

  • Hallo dak,


    bei den Vorzugsaktien hilft Meister Fugger im "Handbuch der erfolgreichen Aktienanlage" auf S. 21 weiter:


    "Die Vorzugsaktie ist gewissermassen eine deutsche Spezialität, die man in anderen Ländern in dieser Form nicht kennt. In den USA sind zwar "preferred shares" weit verbreitet, deren Bezeichnung wörtlich übersetzt nichts anderes als "Vorzugsaktien" bedeutet, aber diese Papiere weisen eher Anleihen- als Aktiencharakteristika auf und haben daher mit den deutschen Vorzugsaktien ausser dem Namen wenig gemein.


    Da Vorzugsaktien kein Stimmrecht gewähren, sind vor allem britische und amerikanische Anleger an solchen Papieren nicht interessiert. Sie erwarten mit Recht, die Geschäftspolitik von Unternehmen beeinflussen zu können, an denen sie grosse Beteiligungen halten."


    Hoffe, das hilft dir weiter -


    witchdream

  • Das Goodwill problem liegt meiner meiniung nach in einer starken Hausse verbunden mit fusionitis begruendet. Normalerweise wuerde man ja davon ausgehen, dass eine Firma nichts kauft, dass sein Geld nicht wert ist, sofortige total Abschreibung ist also kaum gerechtfertigt. Nun haben in den letzten Jahren aber viele selbst stark ueberbewertetet AG's andere ebenfalls ueberbewertete AG'S gekauft um damit ihre eigenen Wachstumsprognosen erfuellen zu koennen oder weil irgendein Wirtschaftsberater etwas von Synergieeffekt gefaselt hat. Eine jaehrliche Neubewertung der daraus entstandenen Goodwill anteile am Buchwert ist da im prinziep schon richtig, wuerde aber vorraussetzen das die manager ihre fehlinvestitionen offen eingestehen und abschreiben.
    Philipp Morris dagegen hat General Food 1985 wahrscheinlich gekauft weil sie guenstig zu haben waren. Dabei beschraenkte sich der Wert von General Food natuerlich nicht auf Produktionsstaetten sondern vor allem auf gut eingefuehrte Markenprodukte, also Goodwill, in diesem fall aber ein nicht ueberbewerteter und auch nicht im WErt abnehmender Goodwill.

  • Hallo beisammen,


    Hab noch mal eine Frage:
    Bilanzsumme setzt sich zusammen aus:


    Grundkapital
    Eigenkapital
    Rückstellungen
    Verbindlichkeiten
    sonstige Passiva


    Ich will den Buchwert haben:
    Ist das jetzt Eigenkapital+Grundkapital
    oder nur das Eigenkapital? warum die Unterscheidung?
    Ist Grundkapital nicht auch Eigenkapital??


    Gruß,


    Joe

    “It’s the little things that matter. It’s one thing to tell someone they look like the first day of spring. It’s another thing to tell them they look like the last day of a long, hard winter.” - Zig Ziglar

  • Eigenkapital und Grundkapital ist soviel ich weiß dasselbe.
    Bekanntlich halten sich die zwei Seiten der Bilanz (Aktiva und Passiva) die Waage.
    Auf der Aktivseite stehen Immobilien, Maschinen, Bargeld, Wertpapiere, Bankguthaben, Forderungen usw. (tangible assets) und Goodwill (intangible assets).
    Die Passivseite gibt an wie diese Sachen finanziert wurden: hier findet man alle Arten von Verbindlichkeiten, Rückstellungen (sind auch voraussichtliche Verbindlichkeiten z.B. in Zukunft zu zahlende Steuern, Pensionen u.ä.) und das Eigenkapital. Das EK ist der Betrag der noch fehlt um auf die gleiche Summe zu kommen wie auf der Aktivseite.


    Die Angaben zum Buchwert, die man auf den üblichen Finanzseiten im Internet findet, enthalten soviel ich weiß auch den Goodwill. Yahoo gibt z.B. für Worldcom einen Buchwert je Aktie von über 18 an (http://biz.yahoo.com/p/w/wcoeq.ob.html).
    So können sich die Firmen von der schönsten Seite dem Anleger präsentieren.

  • Was bei Gewinn (Thread) und Cash-Flow (Thread) möglich ist, das ist selbstverständlich auch beim Buchwert zu leisten, nämlich daß die ausgewiesenen Zahlen nicht valide sind. Sprich, das, was man mit dem Eigenkapital bekommt, ist nicht das, was man glaubt zu bekommen, oder was man gerne hätte.


    Es kann bei der antizyklischen Anlage nicht darum gehen, effiziente Märkte zu implizieren. Deshalb ist der Goodwill eigentlich ohne jeden Zweifel zu bereinigen, erst recht für eine mechanische Strategie. Einzelfallbeispiele bringen gar nichts. Die Überprüfung, ob der Goodwill noch werthaltig ist, ist die Aufgabe des Managements, und nicht des Anlegers, jedenfalls nicht des mechanischen.
    Der Grund ist: Ein übernommenes Unternehmen kann im Bauch der Muttergesellschaft doch nicht auf einmal höher bewertet werden, als es einzeln an der Börse bewertet würde. Beispiel: Ein Unternehmen A mit 40 Mio. Buchwert wird von B übernommen für 100 Mio. In der Bilanz von B taucht es fortan mit 100 Mio. auf und nicht mit 40 Mio. Wenn ich dann unkritisch das Eigenkapital von B übernehme, und mich womöglich noch freue, ein Schnäppchen gemacht zu haben, weil ich Aktie B für KBV=1 gekauft habe, dann bewerte ich damit in Wahrheit A mit einem KBV von 2,5! Hätte ich vor der Übernahme mit dem gleichen strengen KBV-Kriterium von maximal 1 gescreent, dann wäre mir Aktie A nie ins Netz gegangen (sofern sie bereits gleich viel an der Börse wert war).
    Andernfalls müßte man konsequenterweise jede Aktie mit KBV=1 ansetzen, weil der Marktpreis immer gleich dem "wahren" Wert des Eigenkapitals entspricht. Oder man stelle sich Beteiligungs- oder Mantelgesellschaften vor.


    Dann gibt es noch eine weitere Sache. Gewöhnlich wird einfach die Summe "Eigenkapital" in der Bilanz genommen für den Buchwert. Darin sind aber oft auch Minderheitenanteile enthalten. Das sind aber doch das Kapital, das den Aktionäre einer Tochtergesellschaft zusteht ... Theoretisch müßte man auch die herausrechnen, wenn man es genau machen will.


    Seufz, die Bilanzierungsregeln sind einfach nicht für mechanisches Screening gemacht. Wichtig ist vor allem die Vergleichbarkeit der Zahlen ...

    „Lasst uns doch die Quadratur des Kreises probieren.“Robert Habeck über sein Politikverständnis

  • Das ist ganz ganz ganz schwierig. Wir hatten einen echt coolen Prof. der den Unterschied zwischen derivativem und orginärem (also zugekauftem und selbstgeschaffenem) Goodwill ziemlich gut darstellen konnte.


    Er sprach immer davon: Ist ein Ofen in einer Bäckerrei der der noch funktioniert und mit 1¤ in den Büchern steht wirklich nur 1¤ wert?


    Ich will am Beispiel deiner Argumentation bleiben - um das Problem aufzuzeigen.


    Nur ein fiktives Beispiel um das Problem zu verdeutichen:
    Ein Unternehmen kauft Flipper auf dem Sperrmüll und verleiht diese an Kneipen. 1 Flipper kosten in der Anschaffung 1¤. Das Unternehmen stellt diese in die Kneipen und macht mit den Wirten 50:50. Insgesamt hat das Unternehmen 40Flipper die zu einem Buchwert von 40¤ in der Bilanz stehen.
    Der Trick. Jeder Flipper "erwirtschaftet" pro Woche 100¤ Umsatz (konstant für 1 Jahr). Kosten sind im Grunde 50% des Umsatzes. Das Unternehmen hat also pro Woche 40*50¤ Gewinn. (2000¤).


    Ist das Unternehmen seinen Buchwert "wert" (40¤?) Wahrscheinlich ja.


    Wenn ein Unternehmen kommt und 100¤ für die Flipper bezahlt. Hat es Goodwill von 60¤ in der Bilanz. Als Mechaniker würde das Unternehmen "rausfallen". In der realistischen Betrachtung würde sich aber jeder die Finger lecken, wenn er das Unternehmen für 100¤ übernehmen könnte. Wenn er mit den Wirten einen Jahresvertrag hätte, dann wäre sogar ein Kaufpreis von 50.000¤ noch günstig, da der "sichere" Gewinn ja 104.000 (2000*52) betragen würde.


    An sich ist Goodwill also eine "relative" Sache. Die IFRS sind dem "vorsichtsprinzip" nach HGB ist, wenn der IFRS "ordentlich und vorsichtig" angewendet wird (und das ist sicherlich vom Management abhängig) überlegen.


    Das "dumme" ist, dass es für mechaniker keine "einfache" Lösung gibt. Am besten fährt man wahrscheinlich mit der bereinigung um den Goodwill - auch wenn man dadurch wahrscheinlich sehr viele Chancen links liegen lässt.

    Wenn ich rein mechanisch vorgehen würde, dann würde ich vielleicht eine "prozentuale" Reduktion des Goodwills in Erwägung ziehen.


    Also Goodwill --> Anteil EK --> Reduktion um %
    100% --> 100% (Anteil Goodwill am EK Reduktio um %)
    50% --> 50%
    10% --> 10% (Geringer Anteil Goodwill am Ek --> geringe Bereinigung)

    Value investing is at its core the marriage of a contrarian streak and a calculator - Seth Klarman

    Einmal editiert, zuletzt von Matze ()

  • Eine mechanische Strategie mit KBV als einziger Kennzahl ist nach meiner Erfahrung finanzieller Selbstmord.


    Das Problem ist zum einen der hier angesprochene Goodwill, der bei Firmen des Neuen Marktes zum Teil bizarre Dimensionen hatte. In der Praxis kann man das Problem aber effektiv entschärfen, indem man bei interessanten Aktien kurz prüft, ob der Goodwill mehr als - sagen wir - 10% des Eigenkapitals ausmacht. Falls ja: Im Zweigfelsfall Finger weg - als Mechaniker ist man nicht gezwungen, sich mit fragwürdigen Kaufkandidaten zu befassen.


    Das KBV als (einzige) Kennzahl ist zusätzlich auch noch extrem gefährlich, weil man damit gezielt Pleitekandidaten filtert. Bei einer reinen KBV-Strategie finden sich als Top-Kaufkandidaten oft Firmen kurz vor Bankrott, bei denen die Aktie bereits gecrasht ist, und bei denen der letzte Jahresabschluss noch einen respektablen Buchwert ausweist. Im Ergebnis führt so eine Kombination zu einem traumhaft niedrigen KBV. Das Problem ist nur, dass bei diesen Pleitekandidaten die operativen Verluste das verbleibende EK ratzfatz auffressen. Das sieht man dann erst im nächsten Jahresabschluss, falls der noch erstellt wird.


    Man kann dieses Problem aber leicht eliminieren, wenn man das KBV mit einer gewinnbezogenen Kennzahl kombiniert (KGV usw.). Das kegelt die Pleitekandidaten aus den Top-Dezilen raus und ist ein gutes Beispiel für den Sinn und Nutzen von Multifaktor-Screenings.

  • Zitat

    Eine mechanische Strategie mit KBV als einziger Kennzahl ist nach meiner Erfahrung finanzieller Selbstmord.


    [spitzfindig]Wäre es nicht, weil man nach O'S klar sieht, dass diese Strategie besser als der Markt abschneidet.[/spitzfindig]


    Bei allen Macken, die mir zugegebenerweise so noch gar nicht bewusst waren, ist das KBV schon ein starker Indikator.
    Tobins Q ist definiert nach dem Wiederbeschaffungswert. Was würde es kosten, eine identische Firma aufzubauen?
    Ist die Zahl über 1 dann ist es billiger selbst eine Firma zu gründen. Ist sie unter 1, dann bekommt man die gekaufte Firma billiger, als wenn man sie selbst gegründet hätte.
    Auch in dem Beispiel von Winter mit Unternehmen B kauft Unternehmen A, und dadurch wird Unternehmen A plötzlich 2,5 mal so viel wert wie vorher: Ja, dann ist es eben so. Der Anschaffungswert war für Unternehmen B teurer, als Unternehmen A damals dafür bezahlt hatte. Aber der Preis war nuneinmal so hoch, und geht man davon aus, dass im Mittel alles immer zum fairen Preis gekauft wird, dann stimmt das auch so.
    Kein Mensch prüft, ob die PC's die das Unternehmen für seine Angestellten einkauft, günstig oder teuer eingekauft wurden. Es kann sein, dass die Laptops teuer für 10.000 Euro pro Stück gekauft wurden, oder nur für billige 1.000 Euro pro Stück. Im Mittel wird es wohl ein Konkurenzfähiger Preis gewesen sein, weshalb der KBV-Faktor wohl auch statistisch trotz dieser Ungereimtheiten und Macken funktioniert.


    Gruß, Joe

    “It’s the little things that matter. It’s one thing to tell someone they look like the first day of spring. It’s another thing to tell them they look like the last day of a long, hard winter.” - Zig Ziglar

  • Der Haken bei den K-irgendwas Kennzahlen ist, daß die Bestandteile nicht aus dem gleichen Zeitraum stammen. Ich habe den Kurs von heute und den Gewinn, Buchwert oder Cashflow vom letzten vorliegenden Abschluß. Für die momentane Betrachtung ist immer eine Portion Blindflug gegeben, da ich ja nie Gewinn, Buchwert oder Cashflow von heute weiß.


    Man müßte eigentlich zusätzlich den Mittelkurs aus dem Monat oder Quartal vor der Veröffentlichung der Zahlen zu diesen ins Verhältnis setzen.

    Auch unsere Gedanken sind wircksame Factoren des Universums. Novalis


    Everything will be allright!

  • @ Joe:


    Zitat

    [spitzfindig]Wäre es nicht, weil man nach O'S klar sieht, dass diese Strategie besser als der Markt abschneidet.[/spitzfindig]


    Starker Einwand, der mich stutzen ließ.


    Des Rätsels Lösung: O'S beschränkt sich auf Firmen mit einer Kapitalisierung von mindestens 150 mio USD. Damit eliminiert er von vornherein Pleitekandidaten auf penny-stock-Niveau, die häufig phantastische KBV-Werte aufweisen.


    Ich habe eben mal meine Datenbank nach KBV sortiert. Ergebnis: Auf den sechs Spitzenpositionen finden sich auf Anhieb drei Firmen, die bereits Konkurs angemeldet haben: Köhler & Krenzer, Hirsch und Azego. Alle längst im Pennystock-Bereich.